LG Mannheim, Urteil vom 01.06.2017, Az. 23 O 73/16
§ 8 UWG, § 3a UWG; Art. 9 Abs. 1 g) LMIV, Art. 14 Abs. 1 a) LMIV
Den Volltext der Entscheidung finden Sie unten; eine Zusammenfassung können Sie hier ansehen (LG Mannheim – Kennzeichnung Lebensmittel).
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Landgericht Mannheim
Urteil
In dem Rechtsstreit
Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, …
gegen
…
wegen Verletzung verbraucherschützender Vorschriften
hat das Landgericht Mannheim – 3. Kammer für Handelssachen – durch … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2017 für Recht erkannt:
1.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbrauchern im Internet
vorverpackte Fertigsuppen zum Kauf anzubieten, ohne die Verbraucher vor Abgabe von deren Vertragserklärung über die Aufbewahrungsbedingungen und den Verzehrzeitraum zu informieren, wenn dies geschieht wie in der Anlage K 3.
2.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger die Kosten zu erstatten hat, die durch die Klageerhebung in Bezug auf den in der Klageschrift enthaltenen Klageantrag zu 1.2. entstanden sind.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.08.2016 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 2/3, der Kläger 1/3.
5.
Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich der Kosten und des Zahlungsanspruchs ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Schuldner wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Beklagte betreibt einen Onlineshop für amerikanische Lebensmittel unter der Internetdomain www.americanfood4u.de. Im Februar 2016 bewarb der Beklagte darin das Produkt „Campbell’s Tomato Soup“. Dort ist zwar der Stoff Weizenmehl angegeben, ansonsten enthält die Produktbeschreibung keinen Hinweis auf Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen. Nicht enthalten sind außerdem Hinweise auf die Aufbewahrungsbedingungen und den Verzehrzeitraum. Auch bei dem Produkt „ReeseSticks – Crispy Wafers – Peanut Butter“ und „Kellogg’s Pop Tarts S’mores“ fehlen Hinweise auf die Allergene.
Auf der Startseite befindet sich im unteren Bereich folgender Hinweis des Beklagten, der die streitgegenständlichen Lebensmittel in die EU importiert: „Americanfoood4u.de liefert seit 2005 Amerika zu Euch nach Hause. Wir bringen Amerika nach Deutschland. Importierte Getränke und Lebensmittel aus den USA finden den Weg zu Euch.“ (Anlage B 2).
Ob und unter welchen Voraussetzungen im Untermenü über den Button „über uns“ der Hinweis „… ausnahmslos alle amerikanischen Produkte werden von uns aus den USA importiert ….“ (Anlage B 3) aufzurufen war, ist zwischen den Parteien streitig.
Dle Klägerin veranlasste mit Datum vom 11. April 2016 eine Abmahnung des Beklagten, die jedoch ohne Antwort blieb.
Der Kläger behauptet,
der Beklagte habe die Abmahnung erhalten, wenn er nicht darauf hingewiesen habe, dass hinsichtlich des Vorwurfs, nicht über Allergene zu informieren, bereits eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vorliege, so habe er die durch das Unterlassen hervorgerufenen Prozesskosten durch die insoweit erfolgte unnötige Klageerhebung zu tragen.
Der Beklagte sei auch verpflichtet gewesen, den Importeur der von ihm angebotenen Lebensmittel anzugeben. Der Hinweis auf der Startseite sei nicht ausreichend, weil hierdurch nicht klar werde, wer Importeur sei. Unzureichend sei in jedem Fall auch ein Hinweis auf die Importeureigenschaft unter dem Button „über uns“, da an dieser versteckten Stelle der Kaufinteressent nicht mit der Information rechne. Der Kläger bestreitet, dass man bei einer Lieferung nach Deutschland immer unter „über uns“ den Hinweis auf die ImporteursteIlung erhalte und dieser nur fehle, wenn man die Vereinigten Staaten als Lieferort angegeben habe. Dies sei nicht plausibel, da, was unstreitig ist, der Beklagte gar nicht in die USA geliefert hat.
Bei den Fertigsuppen sei der Kunde auch vor dem Kaufangebot über die Aufbewahrungsbedingungen und den Verzehrzeitraum zu informieren, da es ohne Weiteres möglich sei, dass die Suppe nicht auf einmal verbraucht werde.
Der Beklagte sei auch verpflichtet, die Aufwendungen des Klägers, die dieser pauschal mit 214,00 € in Rechnung stellt, zu bezahlen.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbrauchern im Internet
1. vorverpackte Lebensmittel zum Kauf anzubieten, ohne die Verbraucher vor Abgabe von deren Vertragserklärung über Firma und Anschrift des Unternehmens, unter dessen Firma das Produkt vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Europäischen Union niedergelassen ist, des Importeus, der das Lebensmittel in die Europäische Union einführt, zu informieren.
