OLG Naumburg: Widerrufsrecht für Verbraucher kann von Versandapotheken nicht allgemein ausgeschlossen werden

veröffentlicht am 25. Januar 2018

OLG Naumburg, Urteil vom 22.06.2017, Az. 9 U 19/17
§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 312g Abs. 2 BGB, § 355 BGB; § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 3a UWG, § 8 Abs. 1 UWG, § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG

Das Urteil des OLG Naumburg haben wir hier zusammengefasst (OLG Naumburg – Widerrufsrecht bei Internet-Apotheken), den Volltext der Entscheidung finden Sie nachfolgend:


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Oberlandesgericht Naumburg

Urteil

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.02.2017 verkündet Urteil der 3. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Dessau-Roßlau abgeändert und die Beklagte verurteilt,

1.
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern über den Telemediendienst mit der Adresse www. … de das Schmerzmittel „P. “ in einer Menge, die das 25-fache der vom Hersteller angegebenen Tagesdosis erreicht, abzugeben und einem Arzneimittelmissbrauch ausschließlich dadurch entgegenzutreten, dass an die E-Mail-Adresse des Bestellers eine Mitteilung mit folgendem Inhalt erfolgt:

Wir sind seit Anfang des Jahres vom Gesetzgeber verpflichtet worden, unsere Kunden über die hohen pharmazeutischen Bedenken beim Kauf und der regelmäßigen hohen Einnahme von mehr als 3 Packungen Abführmittel/Schmerzmittel ausdrücklich hinzuweisen. Wir bitten Sie lediglich, uns dies mit Ihrem o.k. zu bestätigen, dass wir Sie diesbezüglich aufgeklärt haben.

Somit sind wir der gesetzlichen Pflicht nachgekommen und können nach Ihrer Rückmeldung ihre Bestellung versenden.

wie gegenüber der Zeugin R. N. am 18.07.2016 geschehen;

2.
nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Kaufverträge einer Versandapotheke mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartige Verträge zu berufen:

Bei apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln besteht nach Übergabe an den Kunden kein Widerrufsrecht, da diese aufgrund der Vorschriften die Arzneimittelsicherheit wegen ihrer Beschaffenheit nicht für die Rücksendung geeignet sind und schnell verderben können;

3.
an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2016 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 17.500,00 EUR

Gründe

A.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

B.
Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

I.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich des Klageantrages zu 1 gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3 Abs. 1,3 UWG i.V.m. § 17 Abs. 8 Ap-BetrO sowie aus § 2 UKlaG.

1.
Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG i.V.m. § 4 UKlaG. Sie wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

2.
Der Betrieb einer Versandapotheke stellt fraglos eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

3.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall die Anforderungen, die sich aus § 17 Abs. 8 ApBetrO ergeben, nicht erfüllt

a)
§ 17 ApBetrO Abs. 8 stellt eine Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG.

aa)
§ 17 ApBetrO Abs. 8 in der Fassung vom 6.3.2015 lautet:

Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmißbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bei begründetem Verdacht auf Mißbrauch ist die Abgabe zu verweigern.

bb)
Der Senat sieht diese Bestimmungen (Satz 1 und Satz 2) als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG an. Denn beide Bestimmungen sollen im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten regeln. Die Vorschriften sollen eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen und dienen damit auch dem Schutz der Verbraucher, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ebenfalls Marktteilnehmer sind.

b)
Anders als das Landgericht es angenommen hat, gab es im vorliegenden Fall Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch, so dass die Beklagte diesem Verdacht nachgehen musste.

aa)
Die Bundesapothekerkammer hat im Leitfaden „Medikamente: Abhängigkeit und Missbrauch“ ausgeführt (vergleiche Anlagenband, Anlage B 25):

„3. Der Missbrauch oder schädliche Gebrauch eines Arzneimittels ist in der EG-Richtlinie über Humanarzneimittel definiert als die absichtliche, dauerhafte oder sporadische sowie übermäßige Verwendung von Arzneimitteln mit körperlichen oder psychischen Schäden als Folge. Als weiteres Kriterium ist auch die Anwendung ohne medizinische Indikation anzusehen. …

Rückschlüsse auf einen kritischen Arzneimittelkonsum kann die Apotheke unter anderen aus den folgenden Umständen ziehen:

• Häufigkeit der Nachfrage und gewünschten Mengen

• Hinweise auf Beschaffung aus mehreren Apotheken

• Verschreiben eines kritischen Arzneimittels auf Privatrezept oder durch verschiedene Ärzte für denselben Patienten

• Manipulation von Arzneimitteln, wie z. B. unter 4.2 beschrieben

• Rezeptfälschungen

• Tricks der Medikamentenbeschaffung, zum Beispiel die Vorgabe, ein Rezept verloren zu haben.

