LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 28.03.2018, Az. 3 O 29/17
§ 9 Abs. 9 BDSG, § 14 Berufsordnung der Apotheker, § 4 a Abs. 3 BDSG
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Landgericht Dessau-Roßlau
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
hat die 3. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Dessau-Roßlau auf die mündliche Verhandlung vom 21.02.2018 durch … für Recht erkannt:
1)
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken apothekenpflichtige Medikamente über die Internethandelsplattform … zu vertreiben, solange bei dem Anmelde- bzw. Kaufprozess über diese Internethandelsplattform nicht sichergestellt ist, dass der Kunde vorab seine Einwilligung mit einer Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten (als besonderen Daten i. S. d. § 3 Abs. 9 des Bundesdatenschutzgesetzes) gegenüber einer Person oder Institution erteilen kann, die zum Umgang mit diesen gesundheitsbezogenen Daten berechtigt ist.
2)
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf Unterlassung geltend.
Er betreibt in der Rechtsform als e. K. unter anderem die … . Er betreibt keinen Handel mit apothekenpflichtigen Medikamenten im Internet.
Der Beklagte betreibt in Gräfenhainichen die …, diese ist im Internet unter … präsent. Über die Internetadresse … vertreibt er apothekenpflichtige Medikamente. Diese Präsenz im Internet bildet jedoch nicht den Streitgegenstand. Streitgegenständlich ist der Vertrieb/Handel mit apothekenpflichtigen Medikamenten über die Handelsplattform … . Der Beklagte ist daran mit dem Verkäuferprofil … beteiligt (Anlage K 5). Über dieses Profil werden gleichartige Produkte wie unter der Internetadresse „(…)“ vertrieben, unter anderem auch apothekenpflichtige Medikamente.
Zur Begründung seines Anspruches schildert der Kläger zunächst das Alltagsgeschäft beim Erwerb von Medikamenten in einer öffentlichen Apotheke, wobei er sowohl auf dem anonymen Verkauf apothekenpflichtiger Medikamente (Bargeschäft und ohne Rezept bzw. ohne Rezept und Bezahlung mittels Kredit- oder EC-Karte) eingeht. Und er differenziert dabei noch nach Kunden, die dort nicht registriert sind oder aber dort namentlich in einer Kundendatei registriert sind. Er trägt vor, dass es in der letzteren Situation (Eintragung Kundendatei) Besonderheiten wegen der Erhebung besonderer und schützenswerter personenbezogener Daten für den Apotheker und besondere Anforderungen gibt. Die Erhebung, Verarbeitung, Speicherung solcher Daten erfordere die vorherige Zustimmung des Kunden gemäß § 9 Abs. 9 BDSG i.V.m. § 14 Berufsordnung der Apotheker und § 4 a Abs. 3 BDSG. Diese Einwilligung sei vom Kunden schriftlich einzuholen und genau auf diese Verwendung zu beziehen. Der Kläger schildert weiter den Ablauf unter Einschaltung der Plattform …, wobei er differenziert zwischen denjenigen, die schon Kunde sind bzw. noch keine …-Kunden sind. Nach seinen Darstellungen erfolge in der Regel keine Einwilligung der Kunden in die Speicherung/Erhebung der gesundheitsbezogenen Daten im Zusammenhang mit der Bestellung von Medikamenten.
Der Kläger ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2017 den Beklagten wegen des Vertriebs über die Plattform … abmahnen und forderte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Der Beklagte bat mit anwaltlichem Schreiben vom 23.06.2017 um Fristverlängerung, eine weitere Reaktion oder die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erfolgten nicht.
Der Kläger trägt vor, derzeit sei unter … kein Verkäuferprofil ersichtlich.
