LG Karlsruhe: Zur irreführenden Werbung mit durchgestrichenen Preisen

veröffentlicht am 9. Februar 2016

LG Karlsruhe, Urteil vom 23.12.2015, Az. 15 O 12/15 KfH
§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG; § 2 Abs. 1 S. 1 PAngV

Die Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier, zum Volltext der Entscheidung gelangen Sie nachfolgend:

Landgericht Karlsruhe

Urteil

1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

a)
grundpreispflichtige kosmetische Produkte unter Angabe eines Endpreises zum Verkauf anzubieten und/oder zu bewerben bzw. anbieten zu lassen und/oder bewerben zu lassen, ohne auf der jeweils gleichen Internetseite auch den Grundpreis anzugeben, soweit der Grundpreis nicht mit dem Endpreis identisch ist, wenn dies geschieht wie aus Anlage K 1 und/oder K 4 ersichtlich;

b)
kosmetische Mittel unter Angabe einer prozentualen Preisherabsetzung zu bewerben und/oder zum Kauf anzubieten bzw. bewerben zu lassen und/oder zum Kauf anbieten zu lassen, wenn dabei der Prozentsatz zu hoch angegeben wird, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 und/oder K 6 wiedergegeben;

c)
in Internetwerbeanzeigen kosmetische Mittel unter Angabe eines durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um einen aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden handelt, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen K 5 und/oder K 6 wiedergegeben;

d)
im Onlineshop unter der Second-Level-Domain „…“ kosmetische Mittel mit einer Preissenkung bezüglich des Versandkaufpreises gegenüber dem Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden zu bewerben, wenn dies in der Darstellungsweise und mit der Erläuterung geschieht wie in den drei in Anlage A zu diesem Urteil wiedergegebenen Screenshots ersichtlich.

2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.247,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 382,70 EUR seit 07.02.2015, aus 362,70 EUR seit 25.09.2015 und aus 1.502,49 EUR seit 09.07.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4.
Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- EUR und hinsichtlich Ziffern 2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche der Klägerin im Hinblick auf die Internetwerbung und den Onlineshop der Beklagten.

Die Klägerin stellt her und verkauft Kosmetika unter den Markennamen „A… B…“ und „A… L…“. Die Beklagte ist gewerbliche Wiederverkäuferin von Kosmetikprodukten unterschiedlicher Hersteller, darunter der Klägerin.

Der Onlineshop der Beklagten www….de ist so gestaltet, dass – nach ggf. mehrfacher Einschränkung der großen Auswahl unterschiedlicher Kosmetik- und Pflegelinien und -marken – jeweils mehrere Produkte der Klägerin neben- und untereinander auf einer Seite zu sehen sind (Übersichtsseite). Dies erfolgt jeweils unter Angabe der Füllmenge, eines Verkaufspreises und eines durchgestrichenen weiteren Preises, der mit einem Sternchenverweis gekennzeichnet ist; auf die Screenshots in Anlage K1 wird verwiesen. Unterhalb der vorgestellten Produkte und oberhalb der Fußleiste der Seite (die weiterführende Links auf Informationen zum Bestellvorgang etc. enthält) wird der Sternchenverweis mit den Worten aufgelöst: „Streichpreis = Lager-Abholpreis / Ersparnis gegenüber Lager-Abholpreis“, gefolgt von einem Hyperlink „weitere Informationen“, der auf die Seite „Fragen & Antworten“ führt, wo es heißt:

1.5 Was bedeutet der Streichpreis und wie berechnet sich die Ersparnis?

Der Streichpreis ist der vor Ort Abholpreis der Ware (keine Online-Bestellung).

Als Online Kunde von … kommen Sie in den Genuss von Vorzugspreisen gegenüber unseren Abholpreisen. Liegt der Abholpreis für ein Produkt beispielsweise bei 78,00 EUR, der Onlinepreis bei 50,90 EUR, errechnet sich Ihre (gerundete) Ersparnis von 35% wie folgt: 1 – (Onlinepreis/Abholpreis).

Bestellen Sie Ware nicht online bei …, sondern möchten Sie diese abholen, müssen wir aufgrund des erhöhten Personal- und Logistikaufwandes den Abholpreis zzgl. 4,00 EUR Bearbeitungsgebühr pro Abholung berechnen.

Auf der jeweiligen Übersichtsseite finden sich hinter dem genannten Hyperlink die Worte „100ml Grundpreis siehe Artikeldetail“. Bei Aufruf eines konkreten Produkts (Artikeldetailseite) wird der Grundpreis angezeigt, wie dies etwa aus der zum Gegenstand des Klageantrags Ziff. 1. d) gemachten Gestaltung hervorgeht (Anlage A).

Diese Darstellung im Onlineshop der Beklagten entsprach offensichtlich dem (unstreitigen) Stand am 12.11.2015, dem vom Gericht bestimmten Schlusstermin im schriftlichen Verfahren. Im Zeitpunkt der Urteilsabfassung ist die Internetpräsenz der Beklagten (auch) hinsichtlich der Darstellung verändert, ohne dass die Parteien dazu vorgetragen oder dies zum Gegenstand geänderter Anträge gemacht hätten. Die zitierte Erläuterung unter „Fragen & Antworten“ ist unverändert.

Die Beklagte lässt durch Werbepartner, sog. Affiliates, Werbeanzeigen im Internet schalten. Besucht der Internetnutzer die Seiten der Beklagten, wird ein sog. Cookie auf seinem PC gesetzt, der zur Folge hat, dass Werbung für die Beklagte beim Besuch anderer Internetseiten eingeblendet wird (sog. Retargeting-Werbung); auf die Screenshots in Anlage K4, K5 und K6 wird verwiesen. Die eingeblendete Werbung kommt in drei Varianten vor: Entweder ist sie so gestaltet, dass ein Verkaufspreis, ein durchgestrichener Preis (ohne Sternchenverweis) und ein prozentualer Rabatt angegeben werden, oder es werden zunächst nur der durchgestrichene Preis und der Rabatt angegeben, während der Verkaufspreis beim Darüberfahren mit der Maus oder nach gewisser Zeit erscheint, oder schließlich in der Variante, dass neben dem Produktbild nur ein Rabattsatz zu sehen ist und beim Darüberfahren oder nach gewisser Zeit statt dessen durchgestrichener und aktueller Verkaufspreis erscheinen. In allen Fällen führt das Klicken auf die Werbung zur Weiterleitung an den Onlineshop der Beklagten.

Auch die Retargeting-Werbung ist mittlerweile im Hinblick auf die Angabe von Streichpreisen geändert worden.

