OLG Stuttgart, Urteil vom 03.11.2016, Az. 2 U 37/16
§ 8 Abs. 1 S. 1 UWG, § 4 Nr. 11 UWG a.F.; Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG)
Eine Kurzbesprechung dieses Urteils finden Sie hier (OLG Stuttgart – Bekömmliches Bier). Den Wortlaut der Pressemitteilung OLG Stuttgart finden Sie unten:
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„Kurzbeschreibung:
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat heute ein Urteil des Landgerichts Ravensburg bestätigt, das die beklagte Brauerei zur Unterlassung von Werbung für drei ihrer Biersorten mit dem Begriff „bekömmlich“ verpflichtet. Geklagt hatte ein Verband, zu dessen Aufgaben u. a. die Durchsetzung der Regeln des lauteren Wettbewerbs für seine Mitglieder gehört. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 16. Februar 2016 hat der 2. Zivilsenat unter dem Vorsitz von Gerhard Ruf mit seinem heute verkündeten Urteil zurückgewiesen.
Über den Sachverhalt informiert die Pressemitteilung vom 21. Oktober 2016. Gegenstand der Entscheidung sind nur die konkret angegriffenen Werbeaussagen.
Zur Begründung seines Urteils hat der Senat – wie zuvor schon das Landgericht Ravensburg – ausgeführt, dass die beanstandete Werbung gegen § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Verbindung mit den Vorschriften der „Health-Claims-Verordnung“ des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 verstoße. Nach dieser Verordnung dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen (vgl. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 5).
Der Senat stützt sich u. a. auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. September 2012 (Rs. C-544/10 – Deutsches Weintor). Diesem Urteil sei zwar keine generelle Aussage zur Verwendung der Bezeichnung „bekömmlich“ für alkoholische Getränken zu entnehmen, denn im konkreten Fall habe der Begriff – anders als hier – im Zusammenhang mit einem Hinweis auf den reduzierten Säuregehalt des beworbenen Weins gestanden. Dem Urteil lasse sich aber in allgemeiner Form entnehmen, dass Angaben zu den (von der Verordnung erfassten) alkoholischen Getränken frei von jeder Mehrdeutigkeit sein müssen. Zudem habe der Gerichtshof einen Gesundheitsbezug auch dann bejaht, wenn mit einer Angabe impliziert wird, dass negative oder schädliche Auswirkungen für die Gesundheit, die normalerweise mit dem Konsum verbunden sind, bei dem beworbenen Produkt fehlen oder geringer ausfallen.
Soweit der Bundesgerichtshof in einem Vorlagebeschluss vom 13. Januar 2011 (I ZR 22/09 – Gurktaler Kräuterlikör) die Bezeichnung „bekömmlich“ in anderem Kontext für zulässig gehalten habe, sei zu berücksichtigen, dass dieser Beschluss vor dem genannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ergangen ist.
Nach den gängigen Wörterbüchern sei „bekömmlich“ gleichzusetzen mit „zuträglich“, „leicht verdaulich“ oder „gesund“. Auch der Begriff „zuträglich“ schließe nicht nur ein allgemeines Wohlbehagen ein, sondern sei im Sinne eines „Langzeitversprechens“ zu verstehen, dass das beworbene Lebensmittel auch bei längerem Konsum in keiner Weise schade. Dass manche Konsumenten die Brauerei der Beklagten mit dem Werbespruch „Wohl bekomm‘s“ in Verbindung brächten, schränke den Aussagegehalt nicht ein. „Wohl bekomm‘s“ sei – im Sinne eines Trinkspruchs – ein Wunsch, „bekömmlich“ dagegen ein Versprechen.
Schließlich wies der Senat auf das Antragsverfahren nach Art. 1 Abs. 4 der Verordnung hin. Nach dieser Vorschrift kann für Bezeichnungen, die „traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden und die auf Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hindeuten könnten“, eine Ausnahme vom Verbot gesundheitsbezogener Angaben zugelassen werden. Der Senat führte aus, er halte es nicht für fernliegend, über dieses Verfahren einen Interessenausgleich zu finden. Ohne eine solche Befreiung, die bislang nicht erteilt worden sei, könne vom Verbot gesundheitsbezogener Angaben jedoch nicht abgesehen werden.
Die Revision zum Bundesgerichtshof hat der Senat zugelassen.
2 U 37/16 – Oberlandesgericht Stuttgart
8 O 51/15 KfH – Landgericht Ravensburg“