VG Lüneburg: Zur irreführenden Etikettierung von Lebensmitteln

veröffentlicht am 3. Mai 2016

VG Lüneburg, Urteil vom 28.01.2016, Az. 6 A 30/15
§ 39 Abs. 2 LFGB; § 28 VwVfG

Das Urteil des VG Lüneburg finden Sie unten im Volltext. Eine Zusammenfassung haben wir hier für Sie (VG Lüneburg – Etikettierung Gemüsesaft).


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Verwaltungsgericht Lüneburg

Tatbestand

Die Klägerin ist Herstellerin von Naturkostsäften und Erfrischungsgetränken. Sie wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, mit welcher dieser ihr aufgegeben hat, auf dem Etikett des von ihr hergestellten Möhrensaftes den Salzgehalt anzugeben und die Angabe „RDA“ durch „NRV“ zu ersetzen.

Am 6. November 2014 entnahm der Beklagte aus dem Lager der Klägerin drei Flaschen des von der ihr hergestellten Produktes „Möhrensaft aus feldfrischen Möhren“ als Proben, die vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) untersucht wurden. Das Etikett wies folgende Angaben auf:

„Nährwerte pro 100 ml:

Brennwert 159 kJ/38 kcal

Fett 0,1 g

davon gesättigte Fettsäuren 0,0 g

Kohlenhydrate 8,8 g

davon Zucker 8,8 g

Eiweiß 1,0 g

Salz 0,0 g

Vitamin A (aus Provitamin A) 1100 µg (137 % RDA)

Die obige Nährwertanalyse unterliegt natürlichen Schwankungen. RDA = empfohlener Tagesbedarf.“

Mit Bericht vom 16. Dezember 2014 teilte das LAVES dem Beklagten mit, nach der durchgeführten chemischen Analyse betrage der Natriumgehalt der Probe 35,7 mg pro 100 ml, dies entspreche umgerechnet einem Salzgehalt von 89,9 mg pro 100 ml. Der „Leitfaden der Europäischen Kommission für zuständige Behörden zur Kontrolle der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften (Dezember 2012)“ empfehle in Abschnitt 6, Salz bei einem Gehalt zwischen 1 g und 0,0125 g pro 100 ml auf 0,01 g genau anzugeben. Daher sei die Angabe „0,09 g“ für den ermittelten Salzgehalt erforderlich. Die Angabe des Salzgehaltes mit „0,0 g“ werde als unzutreffend und dadurch als zur Irreführung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFBG) geeignet beurteilt. Hinsichtlich der Angaben zu Vitamin A werde darauf hingewiesen, dass nun gemäß den Regelungen der VO (EU) 1169/2011 (LMIV) der Begriff Nährstoffbezugswert „nutrient reference value – NRV“ in der Nährstoffkennzeichnung zu verwenden sei.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2015 gab der Beklagte der Klägerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, (1.) den im Produkt enthaltenen Gehalt an Salz auf dem Etikett anzugeben, (2.) die Angabe „RDA“ auf dem Etikett durch die Angabe des Nährstoffbezugswertes „NRV“ zu ersetzen und diese Abkürzung „NRV“ auf dem Etikett zu erläutern sowie (3.) alle noch vorhandenen Etiketten zu sperren und zu entsorgen und das neue Etikett seinem Fachdienst vorzulegen. Zudem setzte der Beklagte (4.) Kosten in Höhe von 104,00 EUR fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass aufgrund der Angabe eines Salzgehaltes von 0,0 g pro 100 ml von einer Verbrauchertäuschung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB auszugehen ist. Die Nährwertkennzeichnung zu Vitamin A entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben, es sei der Begriff „Nährstoffbezugswert, nutrience reference value – NRV“ in der Nährwertkennzeichnung zu verwenden und zu erläutern. Da Lebensmittel nur mit einer vollständigen und richtigen Kennzeichnung auf den Markt gebracht werden dürften, seien alle noch vorliegenden Etiketten zu entsorgen.

Hiergegen hat die Klägerin am 3. Februar 2015 Klage erhoben. Sie macht geltend, die LMIV sei für das schon vor dem 13. Dezember 2014 hergestellte Produkt nicht anwendbar und eine Nährwertdeklaration werde aufgrund der verlängerten Übergangsfrist nach Art. 54 Abs. 1 Satz 2 LMIV erst am 13. Dezember 2016 verpflichtendes Kennzeichnungselement nach Art. 9 Abs. 1 LMIV. Zudem betrage der Salzgehalt des Produktes tatsächlich 0,0 g pro 100 ml. Eine Hochrechnung des Salzgehaltes aus dem Natriumgehalt, wie vom LAVES vorgenommen, sei fehlerhaft. Ausweislich des Prüfberichts vom 10. Februar 2015 des Labors Eurofins sei ein Natriumgehalt von 300 mg/kg und ein Kochsalzgehalt von < 0,1 g/100 g festgestellt worden. Maßgeblich für die Nährwertdeklaration auf den streitbefangenen Produkten sei nicht der in einer Einzelanalyse festgestellte Messwert der Behörde, sondern gemäß Art. 31 Abs. 4 LMIV ein Durchschnittswert, der grundsätzlich auf unterschiedliche Arten ermittelt werden könne: durch eine Lebensmittelanalyse des Herstellers, durch Berechnung auf Grundlage der bekannten oder tatsächlichen durchschnittlichen Werte der verwendeten Zutaten oder durch Berechnung auf der Grundlage von allgemein nachgewiesenen und akzeptierten Daten. Weiterhin sei die Angabe „NRV“ nach altem Nährwertkennzeichnungsrecht nicht erforderlich. Weder in der Nährwertkennzeichnungsrichtlinie 90/496/EWG noch in der deutsche Umsetzungsregelung, der NährwertkennzeichnungsVO, werde diese Bezeichnung genannt. Auch nach Maßgabe der hier nicht anwendbaren LMIV sei die Bezeichnung „NRV“ nicht zu verwenden.

