LG Stuttgart: Rechtsverstöße gegen die DSGVO können nicht abgemahnt werden

veröffentlicht am 28. Juni 2019

LG Stuttgart, Urteil vom 20.05.2019, Az. 35 0 68/18 KfH
Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO, § 3 UWG, § 3a UWG, § 8 Abs. 1 UWG

Das Urteil des LG Stuttgart habe ich hier kurz besprochen (LG Stuttgart: Rechtsverstöße gegen die DSGVO können nicht abgemahnt werden). Den Volltext zu der Entscheidung finden Sie unten:


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Landgericht Stuttgart

Urteil

In dem Rechtsstreit

IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.

gegen

wegen Wettbewerbsverstößen

hat das Landgericht Stuttgart – 35. Kammer für Handelssachen – durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2019 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen. 

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
 
Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen eines behaupteten Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen geltend.

Der Kläger ist ein in der Form eines eingetragenen Vereins organisierter Interessenverband der Online-Unternehmer. Der Verein hat etwa 2.500 Mitglieder. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben gehört auch die Mitwirkung zur Herstellung eines fairen Wettbewerbs einschließlich der Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche vor Gericht.

Der Beklagte vertreibt Kraftfahrzeugzubehör über die Handelsplattform ebay. Er hat jedenfalls am 16.07.2018 die Nutzer nicht über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten unterrichtet.

Der Kläger trägt vor, zu seinen Mitgliedern zählten 190 Händler, die bundesweit Kraftfahrzeugzubehör im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs vertreiben.

Der Beklagte habe gegen § 13 TMG verstoßen. Die Bestimmung sei auch noch nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung anwendbar. Jedenfalls verstoße das Verhalten des Beklagten gegen Art. 13 VO (EU) 2016/679. Die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung würden Ansprüche nach dem UWG nicht ausschließen. Grund hierfür sei vor allem, dass das UWG eine andere Zielrichtung habe, wonach nicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen, sondern das Recht des Mitbewerbers auf einen unverfälschten Wettbewerb schütze. Jedenfalls folge der Anspruch auch aus dem UKlaG.

Der Kläger beantragt:

Dem Beklagten wird aufgegeben, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher betreffend Kraftfahrzeugzubehör eine Webseite zu betreiben, eine Website/Homepage selbst oder durch Dritte zu unterhalten, auf der Nutzer zum Zweck der Kontaktaufnahme oder Kommunikation oder zu sonstigen geschäftlichen Zwecken persönliche Daten eingeben können, ohne den Verbraucher zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie gegebenenfalls über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in allgemein verständlicher Form zu unterrichten, jeweils wie nachstehend wiedergegeben

(Es folgen weitere 4 Seiten.)

Hilfsweise:

Dem Beklagten wird aufgegeben, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit dem Verbraucher betreffend Kraftfahrzeugzubehör eine Webseite zu betreiben, eine Website/Homepage selbst oder durch Dritte zu unterhalten, auf der zu geschäftlichen Zwecken personenbezogene Daten erhoben werden, ohne dass eine Datenschutzerklärung nach Art. 13 Abs. 1 und 2 Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO 2016/679) vom 27.04.2016 in deren Geltungsbereich vorgehalten wird, jeweils wie nachstehend wiedergegeben

(Es folgen weitere 4 Seiten.)

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Datenschutzgrundverordnung regele die Sanktionen von Verstößen abschließend. Daher könnten Ansprüche aus dem UWG bzw. dem UKlaG nur von Vereinen geltend gemacht werden, die die Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 1 VO (EU) 2016/679 erfüllen. Dies sei beim Kläger nicht der Fall.

Jedenfalls sei der Anspruch wegen Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung verjährt. Eine Hemmung durch Klageerhebung sei nicht eingetreten, da der Verstoß gegen § 13 TMG einen anderen Streitgegenstand bilde. Die nach Art. 13 VO (EU) 2016/679 erforderlichen Informationen würden seit Anfang August 2018 bereitgestellt.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2019 (BI. 59 ff. d.A.) verwiesen. Der nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 06.05.2019 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

1.
Die Anträge sind nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag auf Gesetzesbestimmungen Bezug nehmen. Der Kläger hat durch die Angabe „jeweils wie nachstehend wiedergegeben:“ klargestellt, dass er kein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (vgl. BGH vom 29.04.2010, Az. 1 ZR 202/07 Tz. 21 – Erinnerungswerbung im Internet).

2.
Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt. Er hat durch die Vorlage der Mitgliederlisten (Anlage K12) ausreichend dargetan, dass er insgesamt 190 Mitglieder hat, die wie der Beklagte KfZ-Zubehör über das Internet vertreiben. Die Vereinszugehörigkeit wird bei einem erheblichen Teil durch Vorlage von Rechnungen belegt (Anlage K13). Diesen Ausführungen ist der Beklagte auch nicht mehr entgegengetreten. Die übrigen Voraussetzungen hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt.

II.
Die Klage ist nicht begründet.

1.
Beim Hauptantrag steht einem Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG entgegen, dass § 13 TMG aufgrund der seit dem 25.05.2018 geltenden VO (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung) keinen Anwendungsbereich mehr hat. Da es sich um eine Verordnung i.S.d. Art. 288 Abs. 2 AEUV handelt, hat diese unmittelbare Geltung in allen Mitgliedesstaaten mit der Folge, dass nationale Regelungen vollständig verdrängt werden, soweit sie in den Anwendungsbereich des europäischen Rechts fallen. Dies ist für die Regelung des § 13 Abs. 1 TMG anzunehmen, nachdem auch Art. 13 VO (EU 2016/679) Regelungen zu Informationspflichten bei der Erhebung von personenbezogenen Daten enthält (vgl. auch Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., § 13 TMG Rn. 3). Daher konnte der Beklagte am 16.07.2018 nicht mehr gegen § 13 TMG verstoßen.

