OLG Frankfurt a.M.: Zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung wegen irreführender Wirksamkeitsaussagen

veröffentlicht am 7. Februar 2019

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.12.2018, Az. 6 W 97/18
§ 3 HWG


Die Entscheidung des OLG Frankfurt haben wir hier zusammengefasst (OLG Frankfurt – Einstweilige Verfügung gegen Wirksamkeitsaussagen), den Volltext finden Sie nachfolgend:


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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss


Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.11.2018 teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für eine Magnetfeldtherapie, insbesondere für eine „BEMER®-Therapie“ zu werben:

„Für die Erhaltung und Wiederherstellung Ihrer Gesundheit sind gut funktionierende Heilungs- und Regenerationsprozesse wichtig. Diese entfalten sich am besten in einem gut durchbluteten Gewebe, weil durch den Abtransport von Nährstoffen und Sauerstoff mit dem Blut die für die Heilung benötigte Energie in der Zelle vor Ort gebildet werden kann. Die physikalische Gefäßtherapie BEMER® stellt sicher, dass die Feindurchblutung im ganzen Körper, vor allen Dingen aber im verletzten Gewebe, wirksam gesteigert wird und die natürlichen Heilungsprozesse maximal ablaufen können.“

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 15.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verband. Die Antragsgegnerin ist Physiotherapeutin. Sie warb mit den aus der Anlage A3 ersichtlichen Angaben im Internet für verschiedene Behandlungen, unter anderem für eine „Bemer Therapie“ sowie für eine „Kinesio Tape“-Behandlung mit den im Verfügungsantrag dargestellten Angaben. Auf die Abmahnung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin nicht reagiert.

Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 29.10.2018 zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde des Antragstellers hat es mit Beschluss vom 20.11.2018 nicht abgeholfen.

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und folgende einstweilige Verfügung zu erlassen:

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr

1. für eine Magnetfeldtherapie, insbesondere für eine „BEMER®-Therapie“ zu werben:

„Für die Erhaltung und Wiederherstellung Ihrer Gesundheit sind gut funktionierende Heilungs- und Regenerationsprozesse wichtig. Diese entfalten sich am besten in einem gut durchbluteten Gewebe, weil durch den Abtransport von Nährstoffen und Sauerstoff mit dem Blut die für die Heilung benötigte Energie in der Zelle vor Ort gebildet werden kann. Die physikalische Gefäßtherapie BEMER® stellt sicher, dass die Feindurchblutung im ganzen Körper, vor allen Dingen aber im verletzten Gewebe, wirksam gesteigert wird und die natürlichen Heilungsprozesse maximal ablaufen können.“,

2. für eine „Kinesio Tape“-Behandlung mit dem Anwendungsgebiet zu werben:

2.1. „Schmerzen“,

2.2. „Lymphödem“,

jeweils wenn dies geschieht wie im Internet unter www.(…).de, abgerufen und ausgedruckt am 25. September 2018 zwischen 19:12:26 Uhr bis 19:12:51 Uhr, gemäß Ausdruck Anlage A 3.

Der Senat hat der Antragsgegnerin unter Übersendung der Antragsschrift, der Beschwerdeschrift und der Beschlüsse des Landgerichts vom 29.10. und 20.11.2018 Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Davon hat sie keinen Gebrauch gemacht.

II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache zum Teil Erfolg.

1.
Die Dringlichkeit wird nach § 12 II UWG vermutet.

2.
Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch im tenorierten Umfang aus §§ 3, 3a, 8, I, III Nr. 2 UWG, 3 Nr. 1 HWG zu.

a)
Der Antragsteller ist nach § 8 III Nr. 2 UWG klagebefugt. Er ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen seiner Mitglieder. Der BGH hat immer wieder anerkannt, dass er nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Hierfür spricht eine Vermutung (vgl. BGH GRUR 1997, 476 [BGH 14.11.1996 – I ZR 164/94] – Geburtstagswerbung II; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 8 Rn. 3.49).

b)
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die mit den Anträgen zu 1. beworbenen Angaben wissenschaftlich ungesichert sind. Sie sind daher unzulässig.

aa)
Gemäß § 3 Nr. 1 HWG ist es unzulässig, medizinischen Behandlungen Wirkungen beizulegen, die sie nicht haben. Wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung sind strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können. Die Werbung ist nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht.

