LG Hamburg: Zum ergänzenden Leistungsschutz für verschreibungspflichtige Medikamente

veröffentlicht am 1. Oktober 2015

LG Hamburg, Urteil vom 25.06.2015, Az. 327 O 374/14
§ 3 UWG, § 4 Nr. 9 UWG, § 8 Abs. 1 UWG

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Landgericht Hamburg

Urteil

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 2) zu tragen.

III.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin zu 2) nimmt die Beklagte nach in zweiter Instanz erfolgreichem einstweiligen Verfügungsverfahren (Az. 327 O 277/13 und 3 W 79/13) nunmehr im Hauptsacheverfahren auf Unterlassung nebst Annexansprüchen aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz in Anspruch.

Die Klägerin zu 2) ist – wie auch die vormalige Klägerin zu 1) – ein Konzernunternehmen der N..-Gruppe. Nach Abtrennung der von der Klägerin zu 1) verfolgten markenrechtlichen Ansprüche sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschließlich noch die von der Klägerin zu 2) geltend gemachten Ansprüche aus Wettbewerbsrecht.

Die Klägerin zu 2) vermarktet und vertreibt in Deutschland transdermale Pflaster unter der Marke E.. zur Behandlung von Demenz des Alzheimer-Typs in unterschiedlichen Dosierungen mit dem Wirkstoff R.. (vgl. Gebrauchsinformation, Anlage K 5). Diese Pflaster sind in drei unterschiedlichen Dosierungen erhältlich, nämlich 4,6 mg, 9,5 mg und 13,3 mg.

Die Pflaster selbst sind kreisrund und hautfarben. Sie sind mittig auf eine transparente, quadratische Trägerschicht aufgebracht Die Trägerschicht weist kreisförmig in gleichmäßigen Abständen um das Pflaster angeordnete, dreidimensional ausgestaltete punktförmige Erhebungen auf. Die Anzahl der Erhebungen variiert je nach Pflastergröße zwischen 15, 20 und 24 Punkten. Die punktförmigen Erhebungen dienen jedenfalls auch als Abstandhalter, um die Lagerstabilität der Pflaster zu erhöhen und einer während der Lagerung möglichen Verklebung des Pflasters mit der Verpackung entgegenzuwirken. Der Abstand zwischen der Pflasterfläche und den Rändern der quadratischen Trägerschicht beträgt bei allen Pflastern an der schmalsten Stelle 0,5 cm. Die Trägerschichten/Pflaster weisen eine Größe von 3,5/2,5 cm, 4,5/3,5 cm und 5,4/4,4 cm auf.

Eine beispielhafte Ausführung der streitgegenständlichen Pflaster der Klägerin zu 2) sieht wie nachfolgend abgebildet aus (vgl. auch Anlage K 1):

[Abb.]

Die Pflaster sind verschreibungspflichtig. Sie werden in je nach Dosierung unterschiedlich eingefärbten, quadratischen und nicht-durchsichtigen Schutzbeuteln vertrieben (vgl. Anlage K 1), die ihrerseits in entsprechend eingefärbten Pappschachteln als Umverpackung befindlich sind (vgl. Anlagen K 2 – 4).

Die Verwendung des Wirkstoffs R.. in der Demenzbehandlung war für die vormalige Klägerin zu 1) bis Anfang 2008 patentgeschützt und für die Ausgestaltung als transdermales Pflaster bis Mitte 2012 (vgl. Patentschrift des Europäischen Patents EP 0….1, Anlage K 18). Darin ist offenbart, dass die kreisrund um das eigentliche Pflaster angeordneten punktförmigen Erhebungen erfindungsgemäß der Erhöhung der Lagerstabilität der Pflaster dienen. Hierdurch soll insbesondere verhindert werden, dass es durch Wanderung des Haftklebers aufgrund von sog. kaltem Fluss zu einer Verklebung der Trägerschicht mit der Verpackung kommt (vgl. Patentschrift in Anlage K 18, Sp. 1 Abs. 45 ff). Als „kalten Fluß“ bezeichnet man das Phänomen, dass feste Stoffe ohne Erwärmung, z.B. aufgrund Druckausübung, zu fließen beginnen. Die räumliche Anordnung der Abstandhalter zu den Pflastern (Substrat) war nicht Gegenstand des Patents.

Seit der Markteinführung des klägerischen Pflasters im Jahre 2007 in Deutschland bis zum Markteintritt der Beklagten – und weiterer Generika-Hersteller – im März 2013 war die streitgegenständliche Darreichungsform einer Demenzmedikation als transdermales Pflaster ausschließlich durch die Klägerseite angeboten worden. Der Marktanteil, gemessen am Umsatz, lag zuletzt bei ca. 20% in Deutschland (vgl. Aufstellung der Klägerseite, Anlage K 9).

Die Beklagte ist ein Generikaunternehmen, das unter der Bezeichnung „R.. H..“ seit Mai 2013 transdermale Pflaster mit dem Wirkstoff R.. zur Behandlung von Alzheimer vertreibt (vgl. Gebrauchsinformation des weitgehend identischen Konkurrenzprodukts der Fa. n.. 4,6 mg- und 9,5 mg- R..-Pflaster, Anlage K 23). Hierbei handelt es sich um ein nach § 24 b AMG zugelassenes Generikum, das seit Ende März auch am Markt erhältlich ist. Es wird – ebenso wie das Wettbewerbsprodukt der Fa. n.. – von der Fa. S.. C.. hergestellt.

Das Erscheinungsbild des streitgegenständlichen Pflasters der Beklagten stellt sich wie folgt dar (vgl. auch Anlage K 22):

[Abb.]

Auch die Pflaster der Beklagten sind verschreibungspflichtig. Sie werden in weißen, quadratischen und nicht-durchsichtigen Schutzbeuteln mit der Aufschrift „R.. H..“ vertrieben (vgl. Anlage K 22), die ihrerseits in weißen Pappschachteln als Umverpackung befindlich sind (vgl. Abbildungen auf S. 27 der Klagerwiderung vom 06.10.2014).