Der Kläger vertritt die Ansicht, er sei zur Klage befugt und berechtigt, Unterlassungsansprüche gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Er sei Mitbewerber des Beklagten, auf den unterschiedlichen Betriebssitz komme es nicht an. Durch die allgemeine Zugänglichkeit des Internets bestehe dennoch zwischen den Parteien ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis. Er meint, der Vertrieb von apothekenpflichtigen Medikamenten über die Plattform … widerspreche dem Datenschutzrecht und der Berufsordnung der Apotheker und sei deshalb wettbewerbswidrig, woraus sich die Unterlassungsansprüche rechtfertigten.
Für die im Zusammenhang mit dem Erwerb apothekenpflichtiger Medikamente einhergehende Erhebung/Speicherung/Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten des Kunden fehle es an einer vorherigen schriftlichen Einwilligung des Kunden dazu, diese werde im Rahmen des Bestellprozesses nicht abgefragt.
Bei den Daten, die beim Kauf von Medikamenten entstünden, handle es sich um besondere personenbezogene Daten gemäß § 9 Abs. 3 BDSG. Der Umgang damit sei nur einer besonderen Personengruppe erlaubt (ärztliche Personen, die einer Geheimhaltung unterliegen, zu denen auch Mitarbeiter einer Apotheke gehörten).
Im Bestellprozess sei Amazon der Verarbeiter dieser personenbezogenen Daten. … gehöre nicht zu diesem besonderen Personenkreis. Die Verarbeitung sei ohnehin nur mit einer Einwilligung zulässig, die einen ausdrücklichen Bezug auf diese Daten erfordere, die bei der Datenschutzerklärung von … jedoch nicht vorliege.
Somit könne der Apotheker keine wirksame Einwilligung des Kunden nachweisen.
Die Ausnahmetatbestände der §§ 28 Abs. 7 bzw. 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG lägen ebenfalls nicht vor.
Er meint, es liege ein Verstoß gegen §§ 4, 4a Abs. 3, 28 BDSG vor. Bei diesen Vorschriften handele es sich um marktregulierende Vorschriften, deren Verletzung wettbewerbswidrig sei. Durch die Nichteinhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben verschaffe sich der Beklagte einen Wettbewerbsvorteil. Zugleich liege ein Verstoß des Beklagten gegen die Vorschriften der Berufsordnung der Apotheker vor.
Der Kläger beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Geri cht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00€, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken apothekenpflichtige Medikamente über die Internethandelsplattform (…) zu vertreiben, solange bei dem Anmelde -bzw. Kaufprozess über diese Internethandelsplattform nicht sichergestellt ist, dass der Kunde vorab seine Einwilligung mit einer Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner Gesundheitsdaten (als besonderen Daten i.S.d. § 3 Abs. 9 des Bundesdatenschutzgesetzes) gegenüber einer Person oder Institution erteilen kann, die zum Umgang mit diesen gesundheitsbezogenen Daten berechtigt ist.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte schildert den Bestellvorgang ergänzend so, dass der Käufer, nachdem er sich über … eingewählt habe, die Arzneimittel auswähle und dann zwischen den jeweiligen Anbietern auf den … auswähle. Die ausgewählte Apotheke erhalte dann von … die Daten des Käufers zur Abwicklung des Kaufvertrages und der Lieferung. Der Kunde habe durch seine Einrichtung eines Kontos bei … der Übermittlung und Verarbeitung der Daten an … zugestimmt.
Der Beklagte meint, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert bzw. zur Klage befugt. Als Mitbewerber könne er sich nicht auf die Bestimmung aus § 2 UKlaG berufen.
Die Bestimmungen des Datenschutzrechtes schützten jeweilige individuelle Rechtspositionen, sie seien keine marktregulierenden Vorschriften i.S.d. Wettbewerbsrechts.
