OLG Celle: Das Anbieten von Sammeltransporten durch Mietwagen ist wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 21. September 2015

OLG Celle, Urteil vom 30.07.2015, Az. 13 U 57/15
§ 3 Abs. 1 UWG, § 4 Nr. 11 UWG; § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG

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Oberlandesgericht Celle

Urteil

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 10. März 2015 verkündete Urteil 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

Gründe

I.
Die Parteien bieten beide mit Mietwagen durchgeführte Transferleistungen für Flugreisende, insbesondere zum Flughafen H. an. Die Verfügungsbeklagte offeriert interessierten Kunden neben einem Direkttransfer auch die Möglichkeit eines Sammeltransports mit bis zu acht Personen zu vergünstigten Konditionen. Sofern ein solcher Sammeltransport gebucht wird, werden die Fahrgäste nach einer von der Verfügungsbeklagten vorgegebenen Route abgeholt. In zweiter Instanz ist streitig geworden, ob die Verfügungsbeklagte solche Transporte (nur) durch ein Drittunternehmen ausführen lässt oder auch selbst mit eigenen Fahrzeugen übernimmt. Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung von Werbung und Durchführung solcher Sammeltransporte in Anspruch.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Verfügungsbeklagte handele unlauter i. S. v. § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 11 UWG i. V. m. § 49 Abs. 4 Personenbeförderungsgesetz (im Folgenden PBefG), wodurch sie sich einen Wettbewerbsvorsprung vor ihren gesetzestreuen Mitbewerbern sichere. Durch das Geschäftsmodell der Verfügungsbeklagten erwerbe der Fahrgast lediglich einen Sitzplatz in dem angemieteten Fahrzeug und könne nicht über Strecke und Ablauf der Fahrt entscheiden. Eine Einzelplatzvermietung sei jedoch gem. § 49 Abs. 4 PBefG unzulässig.

Die Verfügungsbeklagte ist dem entgegengetreten; das von ihr praktizierte Geschäftsmodell sei rechtmäßig.

Das Landgericht hat die begehrte einstweilige Verfügung erlassen und zur Begründung ausgeführt, mit dem beanstandeten Angebot biete die Verfügungsbeklagte dem jeweiligen Besteller im Rahmen eines Sammeltransports nur einen Platz im Fahrzeug an, ohne dass er Verfügungsgewalt über das Fahrzeug habe und darüber bestimmen könne, welchen Weg das Fahrzeug nehme und wann an welchem Ort angehalten werde. In dieser Konstellation werde das Fahrzeug nicht „im ganzen zur Beförderung gemietet“, wie § 49 Abs. 4 PBefG verlange. Vielmehr gebe es mehrere Passagiere als Besteller einer Beförderungsleistung, die lediglich verlangen könnten, dass sie von ihrem Abholpunkt zum Endpunkt einer Strecke transportiert würden. § 49 Abs. 4 PBefG verlange hingegen, dass es für die Anmietung des Fahrzeugs nur einen Auftraggeber gebe, der die Durchführung der Fahrt insgesamt bestimmen könne. Als Auftraggeber des Transports sei dabei jeweils der einzelne Fahrgast maßgeblich, der der Verfügungsbeklagten den Beförderungsauftrag erteile und den Vertrag mit ihr schließe. Es sei daher unerheblich, dass jene die Fahrzeuge selbst im Ganzen von Dritten anmiete. Die vertragliche Konstruktion, durch die die Verfügungsbeklagte sicherstelle, dass sie die ihren Fahrgästen versprochene Beförderungsleistung erbringe, sei unerheblich. Vielmehr sei der Tatbestand des § 49 Ab. 4 PBefG auf jeder Stufe der Überlassungskette von Fahrzeugen mitsamt Fahrer erneut und differenziert zu betrachten.

Dagegen wendet sich die Verfügungsbeklagte mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Abweisungsantrag weiterverfolgt und ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Als Auftraggeber eines Transports sei – so ihre Ansicht – nicht der jeweils einzelne Fahrgast maßgeblich. Vielmehr sei es die Verfügungsbeklagte, die den Beförderungsauftrag erteile. Der Tatbestand des § 49 Abs. 4 PBefG sei gerade nicht auf jeder Stufe der Überlassungskette erneut zu beurteilen. Die Vorschrift verlange nicht, dass die beförderte Person das Fahrzeug selbst anmiete und Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrt bestimme. Vielmehr sei zwischen den beförderten Personen und dem Mieter des Fahrzeugs zu unterscheiden. Überdies praktiziere – wie die Verfügungsbeklagte behauptet – die Verfügungsklägerin ein ähnliches Geschäftsmodell unter der Bezeichnung „D.-S.“.

Die Verfügungsklägerin behauptet demgegenüber, die Verfügungsbeklagte habe – was als solches unstreitig ist – für ihr Unternehmen 16 Fahrzeuge angemeldet, mit denen sie die in Rede stehenden Sammeltransporte eigenständig durchführe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils einschließlich der dort wiedergegebenen Anträge Bezug genommen.

