LG Köln: „Erkältung gründlich anpacken“ ist eine irreführende Wirkungsaussage

veröffentlicht am 11. April 2017

LG Köln, Urteil vom 29.11.2016, Az. 33 O 31/16
§ 3 UWG, § 3a UWG, § 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG; § 3 Nr. 1 HWG

Eine Besprechung der Entscheidung finden Sie hier (LG Köln – Irreführende Werbung für Erkältungsmittel), den Volltext nachstehend:


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Landgericht Köln

Urteil

I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr für die Mittel „T Kapseln forte“ und/oder „T Kapseln junior“ wie folgt zu werben: [Abb.]

II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 178,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.03.2016 zu zahlen.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Unterlassungstenors zu Ziff. I gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 EUR und hinsichtlich des Tenors zu Ziff. II und der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 
Tatbestand

Der Kläger ist ein gerichtsbekannter Verband nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Die Beklagte betreibt ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie bringt unter anderem die Arzneimittel „T Kapseln forte“ und „T Kapseln junior“ in den Verkehr. Diese bewarb sie am 21.12.2015 in der „C-Zeitung“ wie aus Anlage K 3, Bl. 47 der Gerichtsakte, ersichtlich mit den Angaben

„Erkältung lieber gleich gründlich anpacken“ und

„Befreit von Schleim UND bekämpft Krankheits-Erreger“.

Dabei ist hinsichtlich der ersten Angabe das Wort Erkältung in Großbuchstaben so gedruckt bzw. illustriert, als würde die Erkältung aus einer Wurzel sprießen, und wird von einer Faust umpackt, die quasi die Erkältung mit der Wurzel aus dem Boden ziehen würde. Wegen der genauen graphischen Darstellung dieser Angaben wird auf Bl. 2 und Bl. 47 der Gerichtsakte verwiesen.

Unter dem Punkt „Anwendungsgebiete“ ist im „Kleingedruckten“ der Anzeige – ebenso wie in den Fachinformationen sowie der Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den in Rede stehenden Arzneimitteln – wiedergegeben:

„Zur Behandlung der Symptome bei Bronchitis und Erkältungskrankheiten der Atemwege. Zur Zusatzbehandlung bei chronischen und entzündlichen Erkrankungen der Atemwege (z.B. der Nasennebenhöhlen).“

Wegen des Inhalts der Fachinformation wird auf die Anlage K 7, Bl. 57 der Gerichtsakte, verwiesen.

Der Kläger mahnte die Beklagte wegen der angegriffenen Werbung mit Schreiben vom 06.01.2016 ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bis 13.01.2016 auf. Die Beklagte wies mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.01.2016 die geltend gemachten Forderungen zurück.

Der Kläger ist der Ansicht, mit den angegriffenen Aussagen verstoße die Beklagte gegen § 3 HWG, weil sie mit übertriebenen Wirkungsaussagen werbe. Darüber hinaus verletze die Werbung § 3a HWG. Sowohl die angegriffenen zwei Angaben in der Werbung als auch deren bildliche Darstellung erweckten beim Verbraucher den Eindruck, mit dem von der Beklagten angebotenen Medikament könne er sogenannte Erkältungskrankheiten nicht nur symptomatisch, sondern auch ursächlich behandeln. Tatsächlich sei nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine kausale Behandlung von sog. Erkältungskrankheiten, bei denen es sich zu 97 % um Virusinfektionen handele, noch nicht möglich. Dementsprechend sei auch nur eine symptomatische Behandlung oder Zusatzbehandlung das zugelassene Anwendungsgebiet des von der Beklagten angebotenen Medikaments. Das Mittel der Beklagten sei auch ausschließlich zur Behandlung der Symptome bei Erkältungskrankheiten geeignet.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffenen Aussagen ließen keinen Schluss darauf zu, dass eine ursächliche Behandlung der Erkältung möglich sei. Die Aussage „bekämpft Krankheitserreger“ beziehe sich überdies nicht auf ein „Anwendungsgebiet“ im Sinne von § 3a HWG, sondern beschreibe die Wirkweise des Medikaments, die aber nicht an § 3a HWG zu messen sei. Weiter sei die Angabe „bekämpft Krankheitserreger“ von den Angaben in der behördlich zugelassenen Fachinformation gedeckt, denn dort heiße es „In vitro wurde ebenfalls eine antivirale Wirkung gezeigt.“. Überdies habe der im angegriffenen Medikament befindliche Wirkstoff Cineol, wie auch in Punkt 5.1 der Fachinformation unter anderem wiedergegeben, folgende Wirkeigenschaften: expektorationsfördernd, sekretomotorisch, schwach hyperämisierend und lokalanästhesierend. Weiter werde dort eine entzündungshemmende (antiphlogistische bzw. antiinflammatorische) Wirkung von Cineol beschrieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.

I.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch des Klägers folgt aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG i.V.m. 3 Nr. 1 HWG.

