OLG Hamburg: Zur Werbung mit einer Studie für ein zugelassenes Medikament

veröffentlicht am 17. Oktober 2017

OLG Hamburg, Urteil vom 03.08.2017, 3 U 32/17
§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, § 3 UWG, § 3a UWG, § 5 UWG, § 8 UWG; § 3 HWG

Das Urteil des OLG Hamburg haben wir hier besprochen (OLG Hamburg – Werbung mit Studie), den Volltext der Entscheidung finden Sie nachfolgend:


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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Urteil

I.
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.11.2016, Az. 408 HKO 88/16, wird zurückgewiesen.

II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Werbeunterlage für das Arzneimittel G. der Antragsgegnerin.

Die Parteien vertreiben Arzneimittel zur Behandlung des sogenannten Morbus Fabry.

Die Antragstellerin vertreibt das Arzneimittel R. mit dem Wirkstoff Agalsidase alfa. Die Antragsgegnerin vertreibt das Arzneimittel G. mit dem Wirkstoff Migalastat (Fachinformation, Anlage ASt 1).

Morbus Fabry ist eine seltene Stoffwechselstörung, die durch einen (vererbten) Defekt im sogenannten GLA-Gen hervorgerufen wird. Bei dieser auch als lysosomale Speicherkrankheit bezeichneten Erkrankung fehlt den Patienten das Enzym alpha-Galaktosidase A (α-GAL A) in vollem Umfang oder sie produzieren zu wenig davon. Dadurch sammeln sich Stoffwechselprodukte, unter anderem das sogenannte Globotriaosylceramid (GL-3), in unterschiedlichen Zelltypen an und beeinträchtigen die Funktion zahlreicher Organe. Dies verursacht vielfältige Symptome an Haut, Muskeln, Gelenken und Organen und kann im weiteren Verlauf zu Herzversagen, Schlaganfall oder zur Dialysepflicht führen.

Seit August 2001 steht zur Behandlung des Morbus Fabry eine Therapie zur Verfügung, mit der das fehlende oder defekte Enzym alpha-Galactosidase A ersetzt wird. Deswegen wird auch von einer Enzymersatztherapie gesprochen. Ziel dieser Enzymersatztherapie ist es, das fehlende Enzym im Körper zu ersetzen und damit den Krankheitsverlauf aufzuhalten, zu verzögern und einer Schädigung der Organe vorzubeugen. Hierfür muss das fehlende Enzym lebenslang in regelmäßigen Abständen zugeführt werden.

Die Antragsgegnerin erhielt im Mai 2016 die Zulassung für ihr Präparat G. mit einem anderen Wirkmechanismus. Bestimmte Mutationen des GLA-Gens können zur Produktion von fehlgefalteten und instabilen mutierten alpha-Galactosidase A-Formen führen. Migalastat ist ein sogenanntes pharmakologisches Chaperon, das entwickelt wurde, um selektiv und reversibel mit hoher Affinität an aktive Zentren von bestimmten mutierten alpha-Galactosidase A-Formen zu binden.

Ende September 2016 wurde die Antragstellerin auf eine Werbeunterlage, das „G. (Migalastat) Factsheet“ (Anlage A), aufmerksam.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Auslobungen nicht ausreichend wissenschaftlich gesichert seien. Die dort beschriebene FACETS-Studie (Anlage ASt 5) enthalte mehrere Limitationen, die entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht kommuniziert worden seien.

In der Studie werde der primäre Endpunkt in der ITT-Population deutlich verfehlt (p=0,3). Daraufhin sei in der Studie eine nochmalige Testung der Patienten mit einem „GLP HEK Assay“ vorgenommen und daraus die sogenannte „modifizierte“ ITT-Population gebildet worden. Die Testung und Einteilung der Patienten auf Mutationen, die auf Migalastat ansprechen, sei sodann zwar abgeschlossen worden, bevor die Daten entblindet worden seien. Dieses Vorgehen sei aber gleichwohl nicht präspezifiziert. Die von der Antragsgegnerin kommunizierten Daten bezögen sich somit auf eine post-hoc Analyse, die ausschließlich in einer Subpopulation erfolgt sei, bei der Patienten mit sogenannten „non amenable“, das heißt nicht auf Migalasatat ansprechenden, Mutationen ausgeschlossen worden seien. Darauf werde auch schon im Abschnitt Methods des Abstracts dieser Publikation hingewiesen. Es sei ausweislich des EPARs (Anlage ASt 6) in der post-hoc Analyse nicht nur die Patientenpopulation, sondern auch noch der primäre Endpunkt von dem Anteil der Patienten mit einer 50% Reduktion von Inklusionen zu der insgesamt durchschnittlichen Zahl von GL-3 Inklusionen geändert worden, bevor signifikante Ergebnisse erreicht worden seien. Dies seien so dermaßen erhebliche Änderungen in der Studiendurchführung und dies sei so relevant für die Interpretation der Ergebnisse der FACETS-Studie, dass diese ohne einen ausdrücklichen Hinweis auf die angeführten Einschränkungen nicht werblich hätte kommuniziert werden dürfen.

Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die in der streitgegenständlichen Werbung als Beleg referenzierte G.-Fachinformation derartige Limitationen nicht enthalte. Denn die Fachinformation beziehe sich laut Ziffer 5.1 nur in einem kurzen Absatz auf die FACETS-Studie. Zudem sei es ein Unterschied, ob die Ergebnisse der Studie von der Zulassungsbehörde in der Fachinformation kurz beschrieben oder ob die Ergebnisse der Studie werblich als Beleg für die Wirksamkeit des Präparates verwendet würden.

Schließlich ändere auch die in dem Factsheet kommunizierte Einschränkung, dass G. nur für solche Morbus Fabry Patienten zugelassen sei, die eine auf die Behandlung ansprechende Mutation aufwiesen, nichts an der Irreführung. Denn die Ärzte könnten die Validität der vorgestellten Daten nur dann hinreichend einschätzen, wenn sie wüssten, dass sie erst in einem zweiten Anlauf durch eine post hoc-Analyse und eine Veränderung des primären Endpunktes zustande gekommen seien.

Die Antragstellerin hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Arzneimittel G. (Wirkstoff: Migalastat) unter Bezugnahme auf die Studie 011 (FACETS) zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage 1 ersichtlich.

Das Landgericht, Zivilkammer 12, hat die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 19.10.2016 antragsgemäß erlassen.

Dagegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon auszugehen, dass in der Fachinformation niedergelegte Ergebnisse einer Studie dem zum Zeitpunkt der Zulassung geltenden gesicherten Stand der Wissenschaft entsprächen, wenn sie durch die Zulassungsbehörde bestätigt worden seien. Dies sei vorliegend der Fall. Die Erteilung der arzneimittelrechtlichen Zulassung, deren integraler Bestandteil auch die Fachinformation zu dem Arzneimittel G. sei, sei zeitlich nach der Erstellung des Assessment Reports (EPAR) und in Kenntnis der darin enthaltenen Ausführungen erfolgt. Damit hätten die Studienergebnisse und die Beschreibung der Studienmethodik sowie der statistischen Auswertung der Zulassungsbehörde im Zeitpunkt der Zulassung allesamt vorgelegen. Der Zulassungsbehörde seien die vermeintlichen Limitationen der FACETS-Studie bei Erteilung der Zulassung bereits bekannt gewesen. Sie seien aber nicht in die Fachinformation übernommen worden.

Das Landgericht, Kammer 8 für Handelssachen, hat die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 11.11.2016 aufgehoben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin habe nicht mit Informationen geworben, die nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens gewesen seien. Die Studie trage zudem die Aussagen. Der EPAR vom 1.4.2016 setze sich kritisch mit den aufgeworfenen Fragen auseinander und gelange zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit von G. ausreichend wissenschaftlich belegt sei.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung. Das Landgericht habe die Bedeutung und Reichweite der Entscheidungen „Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ und „Äquipotenzangabe in der Fachinformation“ des Bundesgerichtshofs für den vorliegenden Fall verkannt. Es gehe nicht um die Frage, ob die den Wirksamkeitsbehauptungen zugrunde liegende Studie überhaupt dem Stand der Wissenschaft entspreche und ob diese Studiendaten per se kommuniziert werden dürften. Die Antragstellerin habe nicht geltend gemacht, dass die FACETS-Studie für die Zulassung von G. nicht hinreichend valide sein könnte. Vielmehr habe die Antragstellerin geltend gemacht, dass sich die Irreführung aus dem Umstand ergebe, dass die angesprochenen Fachkreise die streitgegenständlichen Werbeaussagen mangels gegenteiliger Ausführungen der Antragsgegnerin dahingehend verstünden, dass sich die dort kommunizierten Wirksamkeitsangaben ohne Einschränkungen aus der klinischen Wirksamkeitsstudie ergebe, was nicht der Fall sei. Die Antragsgegnerin habe sich in ihrer Werbebroschüre auch auf die „Studienergebnisse“ und nicht auf die „Fachinformation“ bezogen. Es sei daher irrelevant, dass sich die beanstandeten Aussagen inhaltsgleich in der Fachinformation wiederfänden. Die fragliche Werbung beziehe sich auf „die wichtigsten Studien zu G. “ mit Angaben zu diesen Studien beziehungsweise auf „Ergebnisse der wichtigsten klinischen Studien zu G. “ und eben gerade nicht nur auf „Aussagen in der Fachinformation zu G.“. Das angegriffene Factsheet beschränke sich nicht nur auf wörtliche oder sinngemäße Zitate aus der Fachinformation von G. , sondern die Fachinformation werde im zweiten Abschnitt der beanstandeten Unterlage lediglich als „Quelle“ angegeben. Wenn die Intention des Bundesgerichtshofs, dass jedem Werbeadressaten eine eventuell vorhandene eingeschränkte wissenschaftliche Aussagekraft einer als Beleg für Wirksamkeitsbehauptungen herangezogenen Studie vor Augen geführt werden müsse, ernst genommen werde, gelte die Verpflichtung zur Mitteilung von vorhandenen Studienlimitationen unabhängig von der Frage, ob als Beleg auf die Fachinformation oder auf die Studie selbst hingewiesen werde.

Die Antragstellerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. November 2016 (Geschäfts-Nr. 408 HKO 88/16) abzuändern und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für das Arzneimittel G. (Wirkstoff: Migalastat) unter Bezugnahme auf die Studie 011 (FACETS) zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie aus der Anlage 1 ersichtlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Es liege bereits deshalb keine Irreführung vor, weil die beworbenen FACETS-Studienergebnisse sich inhaltlich genauso in der Fachinformation wiederfänden. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin die Fachkreise im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der einleitenden Überschrift zur Darstellung der aus der Fachinformation entnommenen Studienergebnisse explizit darauf hingewiesen, dass die nachfolgende Beschreibung der Studienergebnisse der Fachinformation entnommen sei. Darüber hinaus weise das Landgericht zutreffend darauf hin, dass die Antragsgegnerin nicht verpflichtet sei, die von der Antragstellerin geforderten Aufklärungen vorzunehmen. Der Assessment Report der Zulassungsbehörde EMA vom 1. April 2016 zeige, dass die Zulassungsbehörde nach entsprechend ausführlicher Hinterfragung und Beurteilung der Daten zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Wirksamkeit von G. , wie sie in der Fachinformation niedergelegt und entsprechend in den drei Bulletpoints des Fact Sheets inhaltlich korrekt wiedergegeben werde, durch die Studie 011 FACETS hinreichend wissenschaftlich belegt sei. Was die Antragstellerin als Limitationen bezeichne, sei dem Umstand geschuldet, dass nur eine sehr begrenzte Anzahl an Probanden existiere, die überhaupt eine zur Behandlung mit G. geeignete Mutation von Morbus Fabry aufwiesen. Dies sei den Fachkreisen auch bekannt. Insoweit bestehe auch nur eine entsprechende Erwartungshaltung bei den angesprochenen Fachkreisen. Es werde keine „Goldstandard“-Studie erwartet.

II.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist nicht begründet.

1.
Ein Verfügungsgrund besteht, weil die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG nicht widerlegt ist.

2.
Die Antragstellerin aber hat keinen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Aussagen aus §§ 3, 3a, 8 UWG i.V.m. § 3 HWG bzw. § 5 UWG. Die angegriffene Werbeunterlage „G. (Migalastat) Factsheet“ (Anlage A) ist nicht aus den von der Antragstellerin genannten Gründen irreführend.

a)
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Medikamenten zur Behandlung der Erkrankung Morbus Fabry (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).

b)
Es handelt sich bei der angegriffenen Werbeunterlage der Antragsgegnerin unstreitig um Fachkreiswerbung.

c)
Die in ihrer konkreten Verletzungsformen angegriffene Werbeunterlage „G. (Migalastat) Factsheet“ (Anlage A) ist jedoch nicht aus den von der Antragstellerin genannten Gründen gemäß § 3 S. 1 HWG irreführend. Die in der angegriffenen Werbung mitgeteilten Ergebnisse der 011 FACETS-Studie sind entgegen der Annahme der Antragstellerin hinreichend wissenschaftlich gesichert und dürfen, nachdem sie so auch in die Fachinformation Eingang gefunden haben, von der Antragsgegnerin wie geschehen unter Hinweis auf die Fachinformation als Quelle der Erkenntnis auch kommuniziert werden.

