OLG Düsseldorf: Zu den Voraussetzungen für die Vergabe eines Gütesiegels

veröffentlicht am 12. November 2018

OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2018, Az. 20 U 123/17 – nicht rechtskräftig
§ 5 UWG

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf haben wir hier zusammengefasst (OLG Düsseldorf – Gütesiegel), den Volltext finden Sie nachfolgend:


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Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 19. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.
 
Gründe

I.
Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, der unter anderem die wissenschaftliche und fachtechnische Förderung und Weiterentwicklung von Kleb- und Dichtstoffen zur Aufgabe hat. Es handelt sich um einen Industrieverband.

Auf der Internetseite des Beklagten zeigt und beschreibt er das folgende Siegel:

[Abb.]

Die Beklagte vergibt dieses Gütesiegel für Produkte auf der Grundlage der von ihr selbst erstellten „X.-Güterichtlinien“.

Mit Versäumnisurteil vom 29.03.2016 hat die 4. Kammer für Handelssachen den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr selbst oder durch Dritte für das nachfolgend eingeblendete Zeichen den Begriff „Gütesiegel“ zu verwenden und/oder verwenden zu lassen:

[Abb.]

und Abmahnkosten in Höhe von 246,10 € an den Kläger zu zahlen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Einspruch eingelegt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Bezeichnung des Zeichens als Gütesiegel sei irreführend, weil die angesprochenen Verkehrskreise der Käufer von Fugendichtstoffen von einem Gütesiegel erwarteten, dass es von einer objektiven, neutralen und außerhalb des Gewinnstrebens stehenden Stelle aufgrund einer Prüfung und Qualitätsüberwachung vergeben werde. Ein Gütezeichen müsse den von dem RAL (RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.) gestellten Anforderungen genügen. Ein Gütesiegel müsse ein Garantieausweis für besondere Qualität sein; eine neutrale Stelle müsse für einen gewissen Mindeststandard bürgen. Diesen Ansprüchen werde das Gütesiegel der Beklagten nicht gerecht. Da der Beklagte Interessenvertreter seiner Verbandsmitglieder sei, werde das Siegel nicht von einer neutralen Stelle vergeben. Außerdem beruhten die Prüfkriterien nicht auf allgemein anerkannten Standards, weil sie nicht unter Beteiligung der Fach- und Verkehrskreise entwickelt worden seien. Die X.-Güterichtlinien seien missverständlich und ließen die Qualitätskriterien nicht erkennen. Es sei irreführend, wenn der Beklagte zwar „kein Gütezeichen“, aber „ein Gütesiegel“ lediglich zur Vergleichbarkeit der Produktkriterien erteile. Zudem werde das Gütesiegel nur an Mitglieder vergeben. Eine Kontrolle finde nicht statt. Er hat daher beantragt,

das Versäumnisurteil vom 29.03.2017 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 29.03.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die Klage sei dem Beklagten nicht zugestellt worden, weil der Postbote die – trotz Kenntnis des Klägers von der neuen Anschrift – an die frühere Anschrift adressierte Klageschrift in einen nicht beschrifteten Briefkasten an einem Gewerbekomplex eingeworfen habe.

Die Klage sei aber auch unbegründet, weil das streitgegenständliche X.-Gütesiegel aufgrund einer Qualitätsprüfung durch das Institut Z. für Fenstertechnik e.V. (im Folgenden: Z.) erteilt werde. Das Z. sei eine neutrale und fachlich kompetente Stelle. Nicht nur der RAL, sondern auch andere fachlich kompetente Verbände könnten Gütesiegel erteilen. Es finde eine Qualitätskontrolle (einschließlich Nachkontrollen) statt. Die Kriterien seien auf seiner Webseite einsehbar. Ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten sei im Übrigen verjährt.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage abgewiesen. Die Klage sei zwar zulässig, weil sie trotz des Umzugs ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Sie sei aber nicht begründet. Die öffentlich bekannt gemachten Richtlinien für die Vergabe des Gütesiegels stellten Anforderungen des Materials und nicht nur der Etikettierung auf. Es reiche aus, wenn die technische Prüfung durch ein unabhängiges Prüfinstitut erfolge. Eine solche Prüfung erfolge auch.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er macht weiterhin geltend, Gütesiegel könnten nur von in jeder Hinsicht unabhängigen Einrichtungen vergeben werden. Dazu gehöre der Beklagte als Industrieverband nicht. Der Kläger bestreite, dass eine Qualitätskontrolle stattfinde. Zudem sei es unzulässig, dass nach Äußerungen des Beklagten das Qualitätssiegel nur an seine Mitglieder vergeben werde. Der Verkehr erwarte von einem Qualitätssiegel, dass es den Anforderungen des RAL genüge. Er beantragt daher sinngemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil vom 29.03.2017 insoweit aufrechtzuerhalten, als es den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteile,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr selbst oder durch Dritte für das  nachfolgend eingeblendete Zeichen den Begriff „Gütesiegel“ zu verwenden und/oder verwenden zu lassen:

[Abb.]

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint, den Anforderungen an ein Gütesiegel sei genüge getan. Im Übrigen ergebe sich auch aus Unionsrecht, dass die von dem Kläger verlangten Anforderungen nicht, jedenfalls nicht mehr, gestