OLG Frankfurt a.M.: Irreführende Werbung mit Unternehmensgeschichte nach Aufspaltung eines Unternehmens

veröffentlicht am 18. Dezember 2015

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.10.2015, Az. 6 U 167/14
§ 5 UWG

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.7.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

1.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

1.1.
im geschäftlichen Verkehr mit dem Ingenieurbüro von A1 (gegründet im Jahr 1958) zu werben, soweit dies in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:

„1958 Geburtsjahr der A-Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen.“

1.2
im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung „A Gruppe“ zu werben, soweit dies wie in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:

„1958 Geburtsjahr der A-Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen.“

und / oder soweit dies geschieht wie in Anlage K 7.

1.3
im geschäftlichen Verkehr mit dem Projekt „X“ in O2 und/oder der B-Versorgung für die nigerianische Stadt O3 zu werben, soweit dies wie in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:

„1972 Start des Projekts „X“ in 02. (…)“

„1978 A1 und seine Mitarbeiter planen die B-Versorgung für Nigerias ……Stadt O3. (…)“

1.6
im geschäftlichen Verkehr mit Leistungen auf dem Gebiet der Signaltechnik zu werben, soweit dies geschieht wie Anlage K6.

2.
Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. 1. aufgeführten Darstellungen sowie durch die Behauptungen

– die A Gruppe sei bei Projekten in über 90 Staaten beteiligt, soweit dies wie in Anlage K7 und dort wie folgt geschieht:

„Seit der Gründung war der Unternehmer mit seiner A Gruppe an Projekten in über 90 Staaten beteiligt.“

– die A Gruppe der Berufungsbeklagten sei mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten permanent vertreten, soweit dies geschieht wie in Anlage K7

entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird.

3.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 920,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über angeblich irreführende Angaben auf den Internetseiten der Beklagten.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Ingenieurdienstleistungen und befassen sich – im weitesten Sinne – mit der Planung von Infrastrukturprojekten. Die Unternehmen beider Parteien wurden von A1 (mit-)gegründet.

A1 eröffnete im Jahr 1958 ein Ingenieurbüro. Im Jahr 1966 gründete er die Klägerin. Im Jahr 1977 übertrug er Anteile an der Klägerin an seine vier Söhne A2, A3, A4 und A5 als weitere Kommanditisten (Anlage BK6). Im Jahr 2003 schied A3, im Jahr 2007 A1 als Kommanditisten der Klägerin aus. Im Jahr 1988 gründete A1 gemeinsam mit A2 die Beklagte. A2 schied 2007 als Kommanditist bei der Beklagten aus. A1 übertrug 2009 seine Anteile im Wege vorweggenommener Erbfolge auf A3. A1 ist immer noch für die Beklagte als Vorsitzender des Beirats tätig. Zwischen den Parteien sind mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig.

Auf der Internetseite der Beklagten findet sich unter der Rubrik „A Geschichte“ für das Jahr 1958 der Eintrag: „Geburtsjahr der A Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen.“ In der nachfolgenden Aufstellung werden auch Daten und Projekte genannt, die vor dem Gründungsjahr der Beklagten liegen (Projekt „X“ in O2 und Projekt „Y“). Die Gründung der Klägerin wird nicht erwähnt (Anlage K3). Unter der Rubrik „Die A Gruppe“ heißt es, A1 habe mit der Gründung des Ingenieurbüros 1958 den Grundstein für den Aufbau einer weltweit operierenden Unternehmensgruppe gelegt. Seit der Gründung sei der Unternehmer „mit seiner A Gruppe“ an Projekten in über 90 Staaten beteiligt. Weiter heißt es: „Heute sind wir mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten permanent vertreten“ (Anlage K7). Im Übrigen wird auf die Anlagen K3 – K7 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte nehme die Geschäftstradition des Gründers und der Klägerin zu Unrecht für sich in Anspruch. Mit Schreiben vom 5.12.2012 ließ sie die Beklagte anwaltlich abmahnen. Am 31.3.2014 gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, es bei Meidung einer von der Klägerin nach billigem Ermessen festzusetzenden Vertragsstrafe zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Behauptung aufzustellen,