Die Klägerin hält den (früheren) Onlineshop der Beklagten für irreführend und unlauter. Die nach der – europarechtskonformen – Vorschrift § 2 Abs. 1 Satz 1 PangV erforderliche Grundpreisangabe „in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises“ fehle, wenn man sich erst durch die Seiten der Beklagten bis zur Artikeldetailseite „durchklicken“ müsse. Ein Vergleich der verschiedenen Produkte hinsichtlich ihres Grundpreises sei dann nur erschwert möglich. Die mit der Klage in den Rechtsstreit eingeführten Produkte dienten zumindest auch der Pflege, nicht nur der bloßen Verschönerung.

Nach Widerspruch der Beklagten gegen einen im einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien 15 O 51/15 KfH erlassenen Beschluss der erkennenden Kammer hat die Klägerin den dortigen Streitgegenstand in das vorliegende Hauptsacheverfahren überführt. Sie ist der Auffassung, auch bezüglich der Internet-Retargeting-Werbung der Beklagten fehle es an der erforderlichen Grundpreisangabe. Zudem seien die Rabattsätze – unstreitig – hier wie auch im Onlineshop selbst überhöht angegeben, d.h. rechnerisch falsch. Die Internetwerbung mit durchgestrichenen Preisen sei auch insoweit irreführend, als nicht darüber informiert werde, um was für einen Preis es sich dabei handele, etwa einen früher von der Beklagten verlangten oder eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Dass der durchgestrichene Preis hier dem Selbstabholerpreis entspreche, wie man bei Besuch des Onlineshops erfahre, sei abwegig. Der Durchschnittskäufer würde eine Selbstabholung unter den gegebenen Bedingungen ohnehin nicht ernsthaft in Betracht ziehen, da sie preislich unattraktiv sei (höherer Preis zuzüglich Bearbeitungsgebühr) und der Ort der Abholung in der Internetpräsenz der Beklagten nirgendwo angegeben werde. Angesichts dessen sei auch davon auszugehen, dass die Beklagte diesen Selbstabholerpreis niemals ernsthaft verlangt habe. Im Hinblick auf den Onlineshop der Beklagten ergebe sich eine unlautere Eigenpreisgegenüberstellung aus der Kombination von Inhalt und Darstellungsweise, denn der Bezug auf Selbstabholerpreise sei unter den gegebenen Umständen so atypisch, dass Kunden in besonders deutlicher Weise darüber aufgeklärt werden müssten, woran es fehle.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

a) grundpreispflichtige kosmetische Produkte unter Angabe eines Endpreises zum Verkauf anzubieten und/oder zu bewerben bzw. anbieten zu lassen und/oder bewerben zu lassen, ohne in unmittelbarer Nähe zum Endpreis auch den Grundpreis anzugeben, soweit der Grundpreis nicht mit dem Endpreis identisch ist, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen K 1 und/oder K 4 wiedergegeben,

Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. a):

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr grundpreispflichtige kosmetische Produkte unter Angabe eines Endpreises zum Verkauf anzubieten und/oder zu bewerben bzw. anbieten zu lassen und/oder bewerben zu lassen, soweit der Grundpreis nicht mit dem Endpreis identisch ist, ohne auf der jeweils gleichen Internetseite auch den Grundpreis anzugeben, wenn dies geschieht wie aus Anlagenkonvolut K 1 und/oder K 4 ersichtlich,

b) kosmetische Mittel unter Angabe einer prozentualen Preisherabsetzung zu bewerben und/oder zum Kauf anzubieten bzw. bewerben zu lassen und/oder zum Kauf anbieten zu lassen, wenn dabei der Prozentsatz zu hoch angegeben wird, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 und/oder K 6 wiedergegeben,

Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. b):

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, kosmetische Mittel unter Angabe einer prozentualen Preisherabsetzung zu bewerben und/oder zum Kauf anzubieten bzw. bewerben zu lassen und/oder zum Kauf anbieten zu lassen, wenn dabei der Prozentsatz zu hoch angegeben wird, wenn dies geschieht wie in Anlage K 5 und/oder K 6 wiedergegeben,

c) in Internetwerbeanzeigen kosmetische Mittel unter Angabe eines durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um einen aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden handelt, insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagen K 5 und/oder K 6 wiedergegeben,

1. Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. c):

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, im Internet in Retargeting-Werbeanzeigen auf Webseiten, die unter anderen Domains als mit der Second-Level-Domain „…“ abrufbar sind, kosmetische Mittel unter Angabe eines durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um einen aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden handelt, wenn dies geschieht wie in Anlagen K 5 und/oder K 6 wiedergegeben,

2. Hilfsantrag zu Klageantrag Ziff. 1. c):

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an der Geschäftsführerin, im Internet in Retargeting-Werbeanzeigen auf Webseiten, die unter anderen Domains als mit der Second-Level-Domain „…“ abrufbar sind, kosmetische Mittel unter Angabe eines durchgestrichenen Preises zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, ohne dabei klarzustellen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um einen aktuellen Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden handelt, sofern der Selbstabholpreis zuzüglich einer von der Beklagten bei Selbstabholung geforderten Bearbeitungspauschale nicht identisch oder geringer als der vom jeweiligen Markenhersteller des Produkts unverbindlich empfohlene Verkaufspreis ist,

und/oder

d) im Onlineshop unter der Second-Level-Domain „…“ kosmetische Mittel mit einer Preissenkung bezüglich des Versandkaufpreises gegenüber dem Verkaufspreis bei Selbstabholung durch den Kunden zu bewerben, wenn dies in der Darstellungsweise und mit der Erläuterung geschieht wie in den drei folgenden Screenshots wiedergegeben: [Es folgen die aus Anlage A ersichtlichen Screenshots.]

2. Die Beklagte wird verurteilt, EUR 2.247,89 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 745,40 seit Rechtshängigkeit und aus EUR 1.502,49 seit 09.07.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

Klagabweisung.

Sie hält bereits die Antragstellung für zu unbestimmt, jedenfalls die Klage für unbegründet. Auf einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 PangV könne die Behauptung eines Wettbewerbsverstoßes jedenfalls seit dem 12.06.2013 nicht mehr gestützt werden. Außerdem sei die Vorschrift bei kosmetischen Mitteln, die ausschließlich der Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienten, nicht anwendbar. Die Aufklärung über den Grundpreis erfolge rechtzeitig vor dem Bestellen des Artikels auf der jeweiligen Artikeldetailseite, so dass der Verbraucher eine fundierte Entscheidung treffen könne. Der Selbstabholerpreis werde ernsthaft gefordert; es gebe Kunden, die Ware im Lager der Beklagten abholten. Zudem lägen die durchgestrichenen Preise in Höhe der unverbindlichen Preisempfehlung der Klägerin und niedriger als die vom Mitbewerber D. im Onlineshop geforderten.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2015.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet; lediglich bei einer Nebenforderung erfolgt eine Teilklageabweisung.
 