Die Vorschriften des noch geltenden Datenschutzrechts dienten nur dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, schützten also das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, sowie den freien Datenverkehr in der EU. Ein gewisser marktverhaltensregelnder Charakter werde den Vorschriften zugesprochen, soweit es die Datenverarbeitung zu Werbezwecken betreffe. Darum aber gehe es vorliegend nicht, weil die Datenverarbeitung zu Zwecken der Erbringung der Services durch … gegenüber seinen Kunden erfolge. Das Datenschutzrecht schütze das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen als Indivualrechtsposition, nicht in der Rolle als Marktteilnehmer.
Bei den Informationen zum Kauf apothekenpflichtiger Medikamente handele es sich nicht um besondere personenbezogene Daten. Aus dem Umstand, dass die Produkte im Zusammenhang mit der Gesundheit stehen, ergebe sich das jedenfalls nicht. An die Apotheke würden nur die relevanten Bestelldaten übermittelt.
… handle nur als Intermediär, der den Vertragsabschluss zwischen Käufer und Verkauf vor auf dem … ermögliche. Das setze die Registrierung des Kunden bei … voraus, woraus sich das Nutzungsverhältnis zwischen dem Kunden und … begründe, zugleich bestehe ein Nutzungsverhältnis zwischen … und dem Verkäufer. Nach der Ziff. 12 der AGB bestehe mit dem Beklagten keine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung. Der Kunde entscheide sich, gegenüber … bestimmte personenbezogene Daten offenzulegen und ihm sei bewusst, dass der Intermediär nicht dem Berufsgeheimnis eines Apothekers unterliege, sondern nur allgemeinen Vertraulichkeitsverpflichtungen, so auch dem Datenschutzrecht. … übermittle an den vom Kunden ausgesuchten Verkäufer die zur Vertragsabwicklung erforderlichen Daten (Name, Anschrift, Angaben zum Produkt) die vom Kunden offengelegten Daten. Diese verarbeite … rechtmäßig.
Selbst wenn es sich um gesundheitsbezogene Daten handeln würde, sei die Datenverarbeitung durch § 28 Abs. 7 BDSG gedeckt. Die Erhebung der Daten durch … sei dem Kunden bewusst und der Kunde werde auf die Datenschutzbestimmungen von … gesondert hingewiesen. Der Beklagte erhebe die von … übermittelten Daten dann als verantwortliche Stelle und verarbeite und nutze sie. Auch darüber sei der Kunde über die Datenschutzerklärung von … informiert. Die Bestimmung des § 28 Abs. 7 i.V.m. § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG ermächtige den Beklagten zur Erhebung der Daten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Sie ist im Ergebnis begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung.
1.
Der Kläger ist zur Klage befugt, § 2 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Wer eine nach §§ 3, 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, § 8 Abs. 1 UWG. Diese Ansprüche stehen gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG jedem Mitbewerber (gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) zu.
Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. UWG. Wettbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nach fragen von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. An die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses sind keine hohen Anforderungen geknüpft. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist anzunehmen, wenn eine Wechselwirkung dahingehend besteht, dass der Vorteil des einen Unternehmers zugleich den Nachteil des anderen Unternehmers bedeutet. Dabei ist maßgeblich, ob sie in einem sachlich und zeitlich sowie räumlich gleichartigen Markt agieren und tätig sind.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger und der Beklagte verkaufen sachlich die gleichen Produkte, ein zeitlich gleichartiger Markt liegt ebenfalls vor. Es ist auch ein räumlich gleicher Markt anzunehmen. Trotz des unterschiedlichen Geschäftssitzes der Parteien liegt dennoch der gleiche räumliche Markt vor, denn das Angebot des Beklagten über die Plattform bei … ist auch für Verbraucher in … abrufbar. Dadurch kann zum Nachteil des Klägers dessen Markt beeinflusst werden, so dass von einem räumlich gleichen Markt auszugehen ist.
Damit liegt für den Kläger die Klagebefugnis vor.