Der Kläger hat gegen die Beklagte jeweils einen Unterlassungsanspruch des tenorierten Inhalts, weil die Beklagte mit der beanstandeten Werbung § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt hat. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 3a UWG auch, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die Beklagte hat mit der streitgegenständlichen Werbung der Marktverhaltensregel des § 3 HWG zuwidergehandelt. Nach § 3 S. 1 HWG ist eine irreführende Werbung unzulässig. Eine irreführende Werbung liegt nach § 3 S. 2 Nr. 1 HWG insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung sind dabei bei gesundheitsbezogener Werbung besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussagen zu stellen (BGH, Urteil vom 06.02.2013, I ZR 62/11, Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, Rdnr. 15, zitiert nach juris). Für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung gilt, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 07.05.2015, I ZR 29/14, Äquipotenzangabe in Fachinformation, Rdnr. 16, zitiert nach juris). Dabei ist zunächst regelmäßig davon auszugehen, dass die Angaben in einer Fachinformation, welche dem Zulassungsantrag eines Arzneimittels beigefügt war, zum Zeitpunkt der Zulassung des Arzneimittels dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprochen haben (BGH 07.05.2015, I ZR 29/14, Äquipotenzangabe in Fachinformation, Rdnr. 35 ff. unter Verweis auf BGH Urteil vom 06.02.2013, I ZR 62/11, Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, Rdnr. 34 und 36, jeweils zitiert nach juris).

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die beanstandeten Angaben auf der von der Beklagten verwendeten, streitgegenständlichen Werbung als irreführend und wettbewerbswidrig:

Hinsichtlich der Angabe „lieber gleich gründlich anpacken“ in Verbindung mit der bildlichen Darstellung einer eine Art Pflanze mitsamt der Wurzel aus dem Untergrund ziehenden Hand suggeriert die beanstandete Werbung, das Arzneimittel habe unmittelbar Wirkung auf die Ursachen (bildlich die Wurzel) der Krankheit (bildlich der Erkältung) und zwar „mit einem Griff“. Bei den Verbrauchern/Patienten als angesprochenem Verkehr entsteht danach die Vorstellung, das Arzneimittel „T Kapseln forte/junior“ habe eine Wirkung dergestalt, dass die Erkältung mit ihrer Ursache gründlich entfernt werde. Dieser Eindruck wird bestätigt und verstärkt durch die Angabe „bekämpft Krankheitserreger. Eine solche kraftvolle Entfernung der Ursachen der Erkältung behauptet die Beklagte selbst nicht. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, „gründlich“ könne nicht nur auf eine Behandlung der Ursachen, sondern auch der Symptome bezogen werden, verfängt dies nicht. Bereits das Wort „gründlich“, hergeleitet aus „Grund“, suggeriert, dass etwas den Grund/den Boden/die Ursache erlangt. Die Verbindung der vorgenannten Aussage mit „bekämpft Krankheitserreger“ gibt ebenfalls Anlass für dieses Verständnis.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dem symptomatischen Bekämpfen einer Erkrankung sei inhärent, dass die Krankheitserreger bekämpft würden, ist dies in dieser Pauschalität bereits nicht nachvollziehbar. So ergibt sich aus der Fachinformation z.B. eine lokalanästhesierende Wirkung des Wirkstoffs, die typischerweise ausschließlich symptomatisch und regelmäßig vorübergehend Abhilfe schafft.

Der Verweis der Beklagten darauf, die angegriffenen Aussagen gäben Inhalte der Fachinformation wieder, führt im Ergebnis ebenfalls nicht zur Zulässigkeit der angegriffenen Aussagen. Denn auch daraus ergibt sich nicht, dass die Angaben der Beklagten gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Die angegriffenen Angaben befinden sich nämlich gerade nicht in dieser Anschaulichkeit in der Fachinformation. „Gründlich anpacken“ verbunden mit der bildlichen Darstellung impliziert eine vollständige Entfernung der Erkältung mittels eines Handgriffs, die aus der Fachinformation nicht ableitbar ist. Soweit die Fachinformation Informationen dazu enthält, dass eine antimikrobielle und antivirale Wirkung des Wirkstoffs „nachgewiesen“ bzw. „gezeigt“ wurde, ist die Zusammenfassung dieser möglichen Wirkungen mit „bekämpft“ aus der Fachinformationen nicht zu entnehmen. So impliziert das Verb „bekämpfen“ in der Werbung eine generelle zielgerichtete Einwirkung auf sämtliche in Betracht kommende Krankheitserreger einer Erkältung, für die sich aus der Fachinformation nichts ergibt.

II.
Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten für das danach berechtigte Abmahnschreiben vom 06.01.2016 folgt aus § § 12 Abs. 1 S. 2 UWG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3, 3, 3a UWG i.V.m. § 3 HWG. Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 25.000,00 EUR