– dass die A-Gruppe bei Projekten in über 90 Staaten beteiligt ist und/oder,

– dass die A-Gruppe mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten permanent vertreten ist und/oder

– dass die A-Gruppe ein unabhängiges Beratungsunternehmen ist und als solches zu den 100 international führenden Firmen der Branche gehört,

sofern die jeweiligen Behauptungen nicht nachweislich wahr sind.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte im Hinblick auf 10, in den Anträgen zu 1.1 -1.10 beschriebenen Aussagen zur Unterlassung zu verurteilen. Außerdem hat sie beantragt, die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen und sie zur Erstattung von Abmahnkosten zu verurteilen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, den sie aufgrund der Behauptung der Beklagten erlitten hat, diese sei ein unabhängiges Beratungsunternehmen, das zu den 100 international führenden Firmen der Branche gehört. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die angegriffenen Äußerungen unrichtig seien.

Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen. Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom 09.10.2015 auf Bedenken hinsichtlich der bisherigen Antragstellung und der darauf beruhenden Tenorierung im landgerichtlichen Urteil hingewiesen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

1.1. im geschäftlichen Verkehr mit dem Ingenieurbüro von A1 (gegründet im Jahr 1958) zu werben, soweit dies in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:

„1958 Geburtsjahr der A-Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen.“

1.2 im geschäftlichen Verkehr unter der Bezeichnung „A Gruppe“ zu werben, soweit dies wie in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:

„1958 Geburtsjahr der A-Gruppe. In O1 gründet A1 sein erstes Ingenieur-Unternehmen.“

und / oder soweit dies geschieht wie in Anlage K 7.


1.3
im geschäftlichen Verkehr mit dem Projekt „X“ in O2 und/oder der B-Versorgung für die nigerianische Stadt O3 zu werben, soweit dies wie in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:

„1972 Start des Projekts „X“ in 02. (…)“

„1978 A1 und seine Mitarbeiter planen die B-Versorgung für Nigerias ……Stadt 03. (…)“

1.4
im geschäftlichen Verkehr mit dem Bau der D-Anlage der Stadt O4 zu werben, soweit dies wie in Anlage K 3 und dort wie folgt geschieht:

„1993 Fortschritt für Venezuela: (…)

1.5
im geschäftlichen Verkehr mit dem Projekt Z zu werben, soweit dies wie in der Anlage K 5 und dort wie folgt geschieht:

„Leistungen

Ausarbeitung detaillierter Stunden
Generalplanung
Beschaffung und Lieferung der Ausrüstung
Baumanagement
Koordination der Projektfinanzierung“.

1.6
im geschäftlichen Verkehr mit Leistungen auf dem Gebiet der Signaltechnik zu werben, soweit dies geschieht wie Anlage K6.

1.7
im geschäftlichen Verkehr die Behauptung aufzustellen, die A Gruppe der Berufungsbeklagten sei bei Projekten in über 90 Staaten beteiligt, soweit dies wie in Anlage K 7 und dort wie folgt geschieht:

„Seit der Gründung war der Unternehmer mit seiner A Gruppe an Projekten in über 90 Staaten beteiligt.“

1.8
im geschäftlichen Verkehr die Behauptung aufzustellen, die A Gruppe der Berufungsbeklagten sei mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten permanent vertreten, soweit dies geschieht wie in Anlage K 7.

2.
Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziff. 1. aufgeführten falschen Darstellungen sowie durch die Behauptungen entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird.

3.
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von € 920,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2012 zu zahlen.

Außerdem beantragt sie,

das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung in den Verfahren BGH I ZR …/15 und LG O1-… Az. 4 HK O …/14 auszusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache überwiegend Erfolg.

