OLG Düsseldorf: „Keiner ist schneller“ kann zulässige Werbung für ein Schmerzmittel sein

veröffentlicht am 17. Mai 2017

OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2016, Az. I-20 U 55/16
§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG; § 3 HWG; Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG

Das Urteil des OLG Düsseldorf haben wir hier besprochen (OLG Düsseldorf – Keiner ist schneller), den Volltext der Entscheidung finden Sie nachfolgend:


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Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

I.
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 13.04.2016 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die einstweilige Verfügung der genannten Kammer vom 22.02.2016 wird unter Aufrechterhaltung im Übrigen im Ausspruch zu I. b) aufgehoben. Der auf den entsprechenden Ausspruch gerichtete Antrag des Antragstellers vom 19.02.2016 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz haben der Antragsteller zu 40 % und die Antragsgegnerin zu 60 % zu tragen.

II.
Die Kosten der Berufung werden dem Antragsteller zu 85 % und der Antragsgegnerin zu 15 % auferlegt.

 
Gründe

I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Durch dieses hat das Landgericht seine Beschlussverfügung vom 22.02.2016 aufrechterhalten, soweit es der Antragsgegnerin darin untersagt hatte, wie folgt in textlicher Form

[Abb.]

im geschäftlichen Verkehr für das Arzneimittel „X.“ zu werben oder werben zu lassen mit der Aussage: „Keiner ist schneller“ (Tenor der Beschlussverfügung zu I. b)). Soweit es der Antragsgegnerin diese Aussage auch untersagt hatte, wenn dies geschieht wie in dem ebenfalls streitgegenständlichen Werbespot (Tenor der Beschlussverfügung zu I. a)), und die Parteien das Verfahren insoweit im Hinblick auf die Unterwerfungserklärung der Antragsgegnerin für den Zeitraum ab dem 11.03.2016 übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, hat das Landgericht die einstweilige Verfügung für die Zeit bis zum 10.03.2016 aufrechterhalten und die Kosten des erledigten Teils der Antragsgegnerin auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Werbung mit der Aussage „Keiner ist schneller“ stelle eine geschäftliche Handlung dar, die zur Täuschung über die wesentlichen Merkmale der Ware geeignet sei. Denn es handele sich in beiden angegriffenen Fällen um die Behauptung einer Alleinstellung, die die Antragsgegnerin nach dem unstreitigen Vorbringen nicht für sich beanspruchen könne. Maßgeblich sei die Auffassung des Verkehrskreises, an den sich die Werbung richte. In der Werbung mit einem negativen Komparativ werde in der Rechtsprechung teilweise nur eine Spitzengruppenbehauptung gesehen, teilweise als Alleinstellungsbehauptung und teilweise als Spitzengruppenbehauptung, die unter Berücksichtigung des Einzelfalles und des werblichen Kontextes vom maßgeblichen Verkehrskreis als Alleinstellungsbehauptung zu sehen sein könne. Die Kammer schließe sich der vermittelnden Ansicht an. Die streitgegenständliche Werbeaussage werde entgegen ihres Wortlauts vom angesprochenen Verkehr dahingehend verstanden, dass es sich um das schnellste Präparat bei Kopfschmerzen handele. Der Durchschnittsverbraucher, der sich im Regelfall bei der Wahrnehmung von Werbung keine vertieften Gedanken über grammatikalische Feinheiten mache, gehe ebenso regelmäßig davon aus, dass der Werbende mit seiner Werbeaussage auf eine Besonderheit seines Produktes aufmerksam machen wolle, durch welche sich das beworbene Produkt von anderen Produkten abhebe. Dies führe zur Annahme einer Alleinstellungsbehauptung jedenfalls dann, wenn nur eine einzige Eigenschaft beworben werde, die dann die Besonderheit sei, mit der sich das Produkt maßgeblich von anderen unterscheide. So liege der Fall hier, da sich die Werbeaussage allein auf die Schnelligkeit des Präparats beziehe. Ohne dass es hierauf entscheidend ankomme, werde die Alleinstellungsbehauptung „Keiner ist schneller“ im Rahmen des TV-Spots noch durch die visuelle Darstellung des Präparates der Antragsgegnerin verstärkt, das sämtliche anderen Präparate „wegfege“, mithin als einziges übrig bleibe. Aus den genannten Gründen seien auch die Kosten des für erledigt erklärten Teils der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung und macht geltend, das Landgericht sei, was den Tenor zu I. b) anbelange, zu Unrecht von einer Alleinstellungsbehauptung ausgegangen. Gegenstand hier sei allein die isolierte Verwendung der schriftlichen Angabe ohne Berücksichtigung des Inhalts des TV-Spots. Der Antragsteller habe nichts dazu vorgetragen, aufgrund welcher konkreten Elemente hier von einer Alleinstellungsbehauptung auszugehen sei. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur sei der negative Komparativ alleine nur als Spitzengruppenbehauptung aufzufassen. Zudem, so die Antragsgegnerin in der Replik, sei der Antrag I. b) zu unbestimmt, da die Einblendung weitgegehend unleserlich sei. Auch die Kostenentscheidung des Landgerichts im Rahmen des § 91a ZPO sei zu beanstanden. Nach § 93 ZPO (analog) hätten die Kosten dem Antragsteller auferlegt werden müssen. Dieser habe erstmals in der Antragsschrift zur Begründung des Antrags I. a) darauf abgestellt, dass in dem Spot andere Arzneimittelpackungen vom Produkt der Antragsgegerin „aus dem Bild gefegt“ werden. Sie habe daher keine Veranlassung zum Verfahren gegeben. Denn mit den Abmahnungen habe sich der Antragssteller gegen die Aussage per se unabhängig von ihrem Kontext gewandt. Ihre Unterwerfungserklärung sei sieben Tage nach Erlass der einstweiligen Verfügung und damit unverzüglich erfolgt. Dass sie zuvor unbeschränkt Widerspruch eingelegt gehabt habe, sei unschädlich.

Nachdem ihr ursprünglich angekündigter Antrag dahingehend gelautet hatte, die einstweilige Verfügung unter Abänderung des angefochtenen Urteils (gänzlich) aufzuheben, beantragt die Antragsgegnerin nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung nunmehr,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des LG Düsseldorf vom 13.08.2016 die einstweilige Verfügung des LG Düsseldorf vom 22.02.2016 im Auspruch zu I. b) aufzuheben, den diesem Ausspruch zugrunde liegenden Verfügungsantrag zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens vollumfänglich dem Antragsteller aufzuerlegen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, den von der Antragsgegnerin zitierten neueren Urteilen zur Verwendung des negativen Komperativs fehle die Begründungstiefe. Demoskopische Untersuchungen belegten, dass der Verkehr Werbung mit negativem Komparativ intuitiv ganz überwiegend im Sinne einer Alleinstellaungsbehauptung auffasse. Von einer Irreführung sei aber auch dann auszugehen, wenn man die streitgegenständliche Werbung als Spitzengruppenbehauptung qualifiziere. Denn die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt bzw. glaubhaft machen können, dass die angegriffene werbliche Behauptung, dass kein Kopfschmerzmittel existiere, das schneller wirke als „X.“, wissenschaftlich abgesichert sei. Das sei aber ihre Pflicht gewesen. Dies gelte auch und gerade, weil sie mit gesundheitsbezogenen Aspekten werbe. Der Werbende müsse hier, wenn das Fehlen der wissenschaftlichen Absicherung substantiiert beanstandet werde, diese beweisen. Eine solche substantiierte Beanstandung sei hier erfolgt. Schließlich stelle, wie schon erstinstanzlich beanstandet, die Werbung „Keiner ist schneller“ auch ein unzulässiges Erfolgsversprechen im Sinne nach § 3 Satz 2 Nr. 2 lit. a) HWG dar. Die Antragsgegnerin habe zur Einleitung des Verfahrens Anlass gegeben und auch kein sofortiges Anerkenntnis erklärt. Dass die Unterwerfung spätestens zusammen mit dem Widerspruch erklärt werden müsse, habe der hiesige Senat bereits entschieden.

Die Antragsgegnerin vertritt demgegenüber die Auffassung, eine faktische Umkehr der Darlegungs- und Beweislast komme nur in Betracht, wenn die klagende Partei die betreffenden Tatsachen entweder überhaupt nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten aufklären könne. Um Interna in diesem Sinne gehe es aber hier nicht. Streitentscheidend sei allein der recherchierbare Stand der Wissenschaft, der beiden Parteien gleichermaßen zugänglich sei. Nichts anderes gelte, weil es um gesundheitsbezogene Aspekte gehe. Denn der Antragsgegner habe nicht substantiiert dargelegt, dass es an einer wissenschaftlichen Absicherung fehle.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

1.)
Die Untersagung zu I. b) der durch das angefochtene Urteil aufrechterhaltenen einstweiligen Verfügung ist zu Unrecht erfolgt.

