OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 06.10.2016, Az. 6 U 54/16
§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG
Eine Zusammenfassung der Entscheidung des OLG Frankfurt finden Sie hier (OLG Frankfurt – Werbung für gemeinnützige Projekte), der Volltext ist nachstehend wiedergegeben:
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.1.2016 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hanau wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziff. 1. a) um den Zusatz „mit dem in den Entscheidungsgründen festgestellten Inhalt“ ergänzt wird.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 20.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche wegen belästigender Werbung geltend.
Die Beklagte betreibt ein Autohaus für die Marke X. Am 23.03.2015 rief eine Mitarbeiterin des Callcenters der Beklagten, die Zeugin Z1, den Zeugen Z2 auf seinem Mobiltelefon an. Der Inhalt des Telefonats ist zwischen den Parteien streitig. Eine Einwilligung des Zeugen Z2 in den Erhalt von Werbeanrufen lag nicht vor.
Am 22.08.2015 versandte die Beklagte drei SMS an den Zeugen Z2, die einen Link auf eine Internetseite enthielten. In den Nachrichten forderte die Beklagte zur Teilnahme an einem Online-Voting des X-Konzerns für ein gemeinnütziges Projekt der Beklagten auf. Weder in den SMS noch auf der verlinkten Internetseite wurde darauf hingewiesen, dass der Kunde einer Verwendung seiner Mobilfunknummer für diese Zwecke widersprechen könne, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
Die Klägerin hat behauptet, bei dem Anruf vom 23.03.2015 sei dem Zeugen Z2 angeboten worden, die anstehende Hauptuntersuchung an seinem Fahrzeug in der Werkstatt des Beklagten vornehmen zu lassen. Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, bei dem Anruf sei es um eine sicherheitsrelevante Rückrufaktion für das Fahrzeug der Frau des Zeugen gegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, geschäftlich handelnd
a) Verbraucher unaufgefordert und ohne ihr vorheriges Einverständnis anzurufen und/oder anrufen zu lassen, um einen „TÜV-Service“ an einem Kraftfahrzeug zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Telefonat mit dem Zeugen Z2 am 23.03.2015 um 13:20 Uhr;
b) Kunden per SMS zu Zwecken der Werbung zu kontaktieren und/oder kontaktieren zu lassen, ohne den Kunden klar und deutlich darauf hinzuweisen, dass er der Verwendung seiner Telefonnummer zu diesen Zwecken jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach dem Basistarif entstehen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K2 wiedergegeben.
Das Landgericht hat die Beklagte außerdem zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Beklagten. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass in Ziffer 1 a) des Tenors des angefochtenen Urteils die Worte angefügt werden „mit dem in den Entscheidungsgründen festgestellten Inhalt“.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Die Unterlassungsanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat den Klageantrag zu 1. a) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf gerichtlichen Hinweis dahingehend konkretisiert, dass er das Telefonat mit dem in den Entscheidungsgründen festgestellten Inhalt als konkrete Verletzungsform zum Gegenstand hat.
2.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 8 I, III Nr. 2, § 7 I S. 1, II Nr. 2 UWG auf Unterlassung unerbetener Telefonwerbung zu.
a)
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat eine Call-Center-Mitarbeiterin der Beklagten am 23.3.2015 den Zeugen Z2 angerufen und für den TÜV-Service der Beklagten geworben. Eine vorherige ausdrückliche Einwilligung lag nicht vor. Der Tatbestand der unzumutbaren Belästigung ist damit erfüllt. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht des Geschäftsführers der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der Kunde mutmaßlich ein Interesse daran hat, über anstehende Hauptuntersuchungen informiert zu werden. Der Werbecharakter des Anrufs wird dadurch nicht in Frage gestellt. Nach § 7 II Nr. 2 UWG sind Werbeanrufe nur mit ausdrücklicher Einwilligung zulässig.
