OLG München: Die Nichterhebung der Umsatzsteuer stellt keinen Wettbewerbsverstoß dar

veröffentlicht am 8. Januar 2016

OLG München, Urteil vom 15.05.2003, Az. 29 U 1703/03
§ 1 UWG a.F., § 2 Abs. 3 UWG, Art. 87 EG-Vertrag, Art. 88 EG-Vertrag

Das Urteil des OLG München haben wir hier für Sie zusammengefasst. Den Volltext der Entscheidung finden Sie nachstehend:


Oberlandesgericht Müchen

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15 .05.2003 für Recht erkannt:

I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.11.2002 – 17HK O 9360/01 – wird zurückgewiesen.

II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens der Beklagten zu 1 abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte zu 1 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung seitens des Beklagten zu 2 abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Beklagte zu 2 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

(gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I.
Die Klägerin, die Betreiberin eines privaten Krematoriums in T., macht gegen die Beklagte zu 1, die Landeshauptstadt München, und den Beklagten zu 2, den Freistaat Bayern, Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Nichterhebung von Umsatzsteuer auf Leistungen des städtischen Krematoriums in München, das auf dem Gelände des Ostfriedhofs angesiedelt ist, geltend.

Das Landgericht München I hat die Klage mit Urteil vom 21.11.2002 gegen beide Beklagte abgewiesen. Auf dieses Urteil und die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht die Nichterhebung der Mehrwertsteuer für die Leistungen des städtischen Krematoriums nicht als wettbewerbswidrig und rechtswidrig erachtet. Die Nichterhebung der Mehrwertsteuer durch das kommunale Krematorium verstoße gegen § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i.V.m. § 4 Abs. 5 KStG, Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern sowie Art. 87 ff EG und stelle hierdurch einen Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 1 UWG – Vorsprung durch Rechtsbruch – dar. Bei den verletzten europarechtlichen Normen handele es sich um wettbewerbsbezogene im Sinne des § 1 UWG werthaltige Vorschriften. Die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Leistungen kommunaler Krematorien ergebe sich bereits aus dem nationalen Umsatzsteuerrecht. Nach § 2 Abs. 3 UStG, § 4 Abs. 5 KStG sei die öffentliche Hand mit ihren Betrieben gewerblicher Art umsatzsteuerpflichtig. Bezüglich der Leistungen von Krematorien sei seit der Gesetzesänderung kein Hoheitsvorbehalt mehr gegeben; es würden von öffentlichen und privaten Betreibern dieselben Tätigkeiten ausgeführt, mithin handele es sich bei beiden um Gewerbetreibende im Sinne des UStG. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, ergebe sich die Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Leistungen der Beklagten zu 1 aus der unmittelbar anwendbaren Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern. Die Behandlung der kommunalen Krematorien als Nichtsteuerpflichtige führe auch zu größeren Wettbewerbsverzerrungen in der Branche. Die Klägerin habe dargelegt und unter Beweis gestellt, dass kommunale Krematorien selbst unter Berücksichtigung der Vorteile des Vorsteuerabzugs im Falle der Mehrwertsteuerpflichtigkeit ihrer Leistungen um einen relevanten Prozentsatz teuerer anbieten müssten. Bei Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern handele es sich auch um eine im Sinne des § 1 UWG werthaltige Norm.

In der Nichtberechnung der gesetzlichen Mehrwertsteuer für den Krematoriumsbetrieb liege eine Beihilfe im Sinne der Art. 87 ff. EG; hierdurch sei eine Wettbewerbsbeeinträchtigung, die den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtige, gegeben. Die kommunalen Krematorien erhielten durch die Nichterhebung der Mehrwertsteuer einen geldwerten Vorteil. Die kommunalen Krematorien seien, auch wenn sie in öffentlichrechtlicher Rechtsform betrieben würden, Unternehmen im Sinne der Art. 87 ff EG. Was die Wettbewerbsverfälschung anbelange, so sei ausreichend, dass diese entweder zwischen den Marktteilnehmern eines Mitgliedstaates oder zu den Wettbewerbern in anderen Mitgliedstaaten eintrete oder einzutreten drohe. Die Beihilfe verstärke die Marktposition der kommunalen Krematorien, die durch den Verzicht auf die Mehrwertsteuer relevant billiger anbieten könnten als bei Mehrwertsteuerpflicht. Die gegebene Wettbewerbsverzerrung indiziere eine Handelsbeeinträchtigung. Der Einzugsbereich des Krematoriums München sei nicht auf die rein lokale Ebene begrenzt. Die Beihilfe sei allein wegen ihrer Nichtnotifizierung bei der EG-Kommission im Verfahren nach Art. 88 f EG unmittelbar und zwingend rechtswidrig. Hieraus folge gemäß Art. 88 Abs. 3 EG ein unmittelbares und für jedermann geltendes Durchführungsverbot. Die Beklagte zu 1 sei als Beihilfeempfänger aufgrund des unmittelbaren Durchführungsverbots unmittelbar aus Art. 88 Abs. 3 EG verpflichtet, gleiches gelte für den Beklagten zu 2. Bei Art. 87 EG handele es sich um eine unmittelbar wettbewerbsbezogene Norm zugunsten des einzelnen Mitbewerbers. Darüber hinaus sei gegen die Beklagte zu 1 und den Beklagten zu 2 ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 87, Art. 88 Abs. 3 EG, § 1004 BGB begründet.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 21.11.2002 AZ 17 HKO 9360/01 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte zu 1.) wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, Leistungen des städtischen Krematoriums München gegenüber den Angehörigen Verstorbener bzw. sonstiger Auftraggeber ohne gesetzliche Mehrwertsteuer abzurechnen.

III. Die Beklagte zu 2.) wird bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, unzulässigen Wettbewerb der Landeshauptstadt München zu fördern durch Nichtveranlagung der Landeshauptstadt München zur Umsatzsteuer für die Leistungen ihres städtischen Krematoriums ausgenommen Einäscherung und Urnenversand, hinsichtlich derer die Klage mit Schriftsatz vom 26.8.2002 für erledigt erklärt wurde, durch das Finanzamt München für Körperschaften.

IV. hilfsweise: Der Beklagte zu 2.) wird verurteilt, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, die Landeshauptstadt München für Leistungen ihres städtischen Krematoriums, ausgenommen Einäscherung und Urnenversand, hinsichtlich derer die Klage mit Schriftsatz vom 26.8.2002 für erledigt erklärt wurde, durch das Finanzamt für München nicht zur Umsatzsteuer zu veranlagen.

Die Beklagte zu 1 beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1 macht Bedenken gegen den Berufungsantrag Nr. II geltend, mit dem die Klägerin verlangt, die Beklagte zu 1 möge „ohne gesetzliche Mehrwertsteuer“ abrechnen. Die Beklagte zu 1 sei schon von Rechts wegen nicht verpflichtet, in ihren Gebührenbescheiden die jeweils anfallende Mehrwertsteuer auszuweisen, weil private Auftraggeber Bestattungsaufträge erteilen könnten, diese jedoch nicht vorsteuerabzugsberechtigt sein könnten. Die Wahrnehmung der streitgegenständlichen Aufgaben des Bestattungswesens durch die Beklagte zu 1 werde im Rahmen der Friedhofsverwaltung erfüllt; die betreffenden Aufgaben gehörten zum Hoheitsbetrieb. Es sei ein Kernbereich der Daseinsvorsorge betroffen, der umsatzsteuerrechtlich privilegiert sei. Bei der gebotenen Einzelfallprüfung könne von einem Handeln im geschäftlichen Verkehr nicht gesprochen werden, wenn man berücksichtige, dass die Beklagte zu 1 in ihrer konkreten Tätigkeit der Totenbestattung in einem verfassungsrechtlich geschützten Bereich tätig werde. Die „Hochrechnung“ der Klägerin betreffend die Einäscherungskosten, wie sie bei der Beklagten zu 1 anfielen, sei unzutreffend. Die Klägerin nehme diese Hochrechnung vor, um eine Wettbewerbsverzerrung zu konstruieren, wo keine gegeben sei.

