OLG Hamburg: Zur Irreführung im Rahmen einer Ausschreibung

veröffentlicht am 27. Januar 2016

OLG Hamburg, Beschluss vom 23.07.2015, Az. 3 U 151/14
§ 8 Abs. 1 UWG, § 5 Abs. 1 S. 1 UWG, § 2 Nr. 1 UWG, § 3 UWG

Die Entscheidung haben wir hier für Sie kurz zusammengefasst, den Volltext finden Sie nachstehend:


Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss

In der Sache

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 3. Zivilsenat – durch … am 23.07.2015:

1.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9.7.2014, Aktenzeichen 416 HKO 170/13, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2.
Die Antragstellerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Antragstellerin dürfte keine Aussicht auf Erfolg haben.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 8 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1, 3 UWG.

Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung insbesondere irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die wesentlichen Merkmale einer Ware enthält. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG ist eine geschäftliche Handlung insbesondere irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Unternehmers wie Befähigung, Zulassung oder Mitgliedschaften enthält. Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot liegt dabei nicht nur dann vor, wenn eine Täuschung des Verkehrs bereits eingetreten ist. Vielmehr genügt es, dass eine Angabe geeignet ist, die Umworbenen irrezuführen und sie zu falschen Entscheidungen zu beeinflussen (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG; 33. Auflage, § 5 UWG Rn. 2.65).

Für die Feststellung einer relevanten Irreführung kommt es allein auf die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise an. Ob eine Angabe geeignet ist irrezuführen, lässt sich daher nur feststellen, wenn man zuvor ihren Sinn ermittelt hat, den sie nach der Auffassung der umworbenen Verkehrskreise hat (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 UWG Rn. 2.64, 2.67). Das Wahrheitsgebot ist im Irreführungstatbestand kein Gebot objektiver Wahrheit, sondern immer bezogen auf das Verständnis des angesprochenen Verkehrs (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 2.69 f).

Diese Voraussetzungen dürften nicht vorliegen. Die Antragstellerin hat bereits nicht ausreichend dargelegt, dass das Verkehrsverständnis der zuständigen Behörde für das Ausschreibungsverfahren dahin geht, dass der Antragsgegner mit der Teilnahme an der öffentlichen Ausschreibung erklärt, dass er nach FSC oder PEFC zertifiziert ist. Im Einzelnen:

Die Antragstellerin sieht in der Teilnahme des Antragsgegners an einer öffentlichen Ausschreibung der Freien und Hansestadt Hamburg für die Bundesbauabteilung „Reichspräsident-Ebert-Kaserne“ eine unlautere geschäftliche Handlung. In der öffentlichen Ausschreibung war anzugeben, dass alle zu verwendenden Holzprodukte nach FSC, PEFC oder gleichwertig zertifiziert sind oder die für das jeweilige Herkunftsland geltenden Kriterien des FSC oder PEFC einzeln erfüllen (vgl. Anlage 3).

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der Antragsgegner mit der Abgabe dieser Erklärung im Ausschreibungsverfahren unwahre Angaben gemacht habe. Da er – was unstreitig ist – nicht nach FSC oder PEFC zertifiziert sei, habe er weder bei der Abgabe des Angebots noch jetzt sicherstellen können, dass er die Voraussetzungen der Erklärung erfülle. Es müsse zur Erfüllung der Vorgaben der öffentlichen Ausschreibung eine geschlossene, zertifizierte Lieferkette vorliegen, die die Person umfasse, die die Fenster einbaue. Diese Voraussetzungen würden sich im Einzelnen aus einer Auslegung von Erlassen von Bundesbehörden und einem Leitfaden des FSC ergeben (Anlage 18, 19, 20, 21). Der Antragsgegner habe auch im Übrigen die weiteren Voraussetzungen in Form eines Gleichwertigkeitsnachweises im Anschluss an die Auftragserteilung durch die Freie und Hansestadt Hamburg nicht erfüllt. Im Widerspruchsverfahren trägt die Antragstellerin ergänzend vor, dass Indizien darauf schließen ließen, dass der Antragsgegner nie die Absicht gehabt habe, zertifiziertes Holz zu verwenden.

Die Antragstellerin legt damit der Teilnahme an der öffentlichen Ausschreibung durch den Antragsgegner das Verkehrsverständnis zu Grunde, dass dieser nach FSC oder PEFC zertifiziert ist.

Diesem Verständnis widerspricht der Antragsgegner. Er ist der Auffassung, dass er nicht zwingend selbst zertifiziert sein müsse, sondern dass er nur den Nachweis erbringen müsse, dass die eingebauten Holzfenster zertifiziert seien. Es genüge, dass ein Lieferant der Fenster zertifiziert sei. So sei der Ausschreibungstext (Formblatt 248) zu verstehen.

Die Antragstellerin hat das von ihr behauptete Verkehrsverständnis nicht ausreichend dargelegt. Für das Verkehrsverständnis kommt es allein auf das Verständnis der zuständigen Behörde der Freien und Hansestadt Hamburg an, da nur an sie das Angebot in dem Ausschreibungsverfahren gerichtet war. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass diese Abteilung das Angebot des Antragsgegners zur Zertifizierung dahingehend verstanden hat, dass der Antragsgegner selbst zertifiziert ist.

Die Antragstellerin hat zwar mit den Erlassen der Bundesbehörden und dem Leitfaden des FSC erhebliche Gesichtspunkte vorgetragen, die darauf hindeuten, dass im Allgemeinen das Verständnis bei öffentlichen Ausschreibungen dahin geht, dass der an der Ausschreibung Teilnehmende zertifiziert ist. Dieses Verständnis ist jedoch durch den Antragsgegner im konkreten Fall durchgreifend in Zweifel gezogen worden. Zunächst spricht der Wortlaut der konkreten Ausschreibung dafür, dass die Erklärung produktbezogen und nicht herstellerbezogen zu verstehen ist. Darüber hinaus – und darauf kommt es entscheidend an -, hat sich der Antragsgegner die Aussage der Grundsatzreferentin im Vergaberecht der zuständigen Rechtsabteilung in der mündlichen Verhandlung vom 8.7.2014 zu eigen gemacht, wonach für die zuständige Behörde entscheidend sei, dass ein Holzbetrieb – sei er nun zertifiziert oder nicht – ein zertifiziertes Produkt kaufe. Maßgeblich sei mithin für sie, dass das Produkt selbst zertifiziert sei und nicht der Betrieb. Das Angebot des Antragsgegners war nach dem Verständnis der zuständigen Behörde damit schon nicht geeignet, eine Täuschung in dem von der Antragstellerin vorgetragenen Sinn hervorzurufen, denn die Ausschreibungsbedingungen waren genau so gemeint, wie es schon der Wortlaut der Ausschreibung nahelegt.

Soweit sich die Antragstellerin ergänzend darauf beruft, dass Indizien dafür sprächen, dass der Antragsgegner gar nicht beabsichtigt habe, ein zertifiziertes Produkt zu verwenden, erfolgte dieser Vortrag erstmals in dringlichkeitsschädlicher Zeit. Er erfolgte nicht in der Antragsschrift, sondern im Widerspruchsverfahren, und er betrifft nicht den Streitgegenstand.

Der Senat regt aus Kostengründen eine Rücknahme der Berufung an.

Vorinstanz:
LG Hamburg, Az. 416 HKO 170/13

Auf das Urteil hingewiesen haben die Rechtsanwälte Lampmann, Haberkamm, Rosenbaum.