OLG Hamm, Urteil vom 12.01.2017, Az. 4 U 80/16
§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 UWG
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Oberlandesgericht Hamm
Urteil
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das am 23.02.2016 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum jeweils teilweise abgeändert und – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen – insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Bereich des Handels mit Fahrrädern und Zubehörwaren alternativ oder kumulativ
a)
Waren mit Hinweisen auf tatsächlich nicht durchgeführte Prüfungen durch externe, nicht mit dem Hersteller oder Anbieter zusammenhängende Stellen anzubieten, wie am 04.10.2015 auf der Handelsplattform „Z“ im Angebot mit der Nr. ###1 „B … Scheibenbremsbeläge …“ und aus der Anlage HKMW 2 ersichtlich geschehen;
b)
auf der Handelsplattform „Z“ für den Vertrieb von Waren, für die bereits Artikeldetailseiten vorhanden sind, weitere Artikeldetailseiten anzulegen und/oder auf solchen weiteren Artikeldetailseiten Waren anzubieten, wie am 04.10.2015 im Angebot mit der Nr. ###2 „00 Lastenanhänger …“ und aus Anlage HKMW 3 ersichtlich geschehen;
c)
auf der Handelsplattform „Z“ in Artikeldetailseiten zu Artikeln ein Kennzeichen zu nennen, das kein Unternehmens- oder Markenzeichen des Herstellers ist, und/oder auf solchen Artikeldetailseiten Waren anzubieten, wie am 04.10.2015 im Angebot mit der Nr. ###2 „00 Lastenanhänger …“ und aus Anlage HKMW 3 ersichtlich geschehen.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang von Handlungen der oben unter b) und c) erwähnten Art.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin wegen Handlungen der oben unter b) und c) erwähnten Art entstanden ist oder noch entstehen wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 32% und die Beklagte zu 68%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 20% und die Beklagte zu 80%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A.
Die Klägerin vertreibt im Onlinehandel Fahrräder und Fahrradzubehör. Die Beklagte vertreibt ebenfalls im Onlinehandel – u.a. über die Internetplattform „Z“ und dort unter dem Verkäufernamen „A“ – Fahrräder und Fahrradzubehör.
Am 04.10.2015 bot die Beklagte auf der Internetplattform „Z“ das Produkt „B … Scheibenbremsbeläge …“ an (Internetausdruck Anlage HKMW 2 = Blatt 12-13 der Gerichtsakte). Unter der Überschrift „Produktbeschreibungen“ fand sich u.a. die Angabe „geprüft nach EN-Standard“. Eine Prüfung des Produktes durch eine externe, nicht mit dem Hersteller oder der Beklagten zusammenhängende Stelle, d.h. durch einen neutralen Dritten, hatte zuvor nicht stattgefunden.
Am 17.09.2015 hatte die Beklagte auf der Internetplattform „Z“ unter Angabe einer tatsächlich nicht existierenden EAN (European Article Number) eine Artikeldetailseite für ein von ihr als „00 Lastenanhänger …“ bezeichnetes Produkt angelegt, für die „Z“ die NR. (Nr.) „###2“ vergab. Diese Artikeldetailseite enthielt unmittelbar unterhalb der vorstehend wiedergegebenen Produktbezeichnung in kleinerer Schrift die Angabe „von 0-0“, war jedenfalls am 04.10.2015 noch im Internet abrufbar (Internetausdruck Anlage HKMW 3 = Blatt 14-15 der Gerichtsakte) und enthielt an dem letztgenannten Tag keine Hinweise auf weitere Anbieter für dieses Produkt neben der Beklagten. Bei der Bezeichnung „00“ bzw. „0-0“ handelte es sich um eine von der Beklagten erdachte Wortfolge. Hersteller des von der Beklagten angebotenen Lastenanhängers ist die D GmbH (vormals: W GmbH) mit Sitz in C, die die Wortfolge „00“ bzw. „0-0“ nicht zur Kennzeichnung ihres Unternehmens oder ihrer Produkte benutzt. Für das von der Beklagten angebotene Produkt existierte bereits seit dem 08.11.2013 eine (andere) Artikeldetailseite auf der Internetplattform „Z“ (vgl. Internetausdruck Anlage HKMW 4 = Blatt 16-17 der Gerichtsakte), auf der das Produkt als „Lastenanhänger …“ bezeichnet wird, auf der sich unmittelbar unterhalb der Produktbezeichnung in kleinerer Schrift die Angabe „von W“ findet und für die die NR. „###3“ vergeben wurde; auf dieser Artikeldetailseite waren am 04.10.2015 mehrere Anbieter für das Produkt vermerkt.
