OLG Hamburg: Angebot aus Google-AdWords-Anzeige muss sich auf verlinkter Seite befinden

veröffentlicht am 21. September 2016

OLG Hamburg, Urteil vom 25.02.2016, Az. 3 U 153/15
§ 3 UWG, § 5 Abs. 1 UWG, § 8 Abs. 1 UWG

Das Urteil des OLG Hamburg finden Sie nachstehend im Volltext. Eine kurze Zusammenfassung haben wir hier für Sie (OLG Hamburg – Werbung Smartphone).


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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Urteil

I.
Auf die Berufung der Antragstellerin wird der Antragsgegnerin in Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 23.7.2015, Az. 406 HKO 109/15, im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes (und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft) oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei dem Angebot und/oder dem Vertrieb von Mobilfunkgeräten und/oder Mobilfunkverträgen in Anzeigen mit der Aussage „Das neue Samsung S6 ab 1,- €“, wie in der Anlage ASt 2 wiedergegeben, zu werben und/oder werben zu lassen, wenn auf der Internetseite, die durch einen Link auf die Anzeige erreicht wird, sich kein Tarifangebot findet, bei dem der Interessent das genannte Gerät zu einem Preis in Höhe von 1,- € erwerben kann, wie aus den Seiten 2-4 der Anlage ASt 3 ersichtlich.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat die Antragsgegnerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen einer aus ihrer Sicht unzulässigen Werbung unter Verwendung von Google Adwords in Anspruch.

Die Parteien vertreiben Mobilfunkgeräte. Die Antragsgegnerin schaltete bei Google eine Adwords-Anzeige. Bei einer Eingabe des Suchworts „s.“ in die Suchmaschine erschien Anfang Juni 2015 eine Werbung der Antragsgegnerin mit vier verschiedenen Angeboten für Mobilfunkgeräte (Anlage ASt 2). Diese Angebote waren mit der Internetseite der Antragsgegnerin verlinkt. Wenn auf das Angebot

„Samsung Galaxy S6 Flat
Das neue Samsung S6 ab 1,- €
Alle Größen und Farben verfügbar!“

geklickt wurde, gelangte der Nutzer auf eine Seite der Antragsgegnerin, auf der sich an oberster Stelle ein Angebot für das Samsung Galaxy S6 in Höhe von 45,22 € wiederfand (Seite 2, Anlage ASt 3). Beim Scrollen auf dieser Internetseite nach unten erschienen weitere Tarifempfehlungen der Antragsgegnerin (vgl. Anlage ASt 3). Die Antragstellerin hat behauptet, dass sich unmittelbar auf dieser verlinkten Seite kein Angebot eines Samsung Galaxy S6 zu 1 € befunden habe. Sie sieht in dieser Werbung ein unzulässiges Lockvogelangebot. Der angesprochene Verkehr erwarte, dass er auf der Seite, die er durch den Link in der streitgegenständlichen Werbeanzeige erreicht, zumindest ein Tarif-Angebot finde, bei dem er das beworbene Gerät „Samsung Galaxy 6“ zu einem Preis von 1,- € erwerben könne.

Die Antragstellerin hat in erster Instanz beantragt, es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei dem Angebot und/oder dem Vertrieb von Mobilfunkgeräten und/oder Mobilfunkverträgen in Anzeigen mit der Aussage „Das neue Samsung S6 ab 1,- €“, wie nachstehend (Anlage ASt 2) wiedergegeben, zu werben und/oder werben zu lassen, wenn auf der Internetseite, die durch einen Link auf die Anzeige erreicht wird, sich kein Tarifangebot findet, bei dem der Interessent das genannte Gerät zu einem Preis in Höhe von 1,- € erwerben kann.

Das Landgericht, Zivilkammer 15, hat mit Beschluss vom 30.6.2015 die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen. Auf Antrag der Antragsgegnerin ist das Verfahren an die Kammer 6 für Handelssachen abgegeben worden.

Mit ihrem Widerspruch hat die Antragsgegnerin eingewendet, dass der Verkehr nicht erwarte, dass sich nur auf der unmittelbar verlinkten Seite unter dem Reiter „Weitere Tarifempfehlungen“ ein Angebot von 1 € wiederfinde. Es genüge, wenn ein solches Angebot in den auf der Anlage ASt 3 zu erkennenden weiteren Reitern, die mit selbständigen Internetseiten verlinkt sind, der Fall sei. Die Antragsgegnerin hat zusätzlich bestritten, dass sich kein Angebot zu 1 € auf der unmittelbar verlinkten Seite befunden habe. Darauf hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin dies in der mündlichen Verhandlung am 23.7.2015 an Eides statt versichert.

