KG Berlin: Versandkosten für das EU-Ausland müssen bei Onlineverkauf angegeben werden

veröffentlicht am 30. Oktober 2015

KG Berlin, Beschluss vom 02.10.2015, Az. 5 W 196/15
Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EGBGB; § 1 aF PAngV; § 3 Abs 2. S. 1 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG

Lesen Sie unsere Kurzbesprechung der wesentlichen Aspekte der Entscheidung (hier). Den vollständigen Text der Entscheidung finden Sie unter dem Link „Diesen Beitrag weiterlesen“:

Kammergericht Berlin

Beschluss

1.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Kammer für Handelssachen 101 des Landgerichts Berlin vom 27. August 2015 – 101 O 85/15 – teilweise geändert:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz auf der Handelsplattform eBay betreffend Accessoires und/oder Textilien und/oder Schmuck und/oder Schuhe Angebote zu veröffentlichen und/oder zu unterhalten,

bei denen bezüglich der Auslandsversandkosten wie folgt informiert wird: „Versand Europa/Welt auf Anfrage“,

wenn dies geschieht wie im angefochtenen landgerichtlichen Beschluss in seiner Beschlussformel (Umdruck Seite 3 bis Seite 6) wiedergegeben.

2.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.

3.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 4.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin in deren (in der landgerichtlichen Beschlussformel dargestellten) Internet-Auftritt für die genannten Produkte in der angegebenen Weise (insbesondere mit den Hinweisen „Verkauf nach Europa, Vereinigte Staaten von Amerika, Japan, Kanada, Australien“ sowie „Der Versand innerhalb Deutschlands kostet hier nur 4,90 € … Versand Europa/Welt auf Anfrage“) geworben hat.

II.
Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist begründet, §§ 935, 940 ZPO.

Hinsichtlich der konkreten Verletzungsform steht dem Antragsteller gegen die Antragsgegnerin auch wegen einer fehlenden Angabe der Höhe der Versandkosten (jedenfalls außerhalb Deutschlands in die Länder der Europäischen Union) ein Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV, aus § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 246a §1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGBGB, § 312j Abs. 2 BGB sowie aus § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG (jeweils in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1 UWG) zu.

1.
Gemäß § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG sind bei Warenangeboten u.a. die anfallenden Lieferkosten anzugeben und – in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden können – die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können.

§ 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV (in der ab dem 13.6.2014 gültigen Fassung) und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGBGB konkretisieren dieses Informationsgebot für entgeltliche Angebote gegenüber Verbrauchern im Fernabsatz bzw. im elektronischen Geschäftsverkehr dahin, dass u.a. anfallende Lieferkosten mitzuteilen sind und – in Fällen, in denen diese Kosten „vernünftigerweise“ nicht im Voraus berechnet werden können – die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können.

Danach ist die jeweilige Höhe der Lieferkosten anzugeben, es sei denn, diese Kosten können vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden (dann genügt eine Information über die Tatsache, dass diese zusätzlichen Kosten anfallen können). Wenn die Höhe der Lieferkosten nach § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGBGB nur anzugeben ist, soweit diese Kosten „vernünftigerweise“ im Voraus berechnet werden können, bedeutet dies gegenüber dem aus § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG folgenden Informationsgebot keine Einschränkung, sondern nur eine Konkretisierung. Denn auch § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG verzichtet auf eine Angabe der Höhe der Lieferkosten nicht erst dann, wenn nur technisch eine Berechnung im Voraus nicht möglich ist. Dies folgt schon (richtlinienkonform, vergleiche BGH, GRUR 2014, 1208 TZ 14f – Preis zuzüglich Überführung) daraus, dass diese Vorschrift Art. 7 Abs. 4 lit. c der UPG-Richtlinie 2005/29/EG umsetzt. Gemäß dieser Richtlinie ist ebenfalls ausnahmsweise die Höhe der Lieferkosten nicht anzugeben, wenn diese Kosten „vernünftigerweise“ nicht im Voraus berechnet werden können.

2.
Die Antragsgegnerin bietet über eBay die genannten Produkte mit einem Versand u.a. nach Europa an, ohne dabei die Höhe der Versandkosten jedenfalls für die Länder der Europäischen Union anzugeben.

