VG Köln, Urteil vom 10.05.2016, Az. 7 K 2206/14
§ 29 Abs. 2 S. 1 AMG, § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 AMG, § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AMG
Den Volltext der Entscheidung finden Sie unten; eine kurze Zusammenfassung finden Sie hier (VG Köln – Dachmarke für Arzneimittel).
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Verwaltungsgericht Köln
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 29.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2014 verpflichtet, die Zulassungsbescheide für Q.-T. N (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) und Q.-T-I. (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) entsprechend der Änderungsanzeige vom 28.08.2008 in „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Saft“ und „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Tropfen“ zu ändern.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin der mit Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilten Zulassung für die Arzneimittel Q.-T.N (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) und Q.-T-I. (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) mit dem zugelassenen Anwendungsgebiet zur kurzzeitigen Anwendung bei Reizhusten.
Mit Änderungsanzeige vom 28.08.2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels „Q.-T.N“ in „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Saft“ sowie die Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels „Q.-T-I.“ in „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Tropfen“. Mit Schreiben vom 12.11.2009 wurden die beantragten Bezeichnungsänderungen beanstandet. Die Klägerin teilte hierauf unter dem 15.12.2009 mit, die Präparate seien seit dem 26.11.2008 unter der beantragten Bezeichnung auf dem Markt. Es sei von keinen Irreführungen der Verbraucher berichtet worden. Mit Bescheid vom 29.08.2012 lehnte die Beklagte die Änderung des Zulassungsbescheides wegen einer irreführenden Bezeichnung gemäß §§ 29 Abs. 2 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG ab. Die Behörde führte aus, die beantragten Bezeichnungen seien hinsichtlich der enthaltenen Wirkstoffe und der Nutzen- und Risikoprofile irreführend. Unter der Bezeichnung „T1.“ seien bis 2007 mehrere Arzneimittel mit dem Wirkstoff Clobutinol und ab 2002 Arzneimittel mit den Wirkstoff Dextromethorphan zugelassen, während die streitgegenständlichen Arzneimittel den Wirkstoff Pentoxyverin enthalten würden.
Die Klägerin erhob unter dem 28.09.2012 Widerspruch, den sie unter dem 07.12.2012 begründete. Der Bezeichnungsbestandteil „T1.“ sei eine reine Phantasiebezeichnung, die nicht mit einem bestimmten Wirkstoff in Verbindung gebracht werde. Es befinde sich ein deutlicher Hinweis auf den Wirkstoff in den Bezeichnungen. Die Präparate seien deutlich abgrenzbar von den Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Dextromethorphan, die durch den Zusatz „DMP“ kennzeichnet seien. Mit Bescheid vom 10.03.2014, der Klägerin zugestellt am 14.03.2014, wies das BfArM den Widerspruch als unbegründet zurück. Es verwies auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Ergänzend führte es aus, „T1.“ stelle eine prägende Marke dar, die national und international eine überragende Bekanntheit besitze. Lediglich in einem Zeitraum von vier Jahren seien unter Verwendung der Marke „T1.“ Arzneimittel mit den Wirkstoffen Clobutinol und Dextromethorphan im Verkehr gewesen. Seit August 2007 sei unter der Marke „T1.“ jedoch nur noch ein Wirkstoff, nämlich Dextromethorphan, im Verkehr. Aus dem firmeneigenen Internetauftritt sowie auf Informationsseiten von Apothekern sei nicht erkennbar, dass in den verschiedenen Arzneimitteln unterschiedliche Wirkstoffe enthalten seien. Es bestünden auch Gesundheitsgefahren bei Verwechslung der Wirkstoffe.