1.
Die in der Berufungsinstanz nach richterlichem Hinweis konkretisierten Unterlassungsanträge sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 II Nr. 2 ZPO. Sie enthalten jeweils eine abstrakte Umschreibung der verbotenen Kernaussage und nehmen auf die konkrete Verletzungsform Bezug. Gegenstand und Umfang der zu verbietenden Handlungen sind damit hinreichend deutlich beschrieben.

2.
Die Klage ist mit den Unterlassungsanträgen zu 1.1, 1.2, 1.3 und 1.6 begründet. Für die dort beschriebenen Handlungen sowie für die nach Maßgabe der Anträge zu 1.7 und 1.8 begangenen Handlungen steht der Klägerin dem Grunde nach auch ein Anspruch auf Schadensersatz zu (Antrag zu 2). Ebenso kann die Klägerin die Erstattung von Abmahnkosten verlangen (Antrag zu 3.). Insoweit war das angefochtene Urteil abzuändern. Die Klage ist mit den Anträgen zu 1.4 und 1.5 unbegründet. Insoweit war die Berufung zurückzuweisen.

a)
Antrag 1.1

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach §§ 3, 5 I Nr. 1, 8 I, III Nr. 1 UWG einen Anspruch auf Unterlassung, mit der Unternehmenshistorie des „Ingenieurbüros A“ zu werben, wenn nicht klar erkennbar wird, dass die Beklagte ein von dem Ingenieurbüro und der Klägerin getrenntes Unternehmen ist.

aa)
Der Internetauftritt der Beklagten enthält in der Rubrik „A Geschichte“ eine Chronologie der Unternehmenshistorie, die bis in das Jahr 1958 zurückreicht (Anlage K3).

Das Datum 1958 ist mit der Angabe „Geburtsjahr der A Gruppe …“ versehen. Für die Folgejahre werden Großprojekte des Gründers A aufgelistet. Neben der Jahreszahl 1988 findet sich die Angabe „Die A GmbH & Co. … KG (A) wird gegründet. ….“ Die nachfolgenden Daten beziehen sich – zumindest teilweise – auf Projekte der Beklagten.

bb)
Diese Angaben sind irreführend, weil sie im Gesamtkontext der Anlage K3 den Eindruck erwecken, es gäbe nur eine A Gruppe, nämlich die zur Beklagten gehörige Unternehmensgruppe. Durch den einheitlichen Zeitstrahl wird eine kontinuierliche Unternehmensentwicklung suggeriert, bei der die Beklagte unmittelbar aus dem Ingenieurbüro des Gründers hervorgegangen ist. Dieser Eindruck entspricht nicht den Tatsachen. Denn aus dem Ingenieurbüro entwickelte sich zunächst die im Jahr 1966 gegründete Klägerin, die als eigenständige Unternehmensgruppe nach wie vor besteht. Dies wird in der Historie der Beklagten verschwiegen.

cc)
Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Landgerichts wirbt die Beklagte nicht in zulässiger Weise nur mit der Tradition ihres Familiennamens. Die Zulässigkeit einer Alterswerbung setzt grundsätzlich voraus, dass das gegenwärtige Unternehmen trotz im Laufe der Zeit eingetretener Änderungen noch mit dem früheren Unternehmen als wesensgleich angesehen werden kann. Erforderlich ist also grundsätzlich eine Geschäftskontinuität, nicht lediglich eine Namenskontinuität. Es kommt auf die wirtschaftliche Fortsetzung des in der Werbung dargestellten Geschäftsbetriebes an (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm UWG, 33. Aufl., § 5 UWG Rn. 5.55, 5.56). Denn die Werbung mit einer Historie bewirkt, dass der Verkehr dem konkreten Geschäftsbetrieb besondere Erfahrungen auf dem betreffenden Gebiet, Zuverlässigkeit und langjährige Wertschätzung zumisst (vgl. BGH GRUR 2003, 628, 630 [BGH 07.11.2002 – I ZR 276/99] – Klosterbrauerei; OLG München GRUR-RR 2014, 300, 301). An einer unmittelbar auf das Ingenieurbüro zurückgehenden Geschäftskontinuität fehlt es im Streitfall. Zuerst wurde die Klägerin gegründet, um die sich dann nach und nach eine Unternehmensgruppe – unter Einschluss der Beklagten – entwickelt hat. Das Ingenieurbüro hat der Gründer A1 am 1.1.1970 in die Klägerin eingebracht. Darauf deutet schon aus der Firmenzusatz „…A“ (= … A) hin. Außerdem erschließt sich dies aus der Präambel des Gesellschaftsvertrages aus dem Jahr 1977 (Anlage BK6, Bl. 865 d.A.). Das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen ist unzulässig (Bl. 942 d.A.), denn der Gründer ist bei der Beklagten in verantwortlicher Position tätig. Er weiß, in welche Gesellschaft er sein Ingenieurbüro eingebracht hat.

dd)
In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass ein aus dem alten Unternehmen ausgeschiedenes Familienmitglied bei Neugründung eines branchengleichen Geschäfts auf die Tradition des Familiennamens und die Leistungen des Gründers hinweisen darf, wenn eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich lediglich um eine Namens- und nicht etwa um eine Geschäftstradition handelt (vgl. BGH GRUR 1951, 412, 414 – Graphia; OLG München GRUR-RR 2014, 300, 301; Bornkamm, aaO Rn. 5.64). Dies muss erst recht gelten, wenn wie im Streitfall der Gründer für die Beklagte noch tätig ist. Die Beklagte beschränkt sich jedoch nicht darauf, auf die Referenzen ihres Gründers hinzuweisen, sondern suggeriert, sie sei das (einzige) Nachfolgeunternehmen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts wird eine ausreichende Trennung zwischen den unternehmerischen Leistungen des Gründers und der Beklagten auch nicht durch die Schreibweise des Namens „A“ in Klein- oder Großbuchstaben bewirkt. Die Bezeichnung im Großbuchstaben wird in der Historie nicht nur zur Bezeichnung der Beklagten, sondern schon im Zusammenhang mit dem Gründungsjahr des Ingenieurbüros verwendet.

ee)
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Angaben in ihrer Historie seien objektiv wahr. Dies mag zutreffen, wenn man den Eintrag zum Datum 1958 und die Folgedaten jeweils für sich betrachtet. Auch objektiv richtige Angaben können jedoch irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richten, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führen. Dies ist hier aus den oben genannten Gründen gegeben. Bei einer Fehlvorstellung aufgrund an sich zutreffender Angabe ist grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als im Fall einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (BGH GRUR 2015, 286 Rn. 20 [BGH 24.07.2014 – I ZR 53/13] – Spezialist für Familienrecht). Auch danach ist ein Verstoß gegen § 5 UWG gegeben. Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass beide Parteien von A1 gegründet wurden und auch eine gemeinsame Geschäftstradition insoweit haben mögen, als sie jahrelang zusammengearbeitet und sich als Teil einer Unternehmensgruppe betrachtet haben (vgl. Anlage BB2). Wenn die Unternehmen nun getrennte Wege gehen, darf die Beklagte jedoch nicht mehr den Eindruck eines einheitlichen Konzerns erwecken. Sie darf auch nicht suggerieren, es bestünde eine kontinuierliche Unternehmensentwicklung, bei der die Beklagte unmittelbar aus dem Ingenieurbüro des Gründers hervorgegangen ist. Einer entsprechenden Fehlvorstellung unterliegen auch die von den Parteien angesprochenen Fachkreise, die sich für die angebotenen großvolumigen Projekte interessieren und deshalb aufmerksamer als der Durchschnittsverbraucher sein mögen. Denn ohne Insiderinformationen erschließt sich aus der angegriffenen Internetseite nicht, dass keine einheitliche Geschäftstradition vorliegt.

b)
Antrag 1.2

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach §§ 3, 5 I Nr. 1, 8 I, III Nr. 1 UWG einen Anspruch auf Unterlassung, mit der Bezeichnung „A Gruppe“ zu werben, wenn dies wie in den Anlagen K3 und K7 geschieht.