II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Die Verfügungsklägerin hat gem. § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 2 UWG i. V. m. § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens, d.h. die Beförderung von Flugreisenden zum Flughafen H. mittels eines Sammeltransports in angemieteten oder eigenen Fahrzeugen bzw. die Werbung damit.

Die Parteien sind unzweifelhaft Mitbewerber gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, denn sie bedienen denselben sachlichen, räumlichen und zeitlich relevanten Markt.

Das beanstandete – im Internet abrufbare – Angebot der Verfügungsbeklagten (vgl. Anlage K 3, Bl. 8 GA) verstößt gegen die Vorschrift des § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG, die eine Marktverhaltensregelung i. S. v. § 4 Nr. 11 UWG darstellt.

Gem. § 49 Abs. 4 Satz 1 PBefG ist der Verkehr mit Mietwagen als die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen definiert, die nur im Ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt und die nicht Verkehr mit Taxen nach § 47 PBefG sind. Der Mietwagenunternehmer mit einer Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG (Kraftfahrzeuge im Gelegenheitsverkehr) verstößt mithin gegen § 49 Abs. 4 Satz 1 PBefG, wenn er Personenkraftwagen nach Einzelplätzen und nicht im Ganzen vermietet, was der Verfügungsbeklagten im Ergebnis vorzuwerfen ist.

Dabei spielt es vorliegend keine Rolle, ob die Verfügungsbeklagte die angebotenen Transportleistungen selbst oder über ein seinerseits konzessioniertes Drittunternehmen erbringt, das sie mit der Durchführung der ihren Kunden angebotenen Transportleistung beauftragt hat.

Selbst wenn die Verfügungsbeklagte die Sammeltransporte ausschließlich über dieses Drittunternehmen organisieren, sie allein als Mieterin auftreten, die Route vorherbestimmen und eine Pauschale unabhängig von der Anzahl der transportierten Personen entrichten würde, änderte sich an dieser Einschätzung nichts.

Gem. § 49 Abs. 4 S. 1 PBefG muss der Mieter des Fahrzeugs zwar nicht zwingend die beförderte Person sein; weiterhin bestimmt hiernach – anders als gem. § 47 Abs. 1 S. 1 PBefG – nicht der Fahrgast Ziel, Zweck und Ablauf der Fahrt, sondern der Mieter (OLG München, TranspR 1995, 85 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 626; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, 4. Aufl., § 49 Rn. 1). Ferner steht nach der bisherigen Rechtsprechung die faktische Beförderung im Sinne von § 2 Abs. 1 PBefG, mithin die Person, die die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, im Vordergrund (OLG München, a. a. O., sowie Urteil vom 2. März 1995 – 6 U 1521/95, Bl. 62 ff. GA). Danach kommt es darauf an, welche Verträge der Mietwagenunternehmer – hier das Drittunternehmen – abschließt (vgl. OLG München, Urt. v. 6. Okt. 1994 – 6 U 7011/93, TranspR 1995, 85 f.). Insbesondere im Fall, dass die Beförderungsleistungen lediglich vermittelt worden sind, haben sich Bedenken – auch mit Blick auf ein Umgehungsgeschäft gem. § 6 PBefG – bisher nicht ergeben (OLG München, Urteil vom 6. Oktober 1994, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.). Durch die bloße Vermittlung von Beförderungsleistungen wird ein Anbieter nicht gleichzeitig Unternehmer i. S. v. § 2 Abs. 1 PBefG. Es kommt aber auch nicht maßgeblich darauf an, wer Halter und/oder Eigentümer der eingesetzten Fahrzeuge ist (OVG Münster, Urt. v. 5. Febr. 1988 – 13 A 1079/87, NVZ 1989, 44). Unternehmer ist vielmehr, wer bei natürlicher Betrachtungsweise geschäftsmäßig oder entgeltlich seine Fahrzeuge und sein Personal zur Personenbeförderung einsetzt (OVG Münster, a. a. O.).

