OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2017, Az. 4 U 183/16
§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG; § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG; Art. 6 Richtlinie 2005/29/EG, Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2005/29/EG
Die Entscheidung des OLG Hamm finden Sie unten im Volltext. Eine Zusammenfassung finden Sie hier (OLG Hamm – Werbung mit Neueröffnung).
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Oberlandesgericht Hamm
Urteil
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 18.10.2016 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A.
Beide Parteien vertreiben Küchen.
Die Verfügungsbeklagte unterhält neben anderen eine Filiale in I. Diese gestaltete sie in den Jahren 2015 und 2016 in mehreren Schritten um. Hierbei wurde ein vollständig neues Küchenhaus erbaut, das am 27.12.2015 eröffnet wurde. Da so der Küchenvertrieb aus dem alten Einrichtungszentrum ausgelagert wurde, entstand dort die Möglichkeit, die anderen Fachabteilungen zu erweitern und umzubauen.
In ihrem Prospekt vom 28.09.2016 (Anlage A1 – Bl. 19ff der Akten) warb die Verfügungsbeklagte wie folgt:
[…]
Am selben Tag folgte eine Radiowerbung mit folgendem Inhalt (Anlage A5a):
„Wir feiern die die Neueröffnung unseres Einrichtungszentrums in I. Nach Totalumbau und großer Erweiterung. Genießen Sie die neue Dimension des Wohnens mit gigantischen Markenmöbelangeboten. Das neue X-Einrichtungszentrum in I. Jetzt große Neueröffnung. Die Feier geht weiter.“
Auf Antrag der Verfügungsklägerin vom 29.09.2016 hat das Landgericht Bochum am 04.10.2016 eine Beschlussverfügung erlassen, mit der der Verfügungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde,
im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbes beim Betreiben eines Einrichtungshauses mit dem Begriff „Neueröffnung“ zu werben, wenn dies wie in dem Prospekt vom 27.09.2016 für die Filiale I wie sodann nachfolgend abgebildet
und/oder
wie in dem am 28.09.2016 veröffentlichten Radiowerbespot mit dem Text
[…]
geschieht.
Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte am 06.10.2016 Widerspruch eingelegt.
Die Verfügungsklägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Verfügungsbeklagte mit der Verwendung des Begriffs „Neueröffnung“ schon deshalb irreführend für das Einrichtungshaus I werbe, da dieses bereits am 27.12.2015 eröffnet worden sei.Im Übrigen setze eine Neueröffnung begrifflich eine Schließung voraus, die es – und dies ist unstreitig – nicht gegeben habe. Der Hinweis auf einen „Totalumbau“, der als solcher vorsorglich bestritten werde, sei insoweit unerheblich. Denn dieser Zusatz sei in den Prospekten nur in winziger Schrift unterhalb des rot und fett gedruckten Wortes „Neueröffnung“ abgedruckt gewesen. Auch im Radiospot sei die Erwähnung dieses Begriffs keinesfalls in gleichwertigem Kontext wie der Begriff „Neueröffnung“ erfolgt. Die Parameter für derlei Zusätze seien damit nicht erfüllt und der Hinweis demzufolge als nicht existent zu behandeln. Von dem Schlagwort „Neu-Eröffnung“ gehe eine Anlockwirkung aus, die eine wahrheitsgemäße Werbung nicht besessen hätte.
Die Verfügungsklägerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Kosten der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.
Sie hat behauptet, das gesamte Einrichtungszentrum I sei in seiner baulichen Struktur überarbeitet und neu gestaltet worden. Aufgrund der Baumaßnahmen, die bis Ende August 2016 gedauert hätten, seien sämtliche Abteilungen des Einrichtungszentrums vollständig neu gestaltet worden. Die Baumaßnahmen hätten das gesamte Gebäude betroffen, so dass alle Abteilungen vollständig neu gestaltet worden seien. Der Verkauf sei während der Bauphase nur auf eingeschränkten Flächen mit stark eingeschränktem Sortiment möglich gewesen.
