OLG Stuttgart, Urteil vom 05.07.2018, Az. 2 U 167/17
§ 3a UWG
Die Entscheidung des OLG Stuttgart haben wir hier zusammengefasst (OLG Stuttgart – Werbung auf Grabsteinen), den Volltext finden Sie nachfolgend:
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Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil
I.
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 22.09.2017 – Kn 8 O 148/17 – wie folgt abgeändert:
Die Verfügungsbeklagten Ziff. 1 und 2 werden im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,
a)
auf dem Friedhof der Stadt L. mit Werbeaufschriften auf Grabmalen zu werben oder werben zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
[Abb.]
b)
auf dem Friedhof der Gemeinde T. mit Werbeaufschriften auf Grabmalen zu werben oder werben zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
[Abb.]
c)
auf dem Friedhof der Gemeinde U. mit Werbeaufschriften auf Grabmalen zu werben oder werben zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
[Abb.]
d)
auf dem Friedhof der Stadt B. mit Werbeaufschriften auf Grabmalen zu werben oder werben zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
[Abb.]
II.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III.
Von den Gerichtskosten der beiden Rechtszüge tragen die Verfügungsklägerin 60 % und die Verfügungsbeklagten Ziff. 1 und 2 jeweils 20 %. Die Verfügungsbeklagten Ziff. 1 und 2 tragen jeweils 20 % der außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin. Die Verfügungsklägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten Ziff. 3, 4 und 5. Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Streitwert für beide Rechtszüge: 240.000,00 Euro (im Verhältnis der Verfügungsklägerin zu jedem Verfügungsbeklagten: jeweils 48.000,00 Euro).
Gründe
A.
Die Verfügungsklägerin verlangt von der Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Anbringung bestimmter Firmenschilder auf Grabsteinen zu unterlassen.
Die Verfügungsklägerin verkauft Grabmale, sog. Urnensäulen, die sie u.a. über das Internet vertreibt. Die Verfügungsbeklagte Ziff. 1 stellt Grabsteine her, die sie auf verschiedenen Friedhöfen aufstellt und an ihnen ein Firmenschild der Größe von ca. 9 cm x 2 cm anbringt. Darauf ist neben der Unternehmensbezeichnung „M. Grabmale“ der Sitz des Unternehmens sowie die Telefonnummer angebracht (vgl. die in der Urteilsformel wiedergegebenen Lichtbilder).
Die Verfügungsklägerin sieht hierin einen Verstoß gegen die jeweiligen Friedhofssatzungen der betreffenden Kommunen, wonach es auf dem Friedhof nicht gestattet sei, „Waren und gewerbliche Dienste anzubieten“ (§ 3 Absatz 2 Nr. 6 der Satzungen von L., T. und U., § 3 Absatz 2 Buchst. g der Satzung von B.) sowie einen Verstoß gegen § 7 UWG.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde erstinstanzlich zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, es liege zwar ein Verstoß gegen die Friedhofssatzungen vor, dieser sei jedoch nicht spürbar, weil die Beschriftung lediglich aus geringer Entfernung entziffert werden könne.
Mit der Berufung verfolgt die Verfügungsklägerin ihre Ansprüche sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen ihre Gesellschafter, die Verfügungsbeklagten Ziff. 2 bis 5, weiter.
Sie beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Heilbronn vom 22.09.2017 (Kn 8 O 148/17) gegen jeden der Verfügungsbeklagten die einstweilige Verfügung – wie in der Urteilsformel – zu erlassen. Die Verfügungsbeklagten beantragen die Zurückweisung der Berufung.
B.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Ansprüche der Verfügungsklägerin – nur – gegen die Verfügungsbeklagten Ziff. 1 und 2 auf Unterlassung aus § 8 Absatz 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG und jeweils § 3 Absatz 2 Nr. 6 der Friedhofssatzungen der Städte L. (Anlage AS 5) und der Gemeinden T. (Anlage AS 6) und U. (Anlage AS 7) sowie § 3 Absatz 2 g der Friedhofssatzung der Stadt F. (Anlage AS 8) sind im Wege der einstweiligen Verfügung zu sichern. Die Verfügungsanträge gegen die Verfügungsbeklagten Ziff. 3 bis 5 sind unbegründet und daher zurückzuweisen.
I.
Der Verfügungsanträge sind zulässig.
1.
Die Anträge sind nicht zu unbestimmt im Sinne von § 253 Absatz 2 ZPO (Bl. 488).
Ein Verbotsantrag darf zwar nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und, wenn dem gestellten Antrag im Erkenntnisverfahren stattgegeben würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen würde (BGH, Urteil vom 11. Oktober 1990 – I ZR 35/89, juris Rn. 18 – Unbestimmter Unterlassungsantrag).
Ein auf Unterlassung einer konkreten Verletzungsform gerichteter Antrag ist jedoch regelmäßig ausreichend bestimmt. Die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrages ist in der Regel dann unproblematisch, wenn der Kläger lediglich das Verbot der Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist (BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 202/07, juris Rn. 36 – Erinnerungswerbung im Internet). Wird dem Beklagten untersagt, erneut in der beanstandeten Form zu werben, kann für ihn nicht zweifelhaft sein, wie er sich in Zukunft zu verhalten hat. Er hat künftig jegliche Werbung, die aus der gesamten Anzeige besteht, zu unterlassen (BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 – I ZR 180/98, juris Rn. 16 – TCM-Zentrum). Anders als Antragsfassungen, die die konkrete Verletzungsform – etwa eingeleitet durch die Wörter „insbesondere wie“ – nur als Beispiel heranziehen, wird durch die unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete Werbeanzeige mit dem Vergleichspartikel „wie“ in der Regel deutlich gemacht, dass Gegenstand des Antrags allein die konkrete Werbeanzeige sein soll, wobei die abstrakt formulierten Merkmale die Funktion haben mögen, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen (BGH, Urteil vom 02. Juni 2005 – I ZR 252/02, juris Rn. 14). In einem solchen Fall bildet die Werbeanzeige in ihrer Gesamtheit den Streitgegenstand und der Kläger überlässt es bei einem Erfolg der Klage, dem Gericht zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird (BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11, juris Rn. 24 – Biomineralwasser).
2.
Der Antrag ist auch nicht missbräuchlich. Nach § 8 Absatz 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Missbrauch ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen (BGH, Urteil vom 06. Oktober 2011 – I ZR 42/10, juris Rn. 13 – Falsche Suchrubrik).
a)
Ein Missbrauch ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt, dass sich die Anträge auf kerngleiche Verletzungshandlungen bezögen und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfangs zu einer Vervielfachung des Streitwerts führten (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 199/10, juris Rn. 19 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung). Insofern besteht hier zwar bei allen vier Sachanträgen ein enger Sachzusammenhang, weil es sich um sehr ähnliche Lebenssachverhalte – insbesondere um sehr ähnliche Firmenschilder – handelt. Eine Kerngleichheit folgt hieraus jedoch nicht zwingend, denn die Abmahnung stützt sich auf einen Rechtsbruchtatbestand im Sinne von § 3a UWG, ergibt sich also erst durch Heranziehung einer außerhalb des Wettbewerbsrechts bestehenden Norm. Die Vorschriften, gegen die hier verstoßen wurde, sind in verschiedenen Gemeindesatzungen über die Benutzung des Friedhofs enthalten. Es kann dem Antragsteller nicht als unsachgerechtes Vorgehen zur Last gelegt werden, wenn er – um den sichersten Weg zu wählen – zu jeder verletzten Norm (wenngleich sie im Wortlaut ähnlich oder gar identisch sind) einen eigenen Antrag stellt (vgl. die Begründung der Vorgehensweise auf Bl. 98, 366), zumal denkbar ist, dass im Einzelfall eine Norm anders anzuwenden ist (z.B. weil eine der Kommunen eine Ausnahmebestimmung aufnimmt oder eine Ausnahmegenehmigung erteilt).
b)
Ob die Abmahnung lediglich eine Reaktion auf ein entsprechendes Vorgehen der Gegenseite darstellt, ist unerheblich, denn dies begründet im Allgemeinen nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs (OLG Köln, Urteil vom 21. August 2015 – I-6 U 41/15, juris Rn. 29). Weiter ist unerheblich, ob die Verfügungsklägerin nur gegen die Verfügungsbeklagten, nicht aber gegen andere Unternehmen vorgeht, die in gleicher oder ähnlicher Weise verbotswidrig Werbung betreiben (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19. November 2009 – 2 U 40/09, juris Rn. 44).
3.
Es besteht auch ein Verfügungsgrund.
Gemäß §§ 935, 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen nur zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. In Wettbewerbssachen besteht zur Sicherung von Unterlassungsansprüchen nach § 12 Absatz 2 UWG eine dahingehende Vermutung, die vom Unterlassungsschuldner widerlegt werden kann. Dabei kann die zugunsten des Antragstellers bestehende Vermutung der Dringlichkeit durch dessen eigenes Verhalten widerlegt werden. Sie entfällt insbesondere dann, wenn der Antragsteller mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet oder das Verfahren nicht zügig, sondern schleppend betreibt (BGH, Beschluss vom 01. Juli 1999 – I ZB 7/99, juris Rn. 10/11). Nach der Rechtsprechung des Senates ist eine Zeitspanne von unter einem Monat – abgesehen von Fällen der besonderen Dringlichkeit, wie sie beispielsweise bei Messe- oder Marktsachen häufig gegeben sein wird – regelmäßig unschädlich, wohingegen ein Zuwarten von über acht Wochen regelmäßig die Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Jedoch sind die Besonderheiten des Falles zu berücksichtigen (OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Oktober 2017 – 2 U 162/16, juris Rn. 49).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt. Der Verfügungsantrag ging am 23.08.2017 beim Landgericht ein. Nach den durch die eidesstattlichen Versicherungen der beiden Geschäftsführer der Verfügungsklägerin glaubhaft gemachten Angaben haben diese erst am 19.07.2017 Kenntnis von den Firmenschildern auf den Friedhöfen L. und T. Kenntnis erlangt (Anlage AS 27, 31 = Bl. 416, 432). Weiter hat die Verfügungsklägerin vorgetragen, sie habe hinsichtlich der Friedhöfe U. und B. kurz nach dem 26.07.2017 von den Firmenschildern erfahren (Bl. 218). Betreffend die Anträge 3 und 4 ist die o.g. Monatsfrist damit gewahrt. Die geringfügige Überschreitung der nach gesetzlicher Fristenbestimmung am 21.08.2017 endenden Frist für die Anträge 1 und 2 ist dadurch gerechtfertigt, dass die Verfügungsklägerin eine Reaktion der Verfügungsbeklagten auf die ausgesprochene Abmahnung abwarten konnte.
Die Verfügungsbeklagten dringen nicht mit dem Vortrag durch, es sei davon auszugehen, dass die Verfügungsklägerin wegen ihrer Dienstleistungen als Bestattungsunternehmen von den Firmenschildern schon zuvor Kenntnis genommen habe, z.B. bei dem Aushub von Gräbern. Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin ist dieser Darstellung in seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat nachvollziehbar entgegengetreten.
Den Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Verstoß hat der Schuldner darzulegen und glaubhaft zu machen, da es ihm obliegt, die gesetzliche, durch den Verstoß begründete Vermutung zu widerlegen und nicht bloß zu erschüttern (OLG Stuttgart, Urteil vom 12. Oktober 2017 – 2 U 162/16, juris Rn. 48). Konkrete Umstände, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Verfügungsklägerin bzw. ein zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen berufener Mitarbeiter vor den o.g. Zeitpunkten positive Kenntnis von den Firmenschildern oder insoweit eine grob fahrlässige Unkenntnis vorgelegen hätte, haben die Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft gemacht. Ihr Vorbringen beschränkt sich auf abstrakte Erwägungen, die nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad auf positive Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Verfügungsklägerin schließen lassen.
II.
Der Antrag ist begründet, soweit er sich gegen die Verfügungsbeklagten Ziff. 1 und 2 richtet.