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 05.10.2015 (Anlage HKMW 5 = Blatt 19-24 der Gerichtsakte) ab.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Werbung der Beklagten mit der Angabe „geprüft nach EN-Standard“ stelle einen Wettbewerbsverstoß dar, weil die Beklagte nicht näher darüber informiere, auf welche Weise die Ergebnisse der – angeblichen – Prüfung zu erhalten seien. Die Ergebnisse von Prüfungen durch Dritte – und damit erwartungsgemäß durch neutrale Stellen – seien für den Verbraucher bei seiner Entscheidungsfindung von besonderer Bedeutung. Für eine Werbung mit einer „Prüfung nach EN-Standard“ gelte nichts anderes als für eine Werbung mit einem Warentest-Ergebnis. Um eine informierte Entscheidung treffen zu können, benötige der Verbraucher Angaben zum Gegenstand der Prüfung, zur Prüfungstiefe und –breite sowie zum Prüfungsergebnis. Hinter der Anlegung der neuen Artikeldetailseite für den Lastenanhänger der D GmbH stecke ein perfides System der Verbrauchertäuschung, das zu schwerwiegenden Verletzungen von Verbraucher- und Mitbewerberinteressen führe. Der Verbraucher, der auf der von der Beklagten angelegten neuen Artikeldetailseite „lande“, werde in den Irrglauben versetzt, die Beklagte sei der einzige Anbieter für das Produkt auf der Internetplattform „Z“ und ein Kauf des Produktes auf dieser Internetplattform sei nur zu dem von der Beklagten verlangten – überhöhten – Preis möglich. Die angesprochenen Verbraucher seien nämlich mit der Praxis der Internetplattform „Z“ vertraut, dass sämtliche Anbieter für ein bestimmtes Produkt an eine Artikeldetailseite „angehängt“ seien. Ihr, der Klägerin, stehe darüber hinaus gegen die Beklagte aufgrund eines – in den Gründen dieses Urteiles nicht wiedergegebenen oder beschriebenen – Angebotes im Internet vom 28.09.2015 ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.500,00 € wegen eines Verstoßes gegen eine von der Beklagten im Oktober 2014 abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung im Zusammenhang mit der Werbung mit Garantien zu.
Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Bereich des Handels mit Fahrrädern und Zubehörwaren alternativ oder kumulativ
a) Waren mit Hinweisen auf Prüfungen, denen die Waren unterzogen worden sein sollen, anzubieten, ohne zugleich anzugeben, wie die der erwähnten Prüfung zugrundeliegenden Informationen zu erhalten sind, wie am 04.10.2015 auf der Handelsplattform „Z“ im Angebot mit der Nr. ###1 „B … Scheibenbremsbeläge …“ und aus der Anlage HKMW 2 ersichtlich geschehen;
b) auf der Handelsplattform „Z“ für den Vertrieb von Waren, für die bereits Artikeldetailseiten vorhanden sind, weitere Artikeldetailseiten anzulegen und/oder auf solchen weiteren Artikeldetailseiten Waren anzubieten, wie am 04.10.2015 im Angebot mit der Nr. ###2 „00 Lastenanhänger …“ und aus Anlage HKMW 3 ersichtlich geschehen;
c) auf der Handelsplattform „Z“ in Artikeldetailseiten zu Artikeln ein Kennzeichen zu nennen, das kein Unternehmens- oder Markenzeichen des Herstellers ist, und/oder auf solchen Artikeldetailseiten Waren anzubieten, wie am 04.10.2015 im Angebot mit der Nr. ###2 „00 Lastenanhänger …“ und aus Anlage HKMW 3 ersichtlich geschehen;
d) auf der Handelsplattform „Z“ in Artikeldetailseiten zu Artikeln ein falsches Datum anzugeben, seit dem der Artikel bei „Z“ im Angebot ist, und/oder auf solchen Artikeldetailseiten Waren anzubieten, wie am 04.10.2015 im Angebot mit der Nr. ###2 „00 Lastenanhänger …“ und aus Anlage HKMW 3 ersichtlich geschehen;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, Auskunft zu erteilen über den Umfang von Handlungen der unter 1.b),c) und d) erwähnten Art durch Vorlage einer vollständigen Liste sämtlicher von ihr erstellter „doppelter“ Artikeldetailseiten unter Angabe der „NR. neu“ sowie der „EAN neu“ unter jeweiliger Gegenüberstellung der „NR. alt“ sowie der vom Hersteller vergebenen „EAN“ inklusive der Angabe der getätigten Verkäufe einschließlich der jeweils erzielten Kaufpreise;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr, der Klägerin, wegen Handlungen der in 1.b), c) und d) erwähnten Art entstanden ist oder noch entstehen wird;
4. die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 3.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe nicht gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, und hierzu weitere Ausführungen gemacht.
Mit dem angefochtenen, am 23.02.2016 verkündeten Urteil hat die 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum den Unterlassungsanträgen zu 1.a) und c) sowie den Klageanträgen zu 2. und 3., soweit sich diese auf die im Klageantrag zu 1.c) bezeichneten Handlungen beziehen, stattgegeben. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Klägerin und die Beklagte mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen. Die Klägerin verfolgt die in der ersten Instanz ohne Erfolg gebliebenen Unterlassungsanträge sowie die hierauf bezogenen Anträge auf Auskunftserteilung und Schadensersatzpflichtfeststellung weiter; die Abweisung des Zahlungsantrages (Vertragsstrafe) nimmt sie hingegen hin. Die Beklagte begehrt eine vollumfängliche Abweisung der Klage.
Die Klägerin wiederholt zur Begründung ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Vorbringen und hat in der Berufungsinstanz zunächst beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und – über die bereits zuerkannten Ansprüche hinaus –
1. die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Bereich des Handels mit Fahrrädern und Zubehörwaren alternativ oder kumulativ
a) (…);
b) auf der Handelsplattform „Z“ für den Vertrieb von Waren, für die bereits Artikeldetailseiten vorhanden sind, weitere Artikeldetailseiten anzulegen und/oder auf solchen weiteren Artikeldetailseiten Waren anzubieten, wie am 04.10.2015 im Angebot mit der Nr. ###2 „00 Lastenanhänger …“ und aus Anlage HKMW 3 ersichtlich geschehen;
c) (…);
d) auf der Handelsplattform „Z“ in Artikeldetailseiten zu Artikeln ein falsches Datum anzugeben, seit dem der Artikel bei „Z“ im Angebot ist, und/oder auf solchen Artikeldetailseiten Waren anzubieten, wie am 04.10.2015 im Angebot mit der Nr. ###2 „00 Lastenanhänger …“ und aus Anlage HKMW 3 ersichtlich geschehen;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin, Auskunft zu erteilen über den Umfang von Handlungen der unter 1.b) und d) erwähnten Art durch Vorlage einer vollständigen Liste sämtlicher von ihr erstellter „doppelter“ Artikeldetailseiten unter Angabe der „NR. neu“ sowie der „EAN neu“ unter jeweiliger Gegenüberstellung der „NR. alt“ sowie der vom Hersteller vergebenen „EAN“ inklusive der Angabe der getätigten Verkäufe einschließlich der jeweils erzielten Kaufpreise;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr, der Klägerin, wegen Handlungen der in 1.b) und d) erwähnten Art entstanden ist oder noch entstehen wird.
Nach einem Hinweis des Senats hat die Klägerin ihre Berufung insoweit zurückgenommen, als mit ihr der erstinstanzliche Klageantrag zu 1.d) sowie die hierauf bezogenen Teile der erstinstanzlichen Klageanträge zu 2. und 3. weiterverfolgt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Zur Begründung ihrer eigenen Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen; insoweit beantragt sie,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage auch im Übrigen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Formulierung im Klageantrag zu 1.a) unter a) nunmehr wie folgt lautet:
„a) Waren mit Hinweisen auf tatsächlich nicht durchgeführte Prüfungen durch externe, nicht mit dem Hersteller oder Anbieter zusammenhängende Stellen anzubieten, wie am 04.10.2015 auf der Handelsplattform „Z“ im Angebot mit der Nr. ###1 „B … Scheibenbremsbeläge …“ und aus der Anlage HKMW 2 ersichtlich geschehen“.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Umformulierung des Klageantrages zu 1.a) sei erforderlich, weil – jedenfalls in der Berufungsinstanz – unstreitig geworden sei, dass eine Prüfung des Produktes durch eine externe, nicht mit dem Hersteller oder der Beklagten zusammenhängende Stelle, d.h. durch einen neutralen Dritten, überhaupt nicht stattgefunden habe. Das betreffende Angebot der Beklagten sei irreführend, weil es durch die Angabe „geprüft nach EN-Standard“ indes den – unzutreffenden – Eindruck erwecke, es habe eine derartige Prüfung gegeben.
Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die dort befindlichen Dokumente verwiesen.
B.
Die – zulässigen – Berufungen der Parteien haben jeweils den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg und sind jeweils im Übrigen unbegründet.
I.
Berufung der Klägerin
Die Berufung der Klägerin ist im Wesentlichen begründet und nur zu einem geringen Teil, nämlich hinsichtlich des inhaltlichen Umfanges des geltend gemachten Auskunftsanspruches, unbegründet. Nach der Teil-Berufungsrücknahme sind Gegenstand der Berufung der Klägerin nur noch der Klageantrag zu 1.b) sowie die hierauf bezogenen Teile der Klageanträge zu 2. und 3.
1.
Klageantrag zu 1.b) (Unterlassung)
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG.
a)
Das von der Klägerin beanstandete Angebot der Beklagten für einen Fahrrad-Lastenanhänger auf der Internetplattform „Z“ ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG. Nach dieser Vorschrift ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware enthält, wobei die Vorschrift zu den wesentlichen Merkmalen der Ware auch deren Verfügbarkeit zählt. Zur Verfügbarkeit einer Ware gehört wiederum die Frage, ob die Ware nur bei einem bestimmten Unternehmer oder auch bei anderen Unternehmern bezogen werden kann (EuGH, WRP 2014, 38, Tz. 29).
aa)
Das streitgegenständliche Angebot enthielt unwahre oder zumindest zur Täuschung geeignete Angaben über die Verfügbarkeit des beworbenen Lastenanhängers. Es erweckte den – nach den für die Beurteilung der Irreführungseignung maßgeblichen Verhältnissen am 04.10.2015 – unzutreffenden Eindruck, der Anhänger sei auf der Internetplattform „Z“ nur über die Beklagte erhältlich.
(1)
Wie eine Werbung zu verstehen ist, hängt maßgeblich von der Auffassung der von ihr angesprochenen Verkehrskreise ab. Adressat der streitgegenständlichen Werbung ist das allgemeine Publikum, dessen Verkehrsauffassung die Mitglieder des erkennenden Senats aufgrund eigener Sachkunde beurteilen können. Abzustellen ist hierbei auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (Köhler/Bornkamm/Bornkamm/Feddersen, UWG, 35. Aufl. [2017], § 5 Rdnr. 1.76 m.w.N.).
(2)
Ein solcher Verbraucher wird bei der Ansicht des streitgegenständlichen Angebotes – irrigerweise – annehmen, der beworbene Lastenanhänger sei auf der Internetplattform „Z“ nur über die Beklagte erhältlich. Der durchschnittlich informierte Verbraucher ist mittlerweile mit der – für ihn im Hinblick auf die Möglichkeit zum direkten Preisvergleich besonders vorteilhaften – Praxis der Internetplattform „Z“, für jedes Produkt nur eine Artikeldetailseite anzulegen, auf der bzw. über die sämtliche Anbieter für das jeweilige Produkt aufgeführt bzw. aufrufbar sind, vertraut. Bei der Ansicht der streitgegenständlichen Artikeldetailseite musste er daher zu dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt den – unrichtigen – Eindruck gewinnen, die Beklagte sei zu diesem Zeitpunkt die einzige Anbieterin für den Anhänger auf der Internetplattform „Z“.
Dass die Durchführung einer Suche nach dem Produkt über die „Z“-interne Suchfunktion möglicherweise zum fraglichen Zeitpunkt auch Hinweise auf andere Anbieter ergeben hätte, ist schon allein deshalb ohne Belang, weil ein Nutzer auch direkt (z.B. über einen von einem anderen Nutzer per E-Mail versandten Link oder innerhalb des „Z“-Händlershops der Beklagten [„Schaufensteransicht“]) auf die hier in Rede stehende Artikeldetailseite gelangen konnte und auf diese Weise von vornherein keine Möglichkeit hatte, Informationen über mögliche andere Anbieter zu erhalten.
bb)
Die Irreführung ist auch geschäftlich (wettbewerblich) relevant. Sie ist geeignet, den Betrachter der streitgegenständlichen Artikeldetailseite zu einem Geschäftsabschluss mit der Beklagten zu bewegen, ohne die Internetplattform „Z“ nach (möglicherweise günstigeren) Anbietern zu durchsuchen.
b)
Umstände, die geeignet sind, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
2.
Auskunft und Schadensersatz hinsichtlich der im Klageantrag zu 1.b) beschriebenen Handlung
a)
Das Auskunftsbegehren der Klägerin ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Es findet seine Grundlage in dem durch den Wettbewerbsverstoß der Beklagten begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen den Parteien in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., § 9 Rdnr. 4.5 m.w.N.).
Der Auskunftsanspruch erstreckt sich in inhaltlicher Hinsicht grundsätzlich nur auf Art, Zeitpunkt und Umfang der konkreten Verletzungshandlung und etwaiger kerngleicher Handlungen (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., § 9 Rdnr. 4.11). Wie die Beklagte die geschuldete Auskunft erteilt und strukturiert, ist dabei grundsätzlich ihre Sache, solange die Auskunft inhaltlich verständlich und nachvollziehbar ist. Ein Anspruch auf eine Auflistung in der von der Klägerin in ihrem Klageantrag vorgegebenen Form besteht nicht.
Ebensowenig besteht ein Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung bezüglich der getätigten Verkäufe einschließlich der jeweils erzielten Kaufpreise. Insoweit begehrt die Klägerin von der Beklagten der Sache nach eine Rechnungslegung. Ein Rechnungslegungsanspruch besteht im Lauterkeitsrecht indes nur in bestimmten Fallkonstellationen, zu denen eine irreführende Werbung nicht gehört (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., § 9 Rdnr. 4.7b m.w.N.).
b)
Die Beklagte ist der Klägerin nach § 9 Satz 1 UWG zum Schadensersatz verpflichtet.
II.
Berufung der Beklagten
Die Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet und nur zu einem geringen Teil, nämlich hinsichtlich des inhaltlichen Umfanges des vom Landgericht zuerkannten Auskunftsanspruches, begründet.
1.