Aufgrund der Erweiterung habe man dem Publikum in sämtlichen Abteilungen ein deutlich breiteres Produktangebot präsentieren können. Zur Eröffnung seien viele attraktive Eröffnungsangebote für das Publikum geschaffen worden.
Die Verfügungsbeklagte hat die Ansicht vertreten, die Werbung mit dem Hinweis auf eine „Neueröffnung nach Totalumbau und Erweiterung“ sei nicht zu beanstanden. Hiermit sei klargestellt, dass es den Geschäftsbetrieb an der bisherigen Stelle bereits gegeben habe. Die Verwendung des Begriffs erfordere nicht, dass das Geschäft zwischendurch vollständig geschlossen worden sei. Das Publikum sei mit dem Umstand vertraut, dass der umsichtig handelnde Kaufmann die Verkaufsbemühungen nur soweit einschränke, als dies zur Durchführung des Umbaus erforderlich sei. Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot sei damit nicht erkennbar.
Das Landgericht Bochum hat mit am 18. Oktober 2016 verkündetem Urteil die einstweilige Verfügung vom 04.10.2016 bestätigt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Verfügungsbeklagte mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:
Die beanstandete Werbung sei sachlich zutreffend. Das Möbelhaus in I sei bis zu seiner Neueröffnung am 1. September 2016 in seiner Substanz vollständig überarbeitet, teilweise abgerissen, teilweise neu gebaut und erweitert worden.
Der Begriff „Neueröffnung“ bringe lediglich zum Ausdruck, dass etwas Neues eröffnet werde. Genau dies sei der Fall gewesen. Das fertiggestellte Möbelzentrum in I sei erstmals am 1. September 2016 dem Publikum zugänglich gemacht worden. In allen Abteilungen seien deutlich erweiterte Sortimente präsentiert worden. Die Besucher hätten die gesamte, neue Infrastruktur des Einrichtungszentrums nutzen können. Es habe zudem zahlreiche, gute Angebote gegeben.
Die Information „nach Erweiterung und Totalumbau“ bringe zum Ausdruck, dass der Geschäftsbetrieb schon an dem betroffenen Standort ansässig und dort vor der Neueröffnung eine Baustelle gewesen sei. Genau dies sei in der Zeit bis zur Neueröffnung auch der Fall gewesen.
Darüber hinaus sei das Publikum nicht darüber unterrichtet worden, ob der Geschäftsbetrieb der Beklagten während der Bauphase vollständig eingestellt oder auf Teilflächen – wie allgemein üblich – aufrechterhalten worden sei.
Der verständige Verbraucher erkenne, dass er hierüber keine Information erhalten habe. Die Werbeaussage sei weder mehrdeutig noch unklar, sondern allenfalls unvollständig. Zu einer vollständigen Verbraucherinformation sei der Werbende gemäß § 5 UWG jedoch nicht verpflichtet; es sei denn, es gehe um unerlässliche Informationen in Bezug auf den Verbraucherschutz. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.
Im Übrigen fehle es selbst nach dem vom Landgericht erhobenen Vorwurf an einer unwahren Angabe über Umstände im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – 7 UWG.In Betracht komme ohnehin allein eine Täuschung über den „Anlass des Verkaufs“ im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG. Hierüber werde jedoch wahrheitsgemäß berichtet. Denn die Bauarbeiten am neuen Möbelzentrum seien erst in der Nacht vor der Neueröffnung abgeschlossen worden, so dass mit der beanstandeten Werbung wahrheitsgemäß die Neueröffnung als Anlass angegeben worden sei. Die vom Landgericht angenommene Fehlvorstellung in Bezug auf die Verkaufstätigkeit während der Bauphase betreffe diesen Anlass nicht.
