LG Bielefeld: Werbung mit unrichtiger Preisempfehlung des Herstellers ist irreführend

veröffentlicht am 20. Juli 2017

LG Bielefeld, Urteil vom 19.07.2016, Az. 12 O 44/16 – nicht rechtskräftig
§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG

Das Urteil des LG Bielefeld haben wir hier zusammengefasst (LG Bielefeld – Unrichtiger Herstellerpreis), den Volltext der Entscheidung finden Sie nachfolgend:


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Landgericht Bielefeld

Urteil

1.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Waren mit einer Gegenüberstellung des eigenen Preises zu einer unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) des Herstellers der Waren zu bewerben, wenn die angegebene UVP höher ist als diejenige, die vom Hersteller der Ware tatsächlich ausgesprochen ist;

2.
für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gemäß Ziffer 1. wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,– €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft am Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist.

3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 246,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,– € vorläufig vollstreckbar.
 
Tatbestand

Die Beklagte vertreibt im Fernabsatzverkehr Erotik-Artikel. Sie bewarb in ihrem Online-Shop am 08.01.2016 einen Auflegevibrator – C. „DOPPIO“ 14 CM – zum Preis von 57,99 € inkl. 19 % Mehrwertsteuer zzgl. Versand. Die Werbung für dieses Produkt enthielt links neben dem Angebotspreis der Beklagten folgenden Hinweis: „UVP 90,99 € Spare jetzt 36%“ (Anlage K 1). Der Kläger beanstandete diese Werbeaussage mit Abmahnschreiben vom 14.01.2016 als irreführend mit der Begründung, der Hersteller dieses Produkts – die Firma T. GmbH – habe eine unverbindliche Preisempfehlung von 79,90 € inkl. Mehrwertsteuer angegeben (Anlage K 3).

Anfang 2016 bewarb die Beklagte in ihrem Online-Shop weiter folgende Produkte so:

„Massageöl „K.“WARM UP CARAMELWASSERB. 150 ML      UVP 20,90 €                                          13,99 €
Körperpflege – K.SOFT TAMPONS, GRÖSSE S10 Stück          UVP 13,90 €                                            9,99 €
Körperpflege – K.SOFT TAMPONS, GRÖSSE M3 Stück          UVP 6,90 €                                               3,99 €
Aphrodisiakum – K.CREME FÜR IHN PENISEX50 ML           UVP 20,90 €                                          13,49 €“
(Anlage K 6).

Auch die Bewerbung dieser Produkte beanstandete der Kläger mit an die Beklagte gerichtetem Abmahnschreiben vom 16.02.2016 als wettbewerbswidrig unter Hinweis darauf, daß der Hersteller für diese Produkte folgende unverbindliche Preisempfehlungen angegeben habe:

Massageöl 13,50 €

SOFT TAMPONS, GRÖSSE S: 12,15 €

SOFT TAMPONS, GRÖSSE M: 4,50 €

CREME FÜR IHN PENISEX: 11,85 €

Der Kläger behauptet die von der Beklagten in der Anzeige angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers seien unrichtig; zutreffend seien allein die Preise, die sie in diesem Rechtsstreit und vorprozessual angegeben habe.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält den Klageantrag zu 1. für zu unbestimmt, dies auch deshalb, weil der Antrag die von dem Kläger beanstandeten Werbeaussagen nicht in Bezug genommen habe. Sie bestreitet die Richtigkeit der von dem Kläger angegebenen unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller. Die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers des Auflagevibrators stamme vom 13.11.2015, ihre Werbeaussage hingegen vom 08.01.2016. Bereits daraus ergebe sich, daß die Herstellerangabe nicht verläßlich für den Zeitraum ihrer Werbebotschaft herangezogen werden könne. Die Richtigkeit der übrigen unverbindlichen Preisempfehlungen bestreitet die Beklagte gleichfalls. Im übrigen handele es sich nach Auffassung der Beklagten bei diesen Preisangaben nur um geringfügige Abweichungen und zudem um sogen. Ausreißer. Sie vertreibe – unstreitig – 25.000 verschiedene Produkte, die beanstandeten Werbeaussagen beträfen lediglich 0,02 % ihres Produktangebotes.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klageantrag zu 1. ist hinreichend bestimmt und konkret. Der Kläger verfolgt den Anspruch, daß es die Beklagte künftig unterläßt, Waren im Fernabsatzverkehr mit unzutreffenden Angaben zur „UVP“ zu bewerben. Dieses Petitum beschränkt sich nicht auf bestimmte Waren, es erfaßt vielmehr alle Waren, die die Beklagte anbietet. Der Antrag ist hinreichend bestimmt, ohne daß es einer Bezugnahme auf die Anlagen K 1 und K 6 bedarf.