Die Klagebefugnis der Klägerin für den Anspruch aus § 1 UWG sei weiterhin zu bestreiten. Betreiber der Feuerbestattungsanlage in T. sei gerade nicht die Klägerin, sondern die E. GmbH, Ch.. Allenfalls bei den Aktivitäten der E. GmbH, Ch. entstünden die von der Klägerin problematisierten Umsatzsteuerfragen. Bestritten bleibe weiterhin die Behauptung der Klägerin, es gebe eine relevante Überschneidung der Einzugsgebiete. Die fehlende Umsatzsteuerpflicht, die mit der Klage angegriffen werde, sei eine „Nebenerscheinung“ des Gesetzesvollzugs, der vom Bayerischen Bestattungsgesetz vorgeschrieben sei. Die Beklagte zu 1 gestalte den Vorgang der Einäscherung als Teil der Feuerbestattung. Der von der Klägerin behauptete „Wettbewerb“ sei – trotz der Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes – nicht gegeben. Die Aufgabenstellung der kommunalen Krematorien sei mit der Tätigkeit privater Betreiber nicht vergleichbar. Den von der Klägerin behaupteten Gesetzesverstoß im Hinblick auf § 2 Abs. 3 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 KStG gebe es nicht.

Den behaupteten Verstoß gegen EG-Beilhilfenrecht nach Art. 87 ff EG gebe es nicht. Die (fehlende) Umsatzsteuerpflicht bei der Beklagten zu 1 stelle keine Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG dar, ganz abgesehen davon, dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten dadurch in nicht relevanter Weise berührt werde. Im Streitfall fehle es sowohl am Tatbestandsmerkmal der Beilhilfe wie an dem Wettbewerbsverzerrung. Auch der behauptete Verstoß gegen § 823 Abs. 2 BGB sei nicht gegeben.

Der Beklagte zu 2 beantragt:

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 17 HKO 9360/01 wird verworfen. Hilfsweise: Die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Landgerichts München I vom 21.11.2002, 17 HKO 9360/01 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 2 macht geltend, die Berufungsbegründung entspreche in Richtung gegen sie nicht den Voraussetzungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Die Berufungsbegründung setze sich mit den Erwägungen, derentwegen das Landgericht die Klage gegen den Beklagten zu 2 abgewiesen haben, überhaupt nicht auseinander. Aber auch in der Sache sei der Darstellung der Klägerin entgegenzutreten. Die Beklagten hätten von Anfang an dargestellt, dass ein eurooparechtlicher Bezug nicht vorliege. Soweit die Klägerin jetzt von grenzüberschreitenden Auswirkungen spreche (S. 9 ff der Berufungsbegründung), müssten die diesbezüglichen Ausführungen mit Nichtwissen bestritten werden. Zu Recht habe das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte zu 2 im Rahmen der Steuererhebung nicht Wettbewerb fördere oder selbst am Wettbewerb teilnehme. Ein Eingriff in die Wettbewerbssituation im Rahmen der Steuererhebung sei weder erfolgt noch beabsichtigt.

Zu Recht habe das Landgericht auch festgestellt, dass eine wettbewerbsrelevante Handlung, würde man die umsatzsteuerrechtlichen Fragen beantworten wie die Klägerin, nicht vorliege. Nicht jeder Gesetzesverstoß genüge für § 1 UWG. Eine verletzte Norm müsse zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene, d.h. entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion haben. Diese Schutzfunktion fehle den Vorschriften des § 2 Abs. 3 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG, § 4 Abs. 5 KStG. Umsatzsteuerrechtliche Vorschriften dienten nicht der Kontrolle der Lauterkeit des Marktverhaltens weder des Freistaats Bayern noch der Gemeinden. Sie seien auch keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Die Klägerin behaupte, die Nichtbesteuerung würde zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen; auch das sei nicht schlüssig dargelegt. Art. 87 ff EG könnten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen im Streitfall keine Anwendung finden. Ein grenzüberschreitender Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen der Feuerbestattung sei nicht ersichtlich. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB scheide sowieso aus.

Ferner wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 15.05.2003 Bezug genommen.

II.

A.
Berufung in Richtung gegen die Beklagte zu 1

Die zulässige Berufung in Richtung gegen die Beklagte zu 1 ist nicht begründet.

1.
Die Klage gegen die Beklagte zu 1 (Berufungsantrag Nr. II) ist zulässig.

a)
Die Klägerin hat mit Schriftsätzen vom 26.08.2002, S. 3 und vom 08.05.2003, S. 1 klargestellt, dass Gegenstand dieses Klageantrags die Unterlassung der Abrechnung ohne Mehrwertsteuer ist; die Klägerin verlangt, dass die Beklagte zu 1 die Umsatzsteuer in dem verlangten Preis mitberechnet; dagegen verlangt die Klägerin von der Beklagten zu 1 nicht, dass diese ihren Auftraggebern gegenüber die Umsatzsteuer ausweist.

b)
Der Unterlassungsantrag (Berufungsantrag Nr. II) ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat klargestellt, dass es ihr bei den „Leistungen des städtischen Krematoriums“, die nicht ohne Mehrwertsteuer abgerechnet werden sollen, um die im Schriftsatz vom 11.09.2001, S. 5 spezifizierten Leistungen geht (vgl. Schriftsatz vom 12.03.2003, S. 3).

2.
Die Klage gegen die Beklagte zu 1 ist nicht begründet; der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder nach § 1 UWG noch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 87, 88 Abs. 3 EG, § 1004 BGB zu.

a)

Auf § 1 UWG i.V.m. § 2 Abs. 3 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 5 KStG i.V.m. Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß Berufungsantrag Nr. II nicht gestützt werden.

aa)
Allerdings ist die Klägerin als unmittelbar Verletzte für einen Anspruch aus § 1 UWG klagebefugt und aktivlegitimiert. Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Klägerin hat durch Vorlage der Rechnung Anlage K 12 belegt, dass sie erbrachte Krematoriums-(Einäscherungs-)leistungen gegenüber Kunden abrechnet, also nach außen im Geschäftsverkehr betreffend Krematoriums- (Einäscherungs)leistungen auftritt. Die Klägerin und die Beklagte haben den gleichen Kundenkreis, nämlich Angehörige von Verstorbenen oder sonstige Auftraggeber, die eine Feuerbestattung vornehmen lassen wollen, und können sich mit ihren Angeboten gegenseitig behindern. Die räumliche Entfernung zwischen T. und München schließt ein Konkurrieren der Klägerin und der Beklagten zu 1 nicht aus. Zu Recht hat das Landgericht angenommen (UA S. 13), dass sich zumindest die Randbezirke der Einzugsbereiche zwischen T. und München überschneiden, zumal es zwischen diesen beiden Städten kein weiteres Krematorium gibt.

bb)
Die Beklagte zu 1 tritt mit dem Anbieten und Erbringen von Krematoriums- (Einäscherungs-)leistungen, die auch Private erbringen können (vgl. Art. 13 BayBestG), im geschäftlichen Verkehr auf. Hingegen handelt es sich bei der Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten seitens der Beklagten zu 1 ebenso wie bei der Entgegennahme oder Inanspruchnahme etwaiger Beihilfen seitens der Beklagten zu 1 um betriebsinterne Vorgänge, die als solche nicht an den Maßstäben des § 1 UWG zu messen sind (vgl. Mees, Festschrift für Willi Erdmann, 2002, 657, 659). Beim Anbieten und Erbringen von Krematoriums- (Einäscherungs-)leistungen, die auch Private erbringen können, handelt die Beklagte zu 1 unbeschadet der sonstigen hoheitlichen Tätigkeit, die sie bei der Totenbestattung (vgl. Art. 149 Abs. 1 BV) im Friedhofsbereich entfaltet, zu Zwecken des Wettbewerbs. Sie konkurriert insoweit mit privatwirtschaftlich tätigen Dritten wie der Klägerin (vgl. BGH WRP 1993, 106, 107 – EWG-Baumusterprüfung). Ihr Verhalten ist objektiv geeignet, den eigenen Wettbewerb zum Nachteil der Wettbewerber zu begünstigen; es wird auch von einer entsprechenden subjektiven Absicht getragen. Eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht steht der Annahme eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs nicht entgegen (vgl. BGH GRUR 1982, 425, 430 – Brillen-Selbstabgabestellen).