a)
Zwar ist der Tenor vollstreckungsfähig. Es ist unstreitig, dass in dem abgebildeten Screenshot in Bezug auf das Präparat X. der Text „Keiner ist schneller“ auftaucht und mit keinerlei Einschränkung versehen ist, also der Text „Keiner ist schneller“ im Ergebnis in jeglichem Kontext umfasst sein soll.

b)
Dem Antragsgegner steht jedoch kein Anspruch darauf zu, dass die Antragsgegnerin die mit dem Antrag zu b) bezeichnete Werbung unterlässt.

aa)
Das Begehren des Antragstellers ist allerdings nicht schon deshalb unbegründet, weil es die angebliche Verletzungshandlung nicht zutreffend wiedergibt. Soweit die Antragsgegnerin beanstandet, am Verbraucherverständnis nehme die Angabe im Text „Erfahren Sie mehr über X. auf: www.x.de…“ teil, kann dem nicht gefolgt werden. Dies gilt schon deshalb, weil die Antragsgegnerin überhaupt nicht mitteilt, dass überhaupt und wenn ja welche Angaben auf der genannten Internetseite enthalten sind, die das Verbraucherverständnis im hier relevanten Zusammenhang beeinflussen. Zudem läge nichts anderes als eine Blickfangwerbung vor, der ein unzureichender Hinweis nachgeschaltet ist.

bb)
Unzutreffend ist das Landgericht jedoch davon ausgegangen, dass die Werbung wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG/Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG unlauter ist.

(a)
Ihm kann nicht in der Auffassung gefolgt werden, der Text „Keiner ist schneller“ stelle bereits als solcher eine Alleinstellungsbehauptung dar, welche – das ist unstreitig – falsch wäre. Anders als es bei der älteren Rechtsprechung, wie sie vom Antragsteller zitiert worden ist, der Fall war, ist heutzutage bei der Beurteilung, wie eine Werbeaussage bei einem Produkt wie dem vorliegenden vom angesprochenen Verkehr aufgefasst wird, nicht auf das Verständnis eines nur flüchtigen Adressaten, sondern auf das eines durchschnittlich informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers abzustellen. Von einer Auseinandersetzung mit den einzelnen vom Antragsteller in Bezug genommenen Urteilen sieht der Senat daher ab. Wie der genannte Durchschnittsverbraucher die streitgegenständliche Werbung auffasst, kann der Senat als Teil des angesprochenen Publikums und vor dem Hintergrund, dass das Landgericht seine Würdigung unter Heranziehung der Lebenserfahrung vorgenommen hat, selbst beurteilen (vgl. hierzu auch BGH GRUR 2012, 1053 – Marktführer Sport). Dabei ist festzustellen, dass der durch die Werbung angesprochene Verbraucher die durch den Text getroffene Aussage eher flüchtig wahrnimmt. Es handelt sich nicht um eine Lektüre, der man große Aufmerksamkeit schenkt. Haften bleibt daher der Wortlaut des Textes, der einen eindeutigen Wortsinn hat: Kein anderes Präparat ist schneller, X. gehört also zu den am schnellsten wirkenden Präparaten. Den Gedanken, dass die Werbung mit einer Alleinstellung für die Antragsgegnerin (noch) günstiger wäre als die mit einer Spitzengruppenstellung, macht sich der Leser in dieser Situation nicht. Er wird daher auch nicht darüber grübeln, ob die Antragsgegnerin möglicherweise die Behauptung einer Alleinstellung entgegen des Wortlauts gemeint hat.

Den Charakter einer Alleinstellungsbehauptung erhält der Text in der unter b) angegriffenen Form auch nicht durch einen Bezug zum Werbespot. Denn zum einen kann nicht davon ausgegangen werden – und wird vom Antragsteller auch nicht behauptet -, dass jeder Leser des Textes zuvor schon den Werbespot gesehen hat. Zum anderen werden der Text und der Spot getrennt voneinander angegriffen.