Das Landgericht, Kammer 6 für Handelssachen, hat die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 23.7.2015 aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen. Die Überschrift der Werbung bei Google Adwords laute: „s….de – s… – Der Handyshop“. Im Hinblick auf die Überschrift könne die angegriffene Passage entgegen der Ansicht der Antragstellerin nur dahingehend interpretiert werden, dass es insgesamt im Handyshop der Antragsgegnerin ein Samsung Galaxy S6 für 1 € gebe. Unter Berücksichtigung der Überschrift „Der Handyshop“ lasse sich die Werbung nicht dergestalt interpretieren, dass die einzelnen Angebote direkt auf der Eingangsseite der Antragsgegnerin auffindbar sein müssen. Wenn von Angeboten im Handyshop die Rede sei, so sei dies dahingehend aufzufassen, dass eine solche Offerte an einer Stelle des Gesamtangebots im gesamten Handyshop der Antragsgegnerin wahrgenommen werden könne.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerechten Berufung.

Sie wendet ein, dass die Kammer die Verkehrsauffassung nicht zutreffend ermittelt habe. Die streitgegenständliche Google Adwords Anzeige begegne den Kunden nicht als einheitlicher, in sich geschlossener Textblock. Stattdessen weise jedes der insgesamt fünf Elemente einen eigenständigen Inhalt mit eigenem Aussagegehalt auf. Allein die Überschrift habe einen „Surface Link“, der auf die „oberflächliche“ Eingangsseite des Handyshops verweise, während die Anzeigen, die konkrete einzelne Geräte bewerben, mittels sogenannter „deep links“ mit ganz konkreten, hierarchisch tieferen Angebotsseiten verknüpft seien. Der durchschnittliche Internetnutzer gehe davon aus, dass das Ziel eines Links umso konkreter werde, je konkreter der Ursprung des Links gefasst sei. Der Verkehr fasse die Anzeige als direkten Wegweiser zu ganz konkreten Angeboten auf. Die bewirkte Irreführung sei auch geeignet, die Marktentschließung des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Der Verkehr werde veranlasst sich mit teureren Angeboten zu befassen. Es gehe insoweit von der Anzeige ein unlauterer Anlockeffekt aus.

Die Antragstellerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.7.2015, Az. 406 HKO 109/15 abzuändern und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu verbieten

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei dem Angebot und/oder dem Vertrieb von Mobilfunkgeräten und/oder Mobilfunkverträgen in Anzeigen mit der Aussage „Das neue Samsung S6 ab 1,- €“, wie nachstehend (Anlage ASt 2) wiedergegeben, zu werben und/oder werben zu lassen, wenn auf der Internetseite, die durch einen Link auf die Anzeige erreicht wird, sich kein Tarifangebot findet, bei dem der Interessent das genannte Gerät zu einem Preis in Höhe von 1,- € erwerben kann, wie aus den Seiten 2-4 der Anlage ASt 3 ersichtlich.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Durch die Anzeige werde nicht auf die Eingangsseite verlinkt, sondern auf eine Seite im Onlineshop der Antragsgegnerin. Aus dem Hinweis in der Anzeige „ab“ wisse der Adressat, dass auf der verlinkten Seite mehrere Angebote enthalten seien. Dies werde auch durch den Hinweis „Alle Größen und Farben verfügbar!“ deutlich. Der Adressat müsse nur über die Reiter eine Auswahl der unterschiedlichen Angebote vornehmen. Es seien dadurch diverse andere Angebote mit Tarifempfehlungen zu 1 € verlinkt. Der Adressat erkenne, dass die Seite so aufgebaut sei, dass es Tarifempfehlungen der Antragsgegnerin gebe und die andere Möglichkeit bestehe, sich weitere Angebote sortiert nach Providern durch Anklicken der jeweiligen Reiter anzeigen zu lassen. Der Senat sei in der Entscheidung 3 U 155/14 vom 18.6.2014 nicht davon ausgegangen, dass bei der Werbung für ein Smartphone „ab 1 €“ die Verlinkung direkt zu einem entsprechenden Angebot führen müsse und habe dementsprechend eine Irreführung verneint. Für eine relevante Irreführung genüge es auch unter Verweis auf die „Schlafzimmer komplett“ Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht, dass sich der Verbraucher nur mit den Angeboten befasse.

II.
Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist begründet.

1.
Ein Verfügungsgrund besteht, weil die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG nicht widerlegt ist.

2.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Unterlassung der angegriffenen Werbung aus §§ 3, 5, 8 UWG. Die angegriffene Werbung der Antragsgegnerin ist irreführend.

a)
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Mobilfunkgeräten (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG).

b)
Die in ihrer konkreten Verletzungsform angegriffene Anzeige ist irreführend.

Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 3 UWG ist, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Da sich die streitgegenständliche Werbung für Mobilfunkgeräte an allgemeine Verkehrskreise wendet, zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen, kann der Senat aus eigener Kenntnis beurteilen, wie die streitgegenständlichen Werbeaussagen in der konkreten Aufmachung der Werbung von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen verstanden werden (vgl. BGH, GRUR 1965, 363 [365] – Fertigbrei).

Die Antragstellerin hat zum Verkehrsverständnis vorgetragen, dass dieser erwarte, dass er auf der Seite, die er durch den Link in der streitgegenständlichen Werbeanzeige erreicht, zumindest ein Tarifangebot findet, bei dem er das beworbene Gerät „Samsung Galaxy 6“ zu einem Preis in Höhe von 1 € erwerben kann.

Der Senat teilt diese Verkehrsauffassung. Die streitgegenständliche Google Adwords Anzeige ist so aufgebaut und gestaltet, dass der Verkehr erwartet, auf eine Seite mit dem Angebot des Samsung Galaxy 6 Handys zu gelangen und dort ein Angebot zu einem Preis von 1 € findet. Die Google Adwords Anzeige umfasst insgesamt fünf Elemente, die erkennbar durch blaue Farbe eigenständig verlinkt sind. Dabei verweist nur der übergeordnete Link „s….de – s… – Der Handyshop“ auf die Startseite des Handyshops der Antragsgegnerin. Untergeordnet finden sich Beschreibungen von Handys, unter anderem die angegriffene, die eigenständig verlinkt sind. Der angesprochene Verkehr fasst diese Links als Wegweiser zu den einzelnen beschriebenen Mobilfunkgeräten und den beschriebenen Angeboten auf. Durch die Unterschrift „Das neue Samsung S6 ab 1,- €“ erwartet der Verkehr dabei, dass er zu einer Seite geführt wird, auf der er – neben weiteren Angeboten – ein Angebot zu 1 € wiederfindet. Die Erwartung wird nicht durch die Formulierung „ab 1,- €“ oder „Alle Farben und Größen verfügbar!“ dahingehend eingeschränkt, dass er davon ausgeht dort nach einem Angebot zu 1 € weiter ohne konkrete Hilfestellung suchen zu müssen. Dafür hat die Herausstellung des Preises von 1 € ein zu großes werbliches Gewicht und ist zu bedeutsam für die Kaufentscheidung. Es handelt sich bei dem günstigen Preis für das damals aktuelle Samsung Galaxy S6 um die wesentliche und prägende Information, die den Interessenten in den Shop der Antragsgegnerin lenken soll. Auf der verlinkten Seite ist aber weder ein Angebot über 1 € noch ein weiterer Hinweis zu finden, der zu einer Seite führt, auf der sich ein solches Angebot findet. Die vorgesehenen Reiter, auf denen verschiedene Provider genannt werden, sind insoweit nicht ausreichend. Sie lassen nicht ansatzweise erkennen, dass sich in den dahinter geschalteten Internetseiten ein Angebot für das Samsung Galaxy S6 zu 1 € wiederfindet. Vielmehr bleibt es dem angesprochenen Verkehr überlassen, auf der Seite weiter nach dem beworbenen Angebot zu suchen. Für ihn ist dabei ungewiss, ob er überhaupt ein solches Angebot in dem Handyshop der Antragsgegnerin findet.

c)
Die Angabe ist auch geeignet, den Verbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Entscheidung ist gemäß Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will. Dieser Begriff erfasst außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten eines Geschäfts (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – C-281/12, GRUR 2014, 196 Rn. 36 bis 38 = WRP 2014, 161 – Trento Sviluppo; vgl. dazu auch Köhler, WRP 2014, 259, 260). Dagegen stellt die Entscheidung des Verbrauchers, sich mit einem beworbenen Angebot in einer Werbeanzeige näher zu befassen, die durch eine blickfangmäßig herausgestellte irreführende Angabe veranlasst worden ist, für sich gesehen mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs mit einem Erwerbsvorgang noch keine geschäftliche Entscheidung im Sinne von Art. 2 Buchst. k und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG dar (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2014, I ZR 129/13 – Schlafzimmer komplett, Rn. 20 zitiert nach juris). Die von der Antragstellerin beanstandete Werbeanzeige beschränkt sich nicht nur darauf, dass der Durchschnittsverbraucher sich mit ihr befasst. Vielmehr soll er durch sie unmittelbar in den Handyshop der Antragsgegnerin geführt werden um dort ein Mobilfunkgerät zu erwerben. Die Situation unterscheidet sich nicht grundlegend von der eines tatsächlichen Betretens eines Ladengeschäfts und dient damit unzweifelhaft dazu, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen.

3.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Vorinstanz:
LG Hamburg, Az. 406 HKO 109/15