I.
Die Klage ist zulässig.

1.
Ein Hauptsacheverfahren ist neben dem einstweiligen Verfügungsverfahren möglich, wenn dieses wegen Widerspruchs des Verfügungsbeklagten – wie hier – nicht zur endgültigen Erledigung führt (OLG Hamm, NJW-RR 1991, 1335; OLG Dresden, OLG-NL 1996, 117). Im Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht (§ 128 Abs. 2 ZPO), befindet sich das Verfahren 15 O 51/15 KfH in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe.

2.
Die gestellten Klageanträge sind jedenfalls in ihrer hilfsweise zur Entscheidung gestellten Formulierung hinreichend bestimmt und die Klage damit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig.

Ein Unterlassungsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 1998, 489, 491 – Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Dieser Grundsatz hat für eine Vielzahl von Formulierungen eine Konkretisierung in der Rechtsprechung erfahren (vgl. Seichter in: Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013 [Stand 21.09.2015], § 8 UWG, Rn. 59 ff. m.w.N.).

Danach gilt im Streitfall hinsichtlich der gestellten Anträge das Folgende:

a)
Es bedarf keiner Entscheidung, ob Hauptantrag Ziff. 1. a) dem Bestimmtheitsgebot im Hinblick auf die Formulierung „in unmittelbarer Nähe“ genügt oder ob hier lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt wird, ohne dass dies durch den „insbesondere“-Zusatz weiter konkretisiert würde (vgl. dazu BGH, GRUR 2008, 84 Rn. 11 ff. – Versandkosten). Die auf § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV gestützte Formulierung „in unmittelbarer Nähe“ im Klageantrag ist insofern überschießend, als die Klägerin ausweislich ihres schriftsätzlichen Vorbringens (insb. Schriftsatz vom 15.10.2015, S. 5) lediglich begehrt, dass der Grundpreis auf derselben Internetseite, d.h. ohne das Erfordernis eines weiteren Klicks, zu erkennen ist.

Damit kommt es nicht auf den Haupt-, sondern den Hilfsantrag Ziff. 1. a) an. Hier bestehen keine Zweifel an der erforderlichen Bestimmtheit, weil die Formulierung „auf der jeweils gleichen Internetseite“ unmissverständlich ist. Zudem hat die Klägerin durch die Worte „wenn dies geschieht wie aus Anlagenkonvolut K1 und/oder K4 ersichtlich“ den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf zwei konkrete Verletzungsformen konkretisiert. Die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages ist in der Regel unproblematisch, wenn der Kläger lediglich das Verbot der Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist (BGH, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum; GRUR 2009, 1075 Rn. 10 – Betriebsbeobachtung GRUR 2010, 749 Rn. 36 – Erinnerungswerbung im Internet). Angesichts dessen stellt die Beschreibung der konkreten Verletzungsform eine unschädliche Überbestimmung dar (vgl. BGH, GRUR 2006, 164 Rn. 14 – Aktivierungskosten II).

Der erforderlichen Bestimmtheit des Antrags steht es auch nicht entgegen, dass dieser das Wort „grundpreispflichtig“ enthält. Damit werden solche von der Beklagten möglicherweise angebotenen Produkte aus dem Anwendungsbereich des Unterlassungsgebots ausgeschlossen, die unter die Ausnahmen aus § 9 Abs. 4, 5, 6 PAngV fallen. Der Unterlassungsgläubiger muss diese diversen Ausnahmetatbestände nicht einzeln im Antrag aufführen, sondern kann insoweit durch Verwendung eines bestimmten Rechtsbegriffs auf den Gesetzestext verweisen. Denn die Ausnahmetatbestände sind als solche eindeutig verständlich; ihre Aufnahme in den Unterlassungsantrag, die nur im Wege wörtlicher Übernahme denkbar wäre, würde den Rahmen eines Unterlassungsgebots sprengen und dem Unterlassungsschuldner keine weitere Klarheit bringen (vgl. BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 15 ff. – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; GRUR 2009, 977 Rn. 22 – Brillenversorgung I; GRUR 2011, 433 Rn. 10 – Verbotsantrag bei Telefonwerbung).

b)
Hauptantrag Ziff. 1. b) begegnet keinen Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit, so dass es auf den Hilfsantrag nicht ankommt. Die Klägerin verweist hier „insbesondere“ auf die aus Anlagen K5 und/oder K6 ersichtliche Begehungsform. Ein solcher Antrag dient zum einen der Erläuterung des in erster Linie beantragten abstrakten Verbots. Zum anderen kann die Klägerin auf diese Weise deutlich machen, dass Gegenstand ihres Begehrens und damit Streitgegenstand nicht allein ein umfassendes, abstrakt formuliertes Verbot ist, sondern dass sie – falls sie insoweit nicht durchdringt – jedenfalls die Unterlassung des konkret beanstandeten Verhaltens begehrt (vgl. BGH, NJWE-WettbR 1999, 25, 27 m.w.N. – Handy für 1 DM). Das Verbot selbst, die Unterlassung überhöhter Rabattangaben, ist bereits aus sich heraus eindeutig bestimmt.

c)
Auch Hauptantrag Ziff. 1. c) ist hinreichend bestimmt.

Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn die Bedeutung der verwandten Begriffe (auch wenn sie in unterschiedlichen Kontexten Verschiedenes zu bezeichnen vermögen) im Einzelfall nicht zweifelhaft ist (BGH, GRUR 1991, 254, 256 – Unbestimmter Unterlassungsantrag I; GRUR 2008, 357 Rn. 22 – Planfreigabesystem). Der Begriff der „Internetwerbeanzeige“ bezieht sich eindeutig nur auf die streitgegenständliche Internetwerbung außerhalb des eigenen Onlineshops der Beklagten, nicht auf diesen selbst. Im Onlineshop werden die Artikel zum Kauf vorgestellt und damit auch beworben, es handelt sich indes nicht um eine „Anzeige“; eine solche findet sich begriffsnotwendig immer an einem anderen Ort als demjenigen, an welchem das beworbene Produkt zum Kauf feilgeboten wird. Im Übrigen ergibt sich dieses Begriffsverständnis eindeutig aus dem korrespondierenden schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin, der zur Auslegung herangezogen werden kann (vgl. BGH, GRUR 2004, 151, 152 – Farbmarkenverletzung I).

Auch hier bestehen gegen die Verwendung des Wortes „insbesondere“ keine Bedenken, da die Antragsformulierung vor dem damit eingeleiteten Verweis auf Anlagen K5 und/oder K6 das begehrte Verbot bereits hinreichend definiert.

d)
Antrag Ziff. 1. d) wirft im Hinblick auf die Formulierung „in der Darstellungsweise und mit der Erläuterung“ für sich genommen Zweifel auf, da es sich um unbestimmte Begriffe handelt (vgl. BGH, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum; GRUR 2011, 539, 540 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker). Allerdings bedarf dies hier keiner Vertiefung, weil die Klägerin durch den Zusatz „wenn dies geschieht wie in den drei folgenden Screenshots wiedergegeben“ lediglich das Verbot der Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 453, 454 – TCM-Zentrum; GRUR 2009, 1075 Rn. 10 – Betriebsbeobachtung; GRUR 2010, 749 Rn. 36 – Erinnerungswerbung im Internet); die Worte „in der Darstellungsweise und mit der Erläuterung“ sind unschädlich. Gegebenenfalls haben sie die Funktion, den Bereich kerngleicher Verletzungsformen zu bestimmen (vgl. BGH, GRUR 2006, 164 Rn. 14 – Aktivierungskosten II; GRUR 2010, 749 Rn. 36 – Erinnerungswerbung im Internet).
 
II.
Die Klage ist – teilweise mit ihren Hilfsanträgen – in der Hauptsache vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Unterlassung im Umfang des Urteilsausspruchs verlangen, weil die Beklagte insoweit unlauteren Wettbewerb betreibt. Am Wettbewerbsverhältnis der Parteien i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG besteht kein Zweifel.
 
1.
Hilfsantrag Ziff. 1. a) ist begründet.

Im Urteilsausspruch wurde lediglich aus redaktionellen Gründen der vorletzte mit dem vor-vorletzten Teilsatz ausgetauscht; dies entspricht auch der Reihenfolge in der Klageschrift vom 21.01.2015. In der zur Beurteilung stehenden Version ihres Onlineshops und ihrer Internetwerbeanzeigen versäumt die Beklagte, den Grundpreis in rechtskonformer Weise anzugeben. Dies stellt einen Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 3, 4 Nr. 11, 5a Abs. 2, 4 UWG dar (vgl. BGH, WRP 2013, 182 Rn. 9 – Traum-Kombi; GRUR 2014, 576 Rn. 15 – 2 Flaschen GRATIS).

a)
Allerdings ist fraglich, ob dieses Ergebnis auf § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV gestützt werden kann, wonach es im Streitfall an einer Grundpreisangabe „in unmittelbarer Nähe“ zum Gesamtpreis (so die Formulierung in der Preisangabenverordnung) bzw. zum Verkaufspreis (so die Formulierung in der Preisangabenrichtlinie) bzw. zum Endpreis (so die Formulierung im Klageantrag) fehlen würde.

Die über Art. 4 Abs. 1 Satz 1 RL 98/6 EG (PreisangabenRL) hinausgehende Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV dürfte wegen Ablaufs der Frist gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 RL 2005/29/EG (UGP-RL) nicht mehr anwendbar sein (wohl noch a.A. BGH, GRUR 2014, 576 Rn. 17 f. – 2 Flaschen GRATIS). Der Bundesgerichtshof hat später dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung vorgelegt und dabei insbesondere die Frage aufgeworfen, ob die im dortigen Fall entscheidungserhebliche Vorschrift der PAngV über die Regelungen in der PreisangabenRL hinausgeht, denn Art. 10 PreisangabenRL stelle nach dem 12.06.2013 gem. Art. 3 Abs. 5 Satz 1 UGP-RL keine Grundlage für eine strengere nationale Vorschrift mehr dar (BGH, GRUR 2014, 1208 Rn. 14 ff. – Preis zuzüglich Überführung).

Damit dürfte sich der Bundesgerichtshof nunmehr Köhler anschließen, der zu § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV vertritt, dass die Anforderung der „unmittelbaren Nähe“ als überschießende Richtlinienumsetzung gem. Art. 10 PreisangabenRL seit dem genannten Zeitpunkt allenfalls im Wege richtlinienkonformer – einschränkender – Auslegung noch angewandt werden könne (in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, Vorb. zur PAngV, Rn. 9 ff.; a.a.O., § 2 PAngV, Rn. 3).

b)
Im Streitfall bedarf dies keiner Entscheidung und damit auch weder einer Vorlage an den EuGH noch einer Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs im „Preis zuzüglich Überführung“-Verfahren.

Denn die Darstellung, die die Beklagte für die Angabe des Grundpreises gewählt hat, verstoßt jedenfalls auch gegen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL. Die Kammer ist befugt, diese Richtlinienvorschrift unmittelbar anzuwenden, falls § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV insoweit unanwendbar geworden sein sollte, denn es würde dann an einer (fristgerechten) mitgliedstaatlichen Richtlinienumsetzung fehlen. Einer richtlinienkonformen Auslegung, wie von Köhler vorgeschlagen (a.a.O., Vorb. zur PAngV, Rn. 16b) bedürfte es dann nicht.

aa)
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 PreisangabenRL müssen der Verkaufspreis und der Preis je Maßeinheit „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“ sein. Ziel der unionsrechtlichen Regelung ist, dass sie „den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten bietet, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen“ (so Erwägungsgrund 6 der PreisangabenRL).

Angesichts dessen schließt sich die Kammer den Zweifeln Köhlers (a.a.O., § 2 PAngV, Rn. 3), ob generell an dem Erfordernis festzuhalten ist, dass der Verbraucher in der Lage sein muss, beide Preise auf einen Blick wahrzunehmen (so noch BGH, GRUR 2009, 982 Rn. 12 – Dr. Clauder’s Hufpflege), nicht an. Die Kammer hält vielmehr dafür, dass der unionsrechtliche Regelungszweck nur erreicht werden kann, wenn die Gestaltung von Onlineshops denen eines „realen“ Ladengeschäfts im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Preisen und Grundpreisen nahe kommt, soweit dem nicht Besonderheiten der Online-Darstellung oder technischen Machbarkeit entgegenstehen. In einem Ladengeschäft kann der Verbraucher Grundpreise und Verkaufspreise durch ein In-die-Hand-Nehmen des Produkts ebenso auf einen Blick wahrnehmen, wie er die jeweiligen Grundpreise mehrerer Produkte auf diese Weise vergleichen kann. Gerade diese einfache Vergleichbarkeit ist Ziel des Unionsgesetzgebers, da sie dem Preiswettbewerb und der Transparenz dient und verhindern hilft, dass Hersteller durch geschickte Gestaltungen ihrer Verpackungen mehr Inhalt vortäuschen, als tatsächlich enthalten ist. Bei einem Online-Kauf besteht beim Verbraucher erst recht ein Bedürfnis, den Grundpreis ohne Umstände zu erkennen, da er das Produkt nicht in die Hand nehmen, seine Größe und sein Gewicht mithin nicht intuitiv abschätzen kann. Es kommt hinzu, dass die Verpackungsgrößen online nicht unbedingt maßstabsgetreu dargestellt werden; wie auch die als Anlage K1 vorliegenden Screenshots zeigen, werden Produktfotos oft zur besseren Darstellung auf ähnliche Größen skaliert. Ein Kosmetikprodukt mit 15 ml Inhalt kann durchaus genauso groß wirken wie eines mit 50 ml oder 125 ml Inhalt.

bb)
Aus diesen Gründen steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache „Versandkosten“ (GRUR 2008, 84 Rn. 28 ff.) der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof führt dort aus, die Bestimmung des § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV, wonach die nach § 1 Abs. 2 PAngV zu machenden Angaben dem Angebot oder der Werbung eindeutig zuzuordnen sind, könne im Einzelfall auf unterschiedliche Weise erfüllt werden. In jedem Fall müssten die Angaben allerdings der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV). Wenn Waren des täglichen Gebrauchs beworben und angeboten würden, sei dabei maßgeblich auf den durchschnittlichen Nutzer des Internets abzustellen. Dieser sei mit den Besonderheiten des Internets vertraut; er wisse, dass Informationen zu angebotenen Waren auf mehrere Seiten verteilt sein könnten, die untereinander durch elektronische Verweise („Links”) verbunden sind (a.a.O., Rn. 30).

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich auf die Angabe von Umsatzsteuer und Versandkosten (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 PAngV), nicht des Grundpreises. Versandkosten sind regelmäßig ohne Bedeutung für einen Artikelvergleich, während der Grundpreis diesen gerade verbraucherfreundlich ermöglichen soll. Dem Internetnutzer genügt es, bei dem von ihm aufgerufenen Onlineshop einmal zu wissen, welche Versandkosten anfallen; schwankt er jedoch zwischen mehreren (grundpreispflichtigen) Artikeln desselben Anbieters, benötigt er die Information über den Grundpreis jeweils in unmittelbarem Zusammenhang mit den übrigen artikelbezogenen Informationen. Mit anderen Worten ist die Angabe der Versandkosten shopbezogen, diejenige des Grundpreises produktbezogen. Hieraus folgen unterschiedliche Anforderungen an die verbraucherschutzrechtlich geforderte Darstellung online.

c)
Nach diesen Maßgaben kann die Klägerin sowohl hinsichtlich des Onlineshops (jedenfalls in der hier zu beurteilenden früheren Version) als auch hinsichtlich der Internetwerbeanzeigen Unterlassung verlangen. Die Beklagte muss sicherstellen, dass in beiden Fällen der Grundpreis, soweit es dessen Angabe bedarf, auf derselben Internetseite dargestellt wird wie der Gesamt- bzw. Verkaufspreis. Im Fall der Werbeanzeigen kann sie dies aus Platzgründen auch dadurch gewährleisten, dass der Grundpreis bei einem Darüberfahren mit der Maus oder jeweils nach einem Zeitverzug von wenigen Sekunden erscheint. Im Onlineshop muss der Grundpreis dauerhaft sichtbar sein.

aa)
Die Klage bezieht sich nur auf grundpreispflichtige Kosmetika, also solche, bei denen die Ausnahmen aus § 9 Abs. 4, 5, 6 PAngV i.V.m. Art. 5 Abs. 1 PreisangabenRL nicht eingreifen. Soweit sich die Beklagte auf § 9 Abs. 5 Nr. 2 PAngV stützt, liegt diese Ausnahme bei den beispielhaft in den Rechtsstreit eingeführten Produkten offensichtlich nicht vor. Diese dienen zumindest auch der Pflege und nicht ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel. Daher bedarf es keiner Erörterung, ob die genannten Ausnahmen auch dann greifen, wenn die Klage unmittelbar auf Unionsrecht gestützt wird (oben, a), b)).

bb)
Im Onlineshop der Beklagten, wie er dieser Entscheidung zugrunde zu legen ist (Anlage K1), werden jeweils verschiedene Produkte der Klägerin nebeneinander dargestellt. Hierbei werden bereits alle wesentlichen, kaufentscheidenden Informationen gegeben, nicht hingegen der Grundpreis (pro 100ml). Diesen erfährt man erst, indem man ein Produkt anklickt, auf dessen Artikeldetailseite.

Dadurch ist es dem Verbraucher nicht in einfacher Weise möglich, die verschiedenen Produkte der Marke „A… B…“ im Hinblick auf ihren Grundpreis zu vergleichen. Er muss vielmehr zunächst einmal klicken, um den Grundpreis eines Produkts auf dessen Detailseite zu sehen, dann ein weiteres Mal, um zur Übersichtsseite zurückzukehren, und ein drittes Mal, um ein anderes Produkt aufzurufen. Hierbei den Grundpreis, meist eine Zahl mit Nachkommastellen, überhaupt in Erinnerung zu behalten, erscheint schwierig. Gegenüber einem Einkauf in einem Ladengeschäft ist die Vergleichbarkeit deutlich gemindert.

Deswegen hilft es der Beklagten auch nicht, dass sie unterhalb der Produkte auf der Übersichtsseite einen Hinweis in kleiner Schrift platziert hat, wonach der Grundpreis jeweils auf der Artikeldetailseite zu finden sei (vgl. BGH, GRUR 2009, 982 Rn. 13 – Dr. Clauder’s Hufpflege).

cc)
Die Übersichtsseiten zu den jeweiligen Produktlinien stellen bereits eine Aufforderung zum Kauf dar und unterliegen mithin den oben dargestellten Transparenzanforderungen. Das unionsrechtlich gewollte hohe Niveau des Verbraucherschutzes (Art. 1 UGP-RL) soll sich nach dem Willen des Unionsgesetzgebers auf die „Aufforderung zum Kauf“ erstrecken. Dies ist nach Art. 2 litt. i) UGP-RL „jede kommerzielle Kommunikation, die die Merkmale des Produkts und den Preis in einer Weise angibt, die den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessen ist und den Verbraucher dadurch in die Lage versetzt, einen Kauf zu tätigen“. Der EuGH hat dazu entschieden, dass eine Aufforderung zum Kauf vorliegt, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht (Urteil vom 12.05.2011 – C-122/10 Konsumentombudsmannen/Ving Sverige AB, GRUR 2011, 930 Rn. 33). Denn die Aufforderung zum Kauf stellt eine besondere Form der Werbung dar, die einer verstärkten Informationspflicht nach Art. 7 Abs. 4 UGP-RL unterliegt (EuGH, a.a.O., Rn. 28). In Art. 7 Abs. 4 UGP-RL ist durch Abs. 5 dieser Vorschrift i.V.m. Anhang II wiederum die Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 4 PreisangabenRL integriert, den Grundpreis als wesentliche Information anzugeben.

