OLG München: Zum Gesundheitsbezug von Maßnahmen mit ästhetischer Zielsetzung

veröffentlicht am 12. Februar 2016

OLG München, Urteil vom 14.01.2016, Az. 29 U 2609/15
§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 8 UWG

Die Entscheidung haben wir hier für Sie kurz zusammengefasst, den Volltext finden Sie nachstehend:

Oberlandesgericht München

Urteil

I.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.06.2015, ergänzt durch Beschluss vom 13.07.2015, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass von den Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz der Kläger 2/13 und der Beklagte 11/13 trägt.

II.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 2/13 und der Beklagte 11/13.

III.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung aus den Ziffern I.2. bis I.12. des landgerichtlichen Urteils jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten können beide Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

I.
Der Kläger macht gegen den Beklagten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder inklusive der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört.

Der Beklagte wirbt unter dem Domain www…de für eine Behandlung mittels des sogenannten K.-Verfahrens (vgl. Anlage K 4). Nach der Werbung des Beklagten werden bei der K.-Behandlung Fettpolster durch Kälte reduziert. Mittels der an Bauch, Beinen und Hüften einsetzbaren Methode würden die Fettzellen zerstört, die toten Fettzellen durch den Stoffwechsel abgebaut und neue Fettzellen nicht mehr generiert, was zu einer dauerhaften Fettentfernung führe.

Mit Schreiben vom 21.07.2014 (Anlage K 5) mahnte der Kläger den Beklagten ab und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hinsichtlich etlicher Werbeaussagen. Der Beklagte gab nur hinsichtlich eines Teils der beanstandeten Werbeaussagen die geforderte Unterlassungserklärung ab (Anlage K 6).

Nach Auffassung des Klägers sind die vom Beklagten beworbenen Wirkungen der K.-Behandlung wissenschaftlich nicht erwiesen. Bei der als Anlage B 2 vorgelegten Studie handele es sich nicht um eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie, die für gesundheitsbezogene Werbung erforderlich wäre, und zudem belege die Studie auch nicht die beworbenen Wirkungen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die streitgegenständlichen Werbeaussagen seien durch die vorgelegte Studie von Pinto et al. (Anlage B 2) hinreichend wissenschaftlich gesichert. Es gehe hier um ein rein kosmetisches Verfahren, für das nach der BGH-Entscheidung „Alpecin“ die Vorlage einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung gerade nicht zwingend erforderlich sei.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 29.06.2015, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, vollumfänglich stattgegeben und wie folgt erkannt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine Behandlung mittels „K.“ mit den Angaben zu werben:

1. „Fettreduktion durch Kälte“,
2. „Mit dem neuen Verfahren der K. bietet K. eine schonende Methode und [sic!] hartnäckige Fettpolster gezielt und nachhaltig zu reduzieren…“,
3. „N. W.:, Ich habe am Bauch ca. 5,5 cm Umfang verloren. Ich denke das Ergebnis spricht für sich. Ich habe immer noch einen leichten Bauchansatz aber es ist klar zu erkennen wie viel mein Körper geformt wurde.“,
4. „Unglaubliche 12 cm in 3 Monaten verloren.“,
5. „Ich habe meine Oberschenkel/Reiterhosen behandeln lassen und bin wirklich sehr begeistert von dem Ergebnis! Habe an beiden Seiten je 5cm Umfang verloren.“,
6. „Insgesamt ist mein Bauch-/und Hüftumfang 6 cm weniger geworden und die Muskelgruppen in diesem Bereich sind nun definitiv besser zu sehen.“,
7. „Ich selber hab bis zu 7 cm Bauchumfang nach paar Wochen verloren…“,
8. „Durch die K.-Behandlung habe ich nun endlich eine harmonische Körpersilhouette bekommen“,
9. „Nach der zweiten Anwendung am Bauch habe ich bereits 6 cm an Bauchumfang verloren!“
10. „. habe 5 cm Bauchumfang verloren, dauerte etwa 5 Wochen, aber die Wirkung ist genial“,
11. „Bei diesem Verfahren werden lästige Fettpolster mittels gezielter Vakuum-Kühltechnologie abgebaut“,
12. „Diese Kühlung bewirkt einen natürlichen Abbau der Fettzellen. Durch dieses Verfahren können Problemzonen an Bauch, Hüften und Oberschenkeln nachhaltig reduziert werden“,
13. „Schlank durch Kälte“, jeweils sofern dies geschieht wie in der Anlage K 4 wiedergeben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

II. a Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

[vorläufige Vollstreckbarkeit]

III. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er wiederholt und vertieft seinen Vortrag erster Instanz und beantragt:

Unter Abänderung des am 29.06.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts München I (Az. 4 HK O 18893/14) wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 hat der Kläger die Klage in Ziffern I. 1. und I.13 (entspricht Ziffern und I. 13. des Tenors des landgerichtlichen Urteils) mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Weiter haben die Parteien den Rechtsstreit, soweit er Ziffer II. des landgerichtlichen Urteils betrifft, übereinstimmend für erledigt erklärt.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 Bezug genommen.

II.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche hinsichtlich der Werbeaussagen gemäß Ziffern I.2.- I. 12. des landgerichtlichen Urteilstenors zu.

Die Unterlassungsansprüche ergeben sich aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG. Die Werbeaussagen des Beklagten sind irreführend.

1.
Die Werbeaussage des Beklagten „Mit dem neuen Verfahren der K. bietet K. eine schonende Methode, um hartnäckige Fettpolster gezielt und nachhaltig zu reduzieren…“ ist irreführend gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.

a)
Bei der Werbung für das K.-Verfahren handelt es sich um gesundheitsbezogene Werbung. Es mag zwar richtig sein, dass die Behandlung in erster Linie ästhetischen Zwecken dienen soll. Das angestrebte ästhetische Ziel soll aber durch eine Einziehung des Fettgewebes und die nachfolgende Zerstörung von Fettzellen und somit durch einen körperlichen Eingriff erreicht werden. Gesundheitsbezogene Werbung liegt nicht nur dann vor, wenn das angestrebte Ziel der Behandlung gesundheitsbezogen ist, sondern auch, wenn ästhetische Ziele durch Maßnahmen erreicht werden sollen, die in die körperliche Integrität eingreifen und dadurch Gesundheitsbezug haben. Die besonderen Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen bei gesundheitsbezogener Werbung rechtfertigen sich aus dem Interesse an dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 5 Rn. 4.181; BGH GRUR 2013, 649 Tz. 16 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Dieses ist aber bei Maßnahmen zu ästhetischen Zwecken, deren Durchführung einen Gesundheitsbezug aufweisen, genauso berührt wie bei Maßnahmen, die selbst ein gesundheitsbezogenes Ziel haben.

b)
Die angegriffene Werbeaussage ist aber selbst dann unzulässig, wenn man nicht den besonders strengen Maßstab für gesundheitsbezogene Werbung anlegt. Auch außerhalb der gesundheitsbezogenen Werbung hat derjenige, der sich auf eine fachlich umstrittene Behauptung stützt, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Angabe übernommen und muss sie im Streitfall beweisen (Köhler/Bornkamm a. a. O. § 5 Rn. 3.26 m. w. N.). Der Kläger hat durch Vorlage der unter m….at und K….at (Anlagenkonvolut K 11) veröffentlichten Artikel nachgewiesen, dass die Wirksamkeit der K. wissenschaftlich umstritten ist. In den Artikeln wird überdies auf Nebenwirkungen der Behandlung hingewiesen. Zum Beleg der angegriffenen Behauptung, dass die K. eine schonende Methode zur nachhaltigen Reduktion von Fettpolstern ist, ist die vom Beklagten vorgelegte Studie von Pinto et al. (Anlage B 2) schon deshalb nicht geeignet, weil sie sich mit Nebenwirkungen der Behandlung ebenso wenig beschäftig wie mit der Frage, ob der Behandlungserfolg dauerhaft ist. Die Studie trägt die angegriffene Werbebehauptung nicht.

2.
Ebenso wenig ist die Studie zum Beleg der Werbeaussagen gemäß Ziffern I.3 bis I.10 des landgerichtlichen Urteils geeignet. Durch die Wiedergabe der angeblichen Kundenäußerungen macht der Beklagte sich diese zu eigen und erweckt bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung, dass durch die Behandlung eine Reduktion der Fettpolster in einem Ausmaß zwischen 5 und 12 Zentimeter erreicht werden kann. Dies wird durch die Studie von Pinto et al. in keiner Weise belegt. Die bei der Studie erzielten Ergebnisse bewegen sich im Bereich von ca. 1 cm.

3.
Auch die Werbebehauptung gemäß Ziffer des landgerichtlichen Urteils „Bei diesem Verfahren werden lästige Fettdepots mittels gezielter Vakuum-Kühltechnologie abgebaut“ wird durch die vorgelegte Studie nicht wissenschaftlich belegt. Die Studie ist für den wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit der Lipokryolyse nicht geeignet, was sich bereits aus dieser selbst ergibt. Der Wirksamkeitsnachweis war gar nicht das Ziel der Studie, sondern wurde vielmehr als gegeben vorausgesetzt und auf der Basis der Annahme der Wirksamkeit wurde die Studie zur Quantifizierung der Wirksamkeit durchgeführt. Die Studie war nicht auf den Nachweis der Wirksamkeit der Lipokryolyse ausgelegt. Dementsprechend heißt es bereits im vorangestellten „Abstract“ der Studie:
„Die Lipokryolyse wurde bereits als eine effektive Therapie dafür anerkannt: Die lokalisierte Fettreduktion kann im Rahmen einer einzigen Therapie mittels einer kombinierten, regulierten und kontrollierten Wärmeabfuhr und eines Vakuums erzielt werden. Diese Studie wurde erstellt, um diese postulierte Reduktion lokaler Adipositas mengenmäßig festzulegen und auszumessen.“

Ausweislich der Studie wurde die Wirksamkeit der Lipokryolyse als Hypothese als wahr unterstellt und Ziel der Studie war die Analyse und Quantifizierung der Wirksamkeit der Lipokryolyse sowie die Bestimmung einer methodologischen Grundlage, um zukünftige therapeutische Standardprotokolle erstellen zu können.

Zwar ergeben sich aus den durch die Studie gewonnenen Messdaten Hinweise für die Wirksamkeit der Lipokryolyse, als wissenschaftlicher Nachweis kann die darauf nicht ausgelegte und diesen Anspruch selbst gar nicht erhebende Studie allerdings nicht angesehen werden, schon weil dafür z. B. die Probandenzahl zu klein ist und etwaige sportliche Aktivitäten der Probanden während des Testzeitraums nicht berücksichtigt wurden. Da es sich nicht um eine Studie zum Nachweis der Wirksamkeit der Lipokryolyse handelt, erklärt sich auch, warum in dem unter medizintransparent.at veröffentlichten Artikel zur Wirksamkeit der Lipokryolyse auf die von dem Beklagten vorgelegte Studie gar nicht eingegangen wird.

4.
Da die Wirksamkeit der Lipokryolyse nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist, ist auch die im landgerichtlichen Tenor unter Ziffer I.12 wiedergegebene Werbeaussage unzulässig.

III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache erfordert lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.