Die Klägerin hat am 14.04.2014 Klage erhoben. Sie trägt vor, es liege keine irreführende Bezeichnung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG vor. Die Verkehrskreise seien seit Jahren damit vertraut, dass Arzneimittel unter Verwendung der Marke „T1.“ verschiedene Wirkstoffe enthielten. In den Jahren 2004 bis 2012 seien unterschiedliche Wirkstoffe mit zueinander wechselnden Verhältnissen unter dem Namen „T1.“ in den Verkehr gebracht worden. Ursprünglich seien unter dem Namen „T1.“ Arzneimittel mit Clobutinol und seit 2002 auch Arzneimittel mit Dextromethorphan zugelassen. Seit dem Jahr 2008 seien zudem pentoxyverinhaltige Arzneimittel unter Verwendung des Bezeichnungsbestandteils „T1.“ am Markt verfügbar. Seit dem Jahr 2007 seien die Arzneimittel mit Clobutinol nicht mehr im Verkehr. Der Verbraucher erwarte unter dem Namen „T1.“ lediglich ein Arzneimittel gegen Reizhusten. Das Risikoprofil von Dextromethorphan und Pentoxyverin weise keine wesentlichen und erheblichen Unterschiede auf. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht. Die Arzneimittel „T1. DMP“ mit dem Wirkstoff Dextromethorphan sowie die streitgegenständlichen Arzneimittel seien jeweils zur Behandlung von Reizhusten zugelassen. Verständige Verbraucher würden sich vor Einnahme eines Arzneimittels auch über die Dosierung und Anwendbarkeit bei Kindern informieren. Eine Identität der Verpackungen bestehe nicht, da diese die nach §§ 10 ff. AMG vorgeschriebenen Pflichtkennzeichnungselemente enthielte.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 29.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2014 zu verpflichten, der Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels Q.-T.N in T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Saft sowie der Änderung der Bezeichnung des Arzneimittels Q.-T-I. in T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Tropfen zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und bezieht sich auf die Begründung im Verwaltungsverfahren. Die Beklagte teilte jedoch mit, es sei akzeptabel, dass mit „T1.“ kein Wirkstoff verbunden werde, sondern nur ein Mittel gegen Reizhusten. Der Zusatz Pentoxyverin sei für den Anwender jedoch nicht aussagekräftig, so dass eine Verwechslungsgefahr der verschiedenen mit „T1.“ bezeichneten Arzneimittel bestehe.
Das Design der T1.-Serie sowie die Anzeige im Kontext der Markteinführung der streitgegenständlichen Arzneimittel „Eine Marke – Drei Darreichungsformen“ überdecke den Umstand, dass es sich um verschiedene Wirkstoffe handele. Die unklare Bezeichnung des Arzneimittels „T1. DMP gegen Reizhusten“ könne dazu führen, dass der Verbraucher bei diesem Arzneimittel ebenfalls den Wirkstoff Pentoxyverin erwarte, da er mit „DMP“ nicht den Wirkstoff Dextromethorphan verbinde. Die Verbraucher gingen davon aus, dass alle T1.-Präparate austauschbar seien. Hierbei bestünden erhebliche Gefahren, insbesondere für Kinder. Die Präparate mit Dextromethorphan seien erst ab 12 Jahren anwendbar, während die streitgegenständlichen Arzneimittel bereits für Kinder ab 2 Jahren zugelassen seien. Bei Dextromethorphan bestehe aufgrund seiner psychotropen Wirkung das Risiko des Missbrauchs und einer Abhängigkeitsentwicklung. Pentoxyverin könne nach neueren Erkenntnissen besonders bei kleinen Kindern zu Atemdepression führen. Die Kontraindikationen sowie die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen seien zudem unterschiedlich. Die Verwechslungsgefahr erhöhe sich noch, wenn das bereits zugelassene Arzneimittel „T1. DMP Sirup“ am Markt eingeführt werde.
Es bestehe auch eine Verwechslungsgefahr zu den nicht mehr zugelassenen Präparaten mit dem Wirkstoff Clobutinol. Denn unter der Marke „T1.“ seien von 1961 bis 2007 nur Präparate mit dem Wirkstoff Clobutinol vertrieben worden. Aufgrund des Verdachtes, Clobutinol könne Herzrhythmusstörungen verursachen, sei auf die Zulassung dieser Arzneimittel verzichtet worden. Die streitgegenständliche Bezeichnungsänderung diene dazu, die flüssigen clobutinolhaltigen Arzneimittel durch pentoxyverinhaltige Arzneimittel unter Beibehaltung des Markennamens zu ersetzen. Eine umfassende Auswertung von Nebenwirkungsmeldungen in der UAW-Datenbank des BfArM zur Marke „T1.“ belege, dass sich das Risiko von Fehlvorstellungen und Missverständnissen bereits realisiert habe. So seien Nebenwirkungsmeldungen fälschlicherweise zu anderen, teilweise nicht mehr am Markt vertriebenen Produkten der Dachmarkenserie abgegeben oder seien aufgrund der vagen Bezeichnung keinem spezifischen Präparat zuzuordnen gewesen. Im Auswertungszeitraum seien 96 von insgesamt 162 Meldungen für ein clobutinolhaltiges Arzneimittel abgegeben worden. Nach Ablauf der letzten Chargen der clobutinolhaltigen Präparate am 31.07.2011 seien noch 46 Fälle zu Clobutinol eingegangen (Anlage B 4). Auch habe es zwei Fälle gegeben, in denen die Klägerin selbst das Präparat in der UAW-Datenbank nicht richtig zugeordnet habe. Im Zeitraum vom 01.08.2014 bis 31.07.2015 seien in der Pharmakovigilanz-Datenbank der Klägerin acht Verdachtsfälle zu Clobutinol gemeldet worden.
Die Beklagte schlug als Alternativbezeichnung „T2.“ vor („T3.“ von T1. plus „w. “ von Pentoxyverin). Dem Vorschlag hat die Klägerin nicht zugestimmt.
Hinsichtlich der Nebenwirkungsmeldungen trägt die Klägerin vor, diese seien nicht geeignet ein Irreführungspotential zu belegen. Es seien tatsächlich nur sieben Meldungen zu dem Wirkstoff Clobutinol im Auswertungszeitraum von 4,5 Jahren vorgekommen. Dies werde durch die Spalte „gemeldeter Wirkstoff“ der von der Beklagten eingereichten Anlage B4 belegt. Bei den weiteren unter Clobutinol erfassten Fälle handele es sich um einen Codierungsfehler der Datenbank. Die Datenbank enthalte zudem nicht die bereits seit 2008 geänderten Bezeichnungen der streitgegenständlichen Präparate.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des BfArM vom 29.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Änderung der Arzneimittelbezeichnungen in „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Saft“ und „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Tropfen“, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG. Ein Versagungsgrund gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AMG liegt nicht vor. Die begehrten Bezeichnungen sind mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG vereinbar.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG ist es verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung versehen sind. Eine Bezeichnung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise unrichtige Vorstellungen über die Art, die Qualität, die therapeutische Wirksamkeit oder über sonstige wesentliche Merkmale des Arzneimittels wie seine Zusammensetzung oder Anwendungsart auszulösen. Maßgeblich für die Bewertung ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Adressaten. Bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals gelten mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsguts Gesundheit und wegen der hohen Werbewirkung gesundheitsbezogener Aussagen besonders strenge Anforderungen an den Ausschluss einer Irreführung.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009 – 13 A 2147/06 -.
Verbraucher und Adressat einer Arzneimittelbezeichnung sind die angesprochenen Verkehrskreise. Soweit sich die Bezeichnung eines Arzneimittels auch an fachlich informierte Personengruppen wie Ärzte und Apotheker sowie an die mit der Arzneimittelzulassung und -überwachung betrauten Behörden richtet, ist eine Irreführung alleine durch die Bezeichnung des Präparates in der Regel nicht zu erwarten. Denn diese Berufsgruppen sind gehalten, sich über Eigenschaften eines Arzneimittels anhand anderer Quellen, insbesondere über die Gebrauchs- und Fachinformation kundig zu machen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009, a.a.O.