cc)
Es kann im Streitfall dahinstehen, ob das geltende Steuerrecht die Erhebung von Umsatzsteuer bezüglich der Krematoriumsleistungen der Beklagten zu 1 in dem von der Klägerin behaupteten Umfang gebietet und ob der Beklagten zu 1, die im Einklang mit der seinerzeitigen Auffassung der Steuerbehörden über Jahre hinweg keine Umsatzsteuererklärungen bezüglich Krematoriumsleistungen abgegeben und nunmehr Einspruch gegen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Monate Januar 2002 bis Mai 2002 eingelegt hat, ein Verstoß gegen Steuervorschriften anzulasten ist. Im Hinblick auf die beschränkte Zielsetzung des § 1 UWG, die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zu schützen, ist der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit wettbewerbsbezogen auszulegen (vgl. BGH WRP 2002, 943, 944 – Elektroarbeiten; BGHZ 144, 255, 265 – Abgasemissionen). Demgemäß ist ein Marktverhalten nicht schon dann wettbewerbsrechtlich unlauter, wenn dem wettbewerblichen Verhalten ein Gesetzesverstoß vorausgegangen ist oder nachfolgt und es sich dabei um ein Gesetz handelt, das keinen auch nur sekundären Marktbezug (vgl. BGHZ 144, 255, 265-269 – Abgasemissionen) aufweist, d.h. nicht zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene, auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion (vgl. BGH NJW 2003, 586, 587 – Altautoverwertung) hat. Die von der Klägerin herangezogenen Vorschriften des Umsatz- und Körperschaftssteuerrechts weisen keinen auch nur sekundären Marktbezug auf; sie dienen der Erhebung von Steuern und wollen nicht die Marktverhältnisse im Sinne gleicher rechtlicher Voraussetzungen für die am Markt tätigen Mitbewerber regeln (vgl. Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1, Rdn. 498; vgl. auch Sack, WRP 1998, 683, 689 f zu Steuerhinterziehung). Zudem wendet sich die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern an die Mitgliedstaaten, nicht an Wettbewerber (vgl. Art. 249 Abs. 3 EG).

b)
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 auch nicht nach § 1 UWG i.V.m. Art. 87 ff EG zu. Es kann dahinstehen, ob es sich im Streitfall bei der Nichterhebung von Umsatzsteuer bezüglich Krematoriumsleistungen der Beklagten zu 1 um die Gewährung einer Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG seitens des Beklagten zu 2 handelt. Die Beklagte zu 1 hat aktiv keine Beihilfe beantragt, sondern lediglich über Jahre hinweg im Einklang mit der seinerzeitigen Auffassung der Steuerbehörden keine Umsatzsteuererklärungen bezüglich Krematoriumsleistungen abgegeben; daraus kann keine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit im Sinne von § 1 UWG abgeleitet werden. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte zu 1 Einspruch gegen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Monate Januar 2002 bis Mai 2002 eingelegt hat; insoweit handelt es sich nicht um ein Handeln im geschäftlichen Verkehr; sondern um die Geltendmachung eines Rechtsbehelfs, wie er jedem zu Steuern Herangezogenen zusteht (vgl. Art. 17, 19 Abs. 4 GG).

Außerdem weisen die ?eihilfevorschriften gemäß Art. 87 ff EG und die einschlägigen Durchführungsverordnungen (vgl. dazu Bartosch, NJW 2001, 921) keinen auch nur sekundären Marktbezug (vgl. BGHZ 144, 255, 265-269 – Abgasemissionen) auf; sie haben keine die Wettbewerber schützende Wirkung (vgl. Mees aaO S. 657, 664- 667; zustimmend Teplitzky, WRP 2003, 173, 180 f). Die Vorschriften über staatliche Beihilfen stellen einen Teil der Wettbewerbsregeln dar, die auf Art. 3 Buchst. b EG zurückgehen. Die Kontrolle von Beihilfen soll einen wirksamen Wettbewerb als wesentlichen Bestandteil der marktwirtschaftlichen Ordnung aufrecht erhalten; darüber hinaus trägt diese Kontrolle zur Vollendung des Binnenmarktes bei (vgl. Rawlinson in: Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag, 2. Aufl., Vorbem. Art. 87-89, Rdn. 2). Mögliche Auswirkungen auf die Lage von Wettbewerbern sind für das Beihilfeverbot des Art. 87 EG nicht entscheidend; es ist auf unmittelbar staatliche Leistungen beschränkt und erfährt seine Rechtsfertigung allein daraus, dass der Staat die Leistung erbringt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.03.2001 – C-379/98, in juris/CELEX dokumentiert, Preussen Elektra AG gegen Schleswag AG, insbes. Rdn. 61; Mees aaO S. 665-667). Ob die Bedingungen, unter denen sich Angebot und Nachfrage begegnen, durch die Gewährung einer Beihilfe verändert werden, ist für das Beihilfeverbot nicht entscheidend (vgl. Mees aaO S. 667); die Beihilfevorschriften haben nicht die Funktion, die Gegebenheiten eines bestimmten Marktes festzulegen und gleiche Voraussetzungen für die auf diesem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen (vgl. Mees aaO S. 666 f).

c)
Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 gemäß Berufungsantrag Nr. II auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 87, 88 Abs. 3 EG, § 1004 BGB zu. Es kann im Streitfall dahinstehen, ob die Beklagte zu 1 als möglicher Beihilfeempfänger Adressat der Beihilfevorschriften gemäß Art. 87, 88 Abs. 3 EG ist und ob sie dadurch, dass sie über Jahre hinweg im Einklang mit der seinerzeitigen Auffassung der Steuerbehörden keine Umsatzsteuererklärungen bezüglich Krematoriumsleistungen abgegeben und nunmehr Einspruch gegen diesbezügliche Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide eingelegt hat, einen hinreichenden Beitrag zu einer etwaigen Beihilfegewährung seitens des Beklagten zu 2 geleistet hat. Bei den genannten Beihilfevorschriften handelt es sich nach den vorstehenden Ausführungen (II. A. 2. b)) nicht um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, die den Schutz von Wettbewerbern bezwecken (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823, Rdn. 141 zum Begriff des Schutzgesetzes). Außerdem würde ein etwaiger Verstoß der Beklagten zu 1 gegen Beihilfevorschriften durch Entgegennahme einer Beihilfe nicht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch rechtfertigen, der auf die Unterlassung der Abrechnung von Krematoriumsleistungen ohne gesetzliche Mehrwertsteuer zielt.

B.
Berufung in Richtung gegen den Beklagten zu 2

Die Berufung in Richtung gegen den Beklagten zu 2 ist zulässig, aber nicht begründet.

1.
Den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügt die Berufungsbegründung im Hinblick auf den Beklagten zu 2 gerade noch. Allerdings setzt sich die Berufungsbegründung nicht im Einzelnen mit den Ausführungen des Landgerichts auseinander, mit denen dieses die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 begründet hat (UA S. 19-21). Die Berufungsbegründung lässt jedoch aus dem Gesamtzusammenhang der Argumentation heraus erkennen, dass die Klägerin den Beklagten zu 2 nach § 1 UWG wegen Förderung des Wettbewerbs der Beklagten zu 1 in Verbindung mit den behaupteten Verstößen gegen das Steuerrecht und das Beihilferecht für passivlegitimiert hält und insoweit das Urteil des Landgerichts, das eine Wettbewerbsabsicht des Beklagten zu 2 verneint hat, für fehlerhaft erachtet; das genügt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 520, Rdn. 23).

2.
Die Berufung in Richtung gegen den Beklagten zu 2 hat hinsichtlich des Hauptantrags (Berufungsantrag Nr. III) keinen Erfolg.

a)
Dem Senat ist es verwehrt zu prüfen, ob das Landgericht zu Recht angenommen hat, dass für die Klage gegen den Beklagten zu 2 der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist (§ 17a Abs. 5 GVG). Denn der Beklagte zu 2 hat die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Instanz nicht ausdrücklich gerügt (vgl. Baumach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 17a GVG, Rdn. 11, 15).

b)
Der gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Hauptantrag (Berufungsantrag Nr. III) ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat klargestellt, dass es ihr bei den „Leistungen des städtischen Krematoriums“, die nicht ohne Mehrwertsteuer abgerechnet werden sollen, um die im Schriftsatz vom 11.09.2001, S. 5 spezifizierten Leistungen geht (vgl. Schriftsatz vom 12.03.2003, S. 3), ausgenommen Einäscherung und Urnenversand.

c)
Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2 der mit dem Hauptantrag (Berufungsantrag Nr. III) geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder nach § 1 UWG i.V.m. § 2 Abs. 3 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 5 KStG i.V.m. Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern noch nach § 1 UWG i.V.m. Art. 87 ff EG zu. Der Beklagte zu 2 handelt bei der Steuererhebung und Anwendung der Steuervorschriften nicht im geschäftlichen Verkehr und auch nicht zu Zwecken des Wettbewerbs; es handelt sich dabei um eine hoheitliche, amtliche Tätigkeit, die nicht der Förderung eines Geschäftszwecks dient (vgl. BGH GRUR 1960, 384, 386 – Mampe Halb und Halb; Beater, Unlauterer Wettbewerb, § 11, Rdn. 16; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl UWG, Rdn. 211). Für die Entscheidung über die Gewährung einer Beihilfe gilt Entsprechendes (vgl. Mees aaO 659). Außerdem steht der Klägerin der mit dem Hauptantrag (Berufungsantrag Nr. III) geltend gemachte Unterlassungsanspruch – die entsprechende Verurteilung will die Klägerin mit einer Androhung nach § 890 ZPO versehen -, als solcher auch deshalb nicht zu, weil er, wie Termin vom 15.05.2003 erörtert, nicht auf ein Unterlassen, sondern auf die Vornahme einer Handlung, nämlich die Veranlagung zur Umsatzsteuer, gerichtet ist (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 1, Rdn. 8).

3.
Die Berufung in Richtung gegen den Beklagten zu 2 hat auch hinsichtlich des Hilfsantrags (Berufungsantrag Nr. IV) keinen Erfolg.

a)
Gemäß § 17a Abs. 5, § 17 Abs. 2 GVG ist es dem Senat auch verwehrt zu prüfen, ob hinsichtlich des erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachten Hilfsantrags (Berufungsantrag Nr. IV) der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist. Denn der betreffende Unterlassungsanspruch ist auf dasselbe Ziel gerichtet wie der gegen den Beklagten zu 2 bereits in erster Instanz geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß dem Hauptantrag ( Berufungsantrag Nr. III), nämlich auf die Veranlagung zur Umsatzsteuer bezüglich bestimmter Krematoriumsleistungen der Beklagten zu 1. Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch ist gegenüber dem mit dem vorstehend genannten Hauptantrag geltend gemachten Anspruch nicht im prozessualen Sinne selbständig, weshalb der Senat nach § 17a Abs. 5, § 17 Abs. 2 GVG über beide zu befinden hat (vgl. BGHZ 114, 1, 2 f).

b)
Der Hilfsantrag (Berufungsantrag Nr. IV) ist hinreichend bestimmt. Auf die vorstehenden Ausführungen unter II. B. 2. b), die entsprechend geltend, wird Bezug genommen.

c)
Der Klägerin steht der mit dem Hilfsantrag (Berufungsantrag Nr. IV) geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten zu 2 nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 87, 88 Abs. 3 EG, § 1004 BGB zu. Bei den Beihilfevorschriften handelt es sich nach den vorstehenden Ausführungen (II. A. 2. b), c)) nicht um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, die den Schutz von Wettbewerbern bezwecken (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 823, Rdn. 141 zum Begriff des Schutzgesetzes). Außerdem steht der Klägerin der mit dem Hilfsantrag (Berufungsantrag Nr. IV) geltend gemachte Unterlassungsanspruch – die entsprechende Verurteilung will die Klägerin mit einer Androhung nach § 890 ZPO versehen -, als solcher auch deshalb nicht zu, weil er, wie Termin vom 15.05.2003 erörtert, nicht auf ein Unterlassen, sondern auf die Vornahme einer Handlung, nämlich die Veranlagung zur Umsatzsteuer, gerichtet ist.

5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

6.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

7.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65).