BGH: Frachtführer darf anderem Frachtführer vor dessen Ablieferung der Ware an den Empfänger nicht in den Frachtablauf eingreifen / Art. 13 CMR

veröffentlicht am 8. Januar 2016

BGH, Urteil vom 15.01.1987, Az. I ZR 215/84
§ 1 UWG a.F., Art. 13 Abs. 1 Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR)

Diese ältere Entscheidung des BGH haben wir hier kurz besprochen. Den Volltext finden Sie im Folgenden:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15.01.1987 durch … für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25.10.1984 aufgehoben.

2.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien sind Speditionsunternehmen. Sie befassen sich als die beiden einzigen Wettbewerber mit der Zollabfertigung von Frucht- und Gemüsetransporten, die per LKW bei der städtischen Großmarkthalle in M. ankommen. Beide Parteien unterhalten auf den umzäunten Parkplatz der Großmarkthalle, auf dem sich auch das Zollamt befindet, Abfertigungsbüros. Anders als die Klägerin wird die Beklagte aufgrund einer Vereinbarung mit der Stadt M. bereits an der Torkontrolle durch ihre Angestellten tätig. Ankommende LKW-Fahrer melden sich bei der mit einem Bediensteten der Großmarkthalle besetzten Torkontrolle. Dort wird anhand der Frachtpapiere überprüft, ob die Sendung für den Großmarkt bestimmt ist. Ist dies der Fall, werden dem Fahrer die Frachtpapiere in aller Regel wieder ausgehändigt. Der Fahrer hat nunmehr Gelegenheit, sich an die Partei zu wenden, die die Einfuhrabfertigung durchführen soll. In vielen Fällen haben die Fahrer eine bestimmte Weisung, an welche der Parteien sie sich als Abfertigungsspedition wenden sollen. Es kann auch sein, daß eine der Parteien im Frachtbrief als Empfänger benannt ist. Durch eine mittels Stempel auf die Frachtbriefe aufgedruckte Erklärung wird auch immer wieder die Klägerin als Abfertigungsspediteurin benannt. Die Parteien pflegen die von ihnen abzufertigenden Sendungen unverzüglich nach der Meldung des Fahrers den Empfängern zu avisieren und zu verzollen. Die mit der Einfuhrverzollung verbundenen Kosten werden mit den Empfängern abgerechnet. Nach der am M. Großmarkt seit Jahrzehnten bestehenden Praxis sind sie aber bei Kommissionsware vom ausländischen Lieferanten zu tragen.

Die Parteien werfen sich gegenseitig sittenwidriges Abfangen von Kunden bzw. Verleiten zum Vertragsbruch vor und haben Klage und Hilfswiderklage auf Unterlassung und Schadensersatz erhoben; die Hilfswiderklage ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Die Klägerin leitet ihre Berechtigung zur Zollabfertigung vor allem von den ausländischen Exporteuren, den Absondern, her. Die Beklagte beruft sich darauf, von den deutschen Importeuren, den Endempfängern, mit der Zollabfertigung beauftragt worden zu sein.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte habe in zahlreichen Fällen die Frachtpapiere von Sendungen, die aufgrund eines mündlich erteilten Auftrags von ihr – der Klägerin – zu verzollen und abzufertigen waren, an sich gebracht, die Sendungen den Empfängern avisiert und selbst abgefertigt. Sie hat eine Anzahl konkreter Fälle angeführt, darunter insbesondere zwei Fälle aus dem Jahre 1982, in denen es um Traubentransporte aus Griechenland ging. Die Klägerin hat behauptet, in beiden Fällen von dem jeweiligen griechischen Absender mündlich mit der Abfertigung und Verzollung beauftragt worden zu sein; auch die Frachtbriefe hätten sie als Abfertigungsspediteurin ausgewiesen.

Im ersten Fall, in dem das Frachtgut unstreitig bereits an der Grenze verzollt worden war, sei sie selbst frachtbriefmäßige Empfängerin gewesen. Nach Ankunft an der Großmarkthalle habe der LKW-Fahrer ihr Büro aufgesucht und erklärt, die Frachtpapiere seien ihm an der Torkontrolle abgenommen und nicht wieder ausgehändigt worden. Ihr Mitarbeiter habe daraufhin festgestellt, daß der an der Torkontrolle anwesende Angestellte der Beklagten im Besitz der Papiere gewesen sei. Dieser habe die Herausgabe der Papiere verweigert und sie stattdessen in das Büro der Beklagten geschickt. Erst später seien ihr die Frachtpapiere herausgegeben worden.

Im Fall 2 sei frachtbriefmäßiger Empfänger die Firma Ps. und nicht die Firma Ku. gewesen, auf deren

Auftrag sich die Beklagte berufe. In diesem Falle habe der LKW-Fahrer der Klägerin nach seinem Eintreffen erklärt, die Papiere lägen am Tor. An der Torkontrolle habe ein Mitarbeiter der Klägerin von einem Angestellten der Beklagten erfahren, daß die Frachtpapiere bereits in das Büro der Beklagten gebracht worden seien. Von dort habe sie sie erst nach wiederholter Aufforderung herauserlangt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat bestritten, daß die Klägerin in den beiden angeführten Fällen vom Absender mit der Abfertigung und Verzollung beauftragt gewesen sei. Sowohl nach dem Handelsvertrag zwischen dem Absender und dem Empfänger als auch nach dem Frachtvertrag sei das Frachtgut dem Empfänger unverzollt zu übergeben gewesen. Die Beklagte hat sich im Übrigen darauf berufen, selbst entsprechende Abfertigungsaufträge vom inländischen Empfänger erhalten zu haben, die sie habe ausführen müssen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Anträge teilweise neu gefaßt und zuletzt beantragt,

I. 1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, bei an dem städtischen LKW-Parkplatz der Großmarkthalle M. eintreffenden LKWs mit Frucht- und Gemüseladungen,

a) nach deren Frachtbriefen die Klägerin als Empfängerin benannt ist oder

b) nach deren Frachtbriefen oder sonstigen die Ladung begleitenden Urkunden die Klägerin aufgrund eines zwischen ihr und dem Absender bestehenden Vertrages als Abfertigungs- und/oder Verzollungsspedition benannt ist oder

c) deren Fahrer Weisung haben, ihre Sendungen von der Klägerin abfertigen zu lassen und dies für die Beklagte erkennbar erklären, die Frachtbriefe und/oder sonstige die Ladungen begleitenden Urkunden von den Fahrern herauszuverlangen oder sonst an sich zu bringen oder die Sendungen den Empfängern zu avisieren, oder die Sendungen abzufertigen oder zu verzollen, es sei denn, daß die Beklagte vom Absender Weisung hat, die Sendung abzufertigen oder zu verzollen oder die Sendung im Namen und auf Grund vorher erteilter Vollmacht des Empfängers herausverlangt;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchen Fällen seit dem 12. November 1979 die Beklagte in der Großmarkthalle M. Zollabfertigungen für LKW-Transporte vorgenommen hat, die nach den in der unter Punkt I. 1. a) und b) genannten Weise für die Klägerin bestimmt waren;

II. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend unter I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Berufung führte zur Klagabweisung.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag weiter.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat in der Neufassung der Klaganträge eine zulässige Klagänderung gesehen, die Anträge jedoch für unbegründet gehalten. Dazu hat es ausgeführt: Bezüglich der Anträge zu I. 1. a) und b) könne offenbleiben, ob sich die jeweils behauptete Verletzungshandlung und damit Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr feststellen lasse. Die Anträge gingen über die konkret geltend gemachten

Verletzungshandlungen hinaus und seien in ihrer weiten Fassung unbegründet. Im Fall 1, der den Antrag zu I. 1. a) zugrundeliege, könnten die im Antrag genannten Handlungen zur Abfertigung der Sendung allein aufgrund der Eintragung der Klägerin als frachtbriefmäßige Empfängerin ohne hinzutretende Umstände noch nicht als wettbewerbswidrig beurteilt werden. Der Umstand, daß die Klägerin in einem Frachtbrief als Empfängerin benannt sei, bedeute nicht notwendig, daß sie auch noch bei Eintreffen des Frachtguts als Empfängerin bestimmt sei; zu diesem Zeitpunkt könne die Empfängerangabe im Frachtbrief längst durch eine neue Verfügung des Absenders überholt sein. Könne die Beklagte aufgrund eines ihr erteilten Auftrags davon ausgehen, daß sie bei ihrem Handeln im Namen und in Vollmacht ihres Auftraggebers dessen berechtigte Interessen als Empfänger wahrnehme, so handele sie auch dann nicht wettbewerbswidrig, wenn der Klägerin dadurch die Durchführung eines ihr vom Absender erteilten Auftrages unmöglich gemacht werde. Hätten beide Parteien Abfertigungsaufträge erhalten, so hänge die Durchführung auch nicht vom raschen Zugriff einer der Parteien ab; vielmehr habe der Frachtführer darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Übergabe des Frachtbriefs und die Ablieferung des Gutes an den Empfänger vorlägen.

Auch im Fall 2, der dem Klageantrag zu I. 1. b) zugrundeliege, müsse es der Beklagten möglich sein, die im Antrag genannten Handlungen im Namen und in Vollmacht des Empfängers vorzunehmen, und zwar selbst dann, wenn der Absender die Klägerin als Abfertigungs- und/oder Verzollungsspedition bestimmt habe. Eine entsprechende Eintragung im Frachtbrief würde gegenüber Dritten, die – wie die Beklagte – am Frachtvertrag in keiner Weise beteiligt seien, keine Wirkung entfalten. Es wäre im übrigen auch nicht sittenwidrig, wenn die Beklagte aus einem ihr bekannten Vertragsbruch des Frachtführers Nutzen ziehen würde, solange sie nicht – was der Antrag zu I. 1. b) aber nicht voraussetze – auf den Vertragsbruch hingewirkt habe.

Der Antrag zu I. 1. c) sei deshalb unbegründet, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, daß die Beklagte eine der mit dem Antrag angegriffenen Handlungen begangen habe.

II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1.
Der Unterlassungsantrag zu I. 1. a) beruht auf dem als Fall 1 geschilderten Vorgang. Das Berufungsgericht hat insoweit offengelassen, ob die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Verletzungshandlungen begangen hat. Es hat die Auffassung vertreten, der Antrag gehe erheblich über die behauptete Verletzungsform hinaus. Die angegriffenen Handlungen seien in der weiten Fassung des Antrags nicht wettbewerbswidrig; das Gericht sei nicht befugt, den Antrag von Amts wegen auf ein zulässiges Maß zu beschränken.

Mit dieser Beurteilung wird das Berufungsgericht weder dem Klagevorbringen noch der Antragsfassung hinreichend gerecht.

a)
Für die Prüfung in der Revisionsinstanz ist, da das Berufungsgericht insoweit keine Feststellungen getroffen hat, zu unterstellen, daß die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Handlungen begangen hat. Es ist deshalb davon auszugehen, daß ein Angestellter der Beklagten den Frachtbrief, in dem die Klägerin entsprechend einem mündlich erteilten Abfertigungsauftrag als Empfängerin bezeichnet ist, aufgrund der Zugriffsmöglichkeit bei der Torkontrolle an sich gebracht hat. Dieses Verhalten wird aber vom Antrag zu I. 1. a) in der ersten Alternative des Nachsatzes („die Frachtbriefe und/oder sonstige die Ladungen begleitenden Urkunden von den Fahrern herauszuverlangen oder sonst an sich zu bringen“) erfaßt. Aber auch die beiden weiteren Alternativen des Antrages („die Sendungen den Empfängern zu avisieren“ und „die Sendungen abzufertigen oder zu verzollen“) liegen noch im Rahmen der behaupteten Verletzungshandlung. Wenn es auch in Fall 1 – nach dem Vorbringen der Klägerin aufgrund ihrer nachhaltigen Intervention – nicht dazu gekommen ist, daß die Beklagte die Sendung dem Empfänger avisiert und sie abgefertigt hat, so stellte dieses Verhalten doch bereits als Vorbereitungshandlung ein hinreichendes Anzeichen für eine drohende Erstbegehungsgefahr dar.

Es ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich, inwieweit der Antrag über die von der Klägerin behauptete konkrete Verletzungshandlung hinausgeht. Das Berufungsgericht legt dies auch nicht näher dar, sondern verweist lediglich auf die eingehende Erörterung in der mündlichen Verhandlung.

b)
Das hier zu unterstellende Verhalten der Beklagter stellt sich unter des Gesichtspunkt des Abfangens von Kunden bzw. des Verleitens zum Vertragsbruch als wettbewerbswidrig dar, je nachdem, ob die Beklagte sich den Frachtbrief von der Kontrollperson der städtischen Markthalle aushändigen läßt oder vom Fahrer selbst herausverlangt. Unter Verleiten ist nicht nur die erfolgreiche Anstiftung im strafrechtlichen Sinn zu verstehen, sondern darüber hinaus jedes bewußte Hinwirken darauf, daß der andere einen Vertragsbruch begeht, mag auch der Widerstand, den er dabei findet, noch so gering sein (vgl. BGH, Urt. v. 20.05.1960 – I ZR 93/59, GRUR 1960, 558, 559 f. – Eintritt in Kundenbestellung; BGH, Urt. v. 28.03.1969 – I ZR 33/67, GRUR 1969, 474 – Bierbezug). Mach dem Vorbringen der Klägerin hatte der Fahrer die Absicht, den Frachtbrief der Klägerin als der frachtbriefmäßigen Empfängerin zum Zwecke der Abfertigung der Sendung auszuhändigen; daran ist er – wie hier weiter zu unterstellen ist – durch den Zugriff der Beklagten gehindert worden. Ein solcher Einbruch in die Vertragsbeziehungen zwischen Absender, Frachtführer und frachtbriefmäßigem Empfänger muß als unlauter beurteilt werden. Die Unlauterkeit ist dabei in dem Abfangen der Papiere aufgrund der nur der Beklagten zustehenden ersten Zugriffsmöglichkeit an der Torkontrolle zu sehen.