Dies entspricht, ohne dass es hier darauf ankommt, dem Begriff des Anbietens in § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV (Köhler, a.a.O., § 1 PAngV, Rn. 5 m.w.N.). Die Problematik einer strengeren nationalen Vorschrift wie im Fall des Vorlagebeschlusses des Bundesgerichtshofs (GRUR 2014, 1208 Rn. 16 ff. – Preis zuzüglich Überführung) stellt sich hier nicht.

dd)
Für den Onlineshop der Beklagten folgt aus dem Vorgesagten, dass der Grundpreis ohne „Zwischenklicks“ einsehbar sein muss, also auf derselben Internetseite, mithin der Übersichtsseite der Produktlinien.

Es bedarf keiner Entscheidung der Kammer, ob es den gesetzlichen Anforderungen entspricht, wenn hierfür gegebenenfalls nach unten gescrollt werden muss. Denn die Klägerin hält ein Scrollen in der Erläuterung ihres Antrags im Schriftsatz vom 15.10.2015, S. 5, für zumutbar. Dies dürfte nach Auffassung der Kammer eine zutreffende Wertung darstellen. Denn es hängt von Zufällen ab (Zahl der auf der Seite dargestellten Artikel, Größe des Bildschirms des Nutzers), ob Einträge im unteren Bereich einer Webseite mit oder ohne Scrollen einsehbar sind.

ee)
Grundsätzlich derselbe Maßstab gilt auch hinsichtlich der Internetwerbeanzeigen der Beklagten. Die Beklagte haftet insoweit nach § 8 Abs. 2 UWG für ihre Internetwerbepartner (Affiliates; vgl. BGH, GRUR 2009, 1167 Rn. 21 m.w.N. – Partnerprogramm).

Eine Aufforderung zum Kauf im Sinne des Unionsrechts (oben, cc)) liegt auch im Fall der streitgegenständlichen Internetwerbung vor. Dort werden jeweils der Händlername „…“, ein Produktfoto, ggf. der Produktname und stets der Streichpreis, ein Rabattsatz und der Verkaufspreis angegeben. Dies versteht der Verbraucher dahin, dass er eine geschäftliche Entscheidung treffen kann, indem er durch Klicken auf die Werbeanzeige die Möglichkeit erhält, dieses Produkt im Onlineshop der Beklagten zu erwerben; so ist es auch technisch realisiert.

Aus Platzgründen bzw. wegen der erheblichen Kosten von Internetanzeigen muss es der Beklagten vorbehalten bleiben, den Grundpreis erst bei einem Darüberfahren mit der Maus oder jeweils nach einem Zeitverzug von wenigen Sekunden einzublenden. Teilweise (siehe Anlage K5 und K6) hat die Beklagte diese Methode bereits für die Angabe der eben genannten Informationen gewählt. Die zusätzliche Angabe des Grundpreises belastet sie nicht erheblich.

d)
Die Spürbarkeit i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG ergibt sich bereits aus der Anwendbarkeit von § 5a Abs. 2, 4 UWG (vgl. näher Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 5a, Rn. 55 ff. m.w.N.).

2.
Die Klägerin dringt auch mit ihrem Hauptantrag Ziff. 1. b) durch. Unstreitig liegen die von der Beklagten in der streitgegenständlichen Internetwerbung angegebenen Rabattsätze rechnerisch zu hoch und suggerieren so dem Verbraucher in irreführender Weise (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG) eine größere Ersparnis. Im Hinblick auf die unstreitigen Rechenfehler kann auf die Darstellung im Schriftsatz der Klägerin vom 22.09.2015, S. 6 f., Bezug genommen werden. Bei solchen Verstößen gegen das Gebot der Preiswahrheit liegt ohne weiteres wettbewerbliche Relevanz vor (vgl. Bornkamm, a.a.O., § 5, Rn. 7.2).

Das Vorgehen (oder Versehen) der Beklagten ist unabhängig davon unlauter, dass die Ersparnis gegenüber dem Selbstabholerpreis ermittelt wurde (oder werden sollte), was die Klägerin zum Gegenstand eigener Verbotsanträge macht (Ziff. 1. c), d)).

3.
Hauptantrag Ziff. 1. c) ist ebenfalls gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG begründet.

a)
Die Bezugnahme auf einen anderen Preis (Streichpreis) muss stets klar und bestimmt sein (Bornkamm, a.a.O., § 5, Rn. 7.87). Insbesondere muss deutlich werden, um was für einen Preis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt (BGH, GRUR 1980, 306, 307 – Preisgegenüberstellung III; GRUR 1981, 654, 655 – Testpreiswerbung; GRUR 2011, 1151 Rn. 22 – Original Kanchipur). Werbung mit durchgestrichenen Preisen ist mehrdeutig und damit irreführend, wenn nicht klargestellt ist, um was für einen Vergleichspreis es sich bei dem durchgestrichenen Preis handelt, und wenn nicht alle in Betracht kommenden Bedeutungen der Werbeaussage zutreffen (OLG Hamm, Urteil vom 24.01.2013 – 4 U 186/12, juris, Rn. 50 ff.).

Adressat der hier streitgegenständlichen Internetwerbung ist jeder Internetnutzer, also das allgemeine Publikum, dessen Verkehrsauffassung die Mitglieder der erkennenden Kammer beurteilen können, ohne dass es hierfür besonderer Sachkunde bedarf (vgl. Bornkamm, a.a.O., § 5, Rn. 2.77, 3.12).

b)
Angewendet auf den Streitfall kann sich der Streichpreis sowohl auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers als auch einen früher vom Händler geforderten als auch einen von anderen Kosmetikhändlern geforderten Preis beziehen. Dass es sich um den Selbstabholerpreis handeln soll, erfährt der Kunde erst beim Besuch der eigenen Internetseite der Beklagten. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, als kein Kunde von sich aus auf die Idee kommen wird, die Beklagte vergleiche den Online-Verkaufspreis mit ihrem eigenen Abholpreis; dies stellt vielmehr eine abwegige Interpretation dar. Naheliegend ist demgegenüber gerade bei Markenware wie hier, dass ein Onlinehändler die UVP des Herstellers unterbietet.

Der von der Beklagten angegebene Streichpreis entspricht schon nicht der UVP der Klägerin, sondern weicht hiervon teilweise – wenn auch geringfügig – nach oben ab; dies ist unstreitig. Selbst wenn er der UVP entspräche, wäre dies ohne Bedeutung, weil die Beklagte den Streichpreis in ihrem Onlineshop abweichend erläutert. Er entspricht auch nicht einem früheren Verkaufspreis der Beklagten selbst. Dass er dem Preis anderer Onlinehändler entspräche, ist nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen; dass die Parfümerie D. angeblich in Einzelfällen (?) sogar höhere Preise verlangen soll, würde hieran nichts ändern, jedenfalls solange die Beklagte nicht in Bezug auf sämtliche mit der Klage in den Prozess eingeführte Produkte und ihre jeweiligen Streichpreise solches vorgetragen hat. Auch insofern gilt ohnehin, dass sich die Beklagte nicht auf einen Vergleich berufen kann, den sie laut ihrer Internetpräsenz gar nicht vornimmt, weil sie vielmehr mit ihrem eigenen Selbstabholerpreis vergleicht.