1.
Die Verfügungsklägerin ist als Mitbewerber gemäß § 8 Absatz 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert.
Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht (§ 2 Absatz 1 Nr. 3 UWG). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist immer dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 92/09, juris Rn. 17 – Sportwetten im Internet II).
Nach diesen Maßstäben liegt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 vor, da es sich bei den von der Verfügungsklägerin hergestellten Urnensäulen und den von der Verfügungsbeklagten hergestellten Grabsteinen um gleichartige Waren handelt, da es sich jeweils um ein Gedenk- und Erinnerungsmal an der Grabstätte eines Toten handelt. Soweit die Verfügungsbeklagte den Verkauf von Grabmälern durch die Verfügungsklägerin bestritten hat (Bl. 35), ist dies durch Vorlage von Bildschirmausdrucke der Internetseite glaubhaft gemacht worden (Bl. 7, Anlage AS 3). Ob solche Urnensäulen auch auf den fraglichen Friedhöfen verkauft wurden, ist für die Begründung des Wettbewerbsverhältnisses unerheblich, da die Verfügungsklägerin über das Internet ihre Produkte bundesweit – und damit jedenfalls auch dort – anbietet.
III.
Es liegt eine unlautere Handlung vor.
1.
Nach § 3a UWG begeht eine im Sinne von § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Als Marktverhalten im Sinne von § 3a UWG ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, die objektiv der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient und durch die ein Unternehmer auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt (OLG Stuttgart, Urteil vom 08. Juni 2017 – 2 U 127/16, juris Rn. 28). Die hier fraglichen Bestimmungen stellen solche Marktverhaltensregelungen dar (BGH, Urteil vom 21. Juli 2005 – I ZR 170/02, juris Rn. 24 – Friedhofsruhe), denn nach ihnen ist es auf dem Friedhof nicht gestattet, „Waren und gewerbliche Dienste anzubieten“.
Zwar kann im Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG ein Verstoß gegen eine nationale Marktverhaltensregel die Unlauterkeit nach § 3a UWG nur begründen, wenn diese nationale Bestimmung eine unionsrechtliche Grundlage hat (BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 – I ZR 61/14, juris Rn. 13 – Wir helfen im Trauerfall; BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 23/08, juris Rn. 11 – Costa del Sol). Durchsetzbar bleiben allerdings, wie sich aus dem Erwägungsgrund 7 zu der genannten Richtlinie ergibt, nationale Verbote aus Gründen der guten Sitten und des Anstandes (Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 3a UWG Rn. 1.30). Um solche Bestimmungen handelt es sich hier, da die Regelungen in den Friedhofssatzungen dazu dienen, die Würde des Friedhofs zu schützen.
2.
Die Verfügungsbeklagte hat durch das Anbringen der streitgegenständlichen Firmenschilder gegen das Werbeverbot auf Friedhöfen verstoßen. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Firmenschilder ein „Anbieten“ von Waren und gewerblichen Dienstleistungen im Sinne der Friedhofssatzungen darstellen.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist es für ein Anbieten von Waren im Sinne dieser Satzungsbestimmung nicht erforderlich, dass die Waren zum sofortigen Kauf feilgeboten werden. Vielmehr wird es durch den Satzungsgeber als mit der Würde des Ortes unvereinbar angesehen, wenn Gewerbetreibende auf dem Friedhof kommerzielle Interessen verfolgen. Zurecht geht das Landgericht daher davon aus, dass unter einem „Anbieten“ im Sinne der Satzungen jede auf den Vertrieb gerichtete Handlung einschließlich der Werbung und dem Feilhalten zu verstehen ist, wobei insoweit maßgeblich ist, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Maßnahme verstehen, vorliegend also vor allem Verbraucher, die als Besucher des Friedhofs die Firmenschilder wahrnehmen. Ein durchschnittlich informierter, verständiger und situationsadäquat aufmerksamer Verbraucher aber versteht die Firmenschilder in ihrer Kombination von ansprechender, individuell geprägter Gestaltung und Angabe von Firma, Sitz und Telefonnummer des Unternehmens nicht nur als schlichte, neutrale Herstellerangabe „zu Verwaltungszwecken“, sondern als eine Maßnahme, durch die Verbraucher im Interesse der Absatzförderung darauf hingewiesen werden sollen, dass das betreffende Grabmal von der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 hergestellt worden ist, und ihnen nähere Informationen zur geschäftlichen Kontaktaufnahme verschafft werden sollen.