Anhaltspunkte für Missbrauch bzw. Abhängigkeit können aus der Medikationshistorie und durch offenes, verständnisvolles Ansprechen des Patienten erhärtet oder widerlegt werden. …

5. … Begründet ist der Missbrauchsverdacht, wenn bei sorgsamer Abwägung aller Umstände zu befürchten ist, dass das verlangte oder verschriebene Arzneimittel nicht bestimmungsgemäß, sondern mit gesundheitsgefährdenden Folgen angewandt wird.“

bb)
Das Landgericht hat angenommen, dass eine erstmalige und alleinige Bestellung einer Menge von 13 (!) Packungen P. nicht geeignet sei, einen erkennbaren Arzneimittelmissbrauch anzunehmen und schon deshalb für die Beklagte keine Verpflichtung bestanden habe einem solchen Missbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.

a)
Richtig ist sicherlich, dass Fälle möglich sind, in denen die Bestellung von 13 Packungen P. durch eine Einzelperson keinen Missbrauch darstellt, wie z.B. bei Sammelbestellungen. Die Beklagte führt dies wortreich aus.

β)
Dennoch ist eine Bestellung eines Medikaments mit Missbrauchspotenzial in dieser Größenordnung durch eine Einzelperson so ungewöhnlich, so dass zunächst Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Medikamentenmissbrauch im Raum stehen.

Wann ein Anhaltspunkt für einen solchen Verdacht vorliegt, ist nach der zitierten Definition des Medikamentenmissbrauchs zu bestimmen. Deshalb liegt in der Bestellung einer ungewöhnlich großen Menge eines Medikaments mit Missbrauchspotenzials ein Anhaltspunkt für eine übermäßige Verwendung des Mittels, die körperliche Schäden nach sich ziehen kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist es ohne Bedeutung, ob eine höhere Bestellmenge und eine Häufung der Bestellungen kumulativ vorliegen. Denn auch bei 13 Bestellungen von jeweils einer Schachtel an aufeinanderfolgenden Tagen durch eine Einzelperson bestünden Anhaltspunkte für eine übermäßige Verwendung des Mittels. Entscheidend ist, ob das Verhältnis aus Bestellmenge und Bestellzeitraum grundsätzlich auf eine übermäßige Verwendung des Mittels schließen lassen.

Y)
Da hier solche Anhaltspunkte vorlagen, hätte die Beklagte bzw. ihr Personal in geeigneter Art nachfragen müssen, wie es zu einer Bestellung in dieser Größenordnung kam.

Die Richtlinie spricht davon, dass diese Anhaltspunkte „durch offenes, verständnisvolles Ansprechen des Patienten zu erhärten oder zu widerlegen“ sind. Dementsprechend hätte hier fernmündlich oder per E-Mail nach den Gründen für die große Bestellmenge gefragt werden müssen.

Aufgrund der Antwort hätte die Beklagte dann entscheiden müssen, ob bei sorgsamer Abwägung aller Umstände zu befürchten war, dass das verlangte oder verschriebene Arzneimittel nicht bestimmungsgemäß, sondern mit gesundheitsgefährdenden Folgen angewandt werden sollte.

Hätte diese Abwägung ergeben, dass der Verdacht begründet ist, so hätte die Beklagte die Abgabe gemäß § 17 Abs. 8 S. 2 ApBetrO verweigern müssen.

c)
Die Beklagte bzw. ihr Personal ist diesen Pflichten im vorliegenden Fall nicht nachgekommen.

Denn der bloße Hinweis des Patienten „auf die hohen pharmazeutischen Bedenken beim Kauf und der regelmäßigen hohen Einnahme von mehr als 3 Packungen Abführmittel/Schmerzmittel“ reichte nicht aus, um den Verdacht zu erhärten oder zu entkräften. Tatsächlich gewann die Beklagte durch diesen Hinweis keine weiteren Informationen, die sie in die Lage versetzt hätten, zu beurteilen, ob hier ein begründeter Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch vorliegt oder nicht. Statt- dessen dürfte die formelhafte Belehrung nicht mehr Wirkung entfaltet haben als die Hinweise im Beipackzettel.

4.
Wiederholungsgefahr ist zu bejahen. Denn die Beklagte stellt die Verpflichtung zur nachfragen Abrede und hat die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert.

5.
Bei der Formulierung des Unterlassungstenors hat der Senat die beantragte

Bezugnahme auf die Anlage Antrag aus Praktikabilitätsgründen durch den Zusatz „wie gegenüber der Zeugin R. N. am 18.07.2016 geschehen“

ersetzt. Er geht davon aus, dass sich hierdurch der Sinngehalt des Antrags nicht verändert hat.

II.
Der Kläger hat – anders als das Landgericht es angenommen hat – gegen die Beklagte auch einen Anspruch gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, 3 Abs. 1, 3 UWG i. V.m. §§ 307, 312 G BGB und gemäß § 2 UKlaG auf Unterlassung der Verwendung folgender Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen:

„Bei apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln besteht nach Übergabe an den Kunden kein Widerrufsrecht, da diese aufgrund der Vorschriften die Arzneimittelsicherheit wegen ihrer Beschaffenheit nicht für die Rücksendung geeignet sind und schnell verderben können.“

Der Senat schließt sich der Auffassung des Landgerichts Konstanz an, dass eine solche Klausel gegen die Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt.

1.
Denn eine solche allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB) benachteiligt den Kunden unangemessen, da sie von den gesetzlichen Regelungen der §§ 312 g, 355 BGB abweicht und mit den wesentlichen Grundgedanken dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren ist.

Diese Normen gewähren dem Verbraucher auch beim Vertrieb von Arzneimitteln im Fernabsatz ein Widerrufsrecht, so dass der Ausschluss dieses Rechts eine unangemessene Benachteiligung in dem genannten Sinn darstellt.

2.
Anders als die Beklagte meint ergibt sich aus § 312g Abs. 2 BGB für Arzneimittel keine generelle Ausnahme

§ 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB bestimmt, dass bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde, kein Widerrufsrecht besteht.

a)
Zweifellos gibt es Arzneimittel, die schnell verderben. Dies gilt jedoch nicht für alle Arzneimittel, so dass eine direkte Anwendung dieser Vorschrift auf alle Arzneimittel ausscheidet.

b)
Der Senat vermag sich der von der Beklagten geäußerten Rechtsauffassung, dass bei Arzneimitteln im Hinblick auf §§ 17 Abs. 1 ApBetrO, 7b AMGrHdlBetrV eine „rechtliche Verderblichkeit“ vorliege, nicht anzuschließen.

aa)
Das Landgericht Konstanz weist zutreffend darauf hin, dass es sich bei § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB um eine Ausnahmevorschrift handele, die eng auszulegen sei und der von der Beklagten bevorzugten erweiternden Auslegung deshalb nicht zugänglich wäre.

bb)
Die Kommentarstelle, auf die sich die Beklagte für ihre Auslegung beruft, lautet wörtlich:

„… Schnell verderbliche Waren sind vor allem Lebensmittel, aber auch sämtliche sonstige Waren aus biologischen Stoffen (Wilmer/Hahn § 312d Rn 24). Entscheidend ist hierbei eine ex ante Einschätzung der Verderblichkeit. Bei der Lieferung von Arzneimitteln, aber auch bei sonstigen Hygienemitteln und Kosmetika, kommt ein Ausschluss des Widerrufs nach Abs II Nr 2 in Betracht (Becker/Föhlisch NJW 2008, 3751, 3754ff; aA AG Köln NJW 2008, 236, dazu abl Anm Mand NJW 2008, 190; differenzierend: Bruggmann PharmR 2011, 161ff), soweit nicht die Spezialregelung des Abs II Nr 3 eingreift. Auch wenn eine Entsiegelung nicht stattgefunden hat, ist insb bei Arzneimitteln stets zu bedenken, dass die Verkehrsfähigkeit dadurch erheblich eingeschränkt ist, dass die erforderliche fachgerechte Lagerung und Behandlung für den Unternehmer nicht sicherzustellen und überprüfbar ist (Becker/Föhlisch NJW 2008, 3751, 3754).“ (R. Koch in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 312g BGB, Rn. 8)

