OLG Frankfurt a.M.: Kostenlose Wetter-App des Deutschen Wetterdienstes ist keine geschäftliche Handlung der öffentlichen Hand

veröffentlicht am 22. März 2016

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 04.02.2016, Az. 6 U 156/15
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG

Das Urteil des OLG Frankfurt a.M. finden Sie unten im Volltext. Eine Zusammenfassung haben wir hier für Sie (OLG Frankfurt – geschäftliche Handlung).


Was ist eine geschäftliche Handlung – Wettbewerbsrecht anwendbar?

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 24. 7. 2015 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren sowie für das Berufungsverfahren wird in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auf jeweils 300.000 € festgesetzt.

Gründe


I.
Die Antragsgegnerin (die Bundesrepublik Deutschland) betreibt als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts den Deutschen Wetterdienst (DWD), zu dessen Aufgaben nach dem Gesetz über den Deutschen Wetterdienst (DWDG) neben der Herausgabe von amtlichen Wetterwarnungen (§ 4 I Nr. 3 DWDG) auch die Erbringung meteorologischer Dienstleistungen für die Allgemeinheit oder einzelne Kunden und Nutzer (§ 4 I Nr. 1 DWDG) gegen eine Vergütung (§ 6 II DWDG) gehört. Seit kurzem bietet der DWD eine unentgeltliche, werbefreie App „DWD Warn Wetter“ an, die neben Wetterwarnungen auch allgemeine Wetterinformationen enthält. Der Antragsteller, ein Verband privater Wetterdienstleistungsunternehmen, sieht hierin einen Verstoß gegen § 6 II 1 DWDG sowie eine Behinderung seiner Mitglieder und nimmt die Antragsgegnerin deswegen, gestützt auf die Vorschriften des UWG (§§ 8 I, III Nr. 2, 3, 4 Nr. 4, 3a i. V. § 6 II DWDG), im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Das Landgericht hat den Eilantrag mangels Bestimmtheit des gestellten Unterlassungsantrages zurückgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Antragsteller das Verfügungsbegehren mit geändertem Antrag weiter.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i. V. m. 313a ZPO abgesehen.

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar hat der Antragsteller die vom Landgericht gesehenen Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit des Unterlassungsantrages mit dem in der Berufung zuletzt gestellten Antrag ausgeräumt. Dem Antragsteller steht der auf die Vorschriften des UWG gestützte Unterlassungsanspruch jedoch bereits deshalb nicht zu, weil das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin nicht als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 I Nr. 1 UWG eingestuft werden kann und damit auch nicht die Tatbestände der §§ 3a, 4 Nr. 4 UWG erfüllt.

Nach § 2 I Nr. 1 UWG ist „geschäftliche Handlung“ das Verhalten einer (auch juristischen) Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes unmittelbar zusammenhängt. Der Begriff des „unmittelbaren Absatzförderungszusammenhangs“ entspricht dabei der Sache nach demjenigen der „Wettbewerbsabsicht“ im Sinne des UWG in der vor 2008 geltenden Fassung (vgl. Senat GRUR-RR 2015, 298, juris-Tz. 8; BGH GRUR 2013, 945 [BGH 10.01.2013 – I ZR 190/11] – Standardisierte Mandatsbearbeitung, juris-Tz. 17).

Im vorliegenden Fall ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit dem unentgeltlichen Angebot der streitgegenständlichen App den Absatz dritter Unternehmen fördern will. Eine Einordnung dieses Verhaltens als geschäftliche Handlung kommt daher nur dann in Betracht, wenn sie damit den Absatz des eigenen Unternehmens zu fördern beabsichtigt. Zwar ist die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit dem Betrieb des DWD durchaus „Unternehmerin“ im Sinne von § 2 I Nr. 6 UWG, da sie Wetterdienstleistungen jedenfalls auch gegen Entgelt anbietet und damit eine auf die dauerhafte Einnahmenerzielung gerichtete unternehmerische Tätigkeit entfaltet. Zu dieser unternehmerischen Tätigkeit gehört die beanstandete unentgeltlich verbreitete App jedoch weder unmittelbar, noch bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin mit dieser unentgeltlichen App zumindest mittelbar den Absatz ihrer entgeltlich angebotenen Wetterdienstleistungen fördern will.

Bei einem „rein“ gewerblich tätigen Unternehmen kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die unentgeltliche Abgabe von Leistungen – zumindest mittelbar – letztlich auch dem allein auf Einnahmenerzielung angelegten Unternehmenszweck, d.h. der Absatzförderung, dienen soll. Dieser Erfahrungssatz kann jedoch auf den von der Antragsgegnerin betriebenen DWD nicht angewandt werden, weil dessen Aufgabe gerade nicht allein in der Erzielung von Einnahmen besteht. Der DWD erfüllt mit der Beobachtung des Wetters und der Unterrichtung hierüber vielmehr in erster Linie öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge und der Gefahrenabwehr. Dass er sich hierzu teilweise unternehmerischer Mittel bedient, entspricht der fiskalisch motivierten Intention des Gesetzgebers, einen möglichst hohen Teil seiner Kosten durch Einnahmen zu decken und den Bundeshaushalt damit zu entlasten (§ 6 I DWDG, vgl. dazu auch BT-Drs 13/9510 S. 28 – Anlage AS 4).

Auf Grund dieser Doppelfunktion des DWD hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die unentgeltliche Verbreitung von Wetterinformationen noch der „originären“ öffentlichen Aufgabenerfüllung zuzurechnen ist, oder ob damit jedenfalls auch der Absatz der eigenen entgeltlichen Leistungen gefördert werden soll.

Im vorliegenden Fall ergeben sich unter keinem Blickwinkel hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte wolle mit der unentgeltlichen Verbreitung der beanstandeten „DWD Warn Wetter“-App – und sei es auch nur mittelbar – den Absatz ihrer entgeltlichen Wetterdienstleistungen fördern.

Allein der Umstand, dass sich die in der „Wetter App“ enthaltenen Dienstleistungen zu einem erheblichen Teil mit denen von privaten Anbietern überschneiden, ist dafür kein ausreichendes Kriterium.

Es ist nicht ersichtlich, dass die breite Öffentlichkeit, an die sich die App vorrangig richtet, mit dieser unentgeltlichen App etwa zugleich als Abnehmer für die entgeltlich angebotenen Leistungen des DWD gewonnen werden sollen. Weder kann angenommen werden, dass der einzelne Bürger überhaupt ein Interesse an diesen Leistungen hat, noch finden sich auf der App werbliche Hinweise auf derartige Leistungen.

Soweit sich – wie der Antragsteller vorträgt – auf der App einzelne Informationsangebote (in der Terminologie des DWDG: Spezialdienstleistungen) befinden, die auch Gegenstand der entgeltlichen Leistungen des DWD sind, ergibt sich daraus allein kein Werbeeffekt der App zugunsten dieser entgeltlichen Angebote. Denn die Unternehmen, die als Abnehmer dieser Leistungen in Betracht kommen, wissen in der Regel ohnehin um die Existenz dieser weiteren Angebote und werden durch die Daten auf der kostenlosen App jedenfalls nicht (zusätzlich) veranlasst, dieselben Leistungen entgeltlich in Anspruch zu nehmen.

Entgegen der vom Antragsteller geäußerten Befürchtung vermag der Senat schließlich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass es der Antragsgegnerin – was zweifellos nicht nur das Vorliegen einer „geschäftlichen Handlung“, sondern auch deren Unlauterkeit begründen würde – mit der beanstandeten unentgeltlich angebotenen App darum geht, die privaten Wetterdienstleister vollständig oder weitgehend vom Markt zu drängen, um sodann als einzig verbliebener Anbieter ihre eigene App nunmehr gegen Entgelt vertreiben zu können.

Die Antragsgegnerin bietet bereits seit längerem auf ihren Internetseiten ebenfalls kostenlose allgemeine Wetterinformationen an, ohne dass dies die privaten Wetterdienstleister dabei behindert hätte, ihrerseits vergleichbare – in der Regel werbefinanzierte – Leistungen im Internet anzubieten. Es erscheint damit schon objektiv kaum möglich, mit einer kostenlosen Wetter-App eine vollständige Verdrängung ähnlicher Apps privater Dienstleister herbeiführen zu wollen. Aus diesem Grund lässt sich eine Wettbewerbsabsicht auch nicht mit der Argumentation begründen, die Antragsgegnerin wolle dem Publikum durch die kostenfreie Veröffentlichung ihrer App ihre Leistungsstärke und Attraktivität vor Augen führen.

Im Übrigen wäre es auch von vornherein wenig erfolgversprechend, auf Dauer Anbieter unentgeltlicher, werbefinanzierter Wetterinformationen vom Markt auszuschließen und den DWD als einzigen Anbieter von – nunmehr entgeltlichen – Wetterinformationen zu etablieren. Denn die Öffentlichkeit, die sich über viele Jahre hinweg an die Existenz unentgeltlicher Wetterinformationen gewöhnt hat, wäre vermutlich zur Zahlung eines Entgelts für derartige Leistungen nicht bereit. Diese Erwägungen sprechen dagegen, dass die Antragsgegnerin mit dem beanstandeten Verhalten eine Marktverdrängungsstrategie der genannten Art verfolgen könnte.

Nach den Gesamtumständen stellt sich die beanstandete unentgeltliche App der Antragsgegnerin vielmehr als Ergänzung und Fortentwicklung ihres bisher schon auf den Internetseiten bereitgehaltenen kostenlosen Informationsangebots mit zeitgemäßen technischen Mitteln dar, die mit der Absicht einer Einnahmenerzielung in keinem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang steht.

Der Senat verkennt nicht, dass das Verhalten der Antragsgegnerin zu einer Beeinträchtigung der Interessen der Mitglieder des Antragstellers führt, da die „DWD Warn Wetter“-App eine durchaus interessante Alternative zu vergleichbaren Angeboten der privaten Wetterdienstleister ist. Solange die Antragsgegnerin damit aber aus den genannten Gründen ohne eine Absatzförderungsabsicht lediglich ihrem öffentlichen Informationsauftrag nachkommen will, eröffnet sich für den Antragsteller keine Möglichkeit, dagegen mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts vorzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Der vom Senat in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung auf 300.000,- € erhöhte Streitwert entspricht dem Interesse des Antragstellers am Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung.

Angesichts der vom Antragsteller dargestellten schwerwiegenden Folgen, die eine Fortsetzung des angegriffenen Verhaltens für einen privaten Wetterdienstleister haben wird, gibt der vom Antragsteller angeregte und vom Landgericht festgesetzte Wert von 100.000,- € dieses Interesse bei weitem nicht angemessen wieder.

Vorinstanz:
LG Darmstadt, Az. 20 O 92/15