b)
Entgegen der Ansicht der Berufung bestehen keine Anhaltspunkte, die gemäß § 529 I Nr. 1 ZPO Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen des Landgerichts begründen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war nicht davon auszugehen, dass es bei dem Telefonanruf in Wahrheit um eine Rückrufaktion in Bezug auf sicherheitsrelevante Teile ging.
aa)
Das Landgericht hat die Zeugen Z2 und Z1 vernommen. Der Zeuge Z2 bekundete, die Anruferin Z1 habe erklärt, bei seinem Fahrzeug sei der TÜV fällig, ob er den TÜV-Service des Autohauses A in Anspruch nehmen wolle. Er könne ausschließen, dass es auch um einen Rückruf gegangen sei. Das Landgericht hat nachvollziehbar dargelegt, warum es der detailreichen und widerspruchsfreien Aussage des Zeugen Z2 geglaubt hat. Die Aussage der Zeugin Z1 war hingegen weder hinreichend ergiebig, noch ließ sie auf eine ausreichend verlässliche Erinnerung schließen. Sie bekundete, der eigentliche Grund ihres Anrufs sei eine Rückrufaktion gewesen. Es könne sein, dass sie auch den TÜV angesprochen habe, das wisse sie aber nicht mehr. Sie absolviere pro Tag 40 bis 50 Kundenanrufe vergleichbaren Inhalts. Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen Z2 gab sie an, dies nicht mehr zu wissen, das sei zu lange her. Die Aussage war auch nicht frei von Widersprüchen. Während sie zunächst angab, von dem Zeugen Z2 schon unterbrochen worden zu sein, bevor sie sagen konnte, wer und wo sie war und warum sie anrufe (Bl. 78 d.A.), stellte sie dies später anders dar. Danach ist sie erst nach ihrer Vorstellung und der Angabe des Grundes ihres Anrufs unterbrochen worden, wobei sie auch dies nicht mehr ganz genau sagen könne (Bl. 79 d.A.).
bb)
Es trifft auch nicht zu, dass der Eindruck eines Werbeanrufs nur deshalb entstehen konnte, weil der Zeuge Z2 die Mitarbeiterin der Beklagten nicht zu Wort kommen ließ und der eigentliche Grund des Anrufs (Rückruf) deshalb nicht mehr zur Sprache kam. Ein solcher Sachverhalt kann weder der Aussage des Zeugen Z2 noch jener der Zeugin Z1 entnommen werden. Die Zeugin Z1 bekundete zwar, der Hauptgrund ihres Anrufs sei die Rückrufaktion gewesen. Sie sei nicht mehr dazu gekommen, dies mitzuteilen. An anderer Stelle sagte sie jedoch, es sei gut möglich, dass sie etwas von TÜV und Rückrufaktion gesagt habe und der Kunde das mit der Rückrufaktion nur nicht mitbekommen habe. Letztlich wisse sie es nicht mehr. Dies verdeutlicht eindrucksvoll, dass die Zeugin Z1 keine verlässliche Erinnerung an den Inhalt des Telefonats hat. Der Zeuge Z2 hat demgegenüber überzeugend und glaubhaft ausgesagt, dass von einem Rückruf keine Rede war.
cc)
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Aussage des Zeugen Z2 könne nicht richtig sein, weil bei dem Fahrzeug des Klägers gar keine Hauptuntersuchung fällig war. Diese erstmals im Berufungsrechtszug eingeführte Behauptung, die die Klägerin bestreitet, kann nicht mehr berücksichtigt (§ 531 Abs. 2 S. 1, Nr. 3 ZPO) werden. Ihr fehlt es auch an der Substanz. Die Beklagte hat nicht dargelegt, wann die nächste Hauptuntersuchung fällig war. Außerdem ist der vom Zeugen Z2 geschilderte Anruf auch bei fehlender Fälligkeit der Hauptuntersuchung denkbar. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeugin Z1 ein Fehler unterlaufen ist. Nach ihrer Aussage bekommt sie Listen mit Kundendaten, aus denen sich ergibt, was bei welchem Kunden fällig ist, z.B. TÜV, Inspektion oder Rückrufaktionen. Es liegt nahe, dass es hier leicht zu Verwechslungen kommen kann. Weiterhin bekundete die Zeugin, dass bei Rückrufaktionen meist zusätzlich auch auf den TÜV hingewiesen werde. Der Umstand der fehlenden Fälligkeit begründet daher keine Zweifel an der Beweiswürdigung des Landgerichts.
c)
Die Beklagte ist für den Anruf ihrer Mitarbeiterin Z1 nach § 8 Abs. 2 UWG verantwortlich.
3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 8 I, III Nr. 2, § 7 I S. 1, II Nr. 3 UWG auf Unterlassung zu, Kunden mit Werbe-SMS der angegriffenen Art zu kontaktieren.
a)
Das Landgericht ist zur Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den aus Anlage K2 ersichtlichen SMS sowohl um eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 I Nr. 1 UWG als auch um „Werbung“ i.S.d. § 7 II Nr. 3 UWG handelt.
aa)
Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Gewerbes mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung – beispielsweise in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring – erfasst. (BGH WRP 2016, 958Rn. 27 [BGH 14.01.2016 – I ZR 65/14] – Freunde finden). Die von der Klägerin angegriffenen SMS an den Zeugen Z2 fordern zu einem Voting für ein von der Beklagten initiiertes soziales Projekt auf. Hintergrund war eine vom X-Konzern durchgeführte Aktion, bei der regionale gemeinnützige Projekte für eine Förderung durch X nominiert werden konnten. Die Beklagte verfolgte damit nicht allein gemeinnützige Zwecke, sondern zielte mittelbar auf eine positive Außendarstellung und die Absatzförderung ihrer Produkte ab. Durch die insgesamt 3 SMS sollte die Aufmerksamkeit auf das Unternehmern der Beklagten und dieses in ein positives Licht gerückt werden. Die SMS stehen damit auch in einem objektiven Zusammenhang mit der Absatzförderung (§ 2 I Nr. 1 UWG).
bb)
Auf den Inhalt der Internetseite von X, die für das Voting über einem Link in der SMS aktiviert werden musste, kommt es bei dieser Sachlage nicht an (Anlage K3). Es ist deshalb unschädlich, dass die Klägerin die Anlage K3, in der blickfangmäßig das Fahrzeugmodell X-1 abgebildet ist, nicht zum Gegenstand des Klageantrags gemacht hat.
cc)
Soweit in der Literatur vertreten wird, § 7 II UWG sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass nur ein Ansprechen mit Ziel gemeint sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen (Köhler/Bornkamm, 34. Aufl., § 7 Rn. 99), schließt sich der Senat dieser Auffassung nicht an. Allein die Teilnahme an dem Voting dürfte noch keine geschäftliche Entscheidung darstellen. Allerdings versteht der BGH den Begriff der Werbung mit dem Aspekt der „mittelbaren Absatzförderung“ ersichtlich weiter (BGH WRP 2016, 958Rn. 27 [BGH 14.01.2016 – I ZR 65/14] – Freunde finden). Bei § 7 UWG steht der belästigende Charakter im Vordergrund, der nicht davon abhängt, wie weit die Werbung noch von einer geschäftlichen Entscheidung des Kunden entfernt ist. An den Inhalt der Werbung dürfen deshalb keine überzogenen Anforderungen gestellt werden.
b)
Eine Einwilligung des Zeugen Z2 lag nicht vor. Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands nach § 7 II Nr. 4 UWG sind nicht gegeben, denn der Zeuge Z2 wurde in den SMS nicht darauf hingewiesen, dass er der Verwendung seiner Kontaktdaten jederzeit widersprechen kann (§ 7 II Nr. 4 c).
4.
Die Beklagte schuldet der Klägerin auch die zugesprochenen Abmahnkosten. Insoweit kann auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden, gegen die mit der Berufung keine gesonderten Einwände erhoben werden.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
6.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.
Vorinstanz:
LG Hanau, Az. 5 O 71/15