Tatsächlich spricht sich der Kommentator damit nicht für eine erweiternde Auslegung der Vorschrift aus, sondern meint unter Bezugnahme auf einzelne Literaturstellen, dass ein Ausschluss des Widerrufs „in Betracht“ käme. Eine eigene Begründung des Kommentators findet sich nicht.

Die zitierten Stellen sind sämtlich vor Inkrafttreten des § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB verfasst worden. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 312 g BGB die Argumente der zitierten Literaturstimmen nicht zum Anlass genommen hat, um einen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel gesetzlich zu regeln, spricht im Übrigen gegen eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift.

cc)
Die Kommentierung der Apothekenbetriebsordnung (Cyran/Rotter), die die Beklagte zitiert, bezieht sich auf die frühere Rechtslage unter Geltung des § 312 d Abs. 4 Ziff. 1 BGB a. F.. Gleiches gilt für das vom Landgericht zitierte Urteil des Landgerichts Halle vom 08.01.2013 (Az. 8 O 105/12).

3.
Nach § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB kommt ebenfalls ein Ausschluss des Widerrufs bei Arzneimitteln in Einzelfällen aber nicht generell in Betracht. Denn diese Bestimmung setzt das Entfernen einer vorhandenen Versiegelung nach der Lieferung voraus. Das sämtliche Arzneimittel in diesem Sinne versiegelt sind, behauptet auch die Beklagte nicht.

4.
Insgesamt sieht der Senat angesichts des Wortlauts der zurzeit geltenden Fassung des § 312 g Abs. 2 BGB keine Möglichkeit einen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts für Arzneimittel im Fernabsatz anzunehmen. Es mag zwar für diesen Ausschluss rechtspolitisch, insbesondere aus der Sicht der Apotheker, gute Gründe für einen solchen Ausschluss geben. Es wäre aber Sache des Gesetzgebers, einen solchen Ausschluss ausdrücklich vorzusehen.

III.
Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

C.

I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO war gemäß § 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO nicht auszusprechen, da die Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteigt.

II.
Die Entscheidung über die Höhe des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf den §§ 39 Abs. 1,47, 63 GKG, 3 ZPO.

III.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor; denn diese Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

1.
Grundsätzliche Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitliche Entwicklung und Handhabung des Rechts herrührt (BGHZ 151, 221). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr unterschiedlicher Auffassung vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (BVerfG NJW 2011, 1277).

Vereinzelt gebliebene Stimmen in der Literatur genügen hierfür nicht, auch wenn der Bundesgerichtshof die Frage noch nicht entschieden hat (BGH MDR 2010, 704).

2.
Die Frage, wann konkrete Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Arzneimittelmissbrauch anzunehmen sind, ist eine Frage des Einzelfalls.

3.
Die Frage, ob bei Arzneimitteln ein genereller Ausschluss des Widerrufsrechts aufgrund „rechtlicher Verderblichkeit“ gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegt, erfüllt diese Zulassungskriterien ebenfalls nicht.

a)
Außer der vom Kläger vorgelegten Entscheidung des Landgerichts Konstanz vermochte der Senat zu dieser Frage keine veröffentlichte Gerichtsentscheidung aufzufinden.

b)
Die von der Beklagten zitierte Literaturstelle spricht sich nicht ausdrücklich für einen generellen Ausschluss des Widerrufsrechts wegen “rechtlicher Verderblichkeit“ aus, sondern zieht einen solchen Ausschluss nur ganz allgemein in Betracht, ohne ihn näher zu begründen.

c)
Die weiteren von der Beklagten zitierten Kommentarstellen sind vor der Neufassung des § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB verfasst worden.

d)
Eine einzige und dazu sehr wenig konkrete Kommentarstelle reicht nach Auffassung des Senats noch nicht aus, um eine Zulassung zu begründen. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof.