OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.10.2017, Az. 6 U 59/16
§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 3a UWG; § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB; Art. 7 Abs. 3, Abs. 4a LMIV; Art. 5 HCVO
Die Zusammenfassung der Entscheidung des OLG Karlsruhe finden Sie hier (OLG Karlsruhe – Lebensmittel als Gedächtnismedizin), den Volltext unten:
Wurden Sie wegen der Werbung für ein Lebensmittel abgemahnt?
Haben Sie wegen angeblich unzutreffender oder nicht erlaubter Werbeaussagen eine Abmahnung, eine einstweilige Verfügung oder eine Unterlassungsklage von einem Mitbewerber oder einem Verband erhalten? Rufen Sie uns gleich an: 04321 / 390 550 oder 040 / 35716-904. Schicken Sie uns Ihre Unterlagen gern per E-Mail (info@damm-legal.de) oder per Fax (Kontakt). Die Prüfung der Unterlagen und unsere Ersteinschätzung ist für Sie kostenlos. Unsere Rechtsanwälte sind mit dem Wettbewerbsrecht und dessen Nebengebieten seit vielen Jahren bestens vertraut (Gegnerliste) und helfen Ihnen gern.
Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe v. 02.03.2016, – 14 O 39/15 KfH – wird zurückgewiesen.
2.
Der Beklagten fallen die Kosten der Berufung zur Last.
3.
Dieses Urteil und das in Ziff. 1 genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Unterlassung in Ziff. I. durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR und im Übrigen in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zur Unterlassung in gleicher Höhe und im Übrigen in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, begehrt von der Beklagten Unterlassung von Werbeaussagen für das Lebensmittel „[…]“, das die Beklagte in einem Newsletter als Mittel zur Behandlung von Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen infolge von neurodegenerativen Funktionsstörungen vermarktet, wie aus Anlage K 1 ersichtlich. Der Kläger begehrt darüber hinaus Ersatz pauschaler Abmahnkosten für eine erfolglose Abmahnung vom 03.03.2015.
Der Kläger war der Meinung, das beworbene Produkt müsse sich als diätetisches Lebensmittel für besondere Zwecke (bilanzierte Diät) an den für derartige Mittel normierten Anforderungen messen lassen und genüge diesen nicht. Er hat seinen Anspruch daher auf die §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG 2008 i. V. m. §§ 1 Abs. 4a, 2 Abs. 1, 14b Abs. 1, 3, 5 Satz 2 DiätV gestützt. Darüber hinaus verstoße die Werbung gegen das allgemeine und das besondere Irreführungsverbot, weil der Verkehr sich unter einem diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ein Lebensmittel vorstelle, das auch der Gesetzeslage nach als besonderes Lebensmittel zu qualifizieren sei. Der Unterlassungsanspruch bestehe auch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG 2008 i. V. m. §§ 2 Abs. 1 DiätV, 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB, 3 HWG. Sollte es sich um eine verkehrsfähige bilanzierte Diät handeln, verstieße die Werbung dennoch gegen das Werbeverbot des Art. 7 Abs. 3 LMIV.
Der Kläger hat beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt für das diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät) zur diätetischen Behandlung von Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen infolge neurodegenerativer Funktionsstörungen „[…]“ zu werben:
1. „Starten Sie heute ein neues Leben ohne Angst vor Gedächtnisverlust, Demenz und Alzheimer. Machen Sie Ihr Gedächtnis sofort wieder so fit, wie es vor 10 oder 20 Jahren war … Stoppen Sie sofort weiteren Gedächtnisverlust Befreien Sie Ihr Gehirn von „Senile-Plaque“-Ablagerungen. Räumen Sie Signalwege zwischen Ihren Gehirnzellen frei. Entgiften Sie ihr Gehirn. Schützen Sie ihr Gehirn vor Schwäche und Alterung. Holen Sie Erinnerungen zurück. Machen Sie ihr Gehirn stark gegen schädliche Einflüsse wie Fett, Zucker, Stress, Sorgen und Ärger.“,
2. „Auch mit 60, 70 oder 80 Jahren bekommen Sie leicht wieder ein sehr gutes Gedächtnis.“,
3. „Sie müssen nicht erleben, was aktuell hunderttausende schockiert …Immer wieder Name vergessen? Schlüssel verlegt? Sie können diesen Gedächtnis- und Erinnerungsverlust mit der Intelligenz der Natur stoppen. Aber Sie müssen es tun, damit es nicht schlimmer wird!“,
4. „Gedächtnis- und Erinnerungsverlust und deren erste Anzeichen können Sie mit der Intelligenz der Natur wieder rückgängig machen.“,
5. „Sie können Ihre Gehirnzellen so stark machen, dass sie wieder gesund werden. Die Intelligenz der Natur hat dafür schon vorgesorgt“,
6. „Mit nur einer Kapsel täglich des neuen Wundermittels […] erreichen Sie in nur 3 Wochen, dass Ihr Gedächtnis wieder so scharf wird, wie das Gedächtnis eines 18-jährigen Abiturienten.“,
7. „Gedächtnisschwäche muss Ihnen nie passieren. Dieser Horror kann im Kino bleiben. … Hausfrau Tina K. (67) in Passau sorgte sich, als sie merkte, dass sie sich ihre eigenen Kochrezepte nicht mehr merken konnte. „Ich musste immer öfter in meinem Kochbuch nachsehen, ob es jetzt zwei Teelöffel Salz sind oder fünf“, sagt sie. Heute lernt sie an der Volkshochschule sogar Französisch, was sehr leicht fällt: „Ich kann mir Vokabeln und Grammatikregeln heute besser merken, als in meiner Schulzeit. “Ein Rechtsanwalt (72) irrte in München oft stundenlang zwischen Goethestraße und Theresienwiese, weil er sein Auto nicht mehr fand. Dabei hatte er schon seit über 20 Jahren seine Kanzlei in der Gegend. Aber er vergaß immer öfter, wo er sein Auto geparkt hatte. „Und immer öfter vergaß ich sogar, mein Auto abzusperren. “Oberstudienrätin i.R. Helga Z. (66) in Düsseldorf hatte plötzlich Probleme mit dem Lesen und mit der Rechtschreibung: „Ich las eine Seite von Goethes Iphigenie auf Tauris, blätterte um – und wusste nicht mehr, was ich gerade gelesen hatte.“ Außerdem musste Helga Z. immer wieder nachsehen: Schreibt sich „Iphigenie“ mit „gh“? Heißt es „Tauris“ oder „Thauris“? Diesen Menschen, und hunderten anderen mehr konnte das neue Gesundheitsmittel […] schon helfen. Denn das Gesundheitsmittel […] brachte diesen Frauen und Männern in nur 30 bis 70 Tagen, ihr gesundes, scharfes Gedächtnis zurück.“,
8. „Typische Gedächtnisverlust-Anzeichen, von denen Sie […] in wenigen Tagen befreit.“,
9. „Ich habe es Ihnen ja schon gesagt: So kleinen Gedächtnisverlust tauschen Sie schnell wieder gegen ein scharfes Erinnerungsvermögen aus.“,
10. „Sie erreichen also mit der Intelligenz der Natur von […], dass ihr Gedächtnis wieder besser wird. Sitzen Sie deshalb nicht da und haben Angst davor, dass Sie einmal von der Hilfe Ihrer Familie abhängig sind, und dass Sie sich nicht einmal mehr an die Namen Ihrer Kinder erinnern können. Lassen Sie es nicht so weit kommen!“
11. „Oma/Opa ist ein bisschen schusselig“ – dieses Urteil Ihrer Kinder können Sie jetzt noch vermeiden. Wissenschaftler haben bewiesen, dass das Gesundheitsmittel, das ich Ihnen hier zeige … Ihnen Milliarden neue, äußerst aktive, arbeitsfreudige Gehirnzellen schenkt, Ihre Gehirnfunktionen außergewöhnlich stark wieder in Schwung bringt, Ihr Gedächtnis und Ihr Erinnerungsvermögen dramatisch verbessert, und Ihnen viele weitere Vorteile bringt!“
12. „Mit […] haben Sie anderen Menschen Ihres Alters viel voraus … Denn wissenschaftliche Studien zeigen Ihnen eindeutig, dass Sie ihr Gedächtnis mit […] schnell wieder fit bekommen. Und dass Sie dieses schreckliche Gefühl von nachlassendem Gedächtnis leicht ein für alle Mal verhindern.“,
13. „Ihr Arzt sagt Ihnen vielleicht etwas anderes. Er sagt Ihnen vielleicht, dass Demenz nicht zu stoppen ist. Und dass Sie es nie mehr rückgängig machen können. Unsinn! Das nach Jahrtausenden wiederentdeckte Gesundheitsmittel, das ich Ihnen hier vorstelle, kann Anzeichen von Demenz nicht nur stoppen, sondern sogar wieder rückgängig machen.“
14. „Ihr Gedächtnis kommt zu 100 Prozent zurück. Das zeigen nicht nur die Erfahrungen einzelnen Personen, das zeigen auch die neuesten Studien von immer mehr ernst zu nehmenden Wissenschaftlern.“,
15. „Innerhalb weniger Wochen machen Sie also ich Gehirn wieder scharf und gedächtnisstark, holen Erinnerungen schnell wieder zurück.“,
16. „Jahrtausende später nennen unsere Wissenschaftler heute diese Pflanze „bacopa monnieri“. Und tatsächlich fanden sie in 14 von einander getrennten Studien heraus, dass bacopa monnieri das Gedächtnis enorm verbessert.“,
17. „[…] mit besten Testergebnissen bei 24 Kindern mit Lernschwierigkeiten. Die Wissenschaftler gaben jedem Kind täglich 225 Milligramm […]. Schon nach 4 Monaten begeisterte das Ergebnis. Die […]-Behandlung zeigte deutlich verbesserte Ergebnisse bei Gedächtnis-Aufgaben.“,
18. „[…] ist die veredelte Gebrauchsform von […].9 Wirkstoffe, die sofort in Ihr Gehirn gehen, es reinigen, aufräumen und stärken.“,
19. Das sind genau die Aktivstoffe in der richtigen Zusammensetzung, auf die es für Ihre Gehirngesundheit ankommt. Diese überlegene Wirkkraft wurde klinisch belegt. Und die einzigartige Komposition der Aktivstoffe ist so stark und so effektiv, dass sie sogar patentiert ist.“,
20. „Deshalb sind die in […] enthaltenen Aktivstoffe keine Vitamine, sondern spezielle, für das Gehirn hocheffektive Pflanzenstoffe. Sie verbessern auf eine überlegene, klinisch belegte Weise die Gehirn- und Gedächtnisfunktion.“,
21. „[…] kann Ihnen das Gedächtnis eines 18-jährigen Abiturienten zurückgeben. Es ist wirklich so, Sie könnten wieder Latein-, Englisch- oder Französischvokabeln pauken. Oder Mathematik-, Physik- und Chemieformeln. […] ist also das ideale Gesundheitsmittel für Ihr Gedächtnis. …“,
22. „[…] dreht Gedächtnisverlust schon in wenigen Tagen zurück.“,
23. „Sie erinnern sich schnell wieder scharf und deutlich wie all die Jahre zuvor. Und sollten schon Gedächtniszellen angegriffen worden sein, lässt sich auch das wieder reparieren.“,
24. „Wir fanden heraus, dass 9 Bacopa-Wirkstoffe das Gedächtnis besonders stark machen. Und dass sie sogar Gedächtnisverlust rückgängig machen können“,
25. „Effektiv gegen Alzheimer & Co.: Stoppt die gefährliche Amyloid-Plaque in Ihrem Gehirn!“
26. „Amyloide Plaquebildung an den Gehirnzellen gilt als eine der gefährlichsten Risikofaktoren und Merkmale der Alzheimer-Erkrankung. Es handelt sich um bestimmte Proteinfragmente, die im Normalfall vernichtet und damit unschädlich gemacht werden, sich jedoch bei Alzheimer-Patienten ungebremst anhäufen und nicht mehr auflösen. Amyloid-Ablagerungen im Gehirn können zu Funktionsstörungen aller Art bis zur Demenz führen. […] kann diese gefährlichen Ablagerungen reduzieren!“,
27. „Stellt Ihre Gedächtnisuhr wieder auf jung! […] ist in der Lage, das Enzym Lipoxygenase zu hemmen. Es kann dadurch die Nervenzellen vor dem Verfall schützen. Denn das Enzym Lipoxygenase muss unbedingt ausgeschaltet werden. Es ist ein Schlüsselenzym bei der Entstehung von Entzündungsbotenstoffen, die den Abbau und den Verfall von Nervenzellen fördern.“
28. „Stoppt Gedächtnislücken! Für bessere Lern- und Gedächtniskraft!“
29. „Vor allem bei Alzheimer und Demenz besteht im Gehirn ein Mangel an Acetylcholin. […] verbessert die Freisetzung von Acetylcholin und Cholinacetyltransferase im Gehirn.“,
30. „Ein weiterer Wirkmechanismus bezieht sich auf die Beeinflussung des sogenannten 5-HT6-Rezeptors im Gehirn. Gegenspieler dieses Rezeptors sind in der Lage, Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis zu verbessern und werden daher auch als Medikamente gegen Alzheimer und Demenz eingesetzt. […] bindet sich an diesen Rezeptor und übt vermutlich dadurch seinen in Studien gezeigten positiven Effekt auf Lernen und Gedächtnis aus.“,
31. „Diese Wirkung belegt auch eine klinische – randomisierte, doppelblinde, mit Placebo kontrollierte – Studie bei älteren Menschen, deren Gedächtniskraft mit Hilfe von […] verbessert wurde: […] oder Placebo wurde einmal täglich bis zu 12 Wochen verabreicht, danach wurde die Verabreichung beendet und die darauffolgenden 12 Wochen als Absetzphase genommen. Die Studienergebnisse zeigen, dass […] die kognitiven Funktionen wie Aufmerksamkeit und verbales Gedächtnis bei älteren Menschen verbesserte und auch gut vertragen wurde.“,
32. „Fördert die Konzentration! […] hemmt die Butyrylcholinesterase, ein Enzym, welches an der Regulierung von Aufmerksamkeit, Konzentration und dem Gedächtnis beteiligt ist und offenbar Alzheimer fördert. Denn bei Alzheimerpatienten ist dieses Enzym besonders stark aktiv und führt zu Konzentrationsschwäche.“,
33. „Stoppt die oxidativen Attacken auf ihr Gehirn! […] ist auch erfolgreich im Kampf gegen Freie Radikale. Die oxidative Attacken können Zellen angreifen und entzündliche Stoffe erzeugen, die negative Wirkungen und ihr Gehirnfunktion gefährden. […] in […] schützt das Gehirn vor diesen Schäden!“,
34. „Blockt den Stress und schenkt Ihnen neue Gelassenheit! […] verfügt über herausragende adaptogene Eigenschaften, d.h. hilft dem Körper, sich auf Belastungen besser einzustellen und damit auch in Stresssituationen – mental – besser gerüstet zu sein. Die stressreduzierenden Eigenschaften sind auf die ausgleichenden Wirkkräfte bei der Regulierung auch von Cortisol und anderen Kortikosteroiden zurückzuführen.“,
35. „Aber Sie müssen diese Angst vor Demenz nicht haben. Denn das neue Wundermittel […] macht Sie zu einem der ersten Menschen, die auch noch mit 50, 60, 70 und 80 Jahren Dinge im Gedächtnis behalten können, die junge Menschen mit 18, 20 oder 30 Jahren im Kopf behalten.“,
36. „Quälen Sie sich deshalb nicht mehr mit der Frage, ob sie sich gegen Gedächtnisverlust richtig ernähren. […] gibt Ihnen alle Wirkstoffe, die Ihren Gedächtnisverlust stoppen. Und die gleichzeitig Ihr Erinnerungsvermögen wieder beschleunigen.“,
37. „Es gibt leider das Amyloid-Precursor-Protein. Spaltet es sich auf, entsteht giftiges Amyloid. Es lagert sich an Ihren Gehirn-Nervenzellen ab, bremst den Lauf Ihrer Erinnerungen und macht Ihr Gedächtnis langsam. Das kann Jahre lang gut gehen. Sie nehmen es hilflos hin, dass Ihr Gedächtnis immer langsamer wird. Einigen Ihrer Freunde und den meisten Ihrer früheren Spiel- und Schulkameraden geht es ja genauso. „Das Alter“, sagen Sie. Damit sollten Sie sich aber nicht zufrieden geben. Sie dürfen es nicht akzeptieren. Denn die Entwicklung kann Ihnen schnell außer Kontrolle geraten, wenn Sie nichts tun. … Denn das giftige Amyloid und das lähmende Stresshormon Cortisol greifen Ihre Gehirn-Nervenzellen an und schädigen sie. Experten nennen diese Ablagerungen „Senile Plaques“. 70 Prozent aller 80-jährigen Frauen und Männer leiden darunter. Bald auch Sie? NEIN! DAS MUSS NICHT SEIN! DAS KÖNNEN SIE VERHINDERN! Sie können zu den 30 Prozent gehören, die nicht unter Senile Plaques leiden.“,
38. „Sie drehen Ihr Erinnerungsvermögen in wenigen Tagen wieder auf jung zurück.“,
39. „Sie erinnern sich wieder so gut an Dinge, wie jemand, der mindestens 20 Jahre jünger ist als Sie … Ihnen fällt schnell wieder ein, wo Sie Ihren Autoschlüssel hingelegt haben; und Sie suchen nicht mit der Brille auf Ihrer Nase nach Ihrer Brille. Sie behalten im Kopf, was Sie gerade auf der Buchseite gelesen haben; Sie müssen nicht zweimal lesen. Auch Herrn B. begrüßen Sie beim nächsten Treffen korrekt mit seinem Namen; und sogar sein Vorname fällt Ihnen ein Sie erzählen Ihren Freunden nicht dieselbe Geschichte wie letzte Woche; denn Sie erinnern sich daran, dass Sie die Geschichte schon erzählt haben. Ihr in der Stadt geparktes Auto finden Sie immer schnell wieder, auch wenn Sie sich die Parkplatznummer nicht aufgeschrieben haben. Sie drehen also Ihr Erinnerungsvermögen wieder auf jung zurück. Sie sehen wieder die Bilder im Kopf, mit denen Sie sich wieder an die Dinge erinnern, die für Sie wichtig sind.“,
40. „Es genügen schon wenige Tage mit […] und Sie erinnern sich wieder perfekt. Sind Gehirnzellen schon geschädigt, werden sie wieder repariert“,
41. „[…] entfesselt jetzt neue Gedächtnis-Kraft … Entgiftet das Gehirn. Spült blockierte Gehirn-Leitungen frei Weckt Gehirnzellen wieder auf Stärkt Gehirnzellen gegen Amyloid und Cortisol. Ernährt Gehirnzellen mit genau den Wirkstoffen, die sie für explosive Gedächtniskraft brauchen. Und dann funktioniert Ihr Gehirn wieder wie neu. Denn Ihr Gehirn wird nicht alt. Es verstopft „nur“ durch zu viele Erinnerungen und durch das giftige Amyloid und das lähmende Stresshormon Cortisol, die sich beide zwischen und auf Ihren Gehirnzellen anhäufen“.,
42. „Heute löst eine Stress-Situation denselben Cortisol-Schub aus. Zum Beispiel, wenn der Autofahrer vor Ihnen bei Grün an der Ampel nicht losfährt. Oder wenn Ihr Enkel schon wieder eine Fünf in Mathe nach Hause bringt. Aber … Sie brauchen dass Cortisol dann weder zur Flucht, noch zur Verteidigung. Es bleibt daher in Ihrem Gehirn und verstopft daher die Signalwege zwischen Ihren Gehirnzellen. Die Folge: Ihr Gedächtnis arbeitet langsam oder gar nicht mehr. Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Ein Hormon, das Ihren Vorfahren vor 10.000 Jahren oder 15.000 Jahren beim Überleben half, soll Ihnen jetzt das Leben vermiesen. Natürlich ist das verrückt. Und natürlich können Sie das verhindern. Denn natürlich hat die Intelligenz der Natur hier für Sie ein Mittel parat. … […] Denn die Intelligenz der Natur ist der beste Heiler!“
43. „Sie machen alles richtig, wenn Sie […] jetzt 30 Tage lang kostenlos testen. Denn […] bremst Ihren Stress und Ihren Ärger. Es dämpft die übermäßige Cortisol-Ausschüttung und schwemmt bereits vorhandenes Cortisol aus Ihrem Gehirn und spült die Signalwege für Ihr Gedächtnis wieder frei.“,
44. „Für schärfstes Gedächtnis muss Ihr Gehirn frei von Ablagerungen sein. Senile Plaques? Schnell weg damit! Deshalb machen Sie am besten sofort das hier:
1. Spülen Sie sofort alles Amyloid und Cortisol von Ihren Gehirn-Nervenzellen weg.
2. Spülen Sie sofort alles Amyloid-Precursor-Protein und alles Cortisol aus Ihrem Gehirn.
3. Reparieren Sie sofort alle angegriffenen Gehirn-Nervenzellen.
4. Schützen Sie Ihr Gehirn und Ihre Gehirnzellen vor weiteren Amyloid- und Cortisol-Angriffen.
5. Geben Sie Ihren Gehirnzellen die Kraft der Natur, damit sie wieder jugendlich stark für scharfes Erinnern werden. Beseitigen Sie also alles, was Ihr Gedächtnis blockiert und schädigt. Am besten geht das mit […].“,
45. „Nehmen Sie unbedingt […], wenn Sie eines dieser Medikamente nutzen … Antidepressiva, Antihistaminika (gegen Allergie), Barbiturate, Beruhigungsmittel, Beta-Blocker, Kalzium, Glaucoma-Augentropfen, Inkontinenzmittel, Muskelentspanner, Schlaftabletten, Schmerzmittel. Alle diese Medikamente schaden Ihrem Gedächtnis. In jungen Jahren wurden diese Stoffe schnell aus Ihrem Gehirn gespült. Mit über 60 setzen sich diese Stoffe leicht fest, behindern den Informationsaustausch von Zelle zu Zelle – und schädigen schließlich die Zellen. Aber das ist nicht schlimm, wenn Sie jeden Tag eine Kapsel […] nehmen. Denn […] gibt Ihrem Gehirn die Stärke, sich zu verteidigen. Es schwemmt Schadstoffe wie Amyloid und Cortisol schnell aus dem Gehirn. Und es macht die Gehirnzellen stark und umgibt sie mit einer für Schadstoffe undurchdringbaren Schutzschicht.“,
46. „Mit […] holen Sie Ihr Gedächtnis zurück und stoppen das Gehirnaltern mit einer Kapsel täglich.“,
47. „Eine Kapsel […] am Tag genügt und … Sie erinnern sich wieder scharf an Autoschlüssel, Brillen und Papiere, die Sie irgendwo verlegt haben. Sie erinnern sich an die Telefonnummer, die Ihnen ein Bekannter vor einer Stunde gesagt hat. Sie haben endlich wieder ein super scharfes Gedächtnis wie vor 20 oder 30 Jahren. Und Sie holen Ihre Erinnerungen wieder zurück und machen Gedächtnisverlust rückgängig.“,
48. „Mit nur wenigen Cent pro Tag ersparen Sie sich mit […] das Schicksal, dass Ihr Gedächtnis auf unerträgliche Weise nachlässt und für immer Ihr Leben in einem dunklen Loch verschwinden lässt.“,
49. „Verpassen Sie daher nicht, dass Sie mit […] Ihr Gedächtnis sofort ein für alle Mal wieder auf jung drehen und sich zu 100 Prozent an die schönen und wichtigen Dinge im Leben erinnern. Und seien es „nur“ Ihre Autoschlüssel oder der Name Ihres Ex-Kollegen.“,
50. „Könnten Sie etwas Besseres dafür tun, würde ich es Ihnen hier sagen. Aber ich bin davon überzeugt, dass […] jetzt das Beste ist, was Sie gegen nachlassendes Gedächtnis tun können.“,
und dies jeweils geschieht wie aus der Anlage gemäß Anlage K 1 ersichtlich.
Hilfsweise
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt das Produkt […] zu bewerben und/oder zu vertreiben, sofern für das Produkt keine Zulassung oder Notifizierung nach der Novel-Food-Verordnung oder keine Festlegung nach Art. 1 Abs. 3 der Novel-Food-Verordnung vorliegt.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 150,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte war der Ansicht, das streitgegenständliche Produkt sei ein diätetisches Lebensmittel für besondere Zwecke in Form einer ergänzenden bilanzierten Diät. Die Wirksamkeit sei durch die vorgelegten wissenschaftlichen Abhandlungen erwiesen. Es handele sich um ein Lebensmittel zu Ernährungszwecken gem. § 1 Abs. 1 DiätV. Durch das Produkt werde der medizinisch bedingte Nährstoffbedarf an Bacosin von Patienten mit Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen gedeckt. Es unterscheide sich von Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs sowie von Nahrungsergänzungsmitteln, denn diese enthielten nicht das […]-Extrakt der Firma Natural Remedies Ltd. oder vergleichbare Extrakte. Gegen das Werbeverbot nach Art. 7 Abs. 3 LMIV habe sie nicht verstoßen, weil die Werbeaussagen, soweit sie überhaupt krankheitsbezogen seien, durch § 21 Abs. 2 DiätV gedeckt seien. Auch ein Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung (HCVO) liege nicht vor, da eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung nach Art. 5 HCVO gegeben sei. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht auf die Novel-Food-Verordnung berufen, da Bacopa monnieri schon vor 1997 in Nahrungsergänzungsmitteln in der Europäischen Union für den Verzehr von Menschen im Umlauf gewesen sei.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der Feststellungen und der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben. Dem Kläger stehe der Anspruch aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG, 11 Abs. 1 LFBG i. V. m. Art. 7 Abs. 3, Abs. 4a LMIV sowie Art. 5 Abs. 1 HCVO zu. Die Beklagte sei verantwortliche Lebensmittelunternehmerin für die Information über ein Lebensmittel gemäß Art. 8 Abs. 1 LMIV. Bei dem Produkt […] handele es sich um ein Lebensmittel im Sinne des Art. 2 Abs. 1a LMIV i. V. m. Art. 2 VO (EG) 178/2002. Die Beklagte verstoße durch Angaben in dem Newsletter gegen das Verbot, Lebensmitteln Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung menschlicher Krankheiten zuzuschreiben, aus Art. 7 Abs. 3 LMIV. Eine Ausnahme vom Verbot gem. Art. 7 Abs. 3 LMIV liege nicht vor. Der Unterlassungsanspruch bestehe ferner aus §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG, Art. 5 Abs. 1 HCVO. Der Nachweis, dass die Einnahme des Lebensmittels die behauptete positive ernährungsbezogene Wirkung hat, sei nicht geführt. Die Beweislast treffe die Beklagte. Soweit die Beklagte Anlagen in englischer Sprache vorgelegt habe, seien diese gemäß § 184 S. 1 GVG unbeachtlich, da die Gerichtssprache deutsch sei und die Bezugnahme auf fremdsprachige Anlagen keine unmittelbare Wirkung habe (mit Verweis auf OLG Nürnberg, v. 05.11.2013, 3 U 78/13). Auch unter Berücksichtigung der Übersetzungen ergebe sich kein Nachweis. Die Abstracts wiesen zwar darauf hin, dass Bacopa monnieri – der betreffende Stoff – das Potential habe, die kognitive Leistungsfähigkeit bei älteren Personen auf sichere Weise zu verbessern. Keine der Studien bestätige aber die von der Klägerin beanstandeten Passagen des Newsletters, dass […] Gedächtnisverlust, Demenz und Alzheimer zuverlässig behandeln oder gar heilen könne und dies auch noch innerhalb eines kurzen Zeitraums von wenigen Wochen geschehen könne. Daher bedürfe es auch nicht der Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zum Vorliegen allgemein anerkannter bzw. unbestrittener wissenschaftlicher Studien über die ernährungsbezogene/physiologische Wirkung, ausreichende Dosierung und Bioverfügbarkeit des streitgegenständlichen Produkts und der in ihm enthaltenen Wirkstoffe im oder vor dem März 2015.