Der Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 8 I, III Nr. 1 i.V.m. § 5 I 2 Nr. 2 UWG. Die Beklagte hat irreführende Angaben zum Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils gemacht. Sie hat den Auflegevibrator zum Preis von 57,99 € angeboten und als unverbindliche Preisempfehlung einen solchen von 90,99 € angegeben; zudem hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Erwerber 36 % spare. Diese Angaben zur unverbindlichen Preisempfehlung sind unzutreffend. Der vom Kläger zur Akte gereichten Bestätigung des Herstellers dieses Produktes vom 13.11.2015 (Anlage K 2) läßt sich entnehmen, daß der Hersteller eine unverbindliche Preisempfehlung von 79,90 € inkl. Mehrwertsteuer angegeben hat. Zwar trifft es zu, daß die Werbeaussage der Beklagten vom 08.01.2016 stammt. Das Gericht schließt es jedoch aus, daß der Hersteller die unverbindliche Preisempfehlung innerhalb von ca. 6 Wochen von 79,90 € auf 90,99 € erhöht hat. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten konnte im Termin nicht näher darlegen, auf Grund welcher Erkenntnisse die Beklagte die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers mit 90,99 € dargestellt hat. In Ansehung dieser Umstände reicht das bloße Bestreiten der Richtigkeit der Darstellung des Herstellers nicht aus.

Entsprechend verhält es sich mit den unverbindlichen Preisangaben zu den weiter von dem Kläger beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten. Der Kläger hat das Preistableau des Herstellers vorgelegt; aus diesem sind die unverbindlichen Preisempfehlungen für die einzelnen Produkte ersichtlich. Die unverbindliche Preisempfehlung für das Massageöl beläuft sich auf 13,50 €, die Preisempfehlung für SOFT TAMPONS, GRÖSSE S auf 12,15 €, die für das Produkt SOFT TAMPONS, GRÖSSE M auf 4,50 € sowie diejenige für die CREME FÜR IHN auf 11,85 €. Die Authentizität dieses Preistableaus des Herstellers hat die Beklagte nicht in hinreichender Form in Zweifel gezogen. Allein das Bestreiten der Richtigkeit reicht nicht aus, zumal die  Beklagte keine Umstände dargetan hat, aus denen sich ihre Erkenntnisse über die unverbindliche Preisempfehlung herleiten läßt.

Der Hinweis der Beklagten, zwischen der von ihr in den Werbeaussagen gemachten Angaben zur unverbindlichen Preisempfehlung sowie der vom Kläger behaupteten Preisempfehlung liege nur eine unerhebliche Abweichung, läßt die Irreführung zum Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils nicht entfallen. Dem durchschnittlich unterrichteten und informierten Verbraucher wird vorgespiegelt, er realisiere einen Preisvorteil, wenn er das von der Beklagten angebotene Produkt erwirbt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Grundsätze der Entscheidung des BGH GRUR 1987, 52 – Tomatenmark – auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar. In jener Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei einer Zeitungsanzeige eines Lebensmittelmarktes, die sich auf 23 Produkte erstreckt, von einer irreführenden Werbung auszugehen ist, wenn ein Produkt nach einem kurzen Zeitraum nicht mehr vorrätig ist. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist schon deshalb nicht übertragbar, weil die Beklagte den Auflegevibrator in besonderer Weise mit der unverbindlichen Preisempfehlung von 90,99 € beworben und ausdrücklich ausgeführt hat, daß der Käufer jetzt 36 % sparen könne. Darüber hinaus steht der genannten Rechtsprechung der Gesichtspunkt entgegen, daß es sich bei der Bewerbung des Auflegevibrators nicht um einen einmaligen Vorgang gehandelt hat, sondern die 4 weiteren im Tatbestand genannten Produkte sind ebenfalls mit unrichtigen Angaben zur unverbindlichen Preisempfehlung beworben worden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 709 ZPO.

Nachinstanz:
OLG Hamm, Az. 4 U 138/16