Das Studiendesign der 011 FACETS-Studie ist zwar abweichend vom ursprünglichen Studiendesign in der von der Antragstellerin dargestellten Weise verändert worden. Auch basieren die in der Werbung mitgeteilten Studienergebnisse auf dem so veränderten Studiendesign und der daran anknüpfenden späteren Auswertung der Studie. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die so ermittelten Studienergebnisse nicht hinreichend wissenschaftlich gesichert wären. Der angesprochene Fachverkehr wird daher im konkreten Fall entgegen der Annahme der Antragstellerin nicht über das Maß der wissenschaftlichen Validität der Studienergebnisse in die Irre geführt.

Die Antragstellerin beanstandet zwar, dass die Veränderungen des Studiendesigns der 011 FACETS-Studie gegenüber dem ursprünglichen Studiendesign die Aussagekraft der Studienergebnisse limitiere. Sie ist der Ansicht, dass diese nach ihrer Ansicht wesentlichen Limitationen der Studie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“ und „Äquipotenzabgabe in der Fachinformation“ kommuniziert werden müssten, was nicht geschehen sei. Inwieweit indes die von der Antragsgegnerin konkret beworbenen Ergebnisse der so limitierten Studie, wie sie unstreitig auch Eingang in die Fachinformation gefunden haben, wissenschaftlich nur eingeschränkt gesichert sein sollten, teilt die Antragstellerin konkret nicht mit. Eine solche nur eingeschränkte Aussagekraft der beworbenen Studienergebnisse ist auch sonst nicht erkennbar. Deshalb muss die Antragsgegnerin etwaige im Studienverlauf vorgenommene Limitationen der Studie auch nicht gesondert kommunizieren. Im Gegenteil. Gäbe es entsprechende Mitteilungen, würde der angesprochene Verkehr zu der Annahme gelangen, die mitgeteilten Studienergebnisse seien nur eingeschränkt aussagekräftig, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist.

Die Studie war nämlich bereits Grundlage der Zulassung des beworbenen Arzneimittels. Der Fachinformation für G. kann entnommen werden, dass die Zulassungsbehörde die Studienergebnisse geprüft und trotz der im Studiendesign unstreitig vorgenommenen Änderungen im Hinblick auf die Zulassung zur Behandlung von Patienten mit näher definierten Mutationen für hinreichend valide erachtet.

Im Hinblick auf Angaben, die – insbesondere bezogen auf ihre therapeutische Wirksamkeit – der Zulassung des Arzneimittels wörtlich oder sinngemäß entsprechen, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sie im Zeitpunkt der Zulassung dem gesicherten Stand der Wissenschaft entsprechen (BGH, GRUR 2013, 649, Rn. 35 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil m.w.Nw.). Zwar können nicht prospektive, sondern nachträglich anhand vorliegender Studiendaten im Rahmen einer sogenannten Subgruppenanalyse oder im Wege der Zusammenfassung mehrerer wissenschaftlicher Studien (Metaanalyse) erstellte Studien von nur eingeschränkter Aussagekraft sein. Ist dies der Fall, ist es irreführend, wenn der Verkehr in der Werbung nicht hinreichend deutlich auf die Besonderheiten der Art, Durchführung oder Auswertung dieser Studie und gegebenenfalls die in der Studie selbst gemachten Einschränkungen im Hinblick auf die Validität und Bedeutung der gefundenen Ergebnisse hingewiesen und ihm damit die nur eingeschränkte wissenschaftliche Aussagekraft der Studie vor Augen geführt wird (BGH, a.a.O., Rn. 20 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Senat, MD 2007, 1189, 1195; MD 2008, 55, 61). Hat aber die Zulassungsbehörde die Aussagekraft der aufgrund einer solchen nachträglichen Veränderung des Studiendesigns ermittelten Studiendaten bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens überprüft und der Zulassung zugrunde gelegt, dann ist zunächst davon auszugehen, dass Limitationen der Studie keine Auswirkungen auf die Validität der auf dieser Grundlage ermittelten Studiendaten für die in der Zulassung näher bestimmten Patienten haben. So liegt es im Streitfall.

