LG Frankfurt a.M.: Gutscheinversand kann unzulässige E-Mail-Werbung sein

veröffentlicht am 24. September 2018

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 22.03.2018, Az. 2-03 O 372/17
§ 7 UWG

Die Entscheidung des LG Frankfurt haben wir hier zusammengefasst (LG Frankfurt – Werbe-E-Mail mit Gutschein), den Volltext finden Sie nachfolgend:


Wenn das Kundenanschreiben zum Spam wird

Haben Sie wegen Ihrer E-Mail-Kontakte zu Kunden eine Abmahnung erhalten, weil es sich zum unzulässigen Spam handeln soll? Sollen Sie eine Unterlassungserklärung abgeben oder droht Ihnen bereits eine einstweilige Verfügung oder eine Unterlassungsklage? Rufen Sie uns gleich an: 04321 / 390 550 oder 040 / 35716-904. Schicken Sie uns Ihre Unterlagen gern per E-Mail (info@damm-legal.de) oder per Fax (Kontakt). Die Prüfung der Unterlagen und unsere Ersteinschätzung ist für Sie kostenlos. Unsere Fachanwälte sind durch zahlreiche Verfahren (Gegnerliste) mit dem Wettbewerbsrecht und dessen Nebengebieten bestens vertraut und helfen Ihnen gern.


Landgericht Frankfurt am Main

Urteil

I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern mit E-Mail-Werbung zu werben, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt,

wenn dies geschieht wie aus Anlage K1 ersichtlich, ausgenommen E-Mails an die E-Mail-Adresse …@….de.

II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 178,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2018 zu zahlen.


III.
Die Kosten des hat die Beklagte zu tragen.


IV.
Das Urteil ist hinsichtlich des Tenors zu I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 10.000,- vorläufig vollstreckbar, im Übrigen in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


Tatbestand


Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Ansprüche aufgrund der Versendung von E-Mails.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere die Achtung darauf, dass die Regeln des Wettbewerbs eingehalten werden.

Die Beklagte betreibt in Friedberg ein Elektronik-Versandhandelsunternehmen mit angeschlossenem Online-Shop.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Herr Rechtsanwalt …, bestellte bei der Beklagten am 09.12.2015 unter Angabe der E-Mail-Adresse „…@….de“ einen „Gaming-Stuhl“. Eine Einwilligung in den Erhalt von Werbung per E-Mail wurde nicht erteilt.

Die Beklagte versandte am 28.07.2017 an die E-Mail-Adresse „…@….de“ eine E-Mail mit dem Betreff „Wir vermissen Sie! Sichern Sie sich noch heute Ihren 5 Euro Gutschein“ (Anlage K1, Bl. 8 d.A.). Die E-Mail, die die Beklagte im Text als „persönliche Kundenmitteilung“ bezeichnet, enthielt einen Gutschein-Code zur Einlösung im Online-Shop der Beklagten. Weiter heißt es:

„Sehr geehrter Herr …, seit Ihrem letzten Einkauf ist einige Zeit vergangen. Wir würden uns freuen, Sie wieder einmal in unserem Shop begrüßen zu dürfen. Dafür schenken wir Ihnen einen 5-Euro-Gutschein, den Sie nach Ihren Wünschen in unserem Shop einlösen können. (…) Lösen Sie Ihren Gutschein einfach bei Ihrer nächsten Bestellung bis einschließlich 28.08.2017 ein. (…) Beste Auswahl: Etwa 150.000 Artikel erwarten Sie – alles in nur einem Shop! (…) Ihr Testsieger-Shop: Mehrfach ausgezeichnet für Kundenzufriedenheit (…) Besuchen Sie unser Schnäppchen-Outlet! Hier finden Sie Sonderartikel, Restposten und B-Ware zu besonderen Schnäppchenpreisen. …

Sie erhalten dieses Informationsschreiben als Kunde von … (Kundennummer: …). Falls Sie zukünftig keine Informationen, Ankündigungen von Sonderaktionen oder Gutscheine mehr per Mail von uns erhalten möchten, klicken Sie bitte zum Abmelden hierauf.“
Rechtsanwalt … widersprach am 24.08.2017 der weiteren Verwendung seiner E-Mail-Adresse (vgl. Anlage K3, Bl. 13 d.A.).

Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.08.2017 ab (Anlage K2, Bl. 9 d.A.). Er rügte, dass die Beklagte die streitgegenständliche E-Mail ohne Einwilligung versandt habe und forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Die Beklagte wies dies mit anwaltlichem Schreiben vom 08.09.2017 mit der Begründung zurück, dass der Versand rechtmäßig gemäß § 7 Abs. 3 UWG erfolgt sei (Anlage K3, Bl. 13 d.A.). Mit weiterem Schreiben vom 28.09.2017 gab die Beklagte die aus Anlage K7, Bl. 22 d.A., ersichtliche Unterlassungserklärung im Hinblick auf die Versendung von Werbe-E-Mails an die E-Mail-Adresse von Rechtsanwalt … ab.

Der Kläger verlangt für seine vorgerichtliche Abmahnung eine Abmahnkostenpauschale in Höhe von € 178,50, die sich aus der Kostenermittlung für Abmahnungen im Jahre 2016 ergebe.

Der Kläger beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern mit E-Mail-Werbung zu werben, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt,

wenn dies geschieht wie aus Anlage K1 ersichtlich, ausgenommen E-Mails an die E-Mail-Adresse …@….de,

II.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 178,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (12.01.2018) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Versendung der streitgegenständlichen E-Mail bereits keine Werbung im Sinne von § 7 UWG darstelle. Ferner sei der Versand der E-Mail gemäß § 7 Abs. 3 UWG zulässig, da sie im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen erfolgt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Die Klage ist begründet.

1.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus den §§ 7 Abs. 1, 2, 8 UWG auf Unterlassung der weiteren Versendung von E-Mails wie der hier streitgegenständlichen gemäß Anlage K1.

a.
Der Kläger ist als Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert und prozessführungsbefugt.

b.
Die Versendung der streitgegenständlichen E-Mail an den Bevollmächtigten des Klägers in der streitgegenständlichen E-Mail erfolgte unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1, 2 UWG.

§ 7 UWG bezweckt den Schutz der Marktteilnehmer vor einer unangemessenen Beeinträchtigung ihrer privaten bzw. geschäftlichen Sphäre (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, § 7 Rn. 2). Gemäß § 7 Abs. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, unzulässig. Dies gilt insbesondere für Werbung, deren Versand erfolgt, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung von elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt (BGH GRUR 2017, 748 [BGH 14.03.2017 – VI ZR 721/15] – Robinson-Liste; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2017, 283 Rn. 15). Marktteilnehmer in diesem Sinne sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind.

Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 lit. a) der Werbe-Richtlinie 2006/113/EG über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerkes oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH GRUR 2009, 980 [BGH 20.05.2009 – I ZR 218/07] Rn. 13 – E-Mail-Werbung II; BGH GRUR 2013, 1259 Rn. 17 – Empfehlungs-E-Mail). Die Definition ist weit und nicht auf die Formen klassischer Werbung beschränkt (BGH GRUR 2013, 1259 [BGH 12.09.2013 – I ZR 208/12] Rn. 18 – Empfehlungs-E-Mail; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 2 Rn. 15).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagte hat an Herrn Rechtsanwalt … eine E-Mail versandt. Diese diente unzweifelhaft der Förderung des Absatzes der eigenen Waren. Denn die Beklagte übersandte einen Gutschein im Wert von € 5,- unter Verweis auf die gesamte Produktpalette der Beklagten. Die Auffassung der Beklagten, dass es sich nicht um Werbung handele, ist angesichts der weiten Definition des Begriffs Werbung fernliegend.

Der Versand erfolgte – unstreitig – auch ohne Einwilligung des Empfängers.

c.
Der Versand ist auch nicht aufgrund von § 7 Abs. 3 UWG gerechtfertigt.

§ 7 Abs. 3 UWG sieht einen Ausnahmetatbestand für die Versendung von elektronischer Post ohne vorangegangene Einwilligung vor, auf den sich hier auch die Beklagte beruft. Danach ist eine Einwilligung für die Direktwerbung eines Unternehmers mit elektronischer Post nicht erforderlich, wenn er (1) die elektronische Postadresse eines Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhalten hat, (2) er diese Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, (3) der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und (4) der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 7 Rn. 203). Die Voraussetzungen müssen nach dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 UWG kumulativ vorliegen.