aa)
In ihrer Rubrik „A Geschichte“ verbindet die Beklagte das Datum „1958“ mit der Angabe: „Geburtsjahr der A Gruppe …“ (Anlage K3). In der Rubrik „Die A Gruppeheißt es, A1 habe mit der Gründung des Ingenieurbüros 1958 den Grundstein für den Aufbau einer weltweit operierenden Unternehmensgruppe gelegt. Seit der Gründung sei der Unternehmer „mit seiner A Gruppe“ an Projekten in über 90 Staaten beteiligt. Im nächsten Absatz heißt es: „Heute sind wir mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten permanent vertreten“ (Anlage K7).

bb)
Mit diesen Angaben erweckt die Beklagte den unzutreffenden Eindruck, ihre Unternehmensgruppe habe sich unmittelbar aus dem Ingenieurbüro von A1 entwickelt. Es entsteht außerdem der unzutreffende Eindruck, es gebe nur eine einheitliche Unternehmensgruppe A. Beides entspricht aus den oben genannten Gründen nicht den Tatsachen. Zuerst wurde die Klägerin gegründet. Das Ingenieurbüro wurde in die Klägerin eingebracht. Beide Parteien haben zwar jahrelang zusammengearbeitet und sich als Teil einer Unternehmensgruppe betrachtet (vgl. Anlage BB2). Inzwischen gehen sie jedoch getrennte Wege und stehen miteinander im Wettbewerb. Es ist nicht ersichtlich, dass sie bei Projekten arbeitsteilig vorgehen oder sonst kooperieren.

c)
Antrag zu 1.3

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach §§ 3, 5 I Nr. 1, 8 I, III Nr. 1 UWG einen Anspruch auf Unterlassung, mit den Projekten „X“ in O2 und „Y“ zu werben, wenn dies wie in der Anlage K3 geschieht.

aa)
Die Beklagte beschreibt in ihrer Firmenhistorie neben den Jahreszahlen 1972 und 1978 die beiden genannten Projekte. Bei der …strecke „X“ handele es sich um eines der … Bauvorhaben Afrikas. Die B-Versorgung für Nigerias … …stadt O3 hätten „A1 und seine Mitarbeiter“ geplant (Anlage K3).

bb)
Beide Projekte lagen vor dem Gründungsdatum der Beklagten. Das erschließt sich auch ohne weiteres aus dem Zeitstrahl. Trotzdem fehlt auch hier der Hinweis, dass die Klägerin als durchführendes Unternehmen der Projekte nach wie vor besteht. Das ist aus den genannten Gründen irreführend. Auch wenn der Gründer A1 inzwischen nur noch für die Beklagte tätig ist, kann die Klägerin die Geschäftstradition dieser Projekte für sich beanspruchen. Die Beklagte darf daher potentiellen Kunden nicht verschweigen, dass das Unternehmen, das die Projekte durchführte, nach wie vor existiert und nicht etwa in die Beklagte eingebracht wurde.

d)
Antrag zu 1.6

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach §§ 3, 5 I Nr. 1, 8 I, III Nr. 1 UWG einen Anspruch auf Unterlassung, mit Leistungen aus dem Bereich „Signaltechnik“ zu werben. Unter ihrer Rubrik „Verkehr“ führt die Beklagte den Punkt „Signaltechnik“ zunächst in einer stichpunktartigen Auflistung unter der Überschrift „Unsere Leistungen“ auf (Anlage K6). In der per Klick oder Scrollen aufrufbaren Erklärung zu dem Begriff heißt es, Grundlage der Signalisierung sei eine funktionierende C-Versorgung. A … entwickle lokale Lösungen für eine ausreichende und kontinuierliche C-Versorgung. Der Verkehr versteht die plakative Bewerbung der Leistung „Signaltechnik“ in einem umfassenden Sinn. Das Bereitstellen der C-Versorgung kann demgegenüber nur als Vorleistung angesehen werden. Es kann nicht angenommen werden, dass jeder Kunde, der sich über das Leistungsspektrum der Beklagten informieren möchte, zu den stichpunktartig aufgeführten Leistungen jeweils den Begleittext aufruft. Denn ein Vorbehalt etwa in Gestalt eines Sternchenhinweises ist der Auflistung nicht zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte Leistungen der Signaltechnik im eigentlichen Sinne erbringt. Zwar hat die Beklagte pauschal behauptet, sie habe in diesem Bereich bereits Leistungen erbracht. Dies ist jedoch ohne weitere Konkretisierung nicht ausreichend.