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Es liege kein Krankheitsbezug der streitgegenständlichen Aussage vor. Nicht jede Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche habe Krankheitsqualität. Zudem ergebe sich aus der grundlegenden Konzeption der diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, also auch der bilanzierter Diäten im Sinne des § 1 Abs. 4a DiätV, dass es nun einmal um die besondere Ernährung von Patienten und in logischer Konsequenz daraus um Menschen mit krankhaften Störungen gehe. Abgesehen davon versäume es die Urteilsbegründung, den pauschalen Vorwurf des Krankheitsbezugs auf alle 50 streitgegenständlichen Aussagen inhaltlich zu beziehen. Zu Unrecht habe das Landgericht keine Ausnahme zu Art. 7 Abs. 3 LMIV auf Grund der Unionsvorschriften „über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind“, für anwendbar gehalten. Insbesondere sei die Richtlinie 1999/21/EG noch in Kraft. Insofern seien deren Art. 4 Abs. 4, insbesondere dessen lit. a, c, noch anwendbar. Das streitgegenständliche Produkt falle auch unter die Definition des Art. 2 Abs. 2 lit. g der Verordnung 609/2013. Daher handele es sich hinsichtlich der Health-Claims-Verordnung schon gar nicht um eine Angabe in diesem Sinne, da die HCVO nichts erfasse, was „obligatorisch“ sei. Auch die Beurteilung der englischsprachigen Studien als unbeachtlich sei rechtsfehlerhaft (unter Verweis auf LG Berlin, v. 02.03.2016, 101 O 59/15; OLG Nürnberg, WRP 2014, 239 – Grüner Tee-Extrakt; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2005, 394, juris-Rn. 11). Die Beklagte beantragt hilfsweise, die Revision zur höchstrichterlichen Klärung der noch offenen Frage, ob § 184 GVG auch auf Anlagen zu Schriftsätzen, die als Beweismittel dienen, anwendbar ist, zuzulassen. Des Weiteren sei zu beachten, dass es rechtsfehlerhaft wäre, Studien aufgrund ihres Designs (nicht placebokontrolliert etc.) pauschal nicht zuzulassen. Einen solchen Maßstab lege die HCVO ersichtlich nicht an. Auch diesbezüglich beantragt die Beklagte hilfsweise, die Revision zuzulassen, hinsichtlich der Rechtsfrage, der Interpretation der Art. 5 und 6 HCVO und/oder diese Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der vom Landgericht gezogene Schluss, die Studien stützten nicht die Aussagen, seien unzutreffend und überzögen den Subsumtionsmaßstab. Daher habe das beantragte Gutachten zur Situation der wissenschaftlichen Absicherung zum Zeitpunkt der Werbung erhoben werden müssen. Die Beklagte bietet das Beweisangebot in der Form wie in der Klageerwiderung vom 01.09.2015, S. 7 ausformuliert erneut an.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
das landgerichtliche Urteil dahingehend abzuändern, die Klage insgesamt abzuweisen, und dem Kläger die Kosten des Verfahrens beider Instanzen aufzuerlegen.
Der Berufungsbeklagte und Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, es handele sich um krankheitsbezogene Werbung. Der Einwand des Beklagten, das Landgericht habe sich nicht mit allen 50 Aussagen inhaltlich befasst, verfange nicht. Es sei einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass Angaben, welche in einem Gesamtzusammenhang getätigt wurden, nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs zu werten seien. Eine Ausnahme vom Verbot krankheitsbezogener Werbung greife nicht ein. Bereits zur Geltung des LFGB mit der zwischenzeitlich im Hinblick auf die Regelung des Art. 7 Abs. 3 und 4 LMIV aufgehobenen Regelung des § 12 LFGB entsprach es der absolut herrschenden Meinung, dass Ausnahmebestimmungen für diätetische Lebensmittel auf die Pflichtangaben und der Kennzeichnung und in der Werbung auf die für die Kennzeichnung vorgeschriebenen Pflichtangaben zu beschränken seien. Auch sonst stützt er das erstinstanzliche Urteil.
Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG, sowohl in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB i. V. m. Art. 7 Abs. 3, Abs. 4a LMIV als auch in Verbindung mit Art. 5 HCVO zu.
Um die Wiederholungsgefahr zu begründen, muss die Erstverletzung gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG bereits gemessen am seinerseits geltenden Recht unlauter gewesen sein; weil der Unterlassungsanspruch in die Zukunft wirkt, muss das beanstandete Verhalten aber auch nach inzwischen geltendem Recht unlauter sein (vgl. BGH, GRUR 2005, 443 – Ansprechen in der Öffentlichkeit; BGH, GRUR 2003, 622 – Abonnementvertrag; BGH, GRUR 2004, 693 – Schöner Wetten).
Zwischen der behaupteten Erstverletzung am 23.05.2015 (Anlage K 1) und dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat sich die Rechtsgrundlage in Gestalt des UWG zwar verändert: Mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 wurde das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb novelliert (BGBl. I, S. 2158 v. 9.12.2015). Der Rechtsbruchtatbestand gem. § 3a UWG ist zwar von der Gesetzesnovelle betroffen. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien war damit aber keine materielle Rechtsänderung verbunden (Regierungsbegründung, BT-Drs. 18/4535, S. 11; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 18/4535, BT-Drs. 18/6571, S. 12, 14; vgl. BGH, GRUR 2016, 516, Rn. 11 – Wir helfen im Trauerfall; BGH, GRUR 2017, 286, Rn. 9 – Hörgeräteausstellung; BGH, GRUR 2016, 954 – Energieeffizienzklasse Rn. 11; Ohly in: Sosnitza/Ohly UWG, 7. Aufl., 2016, § 3a Rn. 5a). Die folgenden Ausführungen legen daher zur Vereinfachung durchweg das geltende UWG zugrunde.
1.
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG, 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB i. V. m. Art. 7 Abs. 3, Abs. 4a LMIV zu.
a)
Der Kläger erfüllt unbestritten die Anforderungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und ist daher zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen befugt.
b)
Auch im Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im Binnenmarkt (ABl. 2005 Nr. L 149/22; nachfolgend: UGP-Richtlinie, UGP-RL) ist der Rückgriff auf die lebensmittelrechtlichen Verbotsnormen zulässig. Das ergibt sich zum einen aus Art. 3 Abs. 3 UGP-RL, da die Regelungen Rechtsvorschriften der Union bzw. eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Produkten darstellen. Zum anderen gehen gem. Art. 3 Abs. 4 UGP-RL unionsrechtliche Rechtsvorschriften vor, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend.
c)
Gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB ist es einem nach Art. 8 Abs. 1 der LMIV verantwortlichen Lebensmittelunternehmer verboten, Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Art. 7 Abs. 3, auch in Verbindung mit Abs. 4 LMIV, nicht entsprechen, in Verkehr zu bringen oder allgemein im Einzelfall dafür zu werben.
aa)
Das Produkt […] ist – wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen – ein Lebensmittel im Sinne der LMIV und kein Präsentationsarzneimittel gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Unter einem Lebensmittel werden nach Art. 2 Abs. 1 lit. a LMIV i. V. m. Art. 2 VO (EG) 178/2002 (v. 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. 2002 Nr. L 31/1) alle Stoffe oder Erzeugnisse verstanden, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Das Produkt […] wird zur täglichen Einnahme beworben (vgl. Aussage zu Ziff. 6), ist also zur Aufnahme von Menschen bestimmt.
bb)
Die Beklagte ist verantwortliche Lebensmittelunternehmerin im Sinne des Art. 8 Abs. 1 LMIV, da unter ihrem Namen ein Lebensmittel – das […] – vertrieben wird.
cc)
Durch den streitgegenständlichen Newsletter hat die Beklagte gegen Art. 7 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 LMIV verstoßen. Dieser besagt, dass in der Werbung verwendete Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben dürfen oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen dürfen.