Die Klägerin zu 2) ließ die Beklagte gemeinsam mit der vormaligen Klägerin zu 1) ohne Erfolg abmahnen (vgl. Anlage K 26). Nach Abschluss des einstweiligen Verfügungsverfahrens ließen sie die Beklagte – ebenfalls erfolglos – zur Abgabe einer Abschlusserklärung auffordern (Anlage K 34).

Die Klägerin sieht in der streitgegenständlichen Pflastergestaltung einen Verstoß gegen § 4 Nr. 9 UWG. Die Produktgestaltung der Beklagte stelle eine unlautere Nachahmung des von ihr, der Klägerin zu 2), vertriebenen Produkts dar. Dies ergebe sich zum einen aus einer unlauteren Herkunftstäuschung. Dabei wirke die Gestaltung der Beklagten wie eine farblose oder schwarz-weiße Ausgabe der Bildmarken der Klägerin. Die zentrale Fläche der Pflaster der Beklagten wirke ebenfalls hautfarben, wenn man die Pflaster auf die Hand lege. Eine technische Notwendigkeit, genau die von der Beklagte vorgenommene Ausgestaltung der Pflaster einschließlich der Form des Pflasters und des Trägers und der Anzahl und Positionierung der Noppen zu wählen und damit millimetergenau die Maße ihres Produkts zu übernehmen, bestünde nicht. Ein Ausweichen auf andere Ausgestaltungsformen sei möglich und zumutbar. Zum anderen ergebe sich der Wettbewerbsverstoß aus einer unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte suggeriere durch die gewählte Gestaltung, dass es sich bei den von ihr angebotenen Pflastern um eben die bekannten Alzheimer-Pflaster handele, die seit ihrer Einführung im Herbst 2007 und bis vor kurzem allein auf dem Markt der Demenz-Medikamente verfügbar gewesen seien. Die Angabe des Wirkstoffes verstärke diesen Eindruck. Für die Verwechslung spreche auch die hohe Bekanntheit des Pflasters der Klägerinnen. Der Verkehr gehe, so die Klägerin, von zumindest einem Konzernverbund aus. Ihm sei bekannt, dass auch Originatoren nach Ablauf des Patentschutzes über konzernangehörige Unternehmen Generika auf den Markt brächten.

Die Klägerin bezieht sich zur Verkehrsauffassung zum einen auf das Umfragegutachten von A.. vom 06.06.2013 (Anlage K 13), zum anderen auf ein weiteres Umfragegutachten von A.. vom 23.08.2013 zum Wettbewerbsprodukt der Fa. n.. (Anlage K 24). Ausweislich der ersten Umfrage von A.. (Anlage K 13) hätten unter insgesamt 300 Ärzten in der Gruppe derjenigen, die nach eigenen Angaben häufig Patienten mit Alzheimer-Demenz behandeln, 75% die Pflastergestaltung der Klägerin gekannt. 55% dieses Personenkreises hätten die Auffassung vertreten, dass es Pflaster mit der fraglichen Gestaltung im Zusammenhang mit Alzheimer-Demenz nur von einer einzigen Marke bzw. einem einzigen Hersteller gebe. 51% dieses Personenkreises hätten die Herkunftsquelle der Gestaltung eindeutig als „N..“ oder „E..“ identifiziert oder durch andere eindeutige Aussagen. Die August-Umfrage habe dieses Ergebnis bestätigt. Demnach hätten 40% das Pflaster von n.. gekannt oder es sei ihnen bekannt vorgekommen. 27% der befragten Ärzte, die mit Alzheimer-Demenz häufig zu tun haben, hätten die Gestaltung des Generikums aktiv nur einer einzigen Herkunftsquelle zugeordnet, ebenso 9% derjenigen, die mit dem Krankheitsbild nur gelegentlich oder selten zu tun hätten. Schließlich hätten 34% der Ärzte, die mit Alzheimer-Demenz häufig befasst sind, und 39% derjenigen, die damit nur gelegentlich oder selten zu tun haben, gemeint, das Originalpflaster der Klägerinnen und das Pflaster des Anbieters n.. stammten von ein und demselben Hersteller.

Die Klägerin sieht sich im Übrigen durch die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren bestätigt, dass es für die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion genüge, dass die Patienten und Anwender das Produkt auch im ausgepackten Zustand wahrnehmen würden und bei der Verordnungsentscheidung vor Augen hätten.

Die Klägerin zu 2) beantragt zuletzt:

1. Der Beklagte wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,

verboten,

im geschäftlichen Verkehr wie nachfolgend dargestellt gestaltete transdermale Pflaster zur Behandlung von Demenzerkrankungen des Alzheimer-Typs

[Abb.]

a) …

b) gegenüber der Klägerin zu 2: im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Wettbewerbszwecken anzubieten, zu bewerben und/ oder in den Verkehr zu bringen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 2) Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die in Ziffer 1 genannten Handlungen in der Vergangenheit begangen hat, und zwar unter Angabe der Herkunft und des Vertriebsweges der unter Ziffer 1 abgebildeten Pflaster, insbesondere durch Angabe von Namen und Anschriften des Herstellers, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer, von Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber, der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Pflaster, der Einkaufsmengen, Einkaufszeiten und Einkaufspreise sowie Verkaufsmengen, Verkaufszeiten und Verkaufspreise sowie der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren, Regionen und Werbeträgern, einschließlich sämtlicher Kostenfaktoren und des Gewinns.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die in Ziffer 1 abgebildeten Pflaster zurückzurufen, sie endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen sowie solche in ihrem Besitz oder Eigentum stehenden, unter Ziffer 1 abgebildeten Pflaster und die ihr gehörenden Materialien und Geräte, die vorwiegend zur Kennzeichnung gemäß Ziffer 1 gedient haben, zu vernichten.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in der Ziffer 1 genannten Handlungen entstanden ist und zukünftig entstehen wird.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 2) € 2.043,40 zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung sowie € 1.465,20 zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, transdermale Pflaster seien am Markt bereits sehr üblich. Sie bezieht sich insoweit auf die Abbildungen auf S. 28 – 30 der Klagerwiderung. Sie trägt vor, dass die Formgestaltung der beanstandeten Produkte technisch bedingt sei. Mit der kreisförmigen Kontur sei die Form gewählt worden, die ein Ablösen des Pflasters beim Tragen bestmöglich vermeiden helfe. Kreisförmige Pflaster böten am wenigsten Ansatzpunkte für Ablösungskräfte und sei daher bei transdermalen Pflastern auch gebräuchlich. Aus Gründen der Handhabbarkeit müsse die Trägerfolie auch das Pflaster überragen. Die quadratische Kontur der Trägerfolie biete sich bei einem runden Pflaster auch an, weil dadurch bei der Produktion der geringste Verschnitt entstünde und den geringsten maschinellen Aufwand erfordere. Auch quadratische Trägerfolien seien sehr üblich.