(b)
Dass die Behauptung einer Spitzengruppenstellung falsch ist, kann nicht festgestellt werden. In diesem Zusammenhang bleibt es bei der grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast, nämlich dass der Anspruchsteller das Vorliegen der den Anspruch begründenden Tatsachen darlegen und beweisen muss. Die Voraussetzungen für die Annahme des ausnahmsweisen Eingreifens der sog. sekundären Darlegungslast liegen nicht vor. Denn auszuwerten sind unstreitig lediglich allgemein zugängliche Quellen. Die Antragsgegnerin beruft sich nicht auf nur ihr zugängliche Untersuchungen. Dass ein anderes Kopfschmerzpräparat im Empfinden des Patienten schneller als X. wirkt, behauptet der Antragsteller selber nicht. Nur diese Wirkung ist aber relevant, da nur auf diese Wirkung aus Verbrauchersicht mit der Werbung „Keiner ist schneller“ abgestellt wird. Ob ein anderes Präparat seine Wirkstoffe schneller in den Blutkreislauf abgibt als X., ist dem Verbraucher verständlicherweise so lange gleichgültig, als er diese Abgabe nicht unmittelbar spürt.

(c)
Auch unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass es sich vorliegend um eine gesundheitsbezogene Angabe handelt, ist eine Irreführung des Verbrauchers nicht festzustellen.

Zwar liegt eine nach § 3 HWG unzulässige irreführende Werbung dann vor, wenn Arzneimitteln Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben, wobei an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (vgl. BGH GRUR 2013, 649 Rdnr. 15 ff – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Was die Darlegungs- und Beweislast anbelangt, herrscht insoweit Einigkeit, dass der Werbende die wissenschaftlichen Erkenntnisse benennen muss, die die gesundheitsbezogene Angabe tragen sollen. Dann ist es jedenfalls Aufgabe des Anspruchstellers, substantiierte Beanstandungen vorzutragen. Wie sich sodann die Beweislast verteilt, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da der Antragsteller keine ausreichenden Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin zitierten Studien vorgebracht hat, nach denen die Aussage gerechtfertigt ist, dass Ibuprofen-Lysin-Präparate, zu denen X. zählt, zu den schnellsten Mitteln gehören, wenn es um die Schmerzlinderung geht. Im Einzelnen:

Die „Doppelblindstudie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ibuprofen-Lysinat“ von Wahl et al (Anlage AG 3, Bl. 205 ff GA) kommt zu dem Ergebnis, dass Ibuprofen-Lysinat sowohl im Vergleich zu einem Placebo als auch zu einem Kombinationspräparat bestehend aus Paracetamol, Acetylsalcylsäure und Koffein einen deutlichen Vorteil beim Schmerzrückgang aufweist. Dass der unter Ziffer 4.3 benannte „signifikant frühere Zeitpunkt“, zu dem die Patienten, die Ibuprofen-Lysin genommen hatten, im Vergleich zu Patienten, die das Kombinationspräparat erhalten hatten, eine spürbare Schmerzerleichterung bekundet hat, nicht näher konkretisiert wird, ist unerheblich. Dass Zweifel an der zutreffenden Auswertung der von den Patienten gemachten Einzelergebnisse in dieser Studie angebracht sind, behauptet der Antragsteller nicht. Soweit er weiterhin einwendet, bei der Studie sei eine andere Dosierung von Ibuprofen-Lysin als bei X. zum Einsatz gekommen nämlich 342 mg Ibuprofen-Lysanit, ist die Antragsgegnerin dem mit dem Vorbringen entgegen getreten, diese Dosierung entspreche einer halben Filmtablette des Mittels X., was zulassungsgemäß die Einzeldosis bei Jugendlichen ab 12 Jahren und Erwachsenen darstelle. Hierzu hat der Antragsteller ebenso wenig Stellung genommen wie zu dem von der Antragstellerin unter Verweis auf die sogleich noch zu behandelnde Studie von Mehlisch (Anlage AG 4, Seite 852 re. Sp.) vorgetragenen Umstand, dass Studien bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen anerkannte Modelle sind, um die Wirksamkeit von verschreibungsfreien Schmerzmitteln zu erforschen.