Nach dem zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin ist auch davon auszugehen, daß die Beklagte die genannten Umstände kannte. Denn die Klägerin war für die Beklagte erkennbar im Frachtbrief als Empfängerin eingetragen. Die Erwägung des Berufungsgerichts, die Empfängerangabe im Frachtbrief besage nichts, weil sie längst durch andere Weisungen überholt sein könnte, trägt nicht. Der Antrag zu I. 1. a) bezieht sich ersichtlich auf die Fälle, in denen der Frachtführer keine andere Anweisung erhalten hat und in denen die Empfängerangabe im Frachtbrief für ihn maßgebend ist. Dabei kann offenbleiben, ob – wie die Revision meint – die Erteilung einer neuen Weisung gemäß Art. 12 Abs. 5 lit. a CMR zwingend im Frachtbrief eingetragen sein muß. Die Beklagte durfte sich unter den gegebenen Umständen nicht über die Eintragung im Frachtbrief hinwegsetzen, jedenfalls solange sie keine gesicherten Anhaltspunkte für die Erteilung einer neuen Weisung des Absenders hatte. Denn es genügt, daß der Verletzer mit dem Vorliegen wettbewerbswidriger Umstände rechnet oder sich bewußt deren Kenntnis verschließt (vgl. BGH, Urt. v. 27.01.1959 – I ZR 185/55, GRUR 1960, 200, 201 – Abitz II; BGH, Urt. v. 23.05.1975 – I ZR 39/74, GRUR 1975, 555, 557 – Speiseeis). Vorliegend spricht im übrigen gegen die Erteilung einer neuen Weisung, daß der Fahrer nach dem Vorbringen der Klägerin den Frachtbrief der Klägerin aushändigen wollte und mithin davon ausging, daß die Eintragung im Frachtbrief maßgebend ist.

Die Klägerin hat überdies durch die in der Berufungsinstanz eingeschränkte Fassung ihres Unterlassungsantrags dem Umstand Rechnung getragen, daß die Beklagte in bestimmten Fällen auf die eigene Auftragserteilung vertrauen darf, und zwar dann, wenn sie vom Absender Weisung hat, die Sendung abzuliefern oder zu verzollen oder die Sendung im Namen und aufgrund vorher erteilter Vollmacht des Empfängers herausverlangt.

Zu Unrecht führt das Berufungsgericht auch an, daß in den Fällen, in denen beide Parteien Abfertigungsaufträge erhalten haben, gleichwohl keine Gefahr bestehe, daß die Möglichkeit des ersten Zugriffs darüber entscheide, welche der Parteien den Auftrag durchführen könne. Denn der Frachtführer, vertreten durch den Fahrer, entscheide selbst darüber, ob er die Beklagte als Bevollmächtigte des Empfängers anerkennen und zur Abfertigung in die Lage versetzen wolle. Davon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. In den Fällen, die durch die Klage erfaßt werden sollen, will der Fahrer nach dem zu unterstellenden Klagevorbringen die Sendung durch die Klägerin abfertigen lassen (was allerdings im Antrag nur mittelbar zum Ausdruck kommt), ihm werden aber die Frachtpapiere am Torwärterhaus zur Kontrolle abgenommen bzw. von der Beklagten herausverlangt und dann von ihr eigenmächtig zurückbehalten. Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens kann von einer eigenen Entscheidung in Fällen der vorliegenden Art, in denen neben dem städtischen Bediensteten auch ein Angestellter der Beklagten bei der Einlaßkontrolle zugegen ist, der die Papiere einbehält, keine Rede sein.

Läßt sich nach alledem die Wettbewerbswidrigkeit auf der Grundlage des Klagevorbringens nicht verneinen, so bedarf es nunmehr tatrichterlicher Feststellungen zu den behaupteten Verletzungshandlungen und damit zur Frage der Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr.

2.
Auch die Klagabweisung mit dem Antrag zu I. 1. b) durch das Berufungsgericht hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Antrag beruht auf dem als Fall 2 geschilderten Vorgang. Das Berufungsgericht hat hier ebenfalls offen gelassen, ob die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Verletzungshandlungen begangen hat, und die Ansicht vertreten, auch dieser Antrag gehe erheblich über die behauptete Verletzungsform hinaus und die angegriffenen Handlungen seien in der weiten Fassung des Antrags nicht wettbewerbswidrig. Mit dieser Antragsauslegung wird das Berufungsgericht dem Klagevorbringen und der Antragsfassung nicht gerecht. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen unter II. 1. verwiesen werden.

Auch im Fall 2 ist für die Prüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellen, daß die Beklagte die von der Klägerin behaupteten Handlungen begangen hat. Es ist deshalb davon auszugehen, daß ein Angestellter der Beklagten den Frachtbrief, in dem die Klägerin entsprechend einem mündlich erteilten Auftrag als Abfertigungsspediteurin bestimmt ist, aufgrund der Zugriffsmöglichkeit an der Torkontrolle an sich gebracht hat. Die Angabe im Frachtbrief ist vom Frachtführer, vertreten durch seinen Fahrer, als maßgebend angesehen worden.

Auch dieses Verhalten muß entsprechend den vorstehenden Ausführungen als wettbewerbswidrig beurteilt werden. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht gemeint, es sei jedenfalls unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte einen Auftrag des Empfängers zum Vorgehen nach Art. 13 Abs. 1 CMR erfülle, selbst wenn die Voraussetzungen für ein Vorgehen des Empfängers nach Art. 13 Abs. 1 CMR noch nicht vorlägen, und auch wenn dies bedeute, daß ein etwaiger Vertrag der Klägerin mit dem Absender über die Abfertigung und Verzollung nicht mehr durchgeführt werden könne. Im konkreten Fall konnte sich die Beklagte schon deshalb nicht auf Art. 13 Abs. 1 CMR berufen, weil frachtbriefmäßiger Empfänger die Firma Ps. und nicht die Firma Ku. war, von der die Beklagte den Auftrag erhalten haben will.

Unabhängig davon kann sich die Beklagte grundsätzlich aber auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 CMR auf einen von den Absenderweisungen abweichenden Auftrag berufen. Die Zollbehandlung ist in den von dem Antrag erfaßten Fällen Sache des Frachtführers. Dies zeigt auch die Regelung des Art. 6 Abs. 1 lit. j CMR, wonach der Frachtbrief Weisungen des Absenders an den Frachtführer zur Zollbehandlung enthalten muß (vgl. auch zur entsprechenden Rechtslage nach der KVO Willenberg, KVO, 3. Aufl. 1980, § 12 Rdn. 26); um solche Weisungen geht es beim Unterlassungsantrag zu I. 1. b). Die CMR regelt die Frage, ob auch der Empfänger die Verzollung betreiben kann, nicht ausdrücklich; anders die KVO, in deren § 12 Abs. 7 es heißt, am Bestimmungsort könne der Empfänger die Zollbehandlung betreiben, wenn die auf der Sendung ruhenden Frachtbeträge und sonstigen Kosten bezahlt seien und der Absender im Frachtbrief nichts anderes bestimmt habe. Für die CMR gilt, daß der Empfänger erst nach der Ankunft des Gutes an dem für die Ablieferung vorgesehenen Ort berechtigt ist, vom Frachtführer zu verlangen, daß ihm der Frachtbrief übergeben und das Gut abgeliefert wird (Art. 13 Abs. 1 CMR). Auf diese Fälle erstreckt sich aber der Unterlassungsantrag zu I. 1. nicht; die Klägerin hat ausdrücklich betont, daß die Beklagte nach dem Antrag immer dann zur Unterlassung verpflichtet sein soll, wenn das Frachtgut nicht tatsächlich an  dem für die Ablieferung vorgesehenen Ort angekommen ist und die Beklagte nicht im Namen und in Vollmacht des wirklichen Empfängers tätig wird (BU 18, vgl. auch BU 22).

3.
Schließlich hält auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Unterlassungsantrag zu I. 1. c) abgewiesen hat, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die erforderliche Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr verneint, weil die Klägerin insoweit keine konkrete Verletzungshandlung dargelegt habe. Die Revision weist demgegenüber zu Recht darauf hin, daß aufgrund des dem Klageantrag zu I. 1. a) zugrundeliegenden Verhaltens auch eine Verletzungshandlung der mit dem Antrag zu I. 1. c) angegriffenen Art zu befürchten ist.

III.
Das Berufungsurteil kann nach alledem insgesamt keinen Bestand haben; der Sachverhalt bedarf weiterer tatrichterlicher Aufklärung. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.