Eben diese Ausgestaltung mit der Trägerfolie mit Abstandhaltern – auch in kreisrunder Anordnung – sei nach Ablaufen des Patentschutzes des EP 0405 393 B1 freier Stand der Technik geworden. Selbiges fände sich auch in einer US-Patentanmeldung von 2002 (Anlage B 32), die dieselben Vorteile beschreibe. Ein bisheriges Monopol der Klägerinnen und hohe Marktanteile seien für die Frage der Herkunftsfunktion unergiebig.

Die Tatsache, so die Beklagte, dass die konkrete Gestaltung, insbesondere die ringförmige Anordnung der punktförmigen Abstandshalter technisch vorteilhaft sei, habe auch eine Studie der Herstellerfirma ergeben (vgl. Anlage B 33).

Aufgrund der Üblichkeit der Gestaltung verstünde der Verkehr die Produktgestaltung auch gerade nicht markenmäßig, sondern nur als Beschreibung der Funktionalität. Hinzu komme, dass die Trägerfolie bei der Applikation auch nur kurz zum Vorschein komme, da sie nicht mit aufgeklebt werde. Eine besondere Einweisung sei wie bei der Einnahme von Tabletten nicht erforderlich. Die Herkunftsfunktion werde nur durch den Aufdruck E.. erzeugt.

Die Umfragen der Klägerin seien wegen Mangelhaftigkeit nicht verwertbar. Die Beklagte bezieht sich hierfür auf die gutachterliche Stellungnahmen des Dr. P.. in Anlagen B 43 und B 44. Insbesondere sei Gegenstand der ersten Umfrage der Klägerin gemäß Anlage K 13 ein Pflaster mit dem Aufdruck BHDI, den die Beklagten aber nicht verwendeten. BHDI weise auf N.. hin, wie eine Google-Suche belege (vgl. Einspiegelungen auf S. 50 der Klagerwiderung vom 06.10.2014). Die Umfrage gemäß Anlage K 24 sei suggestiv, insbesondere seien die Vergleichspflaster „überneutralisiert“ worden, weil die Pflaster der Beklagten von jeglichen Aufdrucken befreit worden seien, obwohl sie tatsächlich nur mit dem Zusatz des Wirkstoffs und der Dosierung vertrieben würden.

Eine wettbewerbsrechtlich relevante Herkunftstäuschung könne ausgeschlossen werden, da die Produkte nicht aufgrund ihrer Trägerfolie erworben würden. Eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung könne schon aufgrund der Zulassung als Generikum nicht angenommen werden. Da die Bioäquivalenz nachgewiesen worden sei, komme auch eine Beeinträchtigung der Wertschätzung nicht in Betracht. Hinzukomme, dass auch der Apotheker, bei dem der Patient das Arzneimittel erhält, zur Substitution nach § 129 SGB V verpflichtet sei.

Auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2014 und 28.05.2015 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
Die allein auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche gestützte Klage der Klägerin zu 2) ist zulässig, aber unbegründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt nicht aus den Grundsätzen des sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach §§ 3, 4 Nr. 9, 8 Abs. 1 UWG. Die Annexansprüche teilen das Schicksal des Hauptanspruches und sind daher ebenfalls unbegründet.

1.
Der Vertrieb eines nachgeahmten Erzeugnisses nach § 4 Nr. 9 UWG kann wettbewerbswidrig sein, wenn das Produkt von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Identität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei größerer wettbewerblicher Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (st. Rspr.: BGH, GRUR 2010, 1125, 1127 – Femur-Teil; NJW-RR 2010, 53, 54 – Ausbeinmesser; GRUR 2010, 80, 82 – LIKEaBIKE; GRUR 2009, 79, 82 – Gebäckpresse).

2.
Die Kammer geht auch im Rahmen des Hauptsacheverfahrens davon aus, dass die klägerseitigen Pflastergestaltungen über wettbewerbliche Eigenart verfügen.

a)
Das Hanseatische Oberlandesgericht hatte im Rahmen des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens – ebenso wie die Kammer – das Vorliegen einer wettbewerblichen Eigenart angenommen und diesbezüglich ausgeführt:

„Unter wettbewerblicher Eigenart wird die Eignung eines Erzeugnisses verstanden, aufgrund seiner konkreten Gestaltung oder aufgrund bestimmter Merkmale für die angesprochener Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheit des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH WRP 2007, 1076, 1078 – Handtaschen; BGH GRUR 2006, 79, 80 – Jeans; BGH GRUR 2003, 332, 336 – Abschlussstück) Für den Wettbewerbs rechtlichen Schutz kommen danach alle diejenigen Erzeugnisse in Betracht, bei denen der Verkehr Wert auf ihre betriebliche Herkunft legt und gewohnt ist, aus bestimmten Merkmalen auf die betriebliche Herkunft zu schließen (BGH GRUR 2001, 251, 253 – Messerkennzeichnung) Für das Vorliegen der wettbewerblichen Eigenart ist eine Bekanntheit des betreffenden Erzeugnisses zwar nicht Voraussetzung, jedoch kann der Grad der wettbewerblichen Eigenart, der für die Beurteilung der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit des Vertriebs von Nachahmungen bedeutsam ist, durch seine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (BGH GRUR 2007, 984, 986 – Gartenliege) Die wettbewerbliche Eigenart kann sich aus ästhetischen Merkmalen ergeben (BGH GRUR 1984, 453 – Hemdblusenkleid), aber auch aus technischen Merkmalen, soweit sie nicht eine gemeinfreie technische Lösung verwirklichen bzw. technisch notwendige Gestaltungselemente sind (BGH GRUR 2012, 58 Rn. . 43 – Seilzirkus; GRUR 2009, 1073 Rn 10 – Ausbeinmesser; Köhler/Bornkamm § 4 Rn. 9.27 f.) Technisch notwendige Merkmale, d. h. solche, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen (BGH GRUR 2013, 1052, Rn. 18 -Einkaufswagen III; BGH GRUR 2000, 521, 523 – Modulgerüst I). Die Übernahme gemeinfreier technischer Merkmale kann aber dann unlauter sein, wenn die Merkmale zwar technisch bedingt, aber frei wählbar oder austauschbar sind und die Herbeiführung einer Herkunftstäuschung durch zumutbare Maßnahmen ausgeschlossen werden kann (BGH GRUR 2010, 80 Rn. 27 – LIKEaBIKE).

Die Ergebnisse der Verkehrsbefragungen begründen überwiegend wahrscheinlich die Annahme, dass der Verkehr gerade die Gesamtheit der Gestaltungsmerkmale als herkunftshinweisend erkennt und versteht. Denn die Befragten ordnen zu einem erheblichen Prozentsatz sowohl ein im Hinblick auf die Marke E.. neutralisiertes Pflaster der Antragstellerin zu 2. (erste Umfrage) als auch ein vollständig neutralisiertes, also von jeglichem Aufdruck befreites Pflaster, das in seinen Gestaltungsmerkmalen aber im Übrigen dem Pflaster der Antragstellerin zu 2. sehr ähnlich ist (zweite Umfrage), der Antragstellerseite bzw. einem bestimmten Unternehmen zu. Deshalb hält es der Senat für überwiegend wahrscheinlich, dass neben der auf dem Pflaster der Antragstellerin zu 2 angebrachten Marke E… auch die schon vorstehend im markenrechtlichen Zusammenhang erörterten Gestaltungselemente des Pflasters in ihrer Kombination als herkunftshinweisend erkannt werden. Dass die einzelnen Merkmale des Pflasters der Antragstellerinnen (auch) technische Funktionen haben, steht der Würdigung der Gesamtgestaltung als wettbewerblich eigenartig nicht entgegen. Denn es handelt sich – wie vorstehend im Zusammenhang mit der Frage der Löschungsreife der Verfügungsmarke der Antragstellerin zu 1, ausgeführt – sämtlich um Merkmale mit technischer Funktion, für deren Gestaltung eine Variationsbreite verschiedener Ausführungsmöglichkeiten besteht, die also deshalb nicht freizuhaltende technisch bedingte Merkmale im Sinne der genannten Rechtsprechung darstellen.“

b)
Daran hält die Kammer auch im Hauptsacheverfahren fest bzw. schließt sich der Auffassung des Obergerichts an. Die wettbewerbliche Eigenart ist auch nicht durch die – nicht rechtskräftigen – erstinstanzlichen Löschungen der parallelen dreidimensionalen Marken erloschen. Zwar ist anerkannt, dass eine wettbewerbliche Eigenart verloren gehen kann, wenn die prägenden Gestaltungsmerkmale des nachgeahmten Originals Allgemeingut geworden sind (BGH, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Die bloße Löschung paralleler Markeneintragungen wegen von Anfang an fehlender Unterscheidungskraft (vgl. Beschluss des HABM in Anlage K 36) ist hierfür jedoch ohne Belang.

c)
Allerdings ist die Kammer weiterhin der Auffassung, dass das Maß der wettbewerblichen Eigenart der klägerseitigen Pflastergestaltungen von Hause aus zunächst nur gering ist. Denn die einzelnen Elemente der Pflastergestaltungen sind vollständig durch die Natur des Produkts als transdermales Pflaster vorgegeben, haben also ein Mittelelement (das eigentliche Pflaster) und eine davon unterscheidbare Trägerfolie. Auch weitere Elemente sind technisch-funktional bedingt, wie die in der Umrandung erkennbare mittige Kante, die auf eine Überlappung der Trägerfolie hindeutet, was auf die Funktionalität zurück geht, das Pflaster hygienisch sauber aus der Trägerfolie auslösen und auf dem Körper aufbringen zu können. Das Vorhandensein von Punkten ist ebenfalls kein dekorativ-gestalterisches Merkmal, sondern verweist auf Abstandshalter gemäß der Lehre des – seit geraumer Zeit erloschenen – EP 0….1 (Anlage K 18). Zwar sind die einzelnen Merkmale selbstverständlich frei wählbar und auch beliebig kombinierbar. Die kreisrunde Formgebung des Mittelteils, mithin des eigentlichen Pflasters, ist jedoch eine gängige und übliche Gestaltungsform von Pflastern. Diese ist, wie der Kammer aus den Parallelverfahren bekannt ist, die optimale Gestaltungsform, um einem Ablösen vorzubeugen – auch wenn angesichts der Tragedauer der hier streitgegenständlichen transdermalen Pflaster von 24 Stunden bereits eine weniger optimale Gestaltungsform genügen würde, solange die Ecken abgerundet sind. Schließlich entspricht selbst die Farbwahl „beige“ der marktüblichen Gewohnheit, durch einen hautähnlichen Farbton ein diskretes Tragen eines Pflasters zu ermöglichen. Der Umstand, dass die Trägerfolie demgegenüber quadratisch ist, trägt dem Umstand Rechnung, auf diese Weise am wenigsten Verschnitt zu haben. Damit sind sämtliche Gestaltungsmerkmale selbst der reinen (Verfügungs-)Bildmarken produkttypisch und entweder technisch- oder funktionsbedingt – oder beides – und/oder bedienen sich des bekannten und gängigen Formenschatzes von Pflastern.

d)
Zwar ist durch die zuvor patentgeschützte, alleinige Marktpräsenz der konkreten Pflasterprodukte der Klägerin zu 2) durchaus Raum für eine Steigerung der wettbewerblichen Eigenart. Hierbei allerdings gleichwohl zu sehen, dass die Pflaster stets auch mit dem aufgedruckten Markennamen „E..“ gekennzeichnet sind, während sämtliche Gestaltungsmerkmale der Form produkttypisch und entweder technisch- oder funktionsbedingt sind – oder beides – und/oder sich des bekannten und gängigen Formenschatzes von Pflastern bedienen. Der Gesamteindruck wird auch im Falle einer Steigerung der Eigenart zum einen durch den Markennamen „E..“ geprägt und zum anderen durch die konkrete Ausgestaltung als beiges, rundes Pflaster mit Noppen in quadratisch-transparenter Umhüllung.

3.
Eine unmittelbare unlautere vermeidbare Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 9 lit. a) UWG auf Seiten der Fachkreise ist vor dem Hintergrund der Verordnungs- und Abgabesituation ausgeschlossen.

a)
Die sich gegenüberstehenden Pflastergestaltungen sind zwar ähnlich, da die Beklagte die Geometrie und Anordnung übernommen hat; sie sind jedoch keineswegs identisch, da die Beklagte weder die Farbgestaltung, noch den (oder einen ähnlichen) Namensaufdruck übernommen hat. Da vorliegend verschreibungspflichtige Arzneimittel in Rede stehen, genügen die Übereinstimmungen der Produktgestaltungen schon ungeachtet der Frage des Maßes der wettbewerblichen Eigenart nicht für die Annahme einer unmittelbaren Herkunftstäuschung. Verschreibungspflichtige Arzneimittel können nicht auf Sicht erworben werden, sondern bedürfen einer ärztlichen Verordnung. Für die Beurteilung einer Herkunftstäuschung solcher Arzneimittel ist daher allein auf die Sicht der angesprochenen Fachkreise abzustellen, die zur Verordnung berechtigt sind und damit die Anwendungsentscheidung treffen (vgl. BGH, GRUR 2010, 1125, 1127 – Femur-Teil). Eine Herkunftstäuschung der behandelnden Ärzte in der Verordnungssituation ist jedoch ausgeschlossen. Ebenso wie bei Operationszubehör oder Implantaten, wo die Einkaufsentscheidung von durchschnittlich informierten und verständigen Mitgliedern der Fachkreise im Gesundheitswesen getroffen werden, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Arzt seine Entscheidung nicht auf Grund seiner Kenntnisse über die verschiedenen Hersteller und deren jeweilige Produktpalette sowie der unterschiedlichen Kennzeichen der Parteien treffen könnte (vgl. BGH, GRUR 2010, 1125, 1127 – Femur-Teil). Zwar wendet der Arzt die streitgegenständlichen Arzneimittel nicht selbst am Patienten an, sondern verschreibt sie den Patienten, damit sie sich diese über die Apotheke selbst beschaffen können. Der Arzt muss sich dabei jedoch genaueste Gewissheit verschaffen darüber, was er zu verschreiben gedenkt und eine spezifische ärztliche Verordnung ausstellen. Dabei muss er sich bei gesetzlich Versicherten wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots aus § 106 SGB V zwingend Gedanken über mögliche, insbesondere preiswertere Alternativen machen, will sich nicht regresspflichtig machen. Diese Gedanken macht sich der Arzt im Zweifel anhand von Roter Liste, Lauer Taxe und der Preisgestaltung der Arzneien und nicht anhand der unmittelbaren Erscheinung des Pflasters. Die unterschiedliche Herstellerangabe bzw. Produktmarke, die schon im Verkehr mit Verbrauchern ausreichend sein kann, um einer Herkunftstäuschung entgegenzuwirken (vgl. BGH, GRUR 2001, 443, 445 – Viennetta), ist bei der Verordnungsentscheidung eines Arztes notwendigerweise noch deutlich stärker im Fokus der Überlegungen.

b)
Auch in der Beratungssituation zwischen Arzt und Patient scheidet eine Herkunftstäuschung aus. Dazu hat der BGH im Rahmen der Femur-Teil-Entscheidung (BGH, GRUR 2010, 1125, 1128) Folgendes ausgeführt:

„[Es] scheidet entgegen der Ansicht der Revision eine Herkunftstäuschung des Arztes während der Operation aus. Danach sind Verwechslungen der Produkte der Parteien auf Grund des äußeren Erscheinungsbilds der Femur-Teile bei einem situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsarzt auch während der Operation ausgeschlossen. Denn die Femur-Teile der Parteien verfügen über unterschiedliche Produktbezeichnungen. Der behandelnde Arzt muss bei der Operationsvorbereitung das Fabrikat des Femur-Teils, seine Größe und die für die jeweilige Körperseite des Patienten vorgesehene Ausführungsform bestimmen und sich während der Operation mit der gebotenen ärztlichen Sorgfalt davon überzeugen, dass er das gewünschte Implantat erhalten hat.“

Diese Grundsätze der ärztlichen Sorgfalt sind ohne Weiteres auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar und stehen der Annahme einer Herkunftstäuschung im Wege. Auch in der Beratungssituation sind die Produkte klar voneinander unterscheidbar, beginnend bei Namensgebung, Gestaltung der Umverpackung und der eingeschweißten Briefchen, bis hin zur Gestaltung der Pflaster selbst, nämlich gelb-transparent mit dem Aufdruck „E..“ auf der einen Seite und weißlich-transparent mit dem Aufdruck des Wirkstoffs auf der anderen Seite. Der Gesamteindruck der sich (gegebenenfalls dann auch physisch) gegenüberstehenden streitgegenständlichen Pflaster ist unterschiedlich. Angesichts der nur schwach bis allenfalls knapp durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart, der funktional-technischen Bedingtheit der Aufmachung und des speziellen Vertriebsweges von Arzneimitteln (ärztliche Verordnung, Apothekenpflicht) genügen die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Abweichungen, um einen ausreichenden Abstand einzuhalten.

c)
Eine Irreführung der abgebenden Apotheker ist ausgeschlossen. Die Apotheker werden aufgrund ärztlicher Verordnungen tätig, die entweder den Produktnahmen „E..“ auf dem Rezept vermerken oder den Wirkstoff. Daraufhin hat der Apotheker die Substitutionslage nach § 129 Abs. 1 SGB V selbst zu prüfen. Gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB V sind die Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte nach Maßgabe des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V in den Fällen zur Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels verpflichtet, in denen der verordnende Arzt ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen hat (sog. „aut idem“-Verordnung), wobei die Apotheken bei der Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ein Arzneimittel abzugeben haben, das mit dem Verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt. Diese Substitutionsentscheidung kann der Apotheker denknotwendiger Weise nicht nach optischen Kriterien treffen, sondern allein nach Wirkstärke, Packungsgröße, Anwendungsgebiet und Darreichungsform. Die Unterschiedlichkeit der Herkunft der beiden Präparate ergibt sich für den Apotheker jedoch eindeutig aus der Lauer-Taxe, wo beide nebeneinander gelistet sind.

4.
Aber auch die Voraussetzungen einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne (sog. mittelbare Herkunftsverwechslung) hat die Klägerin zu 2) nicht hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt.

a)
Zwar hatte das sich Hanseatische Oberlandesgericht im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren auf den Standpunkt gestellt, dass es „überwiegend wahrscheinlich auch zu einer Herkunftstäuschung“ komme und dies damit begründet, dass erhebliche Teile der Ärzteschaft aufgrund der Übereinstimmung der Produkte in den herkunftshinweisenden Gestaltungsmerkmalen lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen der Parteien annähmen. Der Senat war der Auffassung, dass die auf der Umverpackung des Präparats sowie auf den Schutzbeuteln, in die die einzelnen Pflaster verpackt sind, enthaltenen Hinweise, die auf die Antragsgegnerin als Vertreiberin der Ware verweisen, die Annahme einer Herkunftstäuschung nicht ausschlössen. Aufgrund des nach dem Dafürhalten des Senats dem angesprochenen Fachverkehr geläufigen Umstands, dass auch mit dem Originator verbundene Generikahersteller im Markt tätig seien, liege im vorliegenden wettbewerbsrechtlichen Zusammenhang ebenfalls die Annahme nahe, dass die Herstellerangabe auf der Umverpackung nicht hinreichend sei, um der Herkunftstäuschung entgegen zu wirken. Denn die Ärzte würden, wenn sie die Umverpackung der Pflaster wahrnähmen, nicht notwendig darum wissen, wie es um die gesellschafts- oder lizenzrechtliche oder sonstige organisatorische Zusammenhänge zwischen den Vertreibern der hochgradig ähnlichen Präparate stünde (Hans. OLG, Urt. v. 16.01.2014 – 3 W 79/13, Urteilsumdruck, S. 32).

b)
Dem folgt die Kammer für das Hauptsacheverfahren jedoch nicht. Denn die Entscheidung im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens erfolgt hinsichtlich der zugrunde liegenden Tatsachen nach dem Maßstab überwiegender Wahrscheinlichkeit, §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO, da insoweit anstelle des Strengbeweises die Glaubhaftmachung genügt. Davon macht die Entscheidung des Obergerichts auch keine Ausnahme, die ausdrücklich von einer „überwiegend wahrscheinlichen“ Herkunftstäuschung spricht. Die damit verbundenen Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast gelten jedoch im Rahmen eines Klagverfahrens nicht. Im Klagverfahren trägt die Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG (vgl. nur Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auflg. 2015, § 4 Rn. 9.78; Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Auflg. 2014, § 4 Rn. 9/92). Sie kann sich nicht auf überwiegende Wahrscheinlichkeiten stützen, sondern hat die tatsächlichen Grundlagen der von ihr behaupteten Herkunftstäuschung im weiteren Sinne darzulegen und ggf. zu beweisen. Die Auffassung der Klägerin, es sei Sache der Beklagten, darzulegen und unter Beweis zu stellen, warum der Verkehr nicht von einer Konzernverbindung ausgehen würde, würde auf eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast hinauslaufen, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt auch in den Fällen der unmittelbaren Leistungsübernahme der Klägerin; eine Vermutung für das Vorliegen unterlauterkeitsbegründender Umstände besteht nicht (vgl. nur Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auflg. 2015, § 4 Rn. 9.78; Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Auflg. 2014, § 4 Rn. 9/92). Insbesondere in Fällen, in denen ein Kläger trotz auf der Ware aufgebrachter unterschiedlicher Herstellerangabe eine solche Herkunftstäuschung im weiteren Sinne geltend macht, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch eines tatsächlichen Vorbringens der Klägerseite, dass die Bezeichnung des vermeintlichen Nachahmungsprodukts dem Verkehr nicht als Herstellerangabe, sondern beispielsweise lediglich als Handelsmarke bekannt sei (BGH, GRUR 2009, 1069, 1070/1071), oder eben, dass sonstige lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen der Parteien bestünden. Dem ist die Klägerin trotz gerichtlichen Hinweises nicht gerecht geworden.

aa)
Der BGH hat insoweit in der Entscheidung „Knoblauchwürste“ (GRUR 2009, 1069, 1070/1071) Folgendes ausgeführt:

„Zutreffend ist das BerGer. davon ausgegangen, eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne liege vor, wenn der Verkehr die Nachahmung für ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers halte oder wenn er von geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den beteiligten Unternehmen ausgehe (vgl. BGH, GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung, m.w. Nachw.; GRUR 2001, 443, 445 – Viennetta). Zu Unrecht hat es aber die Voraussetzungen einer solchen Herkunftstäuschung im weiteren Sinne bejaht.

[16] Gegen die Annahme einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne spricht im Streitfall bereits die – auffällig angebrachte – unterschiedliche Herstellerangabe (vgl. BGH, GRUR 2001, 251, 254 – Messerkennzeichnung, m.w. Nachw.; GRUR 2001, 443, 445 – Viennetta). Das BerGer. ist allerdings davon ausgegangen, dass es sich bei der Bezeichnung „NAMLI“ nicht um eine Herstellerangabe, sondern – für den Verkehr erkennbar – um eine Handelsmarke handelt. Die Bekl. selbst habe darauf verwiesen, dass sich ihre Handelsmarke „NAMLI“ bei den an türkischen Lebensmitteln interessierten Verkehrskreisen einer nicht unerheblichen Bekanntheit erfreue. Der Verbraucher werde daher zwischen der Bezeichnung „EGETÜRK“ der – als Herstellerin fungierenden – Kl. und der Bezeichnung „NAMLI“ der – nur mit dem Handel befassten – Bekl. unterscheiden. Für eine Handelsmarke sei typisch, dass ihr Inhaber mit dem nach außen regelmäßig nicht in Erscheinung tretenden Hersteller zusammenarbeite.

[17] Mit Erfolg rügt die Revision, dass das Parteivorbringen für diese Annahme keine Grundlage bietet. Dass die Bezeichnung „NAMLI“ dem Verkehr nicht als Herstellerangabe, sondern als Handelsmarke bekannt sei, lässt sich dem Parteivorbringen nicht entnehmen. Insbesondere hat die Bekl., auf deren Vorbringen das BerGer. in diesem Zusammenhang verweist, selbst nicht vorgetragen, dass die Bezeichnung „NAMLI“ als Handelsmarke verwendet worden sei und der Verkehr diese Bezeichnung als Handelsmarke kenne. Die Bekl. hat – worauf die Revision mit Recht hinweist – im Gegenteil in ihrem Vortrag deutlich gemacht, dass sie zu der Zeit, als sie Produkte der Kl. als Großhändlerin vertrieben habe, diese stets in der originalen „EGETÜRK“-Ausstattung weiterveräußert habe, ohne eigene Kennzeichnungen anzubringen.

[18] Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Verkehr die Bezeichnung „NAMLI“ für eine Herstellerangabe hält. Zwar sind im Lebensmitteleinzelhandel Handelsmarken verbreitet. Sie werden jedoch vom Verkehr in der Regel nur dann als solche erkannt, wenn sie auf das fragliche Einzelhandelsunternehmen hinweisen. Dass die Bekl. unter der Bezeichnung „NAMLI“ im Einzelhandel tätig wäre, lässt sich weder den getroffenen Feststellungen noch dem Parteivorbringen entnehmen.

bb)
Die Klägerin hat behauptet, der Verkehr gehe von zumindest einem Konzernverbund aus, da ihm bekannt sei, dass auch Originatoren nach Ablauf des Patentschutzes ein entsprechendes Generikum über konzernangehörige Unternehmen auf den Markt brächten. So gehörten beispielsweise die beiden Generikahersteller S.. und H.. zum Konzern der Klägerin. Sie hat weiter behauptet, aufgrund der, nach Auffassung der Klägerin identischen, Gestaltung würde der Verkehr lizenz- oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen erwarten; anders sei ihm nicht verständlich, warum identische Produktgestaltungen gewählt worden seien. Die Beklagte hat diese Behauptungen bestritten und sich darauf bezogen, dass unterschiedliche Herstellerangaben auf den Erzeugnissen eine Herkunftstäuschung ausschließen würden.

cc)
Den von der Rechtsprechung des BGH aufgestellten Anforderungen an das Parteivorbringen hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht genüge getan. Trotz des Hinweises der Kammer, dass es für die Annahme einer Herkunftstäuschung im weiteren Sinne an einer ausreichenden Tatsachengrundlage fehle (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2015), hat die Klägerin keinen weiteren tatsächlichen Vortrag geleistet. Sie hat insbesondere keinen Tatsachenvortrag dazu geliefert, aus welchen Gründen die angesprochenen Fachkreise die Produktbezeichnung „R.. H..“ in der Roten Liste und der Lauer Taxe bzw. auf der Produktverpackung und der Schutzhülle als eine Zweitmarke der Klägerin ansehen sollten. Dass dem Konzernverbund der Klägerin auch Generikahersteller angehörten und dass dem Fachverkehr allgemein bekannt sei, dass große Pharmahersteller über eigene Generikaunternehmen verfügen, ersetzt noch nicht den erforderlichen konkreten Sachvortrag, der Verkehr könnte gerade auch die Beklagte für ein solches konzernverbundenes Unternehmen ansehen. Typische Umstände, die die Bezeichnung „R.. H..“ für den Verkehr als Generika(zweit-)marke der Klägerin erscheinen lassen, wie etwa, dass die Beklagte in der Vergangenheit das Produkt der Klägerin in Lizenz unter dieser Bezeichnung vermarktet hätte, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, dass überhaupt ihre Generikaschwestern S.. und/oder H.. Pflaster der streitgegenständlichen Art gegenwärtig vertreiben würden, geschweige denn dass sämtliche im Übrigen am Markt erhältliche Wettbewerbsgenerika auf Lizenzen der Klägerin zurückgreifen würden. Ausdrückliche positive Hinweise auf eine etwaige Verbundenheit der Beklagten mit der Herstellerin des Originals, wie etwa „Eine Marke der N..-Gruppe“, finden sich an keiner Stelle.

dd)
Ein anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragungen. Die Klägerin bezieht sich zur Verkehrsauffassung zum einen auf das Umfragegutachten von A.. vom 06.06.2013 (Anlage K 13), zum anderen auf ein weiteres Umfragegutachten von A.. vom 23.08.2013 zum Wettbewerbsprodukt der Fa. n.. (Anlage K 24). Beide Befragungen sind für die Frage der Herkunftstäuschung im weiteren Sinne jedoch unergiebig. Die Erste hatte eine Klagemarke der Klägerin zu 1) zum Gegenstand mit dem Aufdruck BHDI. Bei der zweiten Befragung waren zwar die beiden kollidierenden Pflastergestaltungen Gegenstand der Befragung, allerdings gerade nicht mit ihren jeweiligen Aufdrucken, E.. einerseits und R..e andererseits. Ob die nackten Pflastergestaltungen nun aktiv mehrheitlich nur einer einzigen Herkunftsquelle zugeordnet würden, besagt noch nichts darüber, ob die angesprochenen Verkehrskreise dies auch bei einem Pflaster mit dem Aufdruck R..e täten – es kann sein, muss aber nicht; den erforderlichen zwingenden Schluss auf die von der Klägerin behaupteten Haupttatsache lässt auch diese Befragung nicht zu.