Die Bezeichnung eines Arzneimittels richtet sich auch und gerade an den Patienten. Ihre Funktion liegt aus der Sicht des pharmazeutischen Unternehmers darin, auf das Arzneimittel aufmerksam zu machen. Dies gilt umso mehr bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die Bezeichnung hat gerade dort auch im Sinne einer Marke werbende Funktion. Hier erfolgt eine hinreichende Korrektur möglicher Fehlvorstellungen nicht generell durch den Apotheker. Ungeachtet neuer Vertriebswege wie dem Versand über Internet-Apotheken findet regelmäßig kein oder nur ein sehr eingeschränktes Informationsgespräch zwischen Käufer und Apotheker statt.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.08.2009, a.a.O. unter Hinweis auf OLG Köln, Urteil vom 28.05.2008 – 6 U 27/08 -.
Fehlvorstellungen über den Wirkstoff und seine Anwendung sind folglich nicht alleine deshalb mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, weil ein Arzneimittel apothekenpflichtig ist. Auch in der Arzneimittelwerbung wird in aller Regel der Name eines Präparates als maßgebliches Kriterium für die Wiedererkennung durch den Verbraucher in den Vordergrund gestellt.
Die Nutzung einer Dachmarke, wie „T1.“, für ein Arzneimittel mit abweichendem Wirkstoff kann grundsätzlich irreführend sein. Maßgeblich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Unterschiede der Arzneimittel und der Gefahren, die bei einer etwaigen Verwechslung bestehen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.06.2013 – 13 A 1113/11-; Urteil vom 12.02.2014 – 13 A 1377/13-.
Unter Würdigung aller Umstände sind die Bezeichnungen „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Saft“ und „T1. gegen Reizhusten Pentoxyverin Tropfen“ nicht irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG.
Zwar steht die Hauptbezeichnung „T1.“ aufgrund der Stellung am Anfang des Arzneimittelnamens und der optischen Hervorhebung auf der Verpackung im Vordergrund, so dass der Verbraucher der Dachmarke besondere Bedeutung zumessen wird. Die gedankliche Verbindung der Arzneimittel mit der Dachmarke „T1.“ führt vorliegend jedoch nicht zu einer Fehlvorstellung über den enthaltenen Wirkstoff. Denn der Name der Dachmarke erzeugt lediglich eine Verbindung mit einem bestimmten Anwendungsgebiet. So wird „T1.“ mit dem Anwendungsgebiet der Behandlung von Reizhusten in Verbindung gebracht. Die Dachmarke ist jedoch nicht durch einen bestimmten Wirkstoff geprägt. Dies ergibt sich zunächst aus der Wortbedeutung der verwendeten Dachmarke selbst. Bei „T1.“ handelt es sich um einen Phantasienamen, der nicht einen bestimmten Wirkstoff im Namen enthält. Die Verbindung zu der Behandlung von Reizhusten wird auch durch die Bezeichnung der Präparate selbst, die Werbung und dem Internetauftritt von „T1.“ verstärkt. In allen Arzneimittelbezeichnungen unter der Dachmarke „T1.“ ist der Zusatz „gegen Reizhusten“ genannt. Auf der Internetseite von „T1.“ wird ebenfalls die Behandlung gegen Reizhusten in den Vordergrund gestellt. So wird mit dem Slogan „schnelle Ruhe bei Reizhusten“ geworben. Auch enthält die Internetseite allgemeine Informationen zu Husten (Hustenarten, Hustentest und Hörbeispiele) sowie Tipps zur Vorbeugung von Erkältungskrankheiten und der Stärkung des Immunsystems. Zudem ist zu berücksichtigen, dass unter der Dachmarke „T1.“ bereits drei verschiedene Wirkstoffe im Verkehr waren. So wurden zunächst von 1961 bis 2007 Präparate mit dem Wirkstoff Clobutinol vertrieben. Seit dem Jahr 2002 werden Präparate mit dem Wirkstoff Dextromethorphan und seit 2008 die streitgegenständlichen Präparate unter dem Namen „T1.“ vertrieben. Auch die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.11.2014 von der Auffassung Abstand genommen, dass die Dachmarke „T1.“ mit einem bestimmten Wirkstoff verbunden wird.