e)
Anträge zu 1.4 und 1.5

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung, mit den Projekten „W“ und „Z“ zu werben.

aa)
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin nicht hinreichend dargelegt hat, dass die Beklagte für diese Projekte keine Leistungen oder nur Leistungen ganz untergeordneter Art erbracht hat. Wer auf seiner Homepage mit Referenzobjekten wirbt, bringt damit in der Regel nur zum Ausdruck, dass er für diese Objekte wesentliche, seinem Fachgebiet entsprechenden Leistungen erbracht hat (ähnlich: OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2011, 187, 188). Es ist nicht erforderlich, dass er der allein Verantwortliche war. Der Verkehr wird bei der angegriffenen Darstellung schon aufgrund der Größe der Projekte nicht annehmen, die Beklagte habe sämtliche Planungsleistungen alleine erbracht (Anlagen K3, K4, Anlage K5). Die Beklagte hat Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass sie an den Projekten beteiligt war (Anlagen B8 – B13, B23). Es wäre damit Sache der primär darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin gewesen, den Umfang der Projekte und die wechselseitigen Leistungen konkreter darzustellen. Die Klägerin hat Unterlagen vorgelegt, wonach sie für die Projekte „verantwortlich“ war und hierfür Zeugen angeboten (Anlagen K35, K36). Das genügt nicht, um eine nur völlig untergeordnete Beteiligung der Beklagten darzulegen.

bb)
Entgegen der Ansicht der Klägerin gelten für die Werbung mit gemeinsamen Referenzen nicht deshalb strengere Anforderungen, weil die Parteien den gleichen Familiennamen in ihren Firmen führen. Die vorliegende Klage ist nicht auf Namens- und Unternehmenskennzeichenrechte gestützt. Es geht allein um die Frage der Irreführung des Verkehrs hinsichtlich konkret angegriffener Werbeangaben. Auf die Grundsätze zum Recht der Gleichnamigen und die mögliche Störung einer namensrechtlichen Gleichgewichtslage kommt es dabei nicht an. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des BGH, wonach die „Wertungen zum Recht der Gleichnamigen“ auch im Bereich des § 5 II UWG anzuwenden sind (vgl. BGH GRUR 2013, 397 Rn. 44 – Peek&Cloppenburg III). Denn auf den Spezialtatbestand des § 5 II UWG sind die Klageanträge nicht gestützt.

f)
Anträge zu 1.7 und 1.8

Die Anträge zu 1.7 und 1.8 sind unbegründet, weil die Wiederholungsgefahr nachträglich entfallen ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt es der Unterlassungserklärung vom 31.3.2014 nicht an der Ernsthaftigkeit (Anlage B14). Der Zusatz „sofern die jeweilige(n) Behauptung(en) nicht nachweislich wahr ist/sind“, schränkt den Anspruch der Klägerin nicht ein. Wenn es der Schuldner ablehnt, seine Unterlassungserklärung auf ein Verhalten zu erstrecken, das ihm nicht verboten werden kann, steht dies weder dem Wegfall der Wiederholungsgefahr entgegen (BGH GRUR 2008, 815, [BGH 21.02.2008 – I ZR 142/05] Rn. 14 – Buchführungsbüro), noch kann daraus ein Indiz für die fehlende Ernsthaftigkeit der Erklärung abgeleitet werden. Es ist deshalb unschädlich, wenn in die Unterlassungserklärung klarstellend aufgenommen wird, dass der Beklagten der Nachweis der Richtigkeit der beanstandeten Angabe offensteht.