Schließlich ist die Angabe selbst dann irreführend, wenn sie auf den Selbstabholerpreis der Beklagten bezogen wird, denn dieser erhöht sich stets durch ein sog. Bearbeitungsentgelt von 4,- EUR, wie der Erläuterung im Onlineshop unter „Fragen & Antworten“ Ziff. 1.5 zu entnehmen ist.

c)
Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant. Die Preiswürdigkeit eines Angebots stellt einen für die Verbraucherentscheidung zentralen Aspekt dar, dessen rechtliche Erheblichkeit gleichsam „auf der Hand liegt“ (OLG Hamm, Urteil vom 24.01.2013, a.a.O., Rn. 64; Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 2.175).

4.
Mit ihrem Antrag Ziff. 1. d) verlangt die Klägerin ein Unterlassen der Art und Weise der Bewerbung im Onlineshop der Beklagten im Hinblick auf die Preissenkung gegenüber dem Selbstabholerpreis, so wie sich dies aus den im Antrag wiedergegebenen Screenshots ergibt. Ausweislich der Antragsbegründung stützt sich die Klägerin dabei auch darauf, dass die Beklagte mit Preissenkungen gegenüber Phantasiepreisen werbe, die gar nicht tatsächlich verlangt würden.

Streitgegenstand ist damit nicht nur die im Klageantrag in den Vordergrund gestellte Art und Weise der Darstellung und Erläuterung, sondern auch der Lebenssachverhalt des gewählten Rabattsystems selbst (vgl. BGH, GRUR 2013, 401 Rn. 18 ff. – Biomineralwasser). In Fällen, in denen sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform richtet, ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGH, a.a.O., Rn. 24). Damit wird hier nicht nur die Darstellungsweise, sondern auch das Dargestellte, sprich die Werbung mit einem gegenüber einem Selbstabholerpreis reduzierten Preis an sich, zum Gegenstand des Unterlassungsbegehrens gemacht. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung ist dann nicht auf die Umschreibung im Antrag beschränkt. Vielmehr ist ein Verbot auch dann auszusprechen, wenn sich die Wettbewerbswidrigkeit aus einem anderen in der Klagebegründung vorgetragenen Gesichtspunkt ergibt (BGH, GRUR 2006, 164 Rn. 15 – Aktivierungskosten II; GRUR 2011, 742 Rn. 18 – Leistungspakete im Preisvergleich).

Dem Antrag ist nach Auffassung der Kammer der Erfolg nicht zu versagen.

a)
Der Unternehmer ist in seiner Preisgestaltung grundsätzlich frei. So ist denn auch eine Werbung mit einer Preisherabsetzung im Allgemeinen wettbewerbskonform, da es dem Interesse eines jeden Unternehmens entspricht, eine Preisherabsetzung öffentlich bekannt zu machen. In jedem Fall muss aber streng darauf geachtet werden, dass die potenziellen Abnehmer nicht irregeführt werden. Die Werbung mit einer Preisherabsetzung hat nämlich ein hohes Irreführungspotenzial, da der Eindruck vermittelt wird, es handele sich um ein besonders günstiges Angebot (Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 7.68 m.w.N. zur Begründung des RegE). Irreführend ist es unter anderem, wenn der gegenübergestellte Streichpreis nicht ernsthaft gefordert wurde oder – wie mit Blick auf die Besonderheit des Streitfalls hinzuzufügen ist – wird.

Demjenigen, der mit einem Vergleich seiner eigenen Preise wirbt, obliegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum UWG a.F. die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er die nicht herabgesetzten Preise früher ernsthaft gefordert hat (BGH, GRUR 1975, 78 – Preisgegenüberstellung I). Für die häufigste Fallgruppe ist dies heute in § 5 Abs. 4 UWG gesetzlich geregelt. Danach genügt es, dass der Angreifer den nachvollziehbaren Verdacht äußert, dass die früher geforderten Preise nicht ernsthaft verlangt wurden; es obliegt dann dem Werbenden, die früher ernsthaft verlangten Preise und die Einräumung der behaupteten „Rabatte“ in der Praxis zu beweisen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.12.2004 – 4 W 49/04, BeckRS 2004, 16173, Rn. 26). Das Entsprechende muss gelten, wenn es sich – wie hier – nicht um eine Preisherabsetzung gegenüber zeitlich früher, sondern gegenüber gegenwärtig bei anderer Liefermodalität geforderten Preisen handelt.

b)
Unter Berücksichtigung dessen gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Bewerbung von Kosmetika mit einer Rabattierung gegenüber gestrichenen Selbstabholerpreisen als solche nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG unlauter ist. Dies geht über den eingeschränkten Antrag der Klägerin hinaus, der daher als „Minus“ zuzusprechen ist. Mithin ist der Beklagten (lediglich) verboten, in der aus den Screenshots ersichtlichen Darstellungsweise mit Streichpreisen zu werben, nicht hingegen eine Werbung mit Streichpreisen, die auf dem Selbstabholerpreis basieren, überhaupt.

aa)
Die Beklagte wirbt nicht mit einer Herabsetzung gegenüber einem früheren Preis, sondern mit einem Nachlass gegenüber einem aktuell nach ihren Angaben geforderten Preis, der berechnet würde, wenn ein Kunde die Ware am Lager abholt. Dabei ist unstreitig, dass die von der Beklagten genannten Streichpreise allenfalls unwesentlich über der unverbindlichen Preisempfehlung der Klägerin liegen.

Die Beklagte erweckt jedoch mit ihrer Eigenpreisgegenüberstellung den unzutreffenden Eindruck, die meist erhebliche Rabattierung, die auf der Übersichtsseite und auf den Artikeldetailseiten noch mit einem rechts am Rand eingeblendeten, orange unterlegten Prozentzeichen betont wird, hätte einen realen Hintergrund. Es liegt aber von vornherein überhaupt keine „Streichung“ oder Rabattierung in irgendeinem vom Internetnutzer erwarteten Sinne vor. Die Beklagte vergleicht vielmehr einen Phantasiepreis mit dem tatsächlichen Preis. Dies ist irreführend und wettbewerbsrelevant auch dann, wenn der tatsächlich im Versandhandel von ihr geforderte Preis als günstig zu bewerten sein sollte.
 
Um einen Phantasiepreis handelt es sich nach der Überzeugung der Kammer deswegen, weil kein Kunde ernsthaft auf die Idee käme, Ware am Lager der Beklagten abzuholen. Falls dies, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 12.11.2015 ohne Substanz behauptet, in Einzelfällen anders gewesen sein sollte („es gibt … Kunden, die dies machen…“), so ändert dies nichts an der wettbewerbsrelevanten Irreführung an sich. Diese bezieht sich nicht auf den etwaigen Umfang einer tatsächlichen Nutzung der Selbstabholungsmöglichkeit, sondern auf die Bedingungen, unter welche die Beklagte diese Möglichkeit gestellt hat. Diese Bedingungen sind so prohibitiv, dass die Annahme berechtigt ist, dass die Beklagte den Streichpreis nicht ernsthaft fordert und es lediglich in Kauf nimmt, wenn doch einmal ein Kunde auf die abwegige Idee kommen sollte, Ware selbst abzuholen.
 
Dem Vortrag der Beklagten lässt sich nichts entnehmen, was diese Annahme entkräften würde. Dabei hatte das Gericht bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien 15 O 51/15 KfH die fehlende Ernsthaftigkeit der Forderung eines Selbstabholerpreises zum Gegenstand der Beschlüsse vom 07.07. und 21.07.2015 gemacht; die inzwischen rechtskräftige Teilzurückweisung des Antrags der dortigen Antragstellerin (und hiesigen Klägerin) beruhte gerade darauf, dass kein Kunde auf die Idee kommen wird, tatsächlich ab Lager zu kaufen. Nicht weiterführend ist es auch, wenn die Beklagte im Schriftsatz vom 12.11.2015 die zirkuläre Auffassung vertritt, an der Ernsthaftigkeit bestehe schon deswegen kein Zweifel, da sie dieses Angebot mache. Auch der Vergleich mit den Ladengeschäften der Klägerin in diesem Schriftsatz hinkt ebenso offensichtlich wie derjenige zwischen dem Selbstabholerpreis und dem Preis bei Nachnahme-Versand.

Die prohibitiven Bedingungen für eine Selbstabholung (und damit die fehlende Ernsthaftigkeit beim Fordern des gegenübergestellten Streichpreises) liegen in folgenden Umständen begründet:
 
(1)
Zum einen ist der Selbstabholerpreis unter Berücksichtigung der Bearbeitungsgebühr höher als die UVP der Klägerin. Preisbewusste Kunden eines Online-Discounters, als welcher sich die Beklagte darstellt, werden bereits hiervon hinreichend abgeschreckt. Auf dem Versandwege erhält der Kunde die Ware zum deutlich günstigeren Preis, zuzüglich Versandkosten in (fast) gleicher Höhe wie die Bearbeitungsgebühr, denen indes der Service der Lieferung ins Haus gegenübersteht.

(2)
Zum zweiten gibt die Beklagte in ihrer Internetpräsenz nirgendwo an, wo und wann die Ware abgeholt werden kann, weder im Rahmen des Online-Bestellvorgangs noch auf ihrer „Fragen & Antworten“-Seite. Der Kunde erfährt dies nur bei einer telefonischen Bestellung (vgl. Ziff. 3.13, 3.5 der „Fragen & Antworten“), die – wenig kundenfreundlich und im Marktvergleich ungewöhnlich – nur Montag bis Freitag von 12 bis 17 Uhr möglich ist. Onlinehändler, die eine Selbstabholung ernsthaft anbieten, erlauben in aller Regel eine Auswahl dieser Option im Rahmen des Online-Bestellvorgangs, wobei diese Option dann durch den Erlass der ansonsten anfallenden Versandkosten attraktiv gemacht wird.

bb)
Hierin liegt kein Widerspruch zum Beschluss des Gerichts vom 21.07.2015 im einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien 15 O 51/15 KfH. Dort wurde ausgeführt: „Wenn sich doch ein Kunde für Selbstabholung entscheiden sollte, muss er nach dem insoweit wettbewerbsrechtlich unbedenklichen System der Antragsgegnerin zwingend telefonisch bestellen. Dann wird er den Abholort erfahren und kann ggf. noch während des Telefonats von einer Bestellung absehen oder auf die Option des Postversands umschwenken.“ Diese Ausführungen beziehen sich isoliert auf die eher theoretische Variante der Selbstabholung. Das Gericht lässt im genannten Beschluss keinen Zweifel daran, dass „Kunden der Antragsgegnerin die Variante der Selbstabholung in einer solch unattraktiven Weise angeboten erhalten, dass sie sich stets für die Variante des Postversands entscheiden werden“.

cc)
Vor dem Hintergrund dieser eklatanten Irreführung der Verbraucher genügt auch die Darstellungsweise des Rabattsystems der Beklagten (zweistufiger Verweis durch winzige Sternchenfußnote unterhalb der Kundenbewertungen, also je nach Anzahl derselben erst nach längerem Scrollen sichtbar, sowie dort befindlicher Link auf die Erläuterungsseite) den Anforderungen an die nötige Preisklarheit nicht. Auf diesen Aspekt beschränkt sich der Klageantrag (dazu oben, I. 2. d)), über welchen die Kammer nicht hinausgehen darf, § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ungeachtet dessen stellt die Kammer klar, dass aus ihrer Sicht eine rechtskonforme Darstellungsweise dieses Rabattsystems schwer vorstellbar ist. Die Beklagte müsste letztlich über die unattraktiven Bedingungen des Selbstabholerpreises in einer Weise aufklären, die letzteren ad absurdum führen würde.

Da es Sache der Beklagten ist, Wege zu finden, die aus dem Verbot hinausführen (BGH, GRUR 2011, 340 Rn. 24 – Irische Butter), bedarf es hierzu keiner weiteren Ausführungen der Kammer. Ob die Beklagte dieses Urteil zum Anlass nimmt, überschießend nicht nur die Darstellungsweise in ihrer Internetpräsenz, sondern auch ihr Rabattsystem umzustellen (beispielsweise auf einen im Ergebnis ähnlich hohen Rabatt gegenüber der UVP der jeweiligen Hersteller), sei ihr anheimgestellt.
 
c)
Zur wettbewerblichen Relevanz gilt das oben zu 3. c) Gesagte.

III.
1.
Weil die Beklagte unterlegen ist, hat sie die geltend gemachten und der Höhe nach nicht in Frage gestellten vorgerichtlichen Anwaltskosten zu bezahlen, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Die Kosten sind aus dem jeweiligen Streitwert berechnet, den die Kammer mit Beschluss vom 01.10.2015 festgesetzt hat, und berücksichtigen zutreffend die zwischenzeitliche Antrags-Teilzurückweisung im einstweiligen Verfügungsverfahren 15 O 51/15 KfH (vgl. BGH, GRUR 2010, 744 Rn. 49 ff.).
 
2.
Die Forderung ist unter Verzugsgesichtspunkten zu verzinsen. Die Klage ist insoweit abzuweisen, als die Klägerin den Beginn des Zinslaufs für einen Teilbetrag zu früh angegeben hat.
 
3.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.