2.
Beim Hilfsantrag steht einem Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG entgegen, dass die Datenschutzgrundverordnung die Sanktionen der Verstöße abschließend regelt und der Kläger danach nicht berechtigt ist, Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

a)
Die Frage, ob die Datenschutzgrundverordnung eine abschließende Regelung der Sanktionen enthält, ist streitig und höchstrichterlich noch nicht geklärt (dafür insbesondere LG Magdeburg v. 18.01.2019 – 36 O 48/18; LG Wiesbaden v. 05.11.2018 – 5 O 214/18; Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 3a UWG Rn. 1.40a; Lettl, WRP 2019, 289, dagegen insbesondere OLG Hamburg v. 25.10.2018 – 3 U 66/17, ohne dass es allerdings auf die Frage ankam; vgl. auch Schmidt, WRP 2019, 27).

b)
Das Gericht schließt sich der Auffassung an, dass die Datenschutzgrundverordnung abschließend ist.

aa)
Hierfür spricht, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung der Sanktionen enthält. Nach Art. 57 VO (EU) 2016/679 ist die Durchsetzung Aufgabe der Aufsichtsbehörden. Hinzukommen in den Art. 77 ff. VO (EU) 2016/679 Regelungen über Rechtsbehelfe. Nach Art. 79 VO (EU) 2016/679 hat jede betroffene Person, also die Person, in deren Datenschutzrechte vermeintlich eingegriffen wurde, das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf. Die Vertretung der Betroffenen ist in Art. 80 VO (EU) 2016/679 geregelt. Nach dem Absatz 1 kann die betroffene Person bestimmte Einrichtungen mit der Durchsetzung ihrer Rechte beauftragen. Darüber hinaus können die Mitgliedsstaaten nach dem Absatz 2 vorsehen, dass bestimmte Einrichtungen die Rechte auch ohne einen Auftrag im Sinne von Absatz 1 durchsetzen. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass der europäische Gesetzgeber eine eigenmächtige Verfolgung von Verstößen durch Dritte nur zulassen will, wenn die in der Norm genannten Voraussetzungen erfüllt sind und der nationale Gesetzgeber dies geregelt hat. Mit Blick auf diese konkrete Regelung kann man auch nicht annehmen, dass die Klagebefugnis Dritter aus den Bestimmungen des Art. 82 bzw. Art. 84 VO (EU) 2016/679 folgt (so auch Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 3a UWG Rn. 1.40e). Wenn der europäische Gesetzgeber mit den Vorschriften eine weitergehende Klagebefugnis Dritter hätte regeln wollen, dann hätte es der Regelung in Art. 80 Abs. 2 VO (EU) 2016/679 nicht bedurft.

bb)
Wenn aber in der Datenschutzgrundverordnung eine abschließende Regelung erfolgt ist, so kann man eine Durchsetzung über das UWG auch nicht mit einer anderen Zielrichtung des Wettbewerbsrechts begründen (BGH vom 07.02.2006, Az. KZR 33/04 – Probeabonnement; so aber OLG Hamburg vom 25.10.2018, Az. 3 U 66/17). Andernfalls würde die differenzierte Regelung in der Datenschutzgrundverordnung konterkariert werden, was mit dem Vorrang europäischen Rechts nicht in Einklang gebracht werden kann. Dies gilt umso mehr, als die Datenschutzgrundverordnung gar keine wettbewerbsschützende Zielrichtung hat. Zwar dient sie nach Art. 1 Abs. 1 VO (EU) 2016/679 dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Der Schutz erfolgt aber nicht aufgrund der Eigenschaft als Verbraucher, sondern unabhängig davon.

c)
Der deutsche Gesetzgeber hat von der Ermächtigung in Art. 80 Abs. 2 VO (EU) 2016/679 keinen Gebrauch gemacht (vgl. auch Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 2 UklaG Rn. 29e). Dafür, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung anzusehen, gibt es keine Anhaltspunkte. Das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (BGBl. I 2017, 2097) enthält hierzu keine Ausführungen. Zudem ist die Ermächtigung in Art. 80 Abs. 2 VO (EU) 2016/679 auch enger als § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Nach der europäischen Bestimmung muss die Einrichtung im Bereich des Schutzes der Rechte und Freiheiten von betroffenen Personen in Bezug auf den Schutz ihrer personenbezogenen Daten tätig sein. Diese Voraussetzung kennt § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht.

3.
Aufgrund der abschließenden Regelung der Datenschutzgrundverordnung stehen dem Kläger auch keine Unterlassungsansprüche nach dem UKlaG zu. Insoweit gilt das zum UWG Gesagte entsprechend (so auch Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 2 UklaG Rn. 29e). Zwar nennt § 2 Abs. 1 Nr. 11 UKlaG ausdrücklich Vorschriften, die die Zulässigkeit der Erhebung personenbezogener Daten regeln. Die Bestimmung wurde aber lange vor der Datenschutzgrundverordnung in das Gesetz aufgenommen. Auch insoweit kann nicht angenommen werden, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG als Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung anzusehen, nachdem die weiteren Voraussetzungen des Art. 80 Abs. 2 VO (EU 2016/679) keine Berücksichtigung finden.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.