Dies war hier nicht der Fall. Der Beklagten ist zuzugeben, dass die Beklagte die E-Mail-Adresse im Rahmen einer Bestellung vom späteren Empfänger erhalten hatte, er dem nicht widersprochen hatte und die Beklagte in der E-Mail darauf hingewiesen hat, dass der Empfänger der Verwendung jederzeit widersprechen kann.

Auch bestand zwischen dem Empfänger und der Beklagten eine Kundenbeziehung. Vorliegend hat die Beklagte jedoch Werbung versandt, die gerade nicht gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG für „eigene ähnliche Waren“ erfolgte. Für eine entsprechende Ähnlichkeit ist erforderlich, dass die Werbung im Hinblick auf die bereits gekauften Waren oder Dienstleistungen erfolgt. Die beworbene Ware oder Dienstleistung muss also dem gleichen erkennbaren oder doch typischen Verwendungszweck oder Bedarf des Kunden entsprechen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 7 Rn. 205). Teilweise wird vertreten, dass Sinn und Zweck der Norm für die Einbeziehung von Zubehör- und Ersatzteilen sprechen (Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 7 Rn. 73 m.w.N.). Der Ausnahmetatbestand solle der Förderung des elektronischen Handels dienen, da insoweit davon auszugehen sei, dass der Durchschnittskunde die Werbung eines Unternehmens für ähnliche Produkte und Dienstleistungen wie die bereits gekauften in der Regel nicht als Belästigung empfinde, sondern als nützliche Information auffasse (Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 7 Rn. 202).

Die streitgegenständliche E-Mail genügt dieser Anforderung nicht. Die Beklagte bewirbt in der streitgegenständlichen E-Mail vom 28.07.2017 ihr Sortiment mit 150.000 Artikeln, sowie ihr Outlet mit Sonderartikeln, Restposten und B-Waren, wobei der übersandte Gutschein-Code nach den Wünschen des Kunden im Shop eingelöst werden kann. Der beworbene Inhalt ist damit umfassend und geht über das vom Empfänger der E-Mail im Jahr 2015 gekaufte Produkt „Gamingstuhl“ oder auch ähnliche und verwandte Produktkategorien und Zubehör hinaus.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass der Empfänger durch die Versendung eines Gutscheins weniger belästigt werde und deshalb eine erweiternde Auslegung von § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG geboten sei, folgt die Kammer dem nicht. Der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 UWG ist aufgrund seines Schutzzwecks in Gestalt eines per-se-Verbots eng auszulegen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 7 Rn. 202). In der gebotenen, engen Auslegung der Norm als Ausnahmetatbestand verbietet sich ein Erst-Recht-Schluss von der zulässigen Bewerbung konkreter Produkte auf die Bewerbung von Vergünstigungen beim Kauf von Produkten generell, da die Norm unter Missachtung des begrenzenden Kriteriums der Ähnlichkeit in ihrem Wortlaut sonst keinen Anwendungsbereich mehr hätte.

d.
Auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Regelfall indiziert die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr (ständige Rechtsprechung BGH GRUR 1997, 379, 380 [BGH 16.11.1995 – I ZR 229/93] – Wegfall der Wiederholungsgefahr II). Im Allgemeinen gelingt eine Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die jedoch beklagtenseits verweigert wurde. Damit zeigt Beklagte, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH GRUR 1998, 1045, 1046 [BGH 19.03.1998 – I ZR 264/95] – Brennwertkessel). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte vorgerichtlich eine Unterlassungserklärung (Anlage K7, Bl. 22 d.A.) abgegeben hat. Denn die Beklagte hat diese Unterlassungserklärung ausdrücklich nur auf die Versendung von E-Mails an den bisherigen, hier streitgegenständlichen Empfänger beschränkt und dies auch auf vorgerichtliche Nachfrage aufrechterhalten. Eine solchermaßen eingeschränkte Unterlassungserklärung ist allerdings nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr hinreichend zu beseitigen (vgl. BGH GRUR 2004, 517, 520 [BGH 11.03.2004 – I ZR 81/01] – E-Mail-Werbung).

e.
Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.

1.
Der Kläger kann von der Beklagten aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auch Ersatz der geltend gemachten Abmahnkosten verlangen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB.

2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, da die Beklagte voll unterlegen ist.

3.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.