Bestätigt wird dies im Übrigen durch den Vortrag der Verfügungsbeklagten, die Angaben auf den Firmenschildern dienten lediglich den Angehörigen und/oder der Friedhofsverwaltung für den Fall einer Mehrfachbelegung bzw. bei Problemen mit der Standfestigkeit des Grabsteins zur vereinfachten Kontaktaufnahme (Bl. 35/36). In diesen Fällen ist nicht lediglich der Hersteller des Grabmals zur Leistung geeignet; die Leistungen können auch von einem anderen Steinmetz erbracht werden. Die Firmenschilder dienen daher auch in diesen Fällen dazu, die relevanten Verbraucher auf den Betrieb der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 hinzuweisen, um so einen weiteren Auftrag zu akquirieren. Im Übrigen verändert dies auch nicht den Eindruck bei anderen Besuchern, dass es sich dabei um Werbung handelt.
Darauf, ob die Verfügungsbeklagte bewusst oder gar vorsätzlich und planmäßig vorgegangen ist, kommt es für die Tatbestandserfüllung bei einem Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch nicht an (OLG Stuttgart, Urteil vom 17. März 2005 – 2 U 173/04, juris Rn. 27).
3.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Verstoß auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Spürbarkeit ist dann zu bejahen, wenn eine Beeinträchtigung der geschützten Interessen nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten kann (Köhler/Bornkamm/Feddersen, Kommentar zum UWG, 36. Aufl. (2018), § 3a UWG Rn. 1.99). Dabei sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Zutreffend stellt das Landgericht einzig auf die Wirkung auf Besucher des Friedhofs ab und nicht auch auf die Interessen der Mitbewerber der Verfügungsbeklagten. Das Werbeverbot schützt die Trauernden vor einer Belästigung durch die Verfolgung kommerzieller Interessen, nicht aber die Mitbewerber davor, dass ein Wettbewerbsvorsprung durch einen Missbrauch des Friedhofs als „Messe“ oder als „Leistungsschau“ für Waren und Dienstleistungen für Beerdigungsleistungen erzielt wird.
Die Besucher des Friedhofs können sich auch schon dann in ihrer Trauer und ihrem Gedenken an die Verstorbenen von den Firmenschildern gestört fühlen, wenn die Werbung erst bei näherem Hinsehen als solche erkennbar ist (vgl. das Anerkenntnisurteil des OLG Stuttgart vom 25. Oktober 2012 – 2 U 50/12, in dessen Fall waren Sargträger mit Hemden ausgestattet worden, die mit dem Firmenschriftzug oder -logo versehen waren). Anders als von den Verfügungsbeklagten dargestellt, ist das Schild auch nicht lediglich kaum wahrnehmbar, sondern erzeugt bei einer Größe von ca. 9 cm x 2 cm eine Anlockwirkung und ist – zumindest, wenn sich der Trauernde in unmittelbarer Nähe befindet – gut lesbar. Die zwischen den Parteien geführte Auseinandersetzung über die Höhe, in der die Firmenschilder angebracht sind, ist für den Senat nicht entscheidend.
Nicht maßgeblich ist auch, ob die Friedhofsverwaltung solche Kennzeichnungen – bis zur Größe eines Fünfmarkstücks (Anlage AG 17) – duldet. Für die Frage der Spürbarkeit ist es unerheblich, ob die Verwaltungsbehörde von einer Sanktionsmöglichkeit Gebrauch macht (BGH, Urteil vom 16. Juli 2009 – I ZR 140/07, juris Rn. 20 – Versandkosten bei Froogle; Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 3a UWG Rn. 1.47).
IV.