g)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 9 UWG, soweit sie die aus den Anträgen zu 1.1, 1.2, 1.3, 1.7 und 1.8 ersichtlichen Angaben gemacht hat (Antrag 2.). Die Angaben sind unlauter. Ein Wettbewerbsverstoß lag auch in den mit den Anträgen zu 1.7 und 1.8 angegriffenen Handlungen, bei denen erst durch Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr beseitigt wurde. Die Beklagte konnte nicht plausibel darlegen, dass ihre Behauptungen richtig sind, wonach ihre Unternehmensgruppe an Projekten in über 90 Staaten beteiligt war und mit über 800 Mitarbeitern auf vier Kontinenten permanent vertreten ist (Anlage K7). Vielmehr konnte die Klägerin plausibel darlegen, dass auch Projekte aus der Zeit vor der Gründung eingerechnet wurden und dass die Beklagte in eigenen Unterlagen einen weitaus geringeren Mitarbeiterstab ausweist. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann der Verkehr der Internetseite (Anlage K7) nicht entnehmen, dass sich diese Behauptungen auf die Gesamtheit der von A1 gegründeten Unternehmen und nicht speziell auf die Beklagte beziehen sollen. Vielmehr erwartet der Leser unter der Überschrift „Die A Gruppe“ auf der Internetseite der Beklagten allein Informationen, die die Unternehmensgruppe der Beklagten betreffen, solange keine ausdrückliche Klarstellung erfolgt. Die Organe der Beklagten handelten auch schuldhaft. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt wären die Irreführungen erkennbar gewesen.

h)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Erstattung ihrer Abmahnkosten in der beantragten Höhe von € 920,00 (§ 12 I 2 UWG). Eine 1,3-Gebühr aus einem Streitwert von € 75.000,00 nebst Auslagenpauschale beträgt 1.752,90 €. Hiervon waren zum Zeitpunkt der Abmahnung rund 70% berechtigt. Dieser Betrag übersteigt den eingeklagten Betrag.

3.
Dem Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung in einem parallel geführten Markenlöschungsverfahren war nicht zu entsprechen. Die Voraussetzungen für die Aussetzung liegen nicht vor, weil die Frage der Löschungsreife bestimmter „A-Marken“ der Beklagten für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich ist. Im Streitfall werden keine Namens- und Kennzeichenrechte geltend gemacht. Es geht nicht darum, ob die Klägerin gegenüber der Bezeichnung „A Gruppe“ prioritätsältere Rechte geltend machen kann. Es ist allein zu beurteilen, ob der Verkehr durch konkrete Werbeangaben der Beklagten irregeführt wird. Der erst im Jahr 2014 anhängig gemachte Rechtsstreit vor dem Landgericht O1 ist ebenfalls nicht vorgreiflich.

4.
Dem Antrag der Beklagten auf Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz der Klägerin vom 7.10.2015 war nicht zu entsprechen. Der Senat hat bei seiner Entscheidung keinen neuen Sach- und Rechtsvortrag aus diesem Schriftsatz zum Nachteil der Beklagten berücksichtigt.

5.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 269 III ZPO. Das Obsiegen und Unterliegen der Parteien hält sich in beiden Instanzen in etwa die Waage. Die Anträge zu 1.1, 1.2. 1.3 und 1.6 sind begründet. Zusätzlich kann die Klägerin Schadensersatz für die Verletzungshandlungen beanspruchen, die den Anträgen zu 1.7 und 1.8 zugrunde liegen. In erster Instanz war noch der Antrag zu 1.10 anhängig, der rechtskräftig zurückgewiesen wurde. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin den mit der Berufungsbegründungsschrift angekündigten ursprünglichen Antrag zu 1.7 konkludent zurückgenommen, da sie ihn in der mündlichen Verhandlung nicht stellte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren für die Entscheidung nicht tragend.

Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 2-6 O 253/13