bb)
Die auf der Internetseite der Antragsgegnerin beworbene Behandlungsmethode der „BEMER Therapie“ ist dem Bereich der sog. Magnetfeldtherapien zuzuordnen. Dies hat der Antragsteller durch Vorlage der Anlage A 14, der Internetseite der BEMER Int. AG, glaubhaft gemacht. Danach handelt es sich um eine physikalische Gefäßtherapie, die mit Hilfe elektromagnetisch übertragener Stimulationssignale arbeitet und den Blutfluss normalisieren soll.

cc)
Der Antragsteller hat durch Vorlage eines Auszugs aus dem „Handbuch – X“ der Stiftung Warentest glaubhaft gemacht, dass die Magnetfeldtherapie wissenschaftlich ungesichert ist (Anlage A5). Danach kommen Studien zur therapeutischen Wirksamkeit von Magnetfeldbehandlungen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Eine wesentliche Wirkung der angebotenen Geräte sei nicht feststellbar. Der Nachweis, dass ein statisches Magnetfeld die Knochenheilung fördere, sei noch nicht erbracht. Sicher sei, dass es keinerlei Einfluss auf die Heilung von Muskeln oder Wunden an der Haut habe. Gerade für die Heilung „verletzten Gewebes“ bewirbt die Antragsgegnerin die Therapie aber. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann das Handbuch der Stiftung Warentest, auch wenn es sich nicht selbst um eine wissenschaftliche Veröffentlichung handelt, durchaus zur Glaubhaftmachung einer fehlenden wissenschaftlichen Absicherung bzw. einer wissenschaftlichen Umstrittenheit von Behandlungsverfahren herangezogen werden. Die Untersuchung der Stiftung Warentest beruht letztlich auf einer Auswertung wissenschaftlicher Studien. Auch die mangelnde Aktualität des Handbuchs führt nicht grundsätzlich zur Unverwertbarkeit. Dies wäre nur dann anders, wenn die im Handbuch veröffentlichten Ergebnisse ausdrücklich als nicht abschließend bezeichnet worden wären oder es bereits aktuellere Untersuchungen gäbe. Es wäre Sache der Antragsgegnerin, solche Erkenntnisse vorzutragen.

3.
Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin kein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der mit den Anträgen zu Ziff. 2. angegriffenen Angaben zu. Insoweit war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Antragsgegnerin wirbt auf ihrer Internetseite für eine sog. „Kinesio-Tape-Behandlung“. Dem Antragsteller ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass diese Behandlungsmethode zum Zeitpunkt der Werbung noch wissenschaftlich ungesichert bzw. umstritten ist. Ohne Erfolg beruft er sich auf den als Anlage A7 vorgelegten Lehrbuchauszug, der sich auf das therapeutische Verfahren der „Kinesiologie“ bezieht. Hierbei handelt es sich um eine Therapie mit Naturarzneimitteln und Massagen. Ein Zusammenhang mit der von der Antragsgegnerin beworbenen Tape-Behandlung ist nicht erkennbar. Als Anlage A8 hat der Antragsteller einen Artikel aus der Ärztezeitung aus dem Jahr 2012 vorgelegt. Dieser Artikel vermeidet eine eindeutige Festlegung. Er beschreibt durchaus positive Effekte der Tape-Behandlung und bemängelt lediglich das Ausstehen „handfester wissenschaftlicher Beweise“. Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird eine mögliche Wirkung auch nicht nur einem bloßen Placebo-Effekt zugeschrieben. Die entsprechenden Ausführungen beziehen sich lediglich auf die Farbgebung der verschiedenen Tapes. Darüber hinaus ist in dem Artikel von einem gewissen Massageeffekt die Rede. Der Artikel reicht insgesamt zur Glaubhaftmachung der fehlenden wissenschaftlichen Absicherung nicht aus. Kein taugliches Glaubhaftmachungsmittel ist auch das als Anlage A9 vorgelegte „Abstract“, bei dem es sich um eine Zusammenfassung der als Anlage A8 vorgelegten Studie handeln soll.

4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanz: LG Frankfurt a.M, Az. 2-6 O 394/18