2. Nach Aufgabe des ursprünglichen Antrags (vorverpackte Schokoladenriegel und/oder vorverpackte Fertigsuppen und/oder vorverpackte Frühstückscerealien zum Kauf anzubieten, ohne die Verbraucher vor Abgabe von deren Vertragserklärung über die in dem Produkt enthaltenen Allergene zu informieren):
Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger die Kosten zu erstatten hat, die durch die Klageerhebung in Bezug auf den in der Klageschrift enthaltenen Klagantrag zu 1.2. entstanden sind.
3. Vorverpackte Fertigsuppen zum Kauf anzubieten, ohne die Verbraucher vor Abgabe von deren Vertragserklärung über die Aufbewahrungsbedingungen und den Verzehrzeitraum zu informieren, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K 1, K 2 oder K 3 wiedergegeben.
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt
Klagabweisung.
Der Beklagte behauptet, die Abmahnung der Klägerin nicht erhalten zu haben.
Hinsichtlich des Importeurs der Lebensmittel ist er der Auffassung, dass ausreichend durch die Angabe auf der Startseite, jedenfalls aber durch die Angaben auf der Seite „über uns“ hingewiesen worden sei. Auf der Seite „über uns“ erscheine zwar ein anderer Text, ohne Hinweis auf die Importeurstellung, wenn man die Vereinigten Staaten als Lieferort auswähle. Eine Lieferung nach Deutschland könne aber nur ausgelöst werden, wenn über eine deutsche IP Adresse bestellt werde und Deutschland als Lieferort ausgewählt sei. Ein nach Deutschland bestellender Verbraucher bekomme daher immer den richtigen Hinweis auf die Importeureigenschaft angezeigt.
Da in der Tomatensuppe lediglich ein Inhalt von 296 ml vorhanden sei, der mit einer Dose Wasser oder Milch aufgefüllt werde, sei nicht zu erwarten, dass das Produkt nicht auf einmal verzehrt, sondern aufbewahrt werde. Außerdem sei allgemein bekannt, dass geöffnete Lebensmittel baldmöglichst zu verbrauchen seien. Insofern sei kein Bedürfnis für einen entsprechenden Hinweis gegeben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen im Termin vom 09.02.2017 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8, 3a UWG i.V.m. Artikel 9 Abs. 1 g), 14 Abs. 1 a) Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) zu.
Die Klagebefugnis des Klägers ist unproblematisch und auch von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt.
Aufbewahrungshinweis
Gemäß Artikel 14 Abs. 1 a) i.V.m. Artikel 9 Abs. 1 g) müssen verpflichtende Informationen vor Abschluss des Kaufvertrags im Wege des Fernabsatzes auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäftes erscheinen oder durch andere geeignete Mittel bereitgestellt werden, wobei sich dies bezieht auf besondere Anweisungen für Aufbewahrung und/oder Anweisungen für die Verwendung. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass Artikel 9 Abs. 1 g) diese besonderen Anweisungen nur „gegebenenfalls“ vorsieht. Nach Auffassung der Kammer sind die Hinweise aber in dem vorliegenden Fall geboten. Bei der entsprechenden Ergänzung der Tomatensuppengrundmasse ergibt sich eine Gesamtflüssigkeitsmenge von ca. 0,6 Liter. Gerade bei Singlehaushalten, insbesondere auch bei älteren Menschen, erscheint es alles andere als abwegig, dass der Inhalt der Suppe nicht auf einmal verzehrt wird, sondern Reste zum späteren Verzehr aufgehoben werden. Es mag zwar jedem einleuchten, dass diese Reste nicht ebenso lange haltbar sind, wie die ungeöffnete Suppendose, ob sie in den Kühlschrank müssen und wie lange der mögliche Verbrauchszeitraum ist, erschließt sich dem Verbraucher aber nicht ohne Weiteres. Insofern sind diese Hinweise bei einem nicht nur unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise sinnvoll oder sogar nötig, um den Zweck der Verordnung zu erreichen. Ob andere Mitbewerber des Beklagten ihren Verpflichtungen nach der LMIV nachkommen, spielt für die Entscheidung keine Rolle. Der Unterlassungsanspruch ist insoweit gegeben.
Hinweis Allergen – Kosten
Die Klage hat ebenfalls Erfolg hinsichtlich des im Wege der zulässigen Klage geltend gemachten Feststellungsantrags bezüglich der Prozesskosten für den Klagantrag 1.2. Aufgrund der Zustellungsurkunde ist nach § 418 ZPO davon auszugehen, dass eine wirksame Zustellung erfolgt ist.
Der Wert der Zustellungsurkunde wird auch nicht entscheidend dadurch gemindert, dass der Gerichtsvollzieher nicht ausgeführt hat, ob er das Schriftstück in einen Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt hat. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, seine Post sei zu der Zeit zusammen mit der Post für andere Firmen bei einer Spedition abgegeben worden, die diese dann an ihn weitergeleitet habe, würde dies an einer wirksamen Ersatzzustellung nach § 180 ZPO nichts ändern, da der Beklagte selbst diesen Weg eingerichtet hat und seine Post typischerweise auf diesem Weg erhält (vgl. Zöller/Stöber, 31. Aufl., § 180 Rdnr.3).
Mit der Zustellung der Abmahnung war zwischen den Parteien eine Sonderbeziehung begründet, die den Beklagten verpflichtete, zur Vermeidung unnötiger Prozesskosten den Kläger darauf hinzuweisen, dass bereits eine strafbewehrte Unterlassungserklärung vorlag. Die Verletzung dieser Verpflichtung begründet eine Schadensersatzpflicht des Beklagten hinsichtlich der unnötigen Prozesskosten. Da eine genaue Bezifferung noch nicht möglich ist, ist eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig, das Feststellungsinteresse ist gegeben.
Auslagenpauschale
Gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG kann der Kläger für die berechtigte Abmahnung auch eine Auslagenpauschale verlangen, deren Höhe hier nicht zu beanstanden ist. Unerheblich für die Höhe der Kostenpauschale ist, wenn die Abmahnung nicht in vollem Umfang berechtigt war (Köhler/Bornkamm, 34. Aufl., § 12 Rdnr. 1.99).
Importeureigenschaft
Demgegenüber hat die Klage keinen Erfolg, soweit der Kläger den Hinweis auf die Importeureigenschaft des Beklagten für unzureichend hält. Nach Artikel 14 Abs. 1a) i.V.m. Artikel 9 Abs. 1 h) und Artikel 8 Abs. 1 LMIV muss der Beklagte vor Abgabe der Vertragserklärung des Käufers diesen darüber informieren, dass er der Importeur der verkauften Ware ist. Besondere Anforderungen, wie diese Unterrichtung zu erfolgen hat, sieht Artikel 14 LMIV, anders als andere Normen, nicht vor. Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut, dass es sich um ein geeignetes Mittel handeln muss. Wie der Beklagte offenbar erst selbst kurz vor der ersten mündlichen Verhandlung bemerkt hat, befinde sich dann, wenn man auf der Startseite den Unterpunkt „über uns“ anklickt, ein Hinweis, der mit der gebotenen Deutlichkeit die Importeurseigenschaft des Beklagten offen lege. Der Hinweis im unteren Bereich der Startseite selbst lässt demgegenüber offen, wer die verkauften Getränke importiert hat. Nach Auffassung der Kammer ist der Hinweis im Menüpunkt „über uns“ noch ausreichend geeignet im Sinne des Artikel 14 LMIV. Der Kläger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Angabe des Importeurs im Hinblick auf die Produkthaftung bedeutsam ist. Sonstige Gründe, warum für den Käufer einer amerikanischen Tomatensuppe wichtig sein sollte, von wem diese in die Europäische Union eingeführt wurde, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Für den relativ seltenen Fall der Produkthaftung, bei dem es dann im Regelfall um höhere Ansprüche gehen wird, ist den Betroffenen aber durchaus zuzumuten, einen gewissen Suchaufwand aufzubringen. Nicht alle wichtigen Informationen können sofort und ohne Weiteres ins Auge springen, wenn man nicht umgekehrt gerade zu einer erhöhten Verwirrung der angesprochenen Verkehrskreise beitragen will. Es kann hier auch nicht davon gesprochen werden, dass die Information etwa irgendwo etwa in den Weiten der AGB versteckt worden wäre. Für die begehrte Information auf der Startseite den Button „über uns“ anzuklicken, springt zwar nicht ins Auge, ist aber doch ein Suchaufwand, den die Kammer für diesen relativ seltenen Fall eines Bedürfnisses nach der Information für noch hinnehmbar erachtet.
Die insoweit beweisbelastete Klägerin vermochte nicht nachzuweisen, dass es möglich ist, Lieferungen nach Deutschland auszulösen, ohne den ausreichenden Hinweis auf die Importeurseigenschaft im Menüpunkt „über uns“ zu erhalten. Zwar ergibt sich ein abweichender Text, ohne den nötigen Hinweis, aus den Anlagen K 7, 8. Die Behauptung des Beklagten, dieser erscheine aber nur, wenn nach den USA geliefert werde, nicht bei einer Lieferung nach Deutschland, ist aber nicht widerlegt. Zwar ist es unplausibel, einen abweichenden Text für die USA einzugeben, wenn dorthin keine Lieferung erfolgt – letzteres liegt bei dem Geschäftsmodel „Import amerikanischer Getränke“ auch nahe. Auf der anderen Seite gibt es im Internet viele unlogisch konzipierte Seiten, zu denen die streitgegenständliche gehören mag. Nähere Angaben des Beklagten sind hierzu nicht zu verlangen, da er diese Seite nicht selbst erstellt hat und im Übrigen auch nicht mehr betreibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.11, 709 ZPO.