Nach den eBay-Bedingungen kann ein Verkäufer sein Angebot auf allen internationalen eBay-Websites (insgesamt 14 Länder, darunter auch die größeren Länder der Europäischen Union) erscheinen lassen, wenn er entsprechende Versandoptionen auswählt. Damit erreicht die Antragsgegnerin vorliegend mit ihrem Angebot eines Versands (auch) in die Länder der Europäischen Union, dass mit ihren eBay-Angeboten ebenso Verbraucher in diesen Ländern (zumindest in den von eBay genannten) angesprochen werden. Dies gilt vorliegend selbst dann, wenn nicht ersichtlich ist, dass die Antragsgegnerin auch Übersetzungen ihres Angebotes beigefügt hat. Sprachbarrieren verlieren innerhalb der Länder der Europäischen Union angesichts des zunehmenden länderübergreifenden Umzugs vieler Verbraucher und kostenloser Übersetzungsprogramme an Bedeutung.

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass nicht jedenfalls für die Länder der Europäischen Union jeweils die Höhe der Versandkosten ohne unzumutbaren Aufwand angegeben werden kann (vergleiche auch die Fallgestaltung in der Entscheidung des Senats in GRUR-RR 2010, 440, in der selbst ein kleingewerblicher Händler die Versandkosten für die Europäische Union und die Schweiz angeben konnte). Dies gilt umso mehr, als in der Europäischen Union die wirtschaftlichen Bedingungen weit gehend angeglichen sind und ein Warenaustausch zwischen diesen Ländern grundsätzlich frei möglich ist.

3.
Vorliegend ist entgegen der Annahme des Landgerichts nicht von einem Bagatellfall auszugehen, § 3 Abs. 2 UWG.

a)
Dem stehen auch nicht die Entscheidungen des Senats in GRUR-RR 2008, 23 und GRUR-RR 2010, 440 entgegen.

In der Entscheidung GRUR-RR 2008, 23 ging es nicht – wie vorliegend – um ein eBay-Angebot mit einer internationalen Ausrichtung, sondern um einen deutschsprachigen Internet-Auftritt unter der TOP-Level-Domain „de“. Auch wenn in diesem Internet-Auftritt zwar ein Versand nach Europa angeboten, aber nur für Deutschland die Höhe der Versandkosten angegeben wurde, hat der Senat einen Bagatellfall angenommen, weil sich der Internetauftritt in aller erster Linie an Inländer gerichtet hatte und der Senat von einem unverhältnismäßigen Aufwand ausging, wenn auch für jedes europäische Land außerhalb der Europäischen Gemeinschaft die Versandkosten einschließlich etwaiger Zollabgaben im Voraus anzugeben wären.

Die Entscheidung GRUR-RR 2010, 440 betraf zwar ein eBay-Angebot. In diesem Angebot waren allerdings – anders als vorliegend – die Versandkosten für die europäische Union und die Schweiz der Höhe nach angegeben. Unter diesen Umständen hat der Senat in dem weitergehenden Hinweis „Versand in alle anderen Länder weltweit auf Anfrage“ einen bloßen Bagatellverstoß gesehen.

b)
Den vorgenannten Entscheidungen des Senats lag noch die bis zum 12.6.2014 gültige Fassung des § 1 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 PAngV aF zu Grunde. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 3 PAngV aF waren, soweit die vorherige Angabe der Versandkosten in bestimmten Fällen nicht möglich war, immerhin noch (weitergehend als nach der Neufassung des § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV) die näheren Einzelheiten der Berechnung anzugeben, aufgrund derer der Letztverbraucher die Höhe leicht errechnen konnte. Hinsichtlich der Angabe zumindest dieser Berechnungsgrundlage fehlte eine Beschränkung auf die Zumutbarkeit dieser Information.

Stellen nunmehr die Informationsgebote zur Höhe der Versandkosten in § 1 Abs. 2 Satz 2 PAngV nF, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGBGB sowie in § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG gleichermaßen auf die Zumutbarkeit der Informationen ab, bedarf es insoweit keines Rückgriffs mehr auf die Bagatellklausel des § 3 Abs. 2 UWG. Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Bereich – wie erörtert – nach dem 12. Juni 2013 durch die UGP-Richtlinie eine vollständige Harmonisierung bewirkt worden ist (vergleiche BGH, GRUR 2014, 1208 TZ 14f – Preis zuzüglich Überführung) und in § 5a Abs. 3 UWG/Art. 7 Abs. 4 lit. c UGP-Richtlinie ausdrücklich klargestellt wird, dass auch die Informationen ihrer Nr. 3 als wesentlich gelten.

III.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten der sofortigen Beschwerde und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 91 Abs. 1 ZPO, § 51 Abs. 2 bis Abs. 4 GKG.