(1)
Die Informationen in dem streitgegenständlichen Newsletter haben in diesem Sinne Krankheitsbezug.
Der Begriff „Krankheit“ ist unionsrechtlich nicht definiert. Daher kann und muss auf die durch die nationale Rechtsprechung entwickelte Definition zurückgegriffen werden. Demnach ist Krankheit jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, auch wenn sie nur vorübergehend ist (BGHSt 11, 304, 316; BGHZ 44, 208; BVerwGE 7, 172). Unter den Begriff der Krankheit können auch unheilbare Abweichungen von der körperlichen Beschaffenheit und Mangelerscheinungen subsumiert werden, nicht aber normal verlaufende Erscheinungen wie Greisenalter oder Ermüdungserscheinungen (Grube, in: Voit/Grube, Lebensmittelverordnung, 2. Aufl. 2016, Art. 7 LMIV Rn. 292 mwN). Problematisch und umstritten ist die Beurteilung von Krankheitssymptomen (z.B. Müdigkeit, Kopfschmerzen, Fieber) als krankheitsbezogene Angaben. Krankheitssymptome fallen jedenfalls dann in den Anwendungsbereich der Vorschrift, wenn ein mittelbarer Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt wird (BGH, GRUR 1998, 493 für die Darstellung knackender und knirschender Gelenke in Bezug auf Arthrose; KG Berlin, LRE 23, 53, für „wirkt wie der Entkalker für Kaffeemaschinen“ in Bezug auf Adernverkalkung, und OLG Nürnberg, v. 23.12.2014, 3 U 1874/14, für die Heilkraft des Ingwer für en Hustenbonbon bei Erkältung (Grube, in: Voit/Grube, Lebensmittelverordnung, 2. Aufl., 2016, Art. 7 LMIV Rn. 293). Auf jeden Fall wird ein Bezug zu einer bestimmten Krankheit gefordert und nicht nur allgemeine Hinweise, z. B. auf die Förderung des Zellstoffwechsels oder das Immunsystem (Grube, in: Voit/Grube, Lebensmittelverordnung, 2. Aufl., 2016, Art. 7 LMIV Rn. 294 mwN).
Auch rein gesundheitsbezogene Angeben fallen nicht unter das Verbot des Art. 7 Abs. 3 LMIV. Diese fallen unter die Verordnung (EG) 1924/2002 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Beispiele hierfür sind die Aussagen „Iss weniger Fett und du lebst gesünder“, „Blutbildung“ oder „kreislauffördernd“ (weitere Beispiele bei Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 166. EL, 2017, Art. 7 LMIV Rn. 467; Grube, in: Voit/Grube, Lebensmittelverordnung, 2. Aufl., 2016, Art. 7 LMIV Rn. 298; ausführlich zu gesundheitsbezogenen Angaben, deren Verhältnis zu krankheitsbezogenen Angaben und dem Verhältnis der jeweils maßgeblichen Vorschriften Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 166. EL, 2017, Art. 7 LMIV Rn. 413 ff.; 466 ff., Grube, in: Voit/Grube, Lebensmittelverordnung, 2. Aufl., 2016, Art. 7 LMIV Rn. 298 ff.). Sobald aber ein Bezug zu einer bestimmten Krankheit hergestellt wird und nicht nur ein bloßer Hinweis auf die gesundheitsfördernde Wirkung abgegeben wird, ist die Angabe krankheitsbezogen.
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der beanstandeten Werbung um krankheitsbezogene Angaben:
Die mit dem Klageantrag angegriffenen 50 streitgegenständlichen Aussagen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen sind bei der Prüfung der Erstverletzung aufgrund des beschränkten Klageantrags (“wenn dies jeweils geschieht wie aus der Anlage gemäß Anlage K 1 ersichtlich“) nicht jede für sich und einzeln genommen, sondern ausschließlich in ihrem Gesamtzusammenhang zu würdigen. Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage ausdrücklich erklärt hat, dass die Klägerin sich nicht gegen jede der 50 Behauptungen einzeln, sondern nur gegen eine Verwendung aller Behauptung zusammen wie in der Anlage K 1 wendet. Maßgeblich ist insoweit die Wirkung auf den Durchschnittsadressaten. Verbraucher, die von der Krankheit nicht betroffen sind und auch sonst keinen Bezug zu ihr haben, sind damit ausgenommen (BGH, GRUR 1998, 493; Grube, in: Voit/Grube, Lebensmittelverordnung, 2. Aufl., 2016, Art. 7 LMIV Rn. 296). Die Mitglieder des Senats zählen nach ihrem Lebensalter zu den von der Werbung angesprochenen Personen mit einem Alter über 50 Jahren, bei denen Krankheiten wie Alzheimer und Altersdemenz zunehmend ins Bewusstsein rücken, und sehen sich daher in der Lage, die Wirkweise der Werbung aus eigener Anschauung zu beurteilen.
Die beanstandeten Aussagen sind Bestandteile eines einheitlichen „Newsletters“, der als in sich geschlossene Botschaft erscheint, mit einer Anrede der Adressaten beginnt und mit einer Unterschrift endet. Auch die graphische Gestaltung des Newsletters als Fließtext, der in regelmäßigen Abschnitten durch eingefügte Links auf die Internetpräsenz der Beklagten unterbrochen wird, stützt den Eindruck der Einheitlichkeit der Botschaft und der Geschlossenheit der darin enthaltenen Aussagen. Vor diesem Hintergrund ist jede der beanstandeten Aussagen im Zusammenhang mit dem übrigen Newsletters zu bewerten (vgl. dazu OLG Hamburg, GRUR-RR 2014, 121, 124 mwN).
Auf dieser Grundlage ist der Krankheitsbezug für alle 50 angegriffenen Aussagen zu bejahen.
In dem streitgegenständlichen Newsletter werden in den angegriffenen Aussagen mehrmals Alzheimer (in den in Nrn. 1, 25, 26, 29, 30 enthaltenen Aussagen) und Demenz (in den Nrn. 1, 13, 26, 29, 30, 32, 35) unmittelbar angesprochen. Bei Morbus Alzheimer handelt es sich um eine anerkannte Krankheit. Demenz ist ein Oberbegriff für verschiedene Krankheiten und daher ebenfalls als Krankheit zu behandeln.
Das Verbot des Art. 7 Abs. 3 LMIV greift bereits ein, wenn durch die Information Assoziationen mit Krankheiten hervorgerufen werden (Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 166. EL, 2017, Art. 7 LMIV Rn. 412).
Weil die ausdrücklich genannten Krankheiten Alzheimer und Demenz vom Publikum mit Gedächtnisverlust assoziiert werden und der Newsletter durchgehend Gedächtnisprobleme adressiert und diese über das Maß üblicher altersbedingter Probleme hinausgehend problematisiert, werden die Adressaten auch in den Hinweisen auf ansonsten möglicherweise normale und alterstypische Gedächtnisprobleme einen Krankheitsbezug zu erkennen glauben. Den angesprochenen Verbrauchern wird durch die Aussagen in ihrem Zusammenhang suggeriert, jede alltägliche Gedächtnislücke könne krankhafte Ursachen haben, wenngleich nicht zwangsläufig in Form einer manifestierten Demenz oder Alzheimer-Krankheit, so doch jedenfalls als unnormale – krankhafte – Störung des eigenen Gedächtnisses. Die angesprochenen Verbraucher werden daher auch die Aussagen über „normale“ Gedächtnisprobleme in einen krankheitsbezogenen Zusammenhang bringen, entweder, weil sie sogleich an Vorboten von Alzheimer und Demenz denken oder weil sie aufgrund der dramatischen Formulierungen und Darstellungen des Newsletters auch alltägliche Gedächtnisschwächen für krankhaft halten.
In zahlreichen der angegriffenen Werbeaussagen werden Probleme mit dem Gedächtnis angesprochen, deren Ausmaß über alterstypische Vergesslichkeit oder Leistungsverluste erheblich hinausgehen. Durch dramatische sprachliche Darstellungen sowie den Kontext mit den Hinweisen auf Alzheimer und Demenz wird auch insoweit ein Krankheitsbezug hergestellt (in den in Nrn. 1, 9, 36, 46, 47 genannten Aussagen: „Gedächtnisverlust“, in den in Nrn. 3, 4: „Gedächtnis- und Erinnerungsverlust“, in Nr. 7: „Gedächtnisschwäche“, in Nr. 8: „Gedächtnisverlust-Anzeichen“, in Nrn. 12, 50: „nachlassendem Gedächtnis“, in Nr. 24: „Gedächtnisprobleme“, in Nr. 28: „Gedächtnislücken“, in Nr. 33: „Schäden“, in Nr. 37: „macht ihr Gedächtnis langsam“, in Nr. 48: „dass ihr Gedächtnis auf unerträgliche Weise nachlässt“).
Alle verbleibenden Aussagen stehen mindestens im Zusammenhang mit nachlassendem Gedächtnis und Gedächtnisverlust, indem sie z.B. Versprechungen von Verbesserungen des Gedächtnisses, der Gehirnleistung oder der Stressresistenz machen (alle weiteren verbliebenen Nrn. 2, 5, 6, 10, 11, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 27, 28, 31, 34, 38, 39, 40, 41, 43, 44, 45, 46, 49).
Zudem wird in den Aussagen immer wieder von medizinischen, biochemischen oder pharmazeutischen Begriffen („Senile-Plaque-Ablagerungen“, Amyloide, Cortisol, Butyrylcholinesterase) Gebrauch gemacht, die für Laien den Bezug zu einer Krankheit bzw. deren Bekämpfung herstellen. Cortisol wird ausdrücklich als „Stresshormon“ bezeichnet (Nr. 37). Nach alledem stehen alle 50 der streitgegenständlichen Aussagen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit krankhafter Gedächtnisschwäche.
(2)
Der im Streit stehende Newsletter und mithin alle 50 beanstandeten und dem Newsletter entnommenen Aussagen, bewerben das Produkt […] zur Vorbeugung, Behandlung und Heilung im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LMIV. Vorbeugung meint dabei alle Maßnahmen, die geeignet sind, eine noch nicht bestehende Krankheit zu verhindern. Ein Erfolgseintritt ist nicht erforderlich. Die Behandlung einer Krankheit bezieht sich nur auf einzelne Symptome, die gemildert oder beseitigt werden, wohingegen die Heilung einer Krankheit deren vollständige Behebung meint (Grube, in: Voit/Grube, Lebensmittelverordnung, 2. Aufl., 2016, Art. 7 LMIV Rn. 295 mwN). Die Aussagen in dem streitgegenständlichen Newsletter erfüllen alle drei dieser Varianten. Es wird z.B. behauptet, […] könne das Gehirn vor Schwäche und Alterung schützen (Nr. 1), altersbedingten Krankheiten also vorbeugen. Des Weiteren wird behauptet, das Produkt könne Erinnerungen zurückholen (Nr. 1), also einzelne Symptome von Gedächtnisverlust bekämpfen. Darüber hinaus wird behauptet, das Mittel könne „Gehirnzellen so stark machen, dass sie wieder gesund werden“ (Nr. 3) und sogar, dass das Produkt Demenz heilen könne (Nr. 13). Es verspricht also eine vollständige Heilung – im ersten Fall eines undefinierten, vermeintlich krankhaften Zustands, im zweiten Fall einer ernstzunehmenden und vielen älteren Menschen Angst einflößenden Krankheit.
(3)
Es greift keine Ausnahme aufgrund Unionsvorschriften über Lebensmittel ein, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind.
Derlei Ausnahmen enthalten die Richtlinie 2009/39/EG vom 6. Mai 2009 über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind sowie die Richtlinie 1999/21/EG vom 25. März 1999 über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Beide Richtlinien sind in der Diätverordnung (DiätV) in nationales Recht umgesetzt (Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 116 EL, 2017, Art. 7 LMIV Rn. 424).
Insoweit bestimmt nach wie vor die Richtlinie 1999/21/EG den geltenden Rechtsrahmen. Zwar ordnet Art. 20 Abs. 4 der Verordnung Nr. 609/2013 (vom 12. Juni 2013 über Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung und zur Aufhebung der Richtlinie 92/52/EWG des Rates, der Richtlinien 96/8/EG, 1999/21/EG, 2006/125/EG und 2006/141/EG der Kommission, der Richtlinie 2009/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnungen (EG) Nr. 41/2009 und (EG) Nr. 953/2009 des Rates und der Kommission, ABl. 2013 Nr. L 181/35) an, dass die Richtlinie 1999/21/EG mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Anwendung von delegierten Rechtsakten aufgrund Art. 11 dieser Verordnung (wonach die Kommission zum Erlass von Rechtsakte über die Anforderungen an die Kennzeichnung von Lebensmitteln, einschließlich nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben, ermächtigt wird) aufgehoben wird, und es existiert mit der Verordnung Nr. 2016/128 vom 25. September 2015 (zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die besonderen Zusammensetzungs- und Informationsanforderungen für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, ABl. 2015 Nr. L 25/30) ein solcher Rechtsakt. Die Verordnung Nr. 2016/128 gilt gem. ihrem Art. 11 aber erst ab dem 22. Februar 2019, für manche Bereiche sogar noch später – auch wenn sie bereits im Februar 2016 in Kraft getreten ist. Gem. Art. 10 der Verordnung wird die Richtlinie 1999/21/EG auch erst mit Wirkung zum 22. Februar 2019 aufgehoben.
Im Übrigen ergäbe sich für die Entscheidung bei Anwendung der neuen Verordnung Nr. 2016/128 kein Unterschied. Artikel 5 VO Nr. 2016/128 verpflichtet ebenfalls, spezielle Angaben für Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zu machen. Dazu gehört gem. Art. 5 Abs. 2 lit. g VO Nr. 2016/128 insbesondere „eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit in Bezug auf die Krankheit, die Störung oder die Beschwerden verdankt, für deren Diätmanagement es vorgesehen ist, gegebenenfalls, hinsichtlich der besonderen Verarbeitung und Formulierung, mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses“. Damit entspricht sie im Wesentlichen – und soweit für den vorliegenden Fall erheblich sogar insgesamt – der älteren Vorschrift in Art. 4 Abs. 4 lit. c Richtlinie 1999/21/EG, der „eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit verdankt, gegebenenfalls mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses“, verlangt. Auch an den sonstigen für den vorliegenden Fall erheblichen Punkten hat sich zwischen der Richtlinie 1999/21/EG und der sie ablösenden Verordnung 2016/128 nichts geändert.
§ 21 DiätV, auf den die Beklagte sich beruft, bestimmt die Angaben, ohne die bilanzierte Diäten nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Unter anderem muss die Kennzeichnung die Beschreibung der Eigenschaften und Merkmale, denen das Lebensmittel seine Zweckbestimmung verdankt, umfassen, § 21 Abs. 2 Nr. 2 DiätV. Die Vorschrift setzt Art. 4 Abs. 4 lit. c der Richtlinie 1999/21/EG um, wonach die Kennzeichnung „eine Beschreibung der Eigenschaften und/oder Merkmale, denen das Erzeugnis seine Zweckdienlichkeit verdankt, gegebenenfalls mit Angaben zu Nährstoffen, die vermehrt, vermindert, eliminiert oder auf andere Weise verändert wurden, sowie die Begründung für die Verwendung des Erzeugnisses“, umfassen muss.
Die nach diesen Vorschriften vorgeschriebene Kennzeichnung durch eine Beschreibung der Eigenschaften und Merkmale lässt die streitgegenständlichen Angaben in dem Newsletter jedenfalls nicht als erlaubt erscheinen. Die Qualität des streitgegenständlichen Produkts als Lebensmittel im Sinne der Diätverordnung einmal unterstellt, erfüllen die streitgegenständlichen Aussagen nicht die Anforderungen an die Ausnahme im Sinne dieser Verordnung. Die Angaben nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 DiätV sollen vornehmlich den aufsichtführenden Arzt in die Lage versetzen zu prüfen, ob und gegebenenfalls zu welchen Zwecken und in welcher Art und Weise die bilanzierte Diät einzusetzen ist (Rathke/Sosnitza, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 116 EL, 2017, § 21 DiätV Rn. 14). Es geht folglich um sachliche Information, die dazu dienen soll einzuordnen, ob das Produkt sich für den Anwender – gerade aufgrund seiner individuellen Dispositionen – eignet. Demgegenüber hat das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung den Zweck, Verbraucher davor zu schützen, zur Vorbeugung oder zur Behandlung von Krankheiten Lebensmittel zu konsumieren, anstatt sich von einem Fachmann beraten zu lassen (Rohnfelder/Freytag, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 215. Aufl., 2017, § 11 LFGB Rn. 30).
Die Aussagen des streitgegenständlichen Newsletters gehen aber – weit – über dasjenige hinaus, was zu einer sachlichen Beurteilung des Produkts […] nötig wäre (vgl. dazu auch OLG Bamberg, WRP 2014, 498). Die angegriffenen Aussagen vertiefen Ängste, übertreiben die positiven Auswirkungen bis hin zu Wunderversprechungen und machen Gebrauch von anderen klassischen Formen der Verbraucherwerbung (z.B. die Individualisierung nachteiliger Veränderungen). Die werbliche Darstellung ist von § 21 Abs. 2 Nr. 2 DiätV nicht geschützt.
Zudem würde es für die Zulässigkeit der Kennzeichnung an mindestens einer weiteren Voraussetzung des § 21 Abs. 2 DiätV fehlen. So fehlt bereits der nach Nr. 1 vorgeschriebene Hinweis „zur diätetischen Behandlung von …“ ergänzt durch die Krankheit, Störung oder Beschwerden, für die das Lebensmittel bestimmt ist.
(4)
Gem. Art. 7 Abs. 4 lit. a LMIV gilt das Verbot krankheitsbezogener Information des Art. 7 Abs. 3 LMIV auch für Werbung und damit auch für die Bewerbung eines Produkts mit krankheitsbezogenen Angaben in einem Newsletter wie dem streitgegenständlichen aus Anlage K 1.
d)
Bei den maßgeblichen Vorschriften handelt es sich um Marktverhaltensregeln, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2016, 40, 41).
2.
Daneben steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 5 HCVO zu.
Nach Art. 5 Abs. 1a HCVO ist die Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel nur zulässig, wenn anhand wissenschaftlicher Nachweise nachgewiesen ist, dass der Wirkstoff, auf den sich die Angabe bezieht, eine positive physiologische Wirkung hat.
a)
Auch die Vorschriften der HCVO dürfen aus den oben genannten Gründen im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie zur Anwendung gebracht werden. Die Regeln der HCVO dienen dem Schutz der Verbraucher und sind daher Marktverhaltensregeln, deren Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (BGH, GRUR 2013, 958).
b)
Unabhängig davon, ob die vorgelegten englischsprachigen Studien in Verbindung mit dem Vortrag der Beklagten einen hinreichend substantiierten Vortrag begründen, sind die Studien per se nicht geeignet, die streitgegenständlichen Aussagen in ihrer Breite zu belegen. Auch hinsichtlich der in Anspruch genommenen Erfolgswahrscheinlichkeit stützen die Studien die Aussagen nicht. Weit über die durch die vorgelegte Studie gestützte Annahme, der in […] enthaltene Stoff bacopa monnieri könne die Gedächtnisleistung verbessern, hinausgehend wird in den streitgegenständlichen Aussagen insbesondere behauptet, das Produkt bzw. der Stoff könne auch Demenz heilen. Darüber hinaus werden dezidierte Behauptungen aufgestellt, die nicht Gegenstand der vorgelegten Studien sind. Bereits in der Werbeaussage zu Nr. 1 des klägerischen Antrags wird behauptet, das Produkt könne das Gedächtnis auf einen Stand bringen „wie es vor 10 oder 20 Jahren war““, „sofort weiteren Gedächtnisverlust“ stoppen und das „Gehirn von Senile-Plaque-Ablagerungen befreien“. Noch in derselben Aussage wird weiter versprochen, das Produkt könne „Erinnerungen zurückholen“ und das „Gehirn stark gegen schädliche Umwelteinflüsse wie Fett, Zucker, Stress, Sorgen und Ärger“ machen. Derartige Versprechungen ziehen sich durch den gesamten Newsletter (z.B. Befreiung von Gedächtnisverlustanzeichen in nur wenigen Tagen, Nr. 8; „Gelassenheit“, Nr. 34). Darüber hinaus wird der Erfolgseintritt als zu 100 % sicher dargestellt, und zwar nicht nur hinsichtlich einer bloßen Verbesserung des Gedächtnisses, sondern gerade hinsichtlich der dezidiert aufgestellten gesundheitsbezogenen Behauptungen („Gedächtnisschwäche muss Ihnen nie passieren“, Nr. 7; „Wundermittel“, das das Gedächtnis eines 80-jährigen so macht wie das eines 18-jährigen, und zwar in 3 Wochen, Nr. 6, wiederholt ohne Wochenangabe in Nr. 35; Befreiung „in nur wenigen Tagen“, Nr. 8; in Nr. 49 wird versprochen, dass man sich zu „100 Prozent“ an die schönen Dinge des Lebens erinnert).
3.
Da es in der Vergangenheit zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG im Umfang des Antrags.
4.
Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der pauschalierten Abmahnkosten kann auf § 12 Abs. 1 S. 2 UWG gestützt werden. Die Zinsentscheidung beruht auf den §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
5.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2 i.V.m. § 709 S. 1 ZPO.