Eine Irreführung der Verbraucher über die Austauschbarbeit aller T1.-Präparate liegt auch nicht vor. Es ist nicht anzunehmen, dass ein verständiger und aufmerksamer Verbraucher die streitgegenständlichen Präparate mit anderen Präparaten der Firma „T1.“ verwechselt, weil er annimmt, es handele sich um identische Arzneimittel, die austauschbar seien. Die streitgegenständlichen Präparate enthalten den Wirkstoff Pentoxyverin bereits gut lesbar in der Bezeichnung. Die Arzneimittel mit dem Wirkstoff Dextromethorphan enthalten zwar nur die Abkürzung „DMP“ in der Bezeichnung. Auch wenn der Verbraucher mit dieser Abkürzung keinen Wirkstoff verbindet, so wird aufgrund der unterschiedlichen Zusätze jedoch deutlich, dass es sich um verschiedene Präparate handelt. Die Abgrenzbarkeit der Arzneimittel wird auch dadurch verstärkt, dass sich die derzeit auf dem Markt befindlichen Präparate in ihrer Darreichungsform unterscheiden (Saft, Tropfen, Lutschpastillen und Kapseln).
Die von der Beklagten aufgeführten falschen Nebenwirkungsmeldungen in ihrer UAW-Datenbank belegen nicht, dass die Verbraucher die verschiedenen Präparate von „T1.“ miteinander verwechseln. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass die Fehlerhaftigkeit von Nebenwirkungsmeldungen die Gewährleistung der Sicherheit von Arzneimitteln gefährden kann. Die Fehlerhaftigkeit der Nebenwirkungsmeldungen resultiert jedoch nicht aus einer Verwechslung der Präparate aufgrund ihrer Bezeichnung, sondern aus der spezifischen Ausgestaltung der Datenbank zu den Nebenwirkungsmeldungen. Der Datenbank sind 96 Meldungen zu dem Wirkstoff Clobutinol im Zeitraum vom 01.08.2008 bis 22.01.2016 von insgesamt 162 Meldungen zu entnehmen. Trotz Verzichts auf die Zulassung der clobutinolhaltigen Arzneimittel am 31.08.2007 mit Rückruf und Ablauf der letzten Charge zum 31.07.2011, liegen nach dem 31.07.2011 noch 46 Fälle zu dem Wirkstoff Clobutinol laut der Datenbank vor. Tatsächlich wurde jedoch nur in sieben Fällen der Wirkstoff Clobutinol von dem Anzeigenden selbst angegeben (Spalte „gemeldeter Wirkstoff“). In den restlichen Fällen wurde der Wirkstoff Clobutinol von der Datenbank automatisch erfasst (Spalte „codierter Wirkstoff“), weil die Meldungen nicht einem bestimmten Präparat bzw. Wirkstoff zuzuordnen waren. Die Ursache hierfür liegt darin, dass keine Zulassungsnummer bei den Meldungen abgefragt wird, sondern nur die Bezeichnung des Arzneimittels. In einer Vielzahl von Fällen wird jedoch die Bezeichnung des Präparates nicht richtig und vollständig angegeben, so dass die Meldung keinem Arzneimittel zugeordnet werden kann. Die unrichtige oder nicht vollständige Angabe der Arzneimittelbezeichnung belegt jedoch keine Verwechslung durch die Anzeigenden. Vielmehr ist es lebensnah, dass der Verbraucher sich der Bedeutung der Angabe des vollständigen Arzneimittelnamens nicht bewusst ist und sich auch nicht in jedem Fall an die exakte Bezeichnung erinnern kann. Hierzu tritt der Umstand, dass die UAW-Datenbank des BfArM nicht die aktuellen Bezeichnungen der T1.-Präparate enthält, sondern die alten Bezeichnungen. Es ist auch nicht nachvollziehbar, ob die sieben gemeldeten Fälle zu Clobutinol tatsächlich auf einer Verwechslung mit einem anderen Präparat der Marke „T1.“ beruhen. Da die clobutinolhaltigen Arzneimittel der Marke „T1.“ seit ca. neun Jahren nicht mehr vertrieben werden, ist eine Verbindung der Marke „T1.“ mit dem Wirkstoff Clobutinol eher fernliegend. Selbst wenn den Falschmeldungen eine falsche Verbraucherwartung zugrunde liegen würde, wäre diese nicht geeignet eine generelle Verwechslungsgefahr zu belegen. Ausgehend von den Nebenwirkungsmeldungen, in denen tatsächlich der Wirkstoff Clobutinol angegeben wurde, liegen nur sieben Fälle in fünf Jahren vor.
Selbst wenn jedoch eine Verwechslungsgefahr bejaht werden würde, dürften die zu erwartenden Gesundheitsgefahren geringfügig sein.
Soweit ein Verbraucher bei T1.-Produkten ähnliche Wirkungen bei Reizhusten erwartet, ist diese Erwartung berechtigt. Denn die Anwendungsgebiete der unter der Dachmarke „T1.“ auf dem Markt befindlichen Wirkstoffe Pentoxyverin und Dextromethorphan stimmen überein. Beide Wirkstoffe werden zur Behandlung von Reizhusten eingesetzt. Sie sind auch der gleichen Wirkstoffgruppe zuzuordnen und der Wirkmechanismus ist identisch. Beide Substanzen gehören zu den sogenannten Antitussiva. Dies bedeutet, sie heben die Reizschwelle im Hustenzentrum an und senken somit die Hustfrequenz und –intensität.
Die vorliegenden Unterschiede in den Nebenwirkungen der Wirkstoffe sind nicht erheblich. Die Vorstellung, ein Verbraucher erwarte von verschiedenen Arzneimitteln einer Dachmarke ein gleiches Risikoprofil, ist eher fernliegend. Denn Arzneimittel einer Serie weisen allgemein häufig unterschiedliche Stärken und Darreichungsformen auf, aus denen sich unterschiedliche Risiken ergeben können.
Vgl. VG Köln, Urteil vom 16.09.2014 – 7 K 4821/12-.
Auch die Unterschiede der Wirkstoffe hinsichtlich der Kontraindikationen führen nicht zu der Annahme schwerwiegender Gesundheitsgefahren. Kontraindikationen sind für Dextromethorphan unter anderem Asthma, chronisch obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) und Ateminsuffizienz, während Pentoxyverin bei Grunderkrankungen wie Asthma und COPD eingenommen werden kann. Bei Vorliegen einer solchen Grunderkrankung ist von einem verständigen und aufmerksamen Verbraucher zu erwarten, dass er sich gründlich über den enthaltenen Wirkstoff informiert und die Packungsbeilage liest. Die Kontraindikationen sind direkt am Anfang der Packungsbeilage unter Punkt 2 aufgeführt.
Es bestehen zwar auch unterschiedliche Altersgrenzen und Dosierungsangaben. Dies führt jedoch ebenfalls nicht zu der Annahme einer erheblichen Gesundheitsgefahr bei Verwechslung der Präparate,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.02.2014 – 13 A 1377/13-.
Denn ein aufmerksamer und verständiger Verbraucher wird sich auch bei ihm bekannten Arzneimitteln über die Dosierung und Anwendbarkeit bei Kindern informieren. Insbesondere hängt die Dosierung der pentoxyverinhaltigen Präparate bei Kindern ab 2 Jahren von dem jeweiligen Gewicht ab, so dass eine Information anhand der Packungsbeilage unerlässlich ist. Der Verbraucher wird nicht davon ausgehen, dass alle Arzneimittel einer Marke hinsichtlich der Wirkstoffmenge gleich sind. Eine Überdosierung oder die Verabreichung eines nicht für Kinder unter 12 Jahren zugelassenen Präparates mit dem Wirkstoff Dextromethorphan aufgrund einer unterlassenen Information stellt einen Arzneimittelmissbrauch dar, der jedoch nicht auf die Bezeichnung des Arzneimittels zurückzuführen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.