Die Klägerin beantragt die Zulassung der Sprungrevision, da die aufgeworfenen Fragen, etwa zum Vorzug der rechnerischen Bestimmung des Salzgehaltes gegenüber einer analytischen Bestimmung, grundsätzliche Bedeutung hätten. Lebensmittelüberwachungsbehörden in anderen Bundesländern teilten die Bewertung des LAVES nicht.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen und verweist zur Anwendbarkeit der LMIV auf das Schreiben der Klägerin, beim Beklagten eingegangen am 23. Dezember 2013, mit welchem die Klägerin mitteilte, dass die Nährwertkennzeichnung auf ihren Produkten nach den Bestimmungen der LMIV – zulässig nach Art. 54 Abs. 3 LMIV – ab sofort umgesetzt werde, da eine zeitnahe Umstellung zum Dezember 2014 sonst nicht möglich wäre. Entscheide sich der Hersteller für eine Nährwertkennzeichnung nach LMIV gemäß Art. 54 Abs. 3 LMIV, so müsse er sich an alle diese Vorschriften (Art. 30-35 LMIV) halten. Nach Art. 30 LMIV, Anhang I Nr. 11 unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 36 und 37 solle der Gesamtnatriumgehalt umgerechnet in Salz auf dem Produkt als „Salz“ deklariert werden. Dabei sei das Salzäquivalent immer vom Gesamtnatriumgehalt abzuleiten. Bei dem in Anhang I Nr. 11 genannten Faktor 2,5 handele es sich nicht um eine neue gesetzliche Umrechnungsfiktion, sondern er sei wissenschaftlich begründet. Es handele sich um die stöchiometrische Berechnung von Stoffen über ihre molaren Massen. Der durch das LAVES analytisch bestimmte Natriumgehalt von 35,7 mg/100 ml ergebe ein Salzäquivalent von 0,09 g/100 ml. Dies werde durch die Analyse von Eurofins bestätigt, wonach der Natriumgehalt 300 mg/kg betrage, was ein Salzäquivalent von 0,08 g/100 ml ergebe. Der „Leitfaden der Europäischen Kommission für die Festlegung von Toleranzen bei den Nährwertangaben“ empfehle nach den Rundungsleitlinien für die Angabe von Salz in der Nährwertdeklaration für einen Salzgehalt von 0-0,0125 g/100 g die Angabe „0“ oder „< 0,01 g pro 100 g“. Alternativ könne auch gemäß Art. 34 Abs. 5 LMIV die Angabe „Enthält geringfügige Mengen von…“ verwendet werden. Gemüsesäfte enthielten aber von Natur aus höhere Natriumgehalte, die sich in der Regel zwischen 0,0125 g und 1 g/100 g bewegen und somit bereits für den Verbraucher relevant seien. Nach den Rundungsleitlinien solle der Salzgehalt in diesem Bereich auf 0,01 g pro 100 g genau angegeben werden. Gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 2 LMIV sei zusätzlich ein Hinweis auf natürlich vorkommendes Natrium möglich.

Nach Art. 32 Abs. 3 LMIV seien Vitamine und Mineralstoffe als Prozentsatz der in Anhang XIII festgelegten Referenzmengen für die tägliche Zufuhr dieser Stoffe auszudrücken. Es seien auch andere Abkürzungen mit entsprechender Erklärung möglich, wenn sie dem Sinn der LMIV entsprächen. Entscheidend sei aber, dass Angaben wie „RDA“ oder auch „GDA“ – anders als der Begriff der „Referenzmenge“ – eine Ernährungsempfehlung beinhalten.

Im Übrigen ist der Beklagte der Ansicht, dass das Produkt auch nicht den bis zum 13. Dezember 2014 geltenden Rechtsvorschriften (Lebensmittelkennzeichnungsverordnung – LMKV –, Nährwertkennzeichnungsverordnung – NKV –) entspreche, so dass auch die Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 LMIV nicht vorlägen.

Die Kammer hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 5. Mai 2015 (6 B 14/15) abgelehnt. Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. Juli 2015 (13 ME 81/15) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 2 der Verfügung des Beklagten vom 15. Januar 2015 wiederhergestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Allein die Anordnung unter Nr. 2 ist der Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (1.). Im Übrigen erweist sich der Bescheid als rechtmäßig (2.).

Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) gestützt. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Allerdings ist § 39 Abs. 2 LFGB vorliegend nicht anwendbar. Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen der zuständigen Behörde im Fall eines festgestellten Verstoßes ist vielmehr Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff., zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 652/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014, ABl. L 189, 1 ff.). Art. 54 Abs. 1 VO (EG) 882/2004 lautet: „Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft.“

Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt wegen des Anwendungsvorrangs des Unionrechts (vgl. Art. 288 AEUV; vgl. auch Meyer/Streinz, LFGB – Basis-VO – HCVO, 2. Aufl. 2012, § 39 LFGB Rn. 1; ausführlich VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.6.2014 – 9 S 1273/13 -, juris m.w.N.; OVG Hamburg, Beschluss vom 5.9.2011 – 5 Bs 139/11 -, juris Rn. 10) in seinem Anwendungsbereich die nationale Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFGB (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB, BT-Drs. 16/8100, S. 20: „Diese Regelungen [= Art. 54 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) 882/2004] sind als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht von den zuständigen Behörden vorrangig anzuwenden“).

Es ist jedoch unschädlich, dass der Beklagte in seiner Verfügung § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB herangezogen hat, da die Anordnungen gleichermaßen auf Art. 54 VO (EG) 882/2004 gestützt werden können. Ein solcher Austausch der Rechtsgrundlagen führt im Hinblick auf die identische Zielrichtung, die strukturelle Gleichheit sowie den Gleichlauf von Befugnisrahmen und Rechtsfolgen weder zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Verwaltungsakts, noch wird die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1982 – 8 C 127/81 -, BVerwGE 64, 356; Urteil vom 21.11.1989 – 9 C 28/89 -, NVwZ 1990, 673; Urteil vom 31.3.2010 – 8 C 12/09 -, juris). Dies gilt aufgrund der strukturellen Gleichheit beider Normen selbst unter dem Gesichtspunkt, dass der Behörde ein Auswahlermessen hinsichtlich der anzuordnenden Maßnahme zusteht. § 39 Abs. 2 LFGB einerseits und Art. 54 VO (EG) 882/2004 andererseits sind vergleichbar aufgebaut, sie bestehen aus einer Generalklausel (§ 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bzw. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 882/2004) und einer beispielartigen, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 LFGB sowie Art. 54 Abs. 2 VO (EG) 882/2004; vgl. Wehlau, LFGB, 2010, § 39 Rn. 10). Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch die Rechtsfolgen weisen die Bestimmungen relevante Unterschiede auf: Beide Normen setzen die Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften voraus und verpflichten die Behörde („trifft die zuständige Behörde“ bzw. „trifft sie“) zu notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 2014, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.11.2014 – 13 B 1250/14 -, juris Rn. 14 ff.; vgl. auch Bayer. VGH, Beschluss vom 20.4.2015 – 20 ZB 15.106 – juris, zum Austausch von Art. 54 Abs. 1 VO (EG) 882/2004 und § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG).

Die angefochtene Verfügung ist formell rechtmäßig. Zwar ist eine Anhörung der Klägerin im Sinne des § 28 VwVfG vor Erlass des Bescheides offenbar unterblieben, da die Mitarbeiter des Beklagten – anders als in zahlreichen anderen vergleichbaren Fällen betreffend die Klägerin – hierzu auch keinen Vermerk niedergelegt haben, und auch keine entsprechende E-mail in der Verwaltungsvorgängen enthalten ist. Der Beklagte hat auch nicht dargetan, dass die Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG entbehrlich war, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig war. Der Anhörungsmangel ist weiterhin nicht allein mit Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden. Eine Heilung ist gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG zwar bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens möglich, die Anhörung durch das Gericht vermag die Anhörung durch die zuständige Behörde jedoch nicht zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.3.2012 – 3 C 16/11 -, juris, Rn. 18; Urteil vom 24.6.2010 – 3 C 14/09 -, juris Rn. 37; Urteil vom 7.10.1980 – 6 C 39/80 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2009 – 8 D 12/08.AK -, juris Rn. 111; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 45 Rn. 27; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 75). Der Anhörungsmangel ist jedoch gemäß § 46 VwVfG als unbeachtlich anzusehen. Nach dieser Vorschrift, die auch auf Ermessensverwaltungsakte anwendbar ist (vgl. Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 46 Rn. 35), kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, u.a. nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dies ist hier der Fall. Die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften ist kein Selbstzweck, sondern dient der besseren Durchsetzung von Belangen. Daher muss ein Kläger zur Begründung einer Rechtsverletzung geltend machen, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2011 – 9 A 23.10 -, juris Rn. 15). Danach ist zu prüfen, ob die konkrete Möglichkeit besteht, dass der Beklagte aufgrund der erhobenen Einwände der Klägerin die streitgegenständlichen Anordnungen nicht oder nicht in dieser Form getroffen hätte. Dies ist hier allein im Hinblick auf Ziffer 2. der angefochtenen Verfügung denkbar. Der Beklagte selbst ist nach seinen Stellungnahmen im gerichtlichen Verfahren offenbar der Ansicht, dass auch eine andere Bezeichnung als „NRV“ möglich wäre. Die Rechtswidrigkeit von Ziffer 2. der Verfügung ergibt sich jedoch (auch) aus materiell-rechtlichen Gründen (dazu 1.). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte aufgrund der erhobenen Einwände der Klägerin – insbesondere mangels Konkretisierung des ihr durch die Anordnung zur Vernichtung der vorhandenen Etiketten entstehenden Schadens – abweichend entschieden haben könnte.