ee)
Gleichzeitig gibt es gewichtige Anhaltspunkte, die gegen die von der Klägerin behauptete Verkehrserwartung sprechen. Hierzu zählt insbesondere der Umstand, dass die Farbgestaltung vom Original abweicht und damit nicht den Eindruck nährt, es sei auf derselben Produktionslinie hergestellt worden, wie das Original. Auch ist dem Fachverkehr geläufig, dass nach Ablauf des Patentschutzes eine Vielzahl von Generikaunternehmen auf den Markt drängt, wie es auch vorliegend geschehen ist. Allein das Auftreten dieser Wettbewerbsprodukte vergegenwärtigt den Fachkreisen, dass der Patentschutz abgelaufen sein muss und damit der Wettbewerb eröffnet ist. Aufgrund der vereinfachten Zulassung von Generika nach § 24b AMG ist für den Verkehr auch die Gleichwertigkeit von Original und Generikum gewährleistet, was möglicherweise eine besondere Annäherung an das Original erforderlich machen könnte.

5.
Auch der Vorwurf der unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung des Originalproduktes durch die Beklagte greift nicht durch. Nach § 4 Nr. 9 lit. b) UWG kann eine unlautere Rufausnutzung auch ohne Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert (BGH, GRUR 2010, 1125, 1128 – Femur-Teil). Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung unangemessen ausgenutzt wird, ist jeweils im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind (BGH, aaO.; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Auflg. 2015, § 4 Rdnr. 9.55 m.w.N.). Allerdings reicht es für eine Rufausbeutung nicht aus, wenn lediglich Assoziationen an ein fremdes Produkt und damit Aufmerksamkeit erweckt werden (BGH, aaO. m.w.N.). Dasselbe gilt, wenn der Nachahmende nach Ablauf eines Patentschutzes des Originalherstellers beim Eindringen in dessen Markt die angesprochenen Verkehrskreise durch eine gegenüber dem Original unterscheidbare Kennzeichnung unmissverständlich darüber informiert, dass sich das nachgeahmte Produkt vom Original unterscheidet (BGH, aaO.).

a)
Vor dem Hintergrund des Arzneimittelmarktes und des SGB V ist eine unlautere Rufausbeutung zu verneinen. Der Konzern der Klägerin verfügte in der Vergangenheit über ein Patent sowohl hinsichtlich des Wirkstoffs R.., als auch hinsichtlich der Darreichungsform als transdermales Pflaster. Dieser Patentschutz ist abgelaufen. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass im Interesse von Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen nach Ablaufen des Patentschutzes Nachahmer mit wirkstoffidentischen Produkten auf den Markt kommen, § 129 Abs. 1 SGB V. Diese Möglichkeit wird durch ein vereinfachtes Zulassungsverfahren nach § 24 b AMG weiter gefördert. Nach § 24 b Abs. 2 S. 1 AMG erfordert die Zulassung als Generikum lediglich, dass das betreffende Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden über die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit und Substitutionspflicht sowie über die persönliche Regresspflicht weiter dazu angehalten, die Verordnung eines Generikums bzw. Substitution durch ein solches zu prüfen. Es ist daher ersichtlich gewünschte Intention des Gesetzgebers, dass der gute Ruf des Originals auf das Generikum übertragen werden soll.

b)
Zwar gewährt auch das vereinfachte Zulassungsverfahren für ein Generikum selbstredend keine Rechtfertigung für eine verwechslungsfähige Aufmachung des Generikums. Insoweit ist anzuerkennen, dass die Vorgabe einer gleichen Darreichungsform auch bei einer abweichenden Gestaltung eines transdermalen Pflasters gewahrt wäre; nur letzteres stellt vorliegend die Darreichungsform im Sinne des § 24 b Abs. 2 AMG dar. Nach der Rechtsprechung des BGH ist jedoch auch im Rahmen dieses Tatbestandes zu berücksichtigen, dass in Anbetracht der fehlenden Herkunftstäuschung (s.o.) die Interessen des Nachahmers, eine nach dem freien Stand der Technik und den mit dem Vorbild gewonnenen Erfahrungen angemessene Gestaltung nachahmen zu dürfen, gegenüber den Interessen des Originators überwiegen, nach Ablauf des Sonderrechtsschutzes als einziger Hersteller ein der äußeren Gestaltung des Originalproduktes entsprechendes Produkt anzubieten (BGH, GRUR 2010, 1125, 1128/1129 – Femur-Teil). Auf dem Produkt der Klägerin zu 2) ist die Wortmarke „E..“ aufgebracht, auf dem der Beklagten (natürlich) nicht, das nur die Angabe der Wirkstoffgruppe „R..e“ und der Dosierung aufweist. Die jeweiligen Handelsbezeichnungen sind verwechslungssicher, worauf es nach der allgemeinen Lebenserfahrung insbesondere im Markt verschreibungspflichtiger Arzneimittel besonders ankommt. Auch die Verpackungen der innerhalb der Umverpackung blickdicht verpackten Pflaster sind verwechslungssicher.

6.
Für die Annahme der Voraussetzungen des Tatbestandes einer unlauteren Beeinträchtigung der Wertschätzung des Originalproduktes der Antragstellerinnen nach § 4 Nr. 9 lit. b) UWG durch das Produkt der Antragsgegnerin ist nichts ersichtlich; sie dürfte wegen der Zulassung nach § 24 b AMG auch fernliegend sein.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.