Geht es indessen nicht mehr nur um die bloße Vermittlung von Beförderungsaufträgen, sondern tritt der Anbieter als selbständig agierender Beförderungsunternehmer auf – was aufgrund des Umstands, dass die Verfügungsbeklagte selbst ein Mietwagenunternehmen führt, besonders naheliegt – und betreibt er den Gelegenheitsverkehr im eigenen Namen, insbesondere weil allein er nach außen als Vertragspartner auftritt, ist die Rechtslage anders zu beurteilen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. April 2015 – OVG 1 S 96.14, CR 2015, 376 ff., juris Rn. 28 ff.). Auch die Verfügungsbeklagte tritt im Außenverhältnis zu den Kunden im eigenen Namen auf und vereinnahmt die fällig werdenden Fahrpreise. Auf ihrer Webpage heißt es insoweit unter dem Punkt „Sammeltransfer“: „Wir fahren Sie und andere Gäste auf der optimalen Route gemeinsam ans Ziel. Ihr Vorteil: preisgünstiger Transfer“ [Hervorhebung durch den Senat]. Ein Hinweis auf eine bloß vermittelnde Tätigkeit findet sich nicht. Vielmehr erweckt die Verfügungsbeklagte den Eindruck, eine eigene Leistung zu erbringen. Dazu passt, dass der Sammeltransfer direkt über Verfügungsbeklagte zum Preis von 22,00 € gebucht werden kann (vgl. Anlage K 3, Bl. 8 GA). Der Verfügungsbeklagten obliegt hiernach die alleinige Kontrolle und Organisation der Transporte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rn. 32), die sie als konzessioniertes Mietwagenunternehmen im Grundsatz auch selbst ausführen könnte, was der durchschnittliche Kunde im Übrigen auch annehmen wird. Dass die Verfügungsbeklagte, soweit sie die Transporte selbst übernehmen würde, eine Beförderungsleistung nur im Ganzen anbieten und nicht nur einzelne Plätze in ihren Fahrzeugen vermieten dürfte, ist hingegen nicht zweifelhaft, weshalb bei der gegebenen Konstellation der Schluss auf ein Umgehungsgeschäft im Sinne des § 6 PBefG besonders naheliegt. Hinzu kommt noch Folgendes: Mit dem Gesetz zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes ist auf der Grundlage des Gesetzesentwurfs vom 26. Juni 2001 (BT-Drs. 14/6434) bei der Vorschrift des § 2 PBefG der Absatz 5a neu eingefügt worden, wonach derjenige, der Gelegenheitsverkehre in Form der Ausflugsfahrt (§ 48 Abs. 1 PBefG) oder Ferienziel-Reise (§ 48 Abs. 2 PBefG) plant, organisiert und anbietet und gegenüber den Teilnehmern deutlich macht, dass die Beförderung nicht von ihm selbst, sondern von einem bestimmten Unternehmer im Sinne des Gesetzes angeboten wird, nicht im Besitz einer Genehmigung sein muss. Daraus kann wiederum geschlossen werden, dass die Einschaltung eines Drittunternehmens – wie hier nicht – offenzulegen ist.

Ob aus dem Umstand, dass die Verfügungsbeklagte ihrerseits – auf sie zugelassene – Kleinbusse wie etwa den VW-Transporter mit dem amtlichen Kennzeichen … vorhält (vgl. Bl. 94 und 100 GA), die für einen Sammeltransport für bis zu acht Personen besonders geeignet sein dürften, gefolgert werden kann, sie schalte jedenfalls nicht stets ein Drittunternehmen ein, sondern führe Sammeltransporte auch selbst durch, kann aus vorstehenden Gründen dahinstehen. Dies gilt gleichermaßen für die Frage, ob die Annahme des Landgerichts, der Tatbestand des § 49 Abs. 4 PBefG sei auf jeder Stufe der Überlassungskette von Fahrzeugen mit samt Fahrer erneut und differenziert zu beurteilen, in dieser Pauschalität richtig ist.

Es lässt sich auch nicht damit argumentieren, die Verfügungsbeklagte verfüge über eine eigene Mietwagenkonzession, weise also die nötige Zuverlässigkeit auf, was nicht in Zweifel zu ziehen ist. Es geht vorliegend nicht um die Frage, ob der Kunde darauf vertrauen darf, durch ein konzessioniertes Unternehmen befördert zu werden, was etwa bei einem Einzeltransport ohne weiteres gewährleistet wäre, sondern allein um die Einhaltung des in § 49 Abs. 4 Satz 1 PBefG ausgesprochenen Gebots, das seinerseits vielmehr die Abgrenzung des Mietwagen- zum Taxi- (§ 47 PBefG) bzw. zum Linienverkehr (§§ 42, 43 PBefG) zum Gegenstand hat. Insbesondere soll vermieden werden, dass eine Mietwagenkonzession tatsächlich wie eine Taxikonzession genutzt wird (vgl. Fromm/Sellmann/Zuck, a. a. O., § 49 Rn. 6). Ungeachtet dessen, wird man aus der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 5a PBefG auch entnehmen können, dass der Kunde darüber informiert sein soll, wer – wenn nicht sein Vertragspartner – die Beförderungsleistung übernimmt, und er insoweit ggf. weitergehende Erkundigungen einholen kann.

Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung steht schließlich nicht der Einwand des § 242 BGB entgegen, weil die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin vorwirft, ihrerseits ebenfalls Sammeltransporte zu organisieren und deshalb rechtmissbräuchlich zu handeln (sog. unclean hands-Einwand). Ein solcher Einwand ist im Unterlassungsprozess jedoch bereits deshalb nicht zuzulassen, weil es dem in Anspruch genommenen Konkurrenten freisteht, seinerseits Widerklage zu erheben (Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 11 Rn. 2.39). Außerdem werden durch den hier geltend gemachten Verstoß auch die Interessen Dritter – in diesem Fall des Taxiverkehrs – berührt, weshalb nicht allein das Verhältnis zwischen den Parteien in Rede steht (Köhler, a. a. O., m. w. N.).

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.