Da die Verfügungsbeklagte Ziff. 1 die streitgegenständlichen Firmenschilder hat anbringen lassen, hat sie als Täterin die Erstverstöße gegen § 3a UWG i.V.m. den Satzungsbestimmungen begangen, die eine Wiederholungsgefahr und damit einen Unterlassungsanspruch im zugesprochenen Umfang zu begründen, § 8 Absatz 1 UWG.
Nachdem sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch schon aus dem Verstoß gegen § 3a UWG ergibt, bedarf es keiner Entscheidung, ob daneben auch ein Erstverstoß gegen § 7 UWG vorliegt.
V.
Der Antrag gegen den Verfügungsbeklagten Ziff. 2 ist begründet, da er – wie sich aus der Anlage AG 1 (Bl. 46) ergibt – die Anbringung der beanstandeten Firmenschilder verantwortet und damit persönlich als Täter den Haftungstatbestand verwirklich hat. Der eidesstattlichen Versicherung ist zu entnehmen, dass er die Handlung selbst begangen oder wenigstens in Auftrag gegeben hat, was zur Haftungsbegründung genügt (BGH, Urteil vom 18. Juni 2014 – I ZR 242/12, juris Rn. 14 – Geschäftsführerhaftung). Der Charakter als geschäftliche Handlung ergibt sich daraus, dass er die Handlung zugunsten eines Mitbewerbers (§ 2 Absatz 1 Nr. 3 UWG), der Verfügungsbeklagten Ziff. 1, durchgeführt hat (§ 2 Absatz 1 Nr. 1 UWG).
VI.
Der Antrag gegen die Verfügungsbeklagten Ziff. 3 bis 5 ist jedoch unbegründet.
Ist ein Unterlassungsanspruch gegen eine Gesellschaft begründet, so haftet der einzelne Gesellschafter nicht schon auf Grund seiner Gesellschafterstellung auf Unterlassung. Nicht erheblich ist, ob die Gesellschaft der Beklagten tatsächlich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder – was angesichts des geschäftlichen Umfangs nahe liegt – als offene Handelsgesellschaft zu qualifizieren ist, vgl. § 1 Absatz 2 HGB. § 128 HGB findet auf den Unterlassungsanspruch nach § 8 Absatz 1 UWG keine (analoge) Anwendung (BGH, Urteil vom 03. November 2005 – I ZR 311/02, juris Rn. 22).
Der Gesellschafter haftet nur, wenn er selbst den Wettbewerbsverstoß begangen oder ihn pflichtwidrig nicht verhindert hat oder wenn er Teilnehmer im Sinne von § 830 Absatz 2 BGB ist (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, Kommentar zum UWG, 36. Aufl. 2018, § 8 UWG Rn. 2.21; BGH, Urteil vom 26. September 1985 – I ZR 86/83, juris Rn. 26 – Sporthosen). Eine Haftung kann im vorliegenden Fall auch nicht damit begründet werden, dass die übrigen Gesellschafter – hinsichtlich derer die Verfügungsklägerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass sie die Anbringung der vier Firmenschilder selbst vorgenommen oder beauftragt hätten – nicht die Wettbe-werbsverstöße unterbunden haben. Eine persönliche Haftung setzt voraus, dass eine entsprechende Garantenpflicht gegenüber dem außenstehenden Dritten bestand, der aus der Verletzung der Pflicht zur Erfolgsabwendung Ansprüche herleitet (grundlegend BGH, Urteil vom 18. Juni 2014 – I ZR 242/12, juris Rn. 16/17 – Geschäftsführerhaftung). Die Voraussetzungen für eine solcherart begründete Garantenstellung der Verfügungsbeklagten Ziff. 2 bis 5 sind jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung geht der Senat für jeden Verstoß unter Ermäßigung des Wertes im einstweiligen Verfügungsverfahren (§ 51 Absatz 4 GKG) von 12.000,00 Euro für jeden Antrag im Verhältnis zwischen der Verfügungsklägerin und jedem der Verfügungsbeklagten aus. Hieraus ergibt sich in jedem Prozessrechtsverhältnis ein Streitwert von 48.000,00 Euro, insgesamt von 240.000,00 Euro.