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch setzt weiter voraus, dass der Beklagte unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts gem. §§ 3, 7 UWG gehandelt hat. § 3 Abs. 1 UWG bestimmt, dass unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig sind. Eine geschäftliche Handlung liegt beim Verkauf von Arzneimitteln durch Apotheker im Internet vor, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Unlauter und damit unzulässig ist eine geschäftliche Handlung dann, wenn der Unternehmer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die im Interesse der Marktteilnehmer dazu bestimmt ist, dass Marktverhalten zu regeln, § 3 a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG alte Fassung). Um als unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 a UWG qualifiziert zu werden, muss die vom Kläger behauptete Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften durch den Beklagten als eine solche marktregulierende Vorschrift eingeordnet werden.
Das ist nach Auffassung der Kammer der Fall. Das Gericht folgt der diesbezüglich in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung. Die innerstaatlichen datenschutzrechtlichen Regelungen dienen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen vor Zugriffen Dritter. Sie stellen aber nicht schon aus diesem Grund Marktverhaltensregelungen zum Schutz der Verbraucher dar. Das ist dann der Fall, wenn Daten zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Adresshandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11 UKlaG, so Köhler, UWG, 35. Auflage, § 3 a RdNr. 1.74). Ein ergänzender lauterkeitsrechtlicher Schutz wird grundsätzlich für zulässig gehalten (a.a.O.). Wenn Daten als wirtschaftliches Gut wie eine Ware gespeichert bzw. verwendet werden sollen, ist eine Marktrelevanz gegeben und eine Anwendung des Lauterkeitsrechts geboten. Dabei unterliegen Zuwiderhandlungen gegen §§ 4, 4a, 28 BDSG dem Lauterkeitsrecht, denn sie beziehen sich auf Handlungen von Unternehmern, betreffen personenbezogene Daten und verfolgen kommerzielle Zwecke (Köhler, a. a. O.). Die Vorschriften des BDSG sind anhand einer Einzelfallbetrachtung auf ihre Marktrelevanz hin zu untersuchen. Insbesondere in §§ 28 ff. BDSG finden sich Regelungen, in denen es um die geschäftsmäßige Datenverarbeitung geht. Damit ist eben jener Marktbezug vorhanden, der anhand der Verwendung der Daten wie Waren herausgearbeitet wurde (so auch Linsenbarth, Schiller, Datenschutzrecht und Lauterkeitsrecht – ergänzender Schutz bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht durch das UWG?, WRP 2013 Seite 576.).
So sieht es auch die Rechtsprechung. Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass es sich bei den Vorschriften der §§ 4, 4a, 28 Abs. 7 BDSG um Marktverhaltensregeln i. S. des § 3 a UWG handelt (LG Hamburg, Urteil vom 02.03.2017, 327 O 148/16, zit. nach juris). Denn diese Vorschriften sollen (ausweislich der Erwägungsgründe zur Datenschutzrichtlinie 95/46/EG) jedenfalls auch die wettbewerbliche Entfaltung der Mitbewerber schützen, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Die Vorschrift dient mithin auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber und ist damit eine Regelung im Sinne des § 3 a UWG, die dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln (LG Hamburg, a. a. O. Rn. 39).
Dem schließt sich die Kammer für den hier vorliegenden Sachverhalt an.
Gerade durch die Einschaltung der Plattform … für den Vertrieb der Arzneimittel des Beklagten werden die dabei erhobenen Daten als wirtschaftliches Gut wie eine Ware verwendet und gespeichert. In diesem Zusammenhang ist eine Marktrelevanz gegeben, denn die dabei erlangten Daten können für Werbezwecke oder andere kommerzielle Zwecke verwendet werden. Es liegt ein deutlichen Bezug zum Marktgeschehen vor. Es handelt sich um eine kommerzielle Datenverwendung. Im konkreten Fall reguliert die Datenverarbeitung ein Verhalten, welches den Markt erheblich beeinflussen kann, weil die mögliche Werbung ein wesentlicher Bestandteil des Wettbewerbs ist. Auch soweit durch das BDSG das individuelle Selbstbestimmungsrecht geschützt wird, handelt es sich um ein Rechtsgut, dass die Teilnahme am Markt berührt, weil Daten preisgegeben werden, die im Zusammenhang mit dem Abschluss bzw. der Durchführung von Verträgen und somit im Zusammenhang mit der Marktteilnahme stehen. Insoweit dienen die Daten einem kommerziellen Zweck und unterliegen der Marktregulierung.
Eine marktverhaltensregulierende Vorschrift liegt noch unter einem anderen Gesichtspunkt vor. Der Umgang mit persönlichen Daten der Kunden wird nicht nur durch die Bestimmungen des BDSG geregelt, sondern folgt für den Beklagten auch aus den Bestimmungen und Regelungen des Apothekengesetzes bzw. der Apothekenbetriebsordnung. Die Regelungen des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung betreffen den Betrieb einer Apotheke. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Marktzutrittsregelung, sondern zugleich um eine Marktverhaltensregelung, so dass § 3 a UWG unmittelbar Anwendung findet (Köhler, a. a. O. § 3 a Rn. 1.135 ff). Im Interesse der Verbraucher soll dabei insbesondere sichergestellt werden, dass Arzneimittel nur von fachkundigen und zuverlässigen Personen abgegeben werden. Bei Vorschriften, die den Verkauf in Apotheken und die pharmazeutische Beratung betreffen, ist anerkannt, dass es sich um marktregulierende Vorschriften handelt. Insoweit obliegen dem Beklagten nach den Regelungen der Apothekenbetriebsordnung besondere Verpflichtungen, die u. a. dazu dienen, z. B. die Vertraulichkeit eines Gesprächs zwischen Apotheker und Kunde zu gewährleisten. Daneben enthalten sie Bestimmungen, die den Versandhandel nur unter besonderen Voraussetzungen überhaupt erlauben. Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften berührt diese berufsrechtlichen Verpflichtungen des Beklagten. Das Verhalten ist unter diesem Gesichtspunkt einer marktregulierende Vorschrift zuzuordnen.
Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte durch den Beklagten über die Internethandelsplattform … verletzt datenschutzrechtliche Vorschriften des BDSG und damit zugleich berufsrechtliche Vorschriften.
Der Kunde gibt bei einer Bestellung von apothekenpflichtigen Medikamenten über die Internetplattform … personenbezogene Daten an.
Gemäß § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse. Gemäß § 3 Abs. 9 BDSG sind besondere Arten personenbezogener Daten (sog. sensitive Daten) Angaben, u. a. über die Gesundheit. Als besondere Arten personenbezogener Daten über die Gesundheit werden Angaben über einzelne Krankheiten, Abläufe und Inhalte der medizinischen Behandlung und eingenommene Medikamente erfasst. Direkte oder aber auch indirekte Angaben zu diesen Kategorien genügen. Alle Angaben, die direkt oder indirekt Informationen zu den in § 3 Abs. 9 BDSG angesprochenen Datenkategorien vermitteln gehören zu den sensitiven Daten. Auf die Korrektheit der Schlüsse, die sie nahelegen, kommt es nicht an (Simitis, BDSG, 8. Auflage, § 3 Rn. 263 m. w. N.).
Nach Ansicht der Kammer handelt es sich daher bei den für eine Bestellung von Medikamenten möglichen und typischen Hinweisen auf eventuell dahinterstehende Krankheiten oder gesundheitliche Situationen der betroffenen Kunden um eine besondere Art personenbezogener Daten.
Die für den Umgang mit solchen sensitiven Daten bestehenden Vorschriften werden durch den vom Beklagten betriebenen Handel über die Plattform … verletzt.
Denn wenn es sich um besondere Arten personenbezogener Daten handelt, bedarf es zur Verarbeitung und Erhebung gemäß § 4 Abs. 1 BDSG der vorherigen Einwilligung durch den Betroffenen.
Eine solche Einwilligung muss sich gemäß § 4 a Abs. b 3 BDSG neben der allgemeinen Einwilligung zur Datenverarbeitung ausdrücklich auf diese Daten beziehen. D. h. der Einwilligung muss zu entnehmen sein, um welche der in § 3 Abs. 9 BDSG aufgezählten Kategorien es sich im Einzelnen handelt und in welchem Kontext sie unter welchen Bedingungen für welche Zwecke verwendet werden sollen.
Daran fehlt es hier. Der Beklagte selbst verlangt eine solche konkrete Einwilligung von den Kunden nicht. Er trägt auch nicht vor, dass er sie über die Handelsplattform (…) bekommt. Die Einwilligung der Kunden in die Datenverarbeitung über die AGB von … sieht eine solche, auf besondere Arten personenbezogener Daten konkretisierte Einwilligung über die Datenverarbeitung ebenfalls nicht vor.
Damit liegt ein Verstoß gegen die Bestimmungen des §§ 4, 4a BDSG vor.
Eine Ausnahme gemäß § 28 Abs. 6 bzw. § 28 Abs. 7 BDSG ist nicht eröffnet.
Die Verarbeitung der besonderen Art personenbezogener Daten gem. § 3 Abs. 9 BDSG ist ohne eine solche Einwilligung zulässig, wenn die in diesen Vorschriften geregelten Ausnahmetatbestände vorliegen.
Dabei zählt § 28 Abs. 6 BDSG die Ausnahmefälle ausdrücklich auf. Es sind besondere Situationen, die es wegen ihrer Besonderheit rechtfertigen, die Bedenken wegen der Verwendung sensitiver Daten zurückzustellen. Dabei werden u. a. angeführt, lebenswichtige Situationen oder wenn Daten offenkundig öffentlich gemacht werden, wobei eine reine Publizierung nicht reicht. D. h., die Veröffentlichung muss vom Betroffenen akzeptiert sein, sie muss sich voll und ganz mit den Intensionen decken, das betrifft z. B. öffentliche Register. Ein solcher Ausnahmefall liegt bei der Bestellung von Medikamenten über die Plattform … nicht vor. Dabei handelt es sich nicht um lebenswichtige Situationen und auch nicht um einen Fall der offenkundigen Öffentlichmachung der Daten.
Dem Argument des Beklagten, dass über die Einwilligung des Kunden in die Datenverarbeitung bereits bei Einrichtung des Kundenkontos und beim Login bei … und die damit verbundene Publizierung der Daten eine offenkundige Öffentlichmachung erfolgt, vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Denn der Kunde mag sich zwar der Öffentlichmachung dieser Daten nach Kenntnisnahme der …-AGB bewusst sein und auch mit einer gewissen Publizierung dieser Daten einverstanden sein. Da aber die …-AGB auf die besonderen personenbezogenen Arten nicht gesondert hinweisen oder eingehen, ist der Schluss darauf, dass dem Kunden die Erhebung und Verarbeitung der besonderen Art personenbezogener Daten dadurch ebenfalls bewusst ist, nach Ansicht der Kammer nicht gerechtfertigt.
Der weitere Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 7 BDSG bedeutet, dass ohne ausdrückliche Einwilligung sensitive Daten u. a. zum Zweck der Gesundheitsvorsorge, der medizinischen Diagnostik und der Gesundheitsvorsorge erhoben werden dürfen. Sie können sowohl für die Behandlung als auch für die Abrechnung erhoben, verarbeitet und genutzt werden. Apotheken sind als Teil der medizinischen Versorgung anzusehen sind und deshalb in dem für ihre Aufgaben erforderlichen Umfang legitimiert, sensitive Daten zu verwenden.