Die Erteilung der arzneimittelrechtlichen Zulassung, deren Bestandteil auch die Fachinformation zu dem Arzneimittel G. ist, ist zeitlich nach der Erstellung des Assessment Reports und in Kenntnis der darin enthaltenen Ausführungen erfolgt. Die Ausführungen in der Fachinformation zeigen, dass sich die Zulassungsbehörde mit den von der Antragstellerin genannten Einschränkungen auseinandergesetzt hat und im Ergebnis die in der Werbeunterlage kommunizierten Daten der Studie ohne die genannten Einschränkungen übernommen hat.

Soweit die Antragstellerin einwendet, dass in der Studie der primäre Endpunkt in der ITT-Population auf der Grundlage der 67 einbezogenen Patienten deutlich verfehlt (p=0,3) und darauf eine nochmalige Testung der Patienten mit einem „GLP HEK Assay“ vorgenommen worden sei, ist dies zwar zutreffend. Schon im Assessment Report der EMA vom 1.4.2016 (Anlage ASt 9, Seite 47) wird auf die Gesamtzahl von 67 Studienteilnehmern und auf die fehlende statistische Signifikanz des auf dieses Patientenkollektiv bezogenen Studienergebnisses hingewiesen. Diese Feststellung hat jedoch nicht dazu geführt, dass die ursprüngliche Verfehlung des primären Endpunktes der Studie Niederschlag in der Fachinformation gefunden hätte.

Die Fachinformation nimmt vielmehr ausschließlich auf die Ergebnisse der 011 FACETS-Studie Bezug, die für die Subpopulation von Patienten mit geeigneten Mutationen gefunden worden sind, auf die sich die Studie erst in ihrem weiteren Verlauf konzentriert hat. Einschränkende Hinweise in Bezug auf die Validität der dazu gefundenen Ergebnisse finden sich in der Fachinformation nicht. Vielmehr wird dort unter der Überschrift „Klinische Wirksamkeit“ in Ziffer 5.1. ausgeführt:

„Bei der zweiten Phase-3-Studie (FACETS) handelte es sich um eine 6-monatige randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie (bis Monat 6) mit einem 18 monatigen unverblindeten Zeitraum zur Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit von G. bei 50 männlichen und weiblichen Patienten mit Morbus Fabry und geeigneten Mutationen […]“.

Der ursprüngliche verfehlte primäre Endpunkt und die Gesamtzahl der Studienteilnehmer von 67 Probanden findet keine Erwähnung. Es wird uneingeschränkt nur das post-hoc-Ergebnis angeführt, dem eine Auswertung der Daten von 50 Studienteilnehmern mit geeigneten Mutationen zugrunde liegt. Und nur für die Behandlung von Patienten, die eine auf die Behandlung mit dem Wirkstoff Migalastat ansprechende und in der Fachinformation angeführte Mutation aufweisen, ist G. auch zugelassen. Nur insoweit wird das Arzneimittel vorliegend auch beworben.

Dann aber dürfen die in die Fachinformation eingegangenen Studienergebnisse uneingeschränkt beworben werden.

Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn die Werbung nicht – wie vorliegend – auf die Fachinformation Bezug nimmt, sondern die Zulassungsstudie selbst referenziert, muss nicht entschieden werden. Im Streitfall fehlt eine unmittelbare Bezugnahme auf die Studie 011 FACETS als Quelle. Der Studienname wird zwar erwähnt. Er findet sich indes auch in der als Quelle angegebenen Fachinformation.

Es wäre daher an der Antragstellerin, Einschränkungen der wissenschaftlichen Aussagekraft der Zulassungsstudie für das beworbene Arzneimittel darzulegen und zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen, wobei sie sich mit Erfolg grundsätzlich nur auf Erkenntnisse berufen könnte, die nach Erteilung der Zulassung gewonnen worden sind (BGH, a.a.O., Rn. 43 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).

An einem solchen Vortrag fehlt es aber im Streitfall.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 713 ZPO.

Vorinstanz:
LG Hamburg, Az. 408 HKO 88/16