Klageantrag zu 1.a.) (Unterlassung)
a)
Die in der Umformulierung dieses Klageantrages in der Berufungsinstanz liegende Klageänderung ist nach § 533 Nr. 1 Alt. 2 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich, da sie dem Umstand Rechnung trägt, dass jedenfalls in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, dass eine Prüfung des beworbenen Produktes durch eine externe, nicht mit dem Hersteller oder der Beklagten zusammenhängende Stelle, d.h. durch einen neutralen Dritten, überhaupt nicht stattgefunden hat, und dass dementsprechend die von der Klägerin ursprünglich für erforderlich erachtete Vorlage näherer Informationen zu einer solchen Prüfung in tatsächlicher Hinsicht überhaupt nicht möglich war.
b)
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG.
aa)
Das streitgegenständliche Angebot ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher versteht die Angabe „geprüft nach EN-Standard“ – auch wenn diese werblich nicht besonders herausgestellt ist – dahin, dass ein unabhängiger (neutraler) Dritter eine Prüfung des Produktes im Hinblick auf die Einhaltung der einschlägigen EN-Normen durchgeführt hat (vgl. hierzu auch Senat, Urteil vom 06.02.2014 – 4 U 131/13 – <juris>). Er versteht sie nicht lediglich als Hinweis auf eine vom Hersteller selbst oder in seinem Auftrag vorgenommene Prüfung auf die Normkonformität des Produktes, denn eine solche Prüfung wäre aus Sicht des angesprochenen Verkehrskreises eine Selbstverständlichkeit, die keiner werblichen Erwähnung bedarf. Er versteht die Angabe schließlich auch nicht als bloßen Hinweis auf die (materielle) Einhaltung der einschlägigen Normen. Wenn es nur um die Normkonformität als solche ginge, hätte sich nämlich aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher eine Formulierung wie z.B. „EN-Norm-konform“ angeboten.
Die Irreführung ist zweifelsohne auch geschäftlich relevant. Es liegt auf der Hand, dass sich Kunden bevorzugt einem Produkt zuwenden, das einer Qualitätsprüfung durch einen neutralen Dritten unterzogen worden ist.
bb)
Umstände, die geeignet sind, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
2.
Klageantrag zu 1.c) (Unterlassung)
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage ebenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 UWG.
a)
Das streitgegenständliche Angebot ist irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG.
Die Angabe „von 0-0“ täuscht die angesprochenen Verbraucher über die betriebliche Herkunft der beworbenen Ware. Der angesprochene Verkehr fasst die Wortfolge „0-0“ im hier in Rede stehenden Zusammenhang als ein auf den Hersteller des Produktes hinweisendes Kennzeichen (mithin eine Marke oder ein sonstiges unternehmensbezogenes Zeichen) auf. Dies ergibt sich zum einen aus der Verbindung mit der vorangestellten und auf einen Ausgangspunkt oder Ursprung hinweisenden Präposition „von“ und zum anderen aus dem Umstand, dass auch die Produktbezeichnung mit der nahezu identischen Wortfolge „00“ beginnt. Als Hinweis auf den Verkäufer des Produkts versteht der Verkehr die in Rede stehende Angabe schon deshalb nicht, weil dieser in dem streitgegenständlichen Angebot an anderer Stelle als „A“ bezeichnet wird.
Die Verbrauchertäuschung ist auch geschäftlich relevant. So mag es durchaus Kunden geben, die mit dem eigentlichen Hersteller („W“) schon einmal aus welchem Grunde auch immer schlechte Erfahrungen gemacht haben und daher dem Angebot der Beklagten bei zutreffender Benennung des Herstellers nicht nähertreten würden.
b)
Umstände, die geeignet sind, die aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
3.
Auskunft und Schadensersatz hinsichtlich der im Klageantrag zu 1.c) beschriebenen Handlung
a)
Hinsichtlich der Anspruchsgrundlage und des inhaltlichen Umfanges des geltend gemachten Auskunftsanspruches gilt das oben unter I.2.a) Gesagte entsprechend.
b)
Die Beklagte ist der Klägerin nach § 9 Satz 1 UWG zum Schadensersatz verpflichtet.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) besteht nicht.
Vorinstanz:
LG Bochum, Az. 12 O 191/15