Die gerade schon erwähnte Studie von Mehlisch „Comparative Study of Ibuprofen Lysine and Acetaminophen in Patiens with Postoperative Dental Pain“ (Anlage AG 4, Bl. 209 ff GA) vergleicht Ibuprofen-Lysin mit Paracetamol und stellt fest, dass die Patienten, die Ibuprofen-Lysin erhalten hatten, nach kürzerer Zeit eine Schmerzbesserung bekundeten, als diejenigen, die Paracetamol bekommen hatten, und erst recht als diejenigen, denen ein Placebo gegeben worden war (Seite 855 re. Sp. unten, Bl. 212 GA). Im Ergebnis stellen die Autoren fest, dass Ibuprofen-Lysin und Paracetamol wirksame Schmerzmittel bei der Behandlung von Patienten mit durchschnittlichen bis starken postoperativen Schmerzen sind, die Wirkung von Ibuprofen-Lysin aber schneller einsetzt sowie eine höhere Kurve bei der tabellarischen Wiedergabe der von den Probanden bekundeten Ergebnisse und insgesamt bessere Wirkkraft bei der Schmerzbekämpfung als Paracetamol hat. Anlässlich der Studie wurde zwar – das räumt die Antragsgegnerin ein – die doppelte Menge der für einen Erwachsenen bei X. empfohlenen Einzeldosis verabreicht. Der Antragsteller behauptet jedoch nicht, dass die eingesetzte Dosis des Vergleichsmittels, es handelt sich um 1000 mg Paracetamol (siehe Seite 852 li. Sp. unten, Bl. 209 GA), hierzu in keinem adäquaten Verhältnis steht, was der Studie von vorneherein jede Aussagekraft nehmen würde und deshalb ausgesprochen unwahrscheinlich ist.

In Bezug auf die von der Antragsgegnerin außerdem herangezogene Studie „Comparison of Single-Dose Ibuprofen Lysine, Acetylsalicylic Acid and Placebo for Moderate-to-Severe Postoperative Dental Pain“ von Nelson et al (Anlage AG 5, Bl. 218 GA) gilt Gleiches wie gerade zum Vergleich Ibuprofen-Lysin und Paracetamol gesagt. Ibuprofen-Lysin wurde im Vergleich mit Aspirin sogar zusätzlich noch die längere Wirkung attestiert (siehe Seite 465 li. Sp. unten, Bl. 225 GA).

Die Meta-Analyse „Faster, Higher, stronger? Evidence for formulation and efficacy for ibuprofen in acute pain“ von Moore R.A. et al. (Anlage ASt 8, Bl. 68 ff GA) kommt zu dem Ergebnis, dass es starke Argumente dafür gibt, bei starken Schmerzen nicht die Standardrezeptur nicht steroidaler Entzündungshemmer (NSAID) zu verabreichen, sondern schnell freisetzende Rezepturen, wobei die meisten Hinweise für Ibuprofen-Arginin, Ibuprofen-Lysin und Ibuprofen-Natrium sprächen (Seite 19 re. Sp. 1. voller Absatz, Bl. 73 GA). Soweit der Antragsgegner einwendet, für diese Feststellung hätten den Studienverfassern in Bezug auf Ibuprofen Lysin keine gesicherten Erkenntnisse vorgelegen, da keine der in Abschnitt 3.2.3 zur Schnelligkeit des Eintritts der Schmerzlinderung ausgewerteten Studien ein Ibuprofen-Lysin-Präparat zum Gegenstand gehabt habe, kann dies im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens naturgemäß nicht im Einzelnen aufgeklärt werden, wobei viel dafür spricht, dass die – unstreitig renommierten – Verfasser der Studie Moore R.A. et al. aus dem Umstand, dass Ibuprofen-Arginin, das Gegenstand von in Abschnitt 3.2.3 ausgewerteten Studien war, so gute Ergebnisse erzielt hat, den Rückschluss auf gleich gute Ergebnisse bei vergleichbaren Rezepturen, nämlich Ibuprofen-Natrium und Ibuprofen-Lysin gezogen haben. Selbst bei einer nur schwachen Indizwirkung der Studie zum jetzigen Zeitpunkt bestätigt sie jedenfalls das Ibuprofen-Lysin günstige Ergebnis der anderen genannten Studien. Soweit der Antragsteller weiterhin einwendet, laut der Studie von Moore R.A. et al. seien für Ibuprofen-Arginat im Mittel die kürzesten Zeiten bis zum Erreichen des maximalen Blutplasmaspiegels ermittelt worden, ist das aus zwei Gründen nicht geeignet, die Studie als (Mit)Grundlage für die Spitzengruppenbehauptung der Antragsgegnerin für X. zu eliminieren: Zum einen ist zwar unstreitig, dass Ibuprofen-Arginin in Deutschland zugelassen ist. Der Antragsteller ist jedoch dem Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach Ibuprofen-Arginin in Deutschland nicht verkauft wird, für den Verbraucher also nicht erhältlich ist, mit keinem Wort entgegen getreten. Zum anderen belegt die vom Antragsgegner in Bezug genommene Feststellung der Studie nicht, dass Ibuprofen-Arginat seine schmerzstillende Wirkung schneller entfaltet als Ibuprofen-Lysin. Hierfür sind gesicherte Erkenntnisse nicht benannt. Dass im Aufsatz „OTC-Analgetika Beschleunigung des Wirkungseintritts“ von Möll F. und Beutler M. (Anlage Ast 12, Bl. 105 ff GA) dargelegt wird, dass ein schnelles Erreichen maximaler Blutplasmaspiegel unter gewissen Voraussetzungen ein Indiz für einen schnellen Wirkeintritt sein kann, genügt für die Annahme einer gesicherten Erkenntnis, mit dem schnellen Erreichen des maximalen Blutplasmaspiegels sei in der Regel auch ein schneller Wirkungseintritt verbunden, nicht.

Schließlich kommt auch der Aufsatz „Review of the analgesic efficacy of ibuprofen“ von Beaver (Anlage AG 27, Bl. 533 ff GA) zu dem Ergebnis, kein anderer nicht-steroidaler Entzündungshemmer (NSAID) wirke schneller als Ibuprofen, wobei Ibuprofen-Lysin bei der Untersuchung nach kieferchirurgischen Eingriffen schnellere Wirkung gezeigt habe als eine herkömmliche Tablette Ibuprofen (Seite 16 li. Sp. Mitte und re. Sp. oben, Bl. 536 GA).

cc)
Schließlich handelt es sich bei der Werbung zu b) auch nicht um ein unzulässiges Erfolgsversprechen im Sinne von § 3 Satz 2 Nr. 2 lit. a HWG. Der Auffassung des Antragstellers, der Satz „Keiner hilft schneller“ beinhalte das einschränkungslose Versprechen, dass es überhaupt zu einer (sogar sehr schnellen) schmerzlindernden Wirkung von X. bei Kopfschmerzen komme, vermögen sich die Mitglieder des Senats als angesprochene Durchschnittsverbraucher nicht anzuschließen. Die Aussage, dass X. zur Gruppe der schnell wirkenden Kopfschmerzmittel gehört, begründet beim angesprochenen Verbraucher nicht die Erwartung, X. werde in jedem Fall auch bei ihm wirken.

2.)
Soweit das Landgericht den Tenor zu I. a) der einstweiligen Verfügung aufrechterhalten hat, nämlich für die Zeit bis zum 10.03.2016 (einschließlich), wird das Urteil von der Antragsgegnerin von der Antragsgegnerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt hat, nicht mehr angegriffen. Da dies aber ausweislich des Berufungsantrags Gegenstand der Berufung, wenn auch ohne Angabe von Gründen war, stellt die genannte Protokollerklärung eine teilweise Berufungsrücknahme dar.

Die Antragsgegnerin richtet sich im Rahmen des Tenors zu I. a) mithin allein gegen die entsprechende Kostenentscheidung des Landgerichts und den Umstand, dass das Landgericht nicht von einem Anwendungsfall des § 93 ZPO (analog) ausgegangen ist. Das verfängt schon deshalb nicht, weil die Antragsgegnerin Veranlassung zur Klage gegeben hat. Sie übersieht, dass im Abmahnungsschreiben vom 04.02.2016 (Anlage Ast 22, Bl. 143 ff GA) zum einen ausdrücklich auf den Kontext des konkreten Werbespots verwiesen worden war und zum anderen in der dieser Abmahnung beigefügten Unterlassungsklärung sogar die relevante Filmsequenz in Form von 3 Einzelbildern ausdrücklich benannt ist.

III.
Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 92 Abs. 1 ZPO und für die Berufung auf § 92 Abs. 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, da dieses Urteil kraft Gesetzes nicht anfechtbar ist, § 542 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz:

bis zum 10.10.2016: 60.000,- €

ab dem 11.10.2016: 50.000,- €

Der Streitwert für die erste Instanz wird von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass er bis zum 22.03.2016 150.000,- € und ab dem 23.03.2016 60.000,- € beträgt.

Der Senat folgt der – von den Parteien unbeanstandet gebliebenen – Einschätzung des Landgerichts, dass der ursprüngliche Antrag zu I. a) mit 100.000,- € und der Antrag zu I. b) mit 30.000,- € zu beziffern ist. Der Antrag zu I. a) hat sich jedoch nicht vollständig erledigt, da die Parteien ihn nur für die Zeit ab dem 11.03.2016 übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Für die Zeit bis zum 10.03.2016 schätzt der Senat den Wert der Unterlassungsverpflichtung auf 10.000,- €.