Zudem sei die als irreführend beanstandete geschäftliche Handlung nicht dazu geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Für den Verkehr sei entscheidend, dass er endlich das fertiggestellte Einrichtungszentrum nutzen und die anlässlich der Neueröffnung gewährten Kaufvorteile ohne Einschränkung durch irgendwelche Baumaßnahmen in Anspruch nehmen könne. Ob der Geschäftsbetrieb während der Bauphase vollständig geschlossen oder teilweise in eingeschränktem Umfang aufrechterhalten worden sei, sei für den Verbraucher nicht relevant.
Ob der klarstellende Hinweis in dem Prospekt hinreichend wahrgenommen werden könne, sei ohnehin nicht Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens.
Schließlich trage die angegriffene Entscheidung dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung, da der auf Seite 3 eingeblendete Prospekt zu stark verkleinert und in seiner Darstellung reduziert sei.
Die Verfügungsbeklagte beantragt deshalb,
unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Bochum, I – 12 O 178 / 16 vom 18.10.2016 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:
Von einer Neueröffnung am 01.09.2016 habe nicht gesprochen werden dürfen. Denn dieser Hinweis sei nicht lediglich unvollständig, sondern falsch.
Die Verfügungsbeklagte selbst bestätige, dass der Verkauf während der Bauarbeiten ohne jede Schließung unverändert fortgeführt worden sei. Sämtliche von ihr aufgeführten Arbeiten hätten die Verkaufsaktivitäten nicht dergestalt beeinträchtigt, dass eine Schließung mit anschließender Neueröffnung erforderlich gewesen sei. Dass die Verkaufstätigkeit überhaupt eingeschränkt gewesen sei, werde bestritten. Ebenfalls werde bestritten, dass die Beklagte anlässlich ihrer „Neueröffnung“ außergewöhnlich zahlreiche und außergewöhnlich gute Angebote offeriert habe.
Der Begriff „Neueröffnung“ bringe zum Ausdruck, dass etwas Neues eröffnet wird. Der Verbraucher gehe davon aus, dass eine derart gravierende und grundlegende Veränderung an dem Geschäft vorgenommen worden sei, dass eine Unterbrechung der Verkaufsaktivitäten bedingt habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Denn das Geschäftslokal sei nie geschlossen gewesen.
Mit dem Hinweis auf einen vermeintlichen Totalumbau und eine große Erweiterung habe die Verfügungsbeklagte die Angabe der „Neueröffnung“ nicht richtig stellen können. Denn hiermit haben sie keine Aussage darüber getroffen, ob der Geschäftsbetrieb während der Maßnahme fortgeführt werden konnte oder ob das Geschäft geschlossen werden musste.
Durch den Begriff „Neueröffnung“ werde der Verbraucher neugierig gemacht und in das neu eröffnete Geschäft gelockt. Allein aus diesem Grund werde dieser Begriff im Allgemeinen von Gewerbetreibenden verwendet. Auch die Verfügungsbeklagte habe dies im Bewusstsein der besonderen Werbewirksamkeit des Begriffs getan.
Streitgegenständlich sei die Werbung mit diesem Begriff, mit dem die Verfügungsbeklagte in ihrem Prospekt und im Radiowerbespot geworben habe.
Der angefochtenen Entscheidung sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Verfügungsbeklagte nicht mit einer Neueröffnung werben dürfe, wenn eine solche nicht stattgefunden habe. Sie sei deshalb hinreichend bestimmt.
B.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I.
Der Verfügungsantrag ist zulässig.
1.
Der Verfügungsantrag entspricht schon dadurch, dass die konkreten Verletzungshandlungen einbezogen werden, den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO,
Die Bedenken der Verfügungsbeklagten hinsichtlich der Darstellung der beanstandeten Werbung im angefochtenen Urteil auf Seite 3 sind unerheblich. Denn die hier maßgeblichen Formulierungen sind lesbar und unstreitig.
2.
Die Verfügungsklägerin ist klagebefugt i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
II.
Die Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Die Vermutung ist vorliegend auch nicht widerlegt worden.
III.
Der Verfügungsantrag ist auch begründet.
Der aktivlegitimierten Verfügungsklägerin steht der hiermit verfolgte Verfügungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 UWG gegen die Verfügungsbeklagte zu.
1.
Sowohl die beanstandete Printwerbung als auch der in Rede stehende Werbespot stellen geschäftliche Handlungen i.S.d. § 2 Nr. 1 UWG dar.
2.
Deren Inhalt ist irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 UWG.
a)
Wie eine Werbung zu verstehen ist, hängt maßgeblich von der Auffassung der von ihr angesprochenen Verkehrskreise ab.
Vorliegend handelt es sich um eine sog. Publikumswerbung, die sich an das allgemeine Publikum, mithin im Prinzip an jedermann richtet. Dessen Verkehrsauffassung können die Mitglieder des erkennenden Senates aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, ohne dass es hierfür besonderer Kenntnisse oder Erfahrungen bedürfen würde (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm/Feddersen, 35. Aufl., § 5 UWG, Rn. 1.233).
b)
Mit dem von der Verfügungsbeklagten verwendeten Begriff „Neueröffnung“ wird der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, welcher der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (§ 3 Abs. 2 UWG), unter den gegebenen Umständen im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 UWG über den Anlass des Verkaufs irregeführt, womit dahinstehen kann, ob die Bezugspunkte der Irreführung in § 5 Abs. 1 S. 2 UWG abschließend aufgeführt sind (so Harte/Henning-Dreyer, UWG, 4. Aufl., § 5 B Rn. 256 mwN; Diekmann in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl. 2016, § 5 UWG, Rn. 33; a.A. Köhler/Bornkamm/Bornkamm/Feddersen, 35. Aufl., § 5 UWG, Rn. 0.30, 0117).
Denn Anlass des Verkaufs war entgegen dem mit diesem Begriff suggerierten Eindruck nicht die Wiedereröffnung des Einrichtungszentrums in I, sondern der endgültige Abschluss sämtlicher Erweiterungs- und Umbauarbeiten am Gebäude.
aa)
Insoweit kann dahinstehen, ob der Teil des angesprochenen Verkehrs, dem das Einrichtungszentrum in I bislang nicht bekannt war, aufgrund der beanstandeten Werbung davon ausgehen konnte, dass es sich um die erstmalige, eben Neu-Eröffnung an dem betreffenden Standort handelte (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Urt. v. 10.12.1993 – 2 U 156/93, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 25.02.1988 – 6 U 1830/87, juris; Harte/Henning/Weidert, UWG, 4. Aufl., § 5 D Rn.11), oder ob mit dem verwendeten Sternchenhinweis klar sein musste, dass dies nicht der Fall war.
bb)
Denn jedenfalls konnte der angesprochene Verkehr den Begriff der Neueröffnung als Wiedereröffnung des geschlossenen Einrichtungshauses auffassen.
Denn der Begriff des „Eröffnens“ wird in diesem Zusammenhang nicht anders als im Sinne von Aufschließen oder Aufmachen des Ladenlokals verstanden und setzt damit schon begrifflich voraus, dass dieses geschlossen war (so auch schon OLG Frankfurt, Urt. v. 30.10.2003 – 6 U 120/02 Rn. 9, juris). Dies wird dem Publikum nicht ausdrücklich mitgeteilt, jedoch suggeriert – und dies genügt (Köhler/Bornkamm/Bornkamm/Feddersen, 35. Aufl., § 5 UWG, Rn. 1.39). Die Werbeaussage ist insoweit nicht einmal mehrdeutig, geschweige denn unklar oder vollständig.
Diese Vorstellung wird nicht durch den Zusatz „Nach Totalumbau und großer Erweiterung“ korrigiert. Hieraus ergibt sich allenfalls, dass es sich nicht um eine Neu-Eröffnung handelte. Hiermit wird jedoch mitnichten klargestellt, dass es keine Schließung gab. Im Gegenteil macht gerade dieser Hinweis die Werbeaussage umso schlüssiger. Denn es ist plausibel, dass gerade bei derart umfangreichen Baumaßnahmen eine Schließung notwendig wurde.
Es mag heutzutage bei baulichen Großprojekten gang und gäbe sein, vorhandene Bauten aus wirtschaftlichen Erwägungen während der Bauphase weiterhin eingeschränkt zu nutzen. Das heißt jedoch nicht, dass es üblich wäre, sodann nach Bauende mit einer „Neueröffnung“ zu werben.
cc)
Von einer Wiedereröffnung in diesem Sinne konnte jedoch nicht die Rede sein.
Denn unstreitig war der Geschäftsbetrieb im Einrichtungszentrum I während der gesamten Umbaumaßnahme bis zuletzt aufrechterhalten worden. Das Möbelhaus war nicht geschlossen. Das hierzu gehörige, vollständig neu erbaute Küchenhaus war ohnehin schon Ende Dezember 2015 eröffnet worden.
c)
Diese Irreführung ist relevant i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 UWG.
aa)
Dem steht nicht von vorneherein entgegen, dass der hier maßgebliche Umstand nicht zur abschließenden Liste der in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG aufgeführten Informationen gehört, die im Rahmen einer Aufforderung zum Kauf als wesentlich einzustufen sind. Denn hiermit wird gerade nicht ausgeschlossen, dass das Vorenthalten einer nicht in Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG aufgezählten Informationen irreführend i.S.d. Art. 6 der Richtlinie ist und auch das Bereitstellen aller Informationen i.S.d. Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie gleichwohl zu dem Ergebnis führen kann, dass eine irreführende Geschäftspraktik vorliegt (EuGH, GRUR 2016, 1307, 1312 – Canal Digital; Büscher, GRUR, 2017, 105, 114)
bb)
Die Irreführung ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG).
Dabei ist es unerheblich, ob die Verfügungsbeklagte bei der von ihr beworbenen „Neueröffnung“ dem Publikum tatsächlich eine umfangreiche Warenpräsentation, außerordentlich gute Kaufvorteile und eine funktionierende Infrastruktur bot (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm/Feddersen, UWG, 35. Aufl., § 5 Rn. 3.3).
Denn der hier irreführende Begriff der „Neueröffnung“ übt auf den Verbraucher generell einen ganz erheblichen Anreiz aus (so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 30.10.2003 – 6 U 120/02 Rn. 10, juris). Das Verbot des § 5 UWG erfasst aber selbst die Irreführung, von der „lediglich“ eine solche Anlockwirkung ausgeht, auch wenn die Gefahren hierbei im Allgemeinen geringer sein werden als die einer Irreführung mit unmittelbarer Relevanz für die Marktentscheidung (Köhler/Bornkamm/Bornkamm/Feddersen, UWG, 35. Aufl., § 5 Rn. 1.91, 1.179; 3.3). Der Tatbestand der geschäftlichen Entscheidung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG umfasst nämlich außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH, GRUR 2014, 196, 198 – Trento Sviluppo; BGH, GRUR 2015, 698, 700 – Schlafzimmer komplett) und damit vorliegend auch den Entschluss, das vermeintlich wiedereröffnete Einrichtungshaus der Verfügungsbeklagten statt dasjenige eines Wettbewerbers aufzusuchen, auch wenn dieser gleichermaßen attraktive Angebote bewirbt.
3.
Die Wiederholungsgefahr wird sodann aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8 Rn. 1.43). Eine wettbewerbliche Unterwerfungserklärung seitens der Beklagten liegt nicht vor.
C.
Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Vorinstanz:
LG Bochum, Az. 12 O 178/16