28 Abs. 7 BDSG macht aber den Zugang zu den Daten noch von einer zweiten Bedingung abhängig. Sie müssen durch Personen verarbeitet werden, die der ärztlichen oder einen entsprechenden Geheimhaltung unterliegen. § 28 Abs. 7 BDSG sieht in der Geheimhaltungspflicht den Maßstab, der an jede Verwendungsabsicht anzulegen ist, sie bestimmt und begrenzt den Verarbeitungs- und Übermittlungsspielraum. Sie legt damit zugleich den potenziellen Empfänger fest (Simitis, § 28 Rn. 315 ff.).
Daraus aber ergibt sich auch, dass der beanstandete Vertriebsweg diesem Erfordernis nicht gerecht wird. Der Beklagte persönlich gehört zu dem der Geheimhaltungspflicht unterliegenden Personenkreis. Er ist berechtigt, bei einer fehlenden Einwilligung des Kunden die sensitiven Daten zu erheben und zu verarbeiten, denn für ihn als Apotheker und damit der Geheimhaltung unterliegenden Person greift der Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 7 BDSG ein.
Das gilt aber nicht, soweit der Kunde – wie auch vom Beklagten beschrieben – seine Daten, auch die sensitiven Daten beim Bestell- und Auswahlvorgang bei … angeben muss. Der Kunde gibt seine Daten zunächst an …. Von dort werden sie – so trägt es der Beklagte vor – dann an den ausgewählten Verkäufer, wie z. B. den Beklagten, weitergeleitet. … aber unterliegt nicht den Geheimhaltungsregelungen, die den Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 7 BDSG eröffnen und ist auf dieser Grundlage nicht berechtigt, die Daten zu erheben. Dort ist der Ausnahmetatbestand für die Erhebung der Daten nicht eröffnet.
Durch diesen Vertriebsweg, über den der Beklagte unter Einschaltung der Handelsplattform … seine apothekenpflichtigen Medikamente vertreibt, kommen Personen mit gesundheitsbezogenen Daten in Kontakt, die nicht der besonderen Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflicht eines Apothekers unterliegen und die in den Organisationsablauf seiner Apotheke nicht eingebunden sind. Dadurch werden sowohl die datenschutzrechtlichen Vorschriften aber auch die Vorschriften des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung verletzt.
Ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand zur Erhebung und Verarbeitung der Gesundheitsdaten von Kunden liegt nicht vor. Der Beklagte handelt auf diesem Weg mit apothekenpflichtigen Medikamenten, ohne dabei die datenschutzrechtlichen und/oder berufsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten.
Die Verletzung dieser Bestimmungen ist unlauter und damit rechtswidrig i. S. von § 3 a UWG.
Der Beklagte ist zur Unterlassung zu verurteilen.
Der Beklagte war zur Zeit der Klageerhebung mit seinem Profil nicht mehr auf der Handelsplattform aktiv. Dadurch ist die Wiederholungsgefahr aber nicht ausgeräumt. Denn nur die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kann die Wiederholungsgefahr wirksam beseitigen.
Eine solche Erklärung hat der Beklagte nicht abgegeben.
Die Kritik des Beklagten an der Formulierung der Unterlassungsverpflichtung greift nicht durch. Denn der Antrag beinhaltet die konkrete Verletzungsform und ist auf die Einhaltung der Anforderungen des BDSG gerichtet. Denn der Vertrieb über die Handelsplattform … soll unterlassen werden, wenn nicht sichergestellt ist, dass der Kunde vorab seine Einwilligung zur Erhebung der Gesundheitsdaten gem. § 3 Abs. 9 BDSG gegenüber einer berechtigten Person erteilt. Damit wird das Kerngeschehen beschrieben, der Antrag ist in dieser Weise zulässig.
Die angekündigten Anträge auf Auskunft und Schadensersatz hat der Kläger nicht mehr gestellt, Erörterungen hierzu sind entbehrlich.
Der Beklagte ist antragsgemäß zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO, wobei der Betrag der Sicherheitsleistung aus der Höhe der möglichen zu vollstreckenden Kosten des Verfahrens folgt.