1.
Die Anordnung unter Ziffer 2. der Verfügung vom 15. Januar 2015 erweist sich im Ergebnis als rechtswidrig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 liegen hinsichtlich der Angaben zum Vitamin-A-Gehalt des Produktes („Vitamin A (aus Provitamin A) 1100 µg (137 % RDA) … RDA = empfohlener Tagesbedarf“) zwar vor, die Anordnung ist jedoch nicht verhältnismäßig.

In der Angabe „RDA“ bzw. „empfohlener Tagesbedarf“ liegt ein Verstoß im Sinne von Art. 2 Nr. 10 VO (EG) 882/2004, d.h. die „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“. Mit der prozentualen Bezugnahme auf den empfohlenen Tagesbedarf („RDA“) von Vitamin A hat die Klägerin gegen Art. 32 Abs. 3 LMIV verstoßen. Dieser lautet:

„Eine etwaige Deklaration der Vitamine und Mineralstoffe ist zusätzlich zu der in Absatz 2 genannten Form der Angabe als Prozentsatz der in Anhang XIII Teil A Nummer 1 festgelegten Referenzmengen im Verhältnis zu 100 g oder zu 100 ml auszudrücken.“

Gemäß Art. 30 Abs. 2 f) LMIV kann der Inhalt der verpflichtenden Nährwertdeklaration gemäß Art. 30 Abs. 1 LMIV (Brennwert sowie die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz) durch die Angabe der Mengen jeglicher in Anhang 3 XIII Teil A Nr. 1 aufgeführten Vitamine, die entsprechend den in Anhang XIII Teil A Nr. 2 angegebenen Werten in signifikanten Mengen vorhanden sind, ergänzt werden.

Die Klägerin hat vorliegend den Vitamin-A-Gehalt des Produktes mit 1100 µg pro 100 ml angegeben, dies entspricht 137,5 % der in Anhang XIII Teil A Nr. 1 angegebenen Referenzmenge von 800 µg. Allerdings hat die Klägerin als Bezugsgröße die Abkürzung „RDA“ verwendet, die nicht auf eine Referenzmenge sondern auf eine empfohlene Tagesdosis verweist. Mit der Bezugnahme auf eine „empfohlene Tagesdosis“ wendet die Klägerin insoweit die Begrifflichkeiten der Richtlinie 90/496/EWG des Rates vom 24. September 1990 über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln (ABl. L 276, 40 ff.) bzw. der Nährwertkennzeichnungsverordnung (vom 25.11.1994, BGBl. I 1994, 3526, zuletzt geändert durch Verordnung vom 1.10.2009, BGBl. I, 2009, 3221 – NKV) an. Diese enthalten Angaben zur „RDA – Recommended Daily Allowance“ bzw. zu „empfohlenen Tagesdosen“.

Anwendbar ist im vorliegenden Fall jedoch Art. 32 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang XIII A Nr. 1 LMIV mit der Verwendung des Begriffs der Referenzmenge. Gemäß Art. 55 LMIV gilt diese Verordnung ab dem 13. Dezember 2014. Allein Art. 9 Abs. 1 l) LMIV, der die verpflichtende Angabe einer Nährwertdeklaration (Art. 29-35 LMIV) vorschreibt, gilt erst ab dem 13. Dezember 2016. Da die Anforderungen an die Nährwertkennzeichnung, insbesondere in Bezug auf den Inhalt der Nährwertdeklaration, mit der LMIV erheblich geändert werden (Erwägungsgrund 56), wird den Lebensmittelunternehmern jedoch gestattet, die Verordnung schon früher als vorgeschrieben anzuwenden. Gemäß Art. 54 Abs. 3 LMIV dürfen gemäß den Artikeln 30-35 gekennzeichnete Lebensmittel bereits vor dem 13. Dezember 2014 in Verkehr gebracht werden. Gemäß Art. 54 Abs. 2 LMIV muss jedoch eine Nährwertdeklaration, die freiwillig bereitgestellt wird, zwischen dem 13. Dezember 2014 und dem 13. Dezember 2016 den Artikeln 30 bis 35 LMIV entsprechen. Die Klägerin hat die Nährwertkennzeichnung auf dem Etikett des vorliegenden Produktes entsprechend den Vorgaben von Art. 30 LMIV gestaltet. Anstelle der nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 NKV geforderten Angaben (Brennwert sowie Gehalt an Eiweiß, Kohlenhydraten, Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen und Natrium) verwendet sie die nach Art. 30 Abs. 1 LMIV verpflichtenden Angaben in der aufgeführten Reihenfolge (Brennwert sowie Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz). Zudem hat die Klägerin selbst mit ihrem am 23. Dezember 2013 beim Beklagten eingegangenen Schreiben (Bl. 75 d. A.) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 54 Abs. 3 LMIV erklärt, die Nährwertkennzeichnung auf ihren Produkten nach den Bestimmungen der LMIV ab sofort umzusetzen. Ein Wahlrecht bezüglich einzelner Vorgaben der LMIV zur Nährwertdeklaration steht der Klägerin nicht zu.

Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die „Referenzmengen“ für Vitamine und Mineralstoffe nach Anlage XIII A der LMIV mengenmäßig den „empfohlenen Tagesdosen“ des Anhangs zur Richtlinie 90/496/EWG bzw. der Anlage 1 zur NKV entsprechen. Der Begriff der „Referenzmengen für die tägliche Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen (Erwachsene)“, den Anhang XIII A zur LMIV verwendet, unterscheidet sich gleichwohl von den hier verwendeten Deklarationen „RDA“ (Recommended Daily Allowance, empfohlene Tagesdosis) bzw. „empfohlener Tagesbedarf“. Die Angabe der „Referenzmenge“ in Art. 32 Abs. 3 bis 5 LMIV vermeidet begrifflich jeglichen Hinweis auf eine „Empfehlung“ hinsichtlich des enthaltenen und mit dem Nahrungsmittel verzehrten Brennwerts, der Nährstoffmengen, der Vitamine und Mineralstoffe. Die – rechtlich unverbindlichen – „Fragen und Antworten zur Anwendung der VO (EU) Nr. 1169/2011“ (Quelle: http://ec.europa.eu/food/safety/docs/labelling_nutrition-labelling_legislation-qanda_application_reg1169-2011_de.pdf), die von einer von der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher eingesetzten Arbeitsgruppe aus Sachverständigen der Mitgliedstaaten erstellt wurden, und dazu dienen sollen „allen an der Lebensmittelkette Beteiligten sowie den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, die LMIV besser zu verstehen und richtig anzuwenden“, führt hierzu unter Nr. 3.19 aus:

„Mit der LMIV soll eine Harmonisierung des Inhalts sowie der Angabe und Darstellung von Informationen zum Nährwert für Verbraucher erreicht werden, darunter auch der freiwillig bereitgestellten Informationen. Deshalb ist die Verwendung des Begriffs „Guideline Daily Amount“ oder seiner Abkürzung „GDA“ in Zusammenhang mit der Anwendung der Artikel 32 und 33 der Verordnung nicht möglich (siehe auch Punkt 3.18). Es ist auch zu beachten, dass der Begriff der „Referenzmenge“ sich von dem Begriff „Guideline Daily Amount“ insofern unterscheidet, als die Referenzmenge im Gegensatz zum Richtwert (Guideline) keine Ernährungsempfehlung beinhaltet. Es wird zum Beispiel keine Empfehlung abgegeben, pro Tag 20 g an gesättigten Fettsäuren zu sich zu nehmen, denn die Verbraucher sollen nicht glauben, es handle sich dabei um eine für die Erhaltung der Gesundheit notwendige Mindestmenge.“

Im Sinne der angestrebten Klarheit (vgl. Erwägungsgrund 26) der Informationen auf den Etiketten von Lebensmitteln ist es nicht möglich, dem Grunde nach verschiedene Begrifflichkeiten für die Bezugnahme auf die Anhang XIII Teil A und Teil B aufgeführten Referenzmengen zuzulassen, auch wenn sich das einleuchtende Beispiel, für gesättigte Fettsäuren gebe es keine für die Erhaltung notwendige Mindestmenge, auf eine Pflichtangabe nach Art. 30 Abs. 1 LMIV bezieht, die Deklaration hinsichtlich enthaltener Vitamine nach Art. 30 Abs. 2 LMIV dagegen freiwillig ist. Für den Verbraucher ist – wie im vorliegenden Fall mit Verwendung einer einheitlichen Tabelle – nicht ersichtlich, ob es sich um freiwillige oder um Pflichtangaben handelt.

Es kann hier dahinstehen, ob mit der Verwendung der Abkürzung „RDA“ sowie der Erläuterung „= empfohlener Tagesbedarf“ eine Irreführung der Verbraucher im Sinne von Art. 7 Abs. 1 oder 2 LMIV einhergeht, weil Angaben in Bezug auf Eigenschaften des Lebensmittels irreführend sind, oder weil die Informationen über das Lebensmittel nicht zutreffend, klar oder für den Verbraucher leicht verständlich sind. Dies erscheint jedenfalls fraglich, denn die Klägerin hat den zutreffenden Wert des Vitamin-A-Gehaltes angegeben, diesen rechnerisch richtig in Verhältnis zu den Größenangaben der früher maßgeblichen „empfohlenen Tagesdosen“ und den heute maßgeblichen betragsmäßig gleichlautenden „Referenzmengen“ gesetzt, und die verwendete Abkürzung im vorliegenden Fall erläutert. Allerdings hat der Beklagte in seinem Bescheid hinsichtlich Ziffer 2. nicht auf eine Irreführung der Verbraucher abgestellt und eine solche ist vorliegend tatbestandlich auch nicht erforderlich. Ausreichend ist der festgestellte Verstoß gegen die Vorschriften zur Nährwertkennzeichnung, hier Art. 32 Abs. 3 LMIV.

Allerdings erweist sich die Anordnung in Ziffer 2. der Verfügung vom 15. Januar 2015, wonach die Angabe „RDA“ auf dem Etikett durch die Angabe des Nährstoffbezugswertes als Abkürzung mit „NRV“ zu ersetzen und diese Abkürzung zu erläutern ist, als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Die Verpflichtung zur Verwendung der Abkürzung „NRV“ findet keine Grundlage in der LMIV. Da es sich nach Art. 30 Abs. 2 LMIV bei der Angabe des Vitamingehaltes um eine freiwillige Nährwertdeklaration handelt, könnte die Klägerin den dargestellten Verstoß in gleich geeigneter Weise entweder durch Verzicht auf die Angabe des Vitamin-A-Gehaltes insgesamt oder durch Verwendung des Begriffes „Referenzmenge“ oder eines vergleichbaren neutralen Begriffes, der den Ausspruch einer Nährwertempfehlung vermeidet, beseitigen.

2.
Im Übrigen erweist sich der angefochtene Bescheid jedoch als rechtmäßig.

Die Angabe „Salz 0,0 g“ im Rahmen der Nährwertdeklaration des vorliegenden Produktes stellt einen Verstoß im Sinne des Art. 54 Abs. 1 VO (EG) 882/2004 dar. Art. 30 Abs. 1 Satz 1 b) LMIV schreibt die Deklaration des Salzgehalts im Rahmen der verpflichtenden Nährwertdeklaration vor. Die Klägerin hat zwar eine diesen formalen Anforderungen entsprechende Deklaration vorgenommen, diese ist jedoch unzutreffend und für den Verbraucher irreführend im Sinne des Art. 7 Abs. 1 a) LMIV. Gemäß Art. 7 Abs. 1 a) LMIV dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels.

Maßgeblich für die Deklaration der Menge des enthaltenen Salzes nach Art. 30 Abs. 1 Satz 1 b) LMIV ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Menge des in dem Lebensmittel enthaltenen Kochsalzes. Art. 2 Abs. 4 LMIV in Verbindung mit Anhang I (Spezielle Begriffsbestimmungen im Sinne von Art. 2 Abs. 4) Nr. 1.11. trifft folgende Definition:

„11. ‚Salz‘ bedeutet den nach folgender Formel berechneten Gehalt an Salzäquivalent: Salz = Natrium x 2,5;“

Nach den Erläuterungen des LAVES (Stellungnahme vom 18.3.2015, Bl. 76 d. A.) ergibt sich dieser Faktor aus der stöchiometrischen Berechnung der molaren Massen von Natrium (22,99 g/mol) und von Natriumchlorid (58,44 g/mol), die den Faktor 2,5421 bzw. vereinfacht 2,5 ergibt. Es handelt sich danach nicht um eine gesetzliche Vermutung, sondern um eine normierte Begriffsbestimmung auf Grundlage der chemischen Zusammensetzung.

Anders als noch nach der Richtlinie 90/496/EWG sowie der NKV ist nicht mehr der Natriumgehalt eines Lebensmittels anzugeben, sondern allein der hiernach errechnete Salzgehalt, unabhängig davon, ob es aus ernährungsphysiologischen Gründen sinnvoller wäre, die Deklaration von Natrium beizubehalten (vgl. Schorling/Brzezinski, Nagels, „Salz – eine gesundheits- und rechtspolitische Abhandlung“, in: ZLR 2015, S. 178, 179, 189). Soweit der anzugebende Salzgehalt eines Lebensmittels – wie bei Möhrensaft denkbar (vgl. Stellungnahme des LAVES vom 18.3.2015, Bl. 76, 77 d.A.) – ausschließlich auf die Anwesenheit natürlich vorkommenden Natriums zurückzuführen ist, kann gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 2 LMIV in unmittelbarer Nähe zur Nährwertdeklaration eine entsprechende erläuternde Angabe erscheinen.

Dementsprechend ist im vorliegenden Fall die Deklaration „Salz 0,0 g“ unzutreffend, unabhängig davon ob das Ergebnis der amtlichen Lebensmittelkontrolle mit dem Untersuchungsergebnis des LAVES (Natriumgehalt 35,7 mg pro 100 ml, entsprechend einem Salzgehalt von 89,9 mg pro 100 ml bzw. 0,09 g pro 100 ml) oder das Ergebnis der von der Klägerin beauftragten Untersuchung durch das Labor Eurofins (Natriumgehalt 300 mg/Kilogramm, nach der genannten Umrechnungsformel entsprechend einem Salzgehalt von 75 mg pro 100 g) zu Grunde gelegt wird. Nach den eindeutigen Regelungen der LMIV ist es nicht zulässig, einen von dem errechneten Salzgehalt abweichenden, analytisch ermittelten Kochsalzgehalt zu deklarieren.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie den Salzgehalt abweichend von der amtlichen Lebensmittelkontrolle analytisch ermittelt habe. Zutreffend verweist sie zwar darauf, dass nach Art. 31 Abs. 4 Satz 1 LMIV die angegebenen Zahlen grundsätzlich Durchschnittswerte sind, die je nach Fall auf a) der Lebensmittelanalyse des Herstellers, b) eine Berechnung auf der Grundlage der bekannten oder tatsächlichen durchschnittlichen Werte der verwendeten Zutaten oder c) einer Berechnung auf der Grundlage von allgemein nachgewiesenen und akzeptierten Daten beruhen. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass eine Abweichung der deklarierten Werte von den im Rahmen der amtlichen Lebensmittelkontrolle festgestellten Werten die Unrichtigkeit der Nährwertdeklaration aufdecken kann. Dies ergibt sich auch aus Art. 31 Abs. 4 Satz 2 LMIV, in welchem auf die bei amtlichen Überprüfungen festgestellten Werte im Unterschied zu den angegebenen Werten Bezug genommen wird. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin im Übrigen gerade nicht dargetan, dass von ihr durchgeführte Lebensmittelanalysen durchschnittlich maßgeblich abweichende Werte für den Salzgehalt ergeben. Auch nach der Analyse des Labors Eurofins wäre ein Salzgehalt von 0,075 g/100 ml bzw. 0,08 g/100 ml zu deklarieren.

Auch die sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergebende Verpflichtung, den Salzgehalt auf zwei Nachkommastellen genau anzugeben, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorschriften der LMIV enthalten hierzu keine Bestimmungen, aus Anhang XV ergibt sich lediglich, dass der Salzgehalt in der Maßeinheit „g“ anzugeben ist. Von der in Art. 31 Abs. 4 Satz 2 LMIV der Kommission eingeräumten Möglichkeit, Durchführungsrechtsakte zu erlassen, in denen Durchführungsbestimmungen für die einheitliche Durchführung des Abs. 4 hinsichtlich der Genauigkeit der angegebenen Werte festgelegt sind, wurde kein Gebrauch gemacht. Zutreffend hat sich an der Beklagte jedoch an dem „Leitfaden für zuständige Behörden – Kontrolle der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 […] in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte“ der Europäischen Kommission vom Dezember 2012 orientiert. Auch wenn diesem Leitfaden ausdrücklich kein formaler rechtlicher Status zukommt, er mithin keine zwingende Bindungswirkung entfaltet, verfolgt er ausdrücklich den Zweck, den Kontrollbehörden der Mitgliedsstaaten sowie den Lebensmittelunternehmern eine Anleitung im Hinblick auf Toleranzen bei der Angabe von Nährwerten auf den Etiketten an die Hand zu geben. Maßstäbe zur Rundung der anzugeben Nährwertmengen gehören zu den entscheidenden Einflussfaktoren einerseits bei der Festlegung von Toleranzen, andererseits aber auch bei der Frage der Frage, ob Nährstoffe in einer vernachlässigbaren Menge vorhanden sind, sodass ihr Gehalt mit „0“ angegeben werden kann (vgl. Leitfaden, Punkt 6.; S. 16).

Nach dem Leitfaden ist bei einem Kochsalzgehalt > 0,0125 g und < 1 g pro 100 g oder 100 ml die enthaltene Menge auf 0,01 g genau anzugeben. Nur wenn die Menge nicht nachweisbar oder ≤ 0,0125 g pro 100 g oder 100 ml ist, kann „0 g“ oder „<0,01 g“ angegeben werden. Anhaltspunkte, aus welchen Gründen die im Leitfaden der Europäischen Kommission aufgeführten und von dem Beklagten angewandten Rundungsleitlinien aus wissenschaftlichen Gründen unzutreffend sind, sind weder von der Klägerin geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Die maßgebliche ernährungsphysiologische Bedeutung von Salz kommt Natrium als Mikronährstoff zu, da es beispielsweise eine regulatorische Funktion im Wasserhaushalt des Körpers wahrnimmt. Der Referenzwert für Natrium für gesunde Jugendliche und Erwachsene liegt nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung bei 550 mg pro Tag (vgl. Schorling/Brzezinski/ Nagels, a.a.O., S. 179; Veröffentlichung unter https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/natrium-chlorid-kalium/). Danach ist sowohl der vom LAVES festgestellte Natriumgehalt von 35,7 mg/100 ml als auch der vom Institut Eurofins ermittelte Wert von 30 mg/100 ml, – was bereits 6,5 % bzw. 5,5 % der täglichen Referenzmenge entspricht – nicht vernachlässigbar. Dies wirkt sich entsprechend auf die Deklaration des durch stöchiometrische Umrechnung ermittelten Salzgehaltes aus.

Auch nach der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert-und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (Health Claims-Verordnung – HCVO) – die vorliegend gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO nicht anwendbar ist, da es sich hier um eine verpflichtende Angabe handelt, die im Übrigen keine über eine bloße Inhaltsangabe hinausgehende nährwertbezogene Angabe beinhaltet – ist die Angabe „kochsalzfrei“ nur zulässig, wenn das Produkt nicht mehr als 0,005 g Natrium oder den gleichwertigen Gehalt an Salz pro 100 g enthält. Auch nach der HCVO ist danach eine Angabe des Salzgehalts mit „0“ nur zulässig wenn dieser unter 0,005 g bzw. 5 mg Natrium und damit rechnerisch unter 0,0125 g Kochsalz pro 100 ml liegt.

Selbst wenn im vorliegenden Fall eine Deklaration lediglich auf eine Nachkommastelle genau erfolgen würde, wäre anstelle der von der Klägerin verwandten Angabe „Salz 0,0 g“ nach allgemeinen Rundungsregeln die Angabe „Salz 0,1 g“ zu verwenden. Auch die von ihr selbst verwendete Größenordnung mit einer Nachkommastelle hat die Klägerin danach unzutreffend angewandt.

Die inhaltlich unzutreffende Angabe ist auch irreführend. Die Vorschriften der LMIV dienen dem Zweck, die Verbraucher in die Lage zu versetzen, das gewünschte Lebensmittel zu finden, in geeigneter Weise zu verwenden und eine Wahl zu treffen, die ihren individuellen Ernährungsbedürfnissen entspricht (Erwägungsgründe 10 und 17). Eine fundierte Wahl der Lebensmittel setzt auch eine angemessene Information über den Nährwert der Lebensmittel voraus. Gemäß Art. 3 Abs. 1 LMIV dient die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel daher einem umfassenden Schutz der Gesundheit und der Interessen der Verbraucher, indem Endverbrauchern eine Grundlage für eine fundierte Wahl und die sichere Verwendung von Lebensmitteln unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten geboten wird.

Bei der Beurteilung, ob einer Angabe irreführende Wirkung zukommt, ist auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen, die dieser etwa in Bezug auf die Qualität des Lebensmittels hegt, wobei es hauptsächlich darauf ankommt, dass der Verbraucher nicht zu der irrtümlichen Annahme verleitet wird, dass das Erzeugnis eine andere Eigenschaft als in Wirklichkeit hat (vgl. EuGH, Urteil vom 4.6.2015 – C-195/14 -, juris Rn. 36). Ein solcher Verbraucher erwartet, dass die (verpflichtenden) Nährwertangaben auf dem Etikett eines Produktes fehlerfrei sind. Die Nährwertangaben sollen gerade der fundierten Auswahl von Lebensmitteln dienen, daher sind diese Angaben geeignet und auch dazu bestimmt, die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Die berechtigte Annahme einer entsprechenden Erwartung des Durchschnittsverbrauchers wird auch durch die Regelungen der – allerdings hier nicht anwendbaren – HCVO gestützt, wonach eine Angabe, ein Lebensmittel sei kochsalzfrei, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, nur zulässig ist, wenn der Kochsalzgehalt unter 0,0125 g pro 100 ml liegt.

Auch Ziffer 3. des Bescheides des Beklagten vom 15. Januar 2015 erweist sich auf der Grundlage von Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004 als rechtmäßig. Auf die zutreffende Begründung des Bescheides, denen die Kammer folgt, wird Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO. Anhaltspunkte, aus denen sich die Unverhältnismäßigkeit der Anordnungen, alle noch vorhandenen Etiketten zu sperren und zu entsorgen sowie das neue Etikett dem Fachdienst des Beklagten vorzulegen, ergibt, sind nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Klägerin hat lediglich pauschal geltend gemacht, dass ihr durch die Anordnung Kosten entstanden seien, ohne diese näher zu beziffern oder überhaupt danach zu differenzieren, dass allein der Neudruck von Etiketten sowie die Entsorgung der noch nicht verbrauchten alten Etiketten gefordert waren. Nicht verlangt war dagegen das Umetikettieren bereits verkaufsfertiger Lagerware oder gar der Rückruf von bereits im Einzelhandel befindlichen Flaschen.

Die Festsetzung von Verwaltungskosten in Höhe von 104,00 EUR findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 1, 3, 5, 9 NVwKostG i. V. m. Ziffer VI.1.20.2 und Ziffer XIX.1 der Anlage zu § 1 GOVV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision war abzulehnen. Gründe für die Zulassung der Sprungrevision gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO oder die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht oder liegen nicht vor.

Es kann hier dahinstehen, ob die Zulassung der Sprungrevision überhaupt noch zulässig ist, nachdem der Beklagtenvertreter bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt hat, dass der Einlegung der Sprungrevision nicht zugestimmt wird. Jedenfalls kommt den vorliegend entscheidungserheblichen Fragen eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie sind nicht als klärungsbedürftig im Rahmen eines Revisionsverfahrens anzusehen, da sie durch einfache Auslegung der anzuwendenden Vorschriften zu beantworten sind. Soweit die Klägerin darüber hinaus im Schriftsatz vom 12. Oktober 2015 Rechtsfragen konkret aufwirft, deren Beantwortung sie im allgemeinen Interesse für erforderlich hält, fehlt es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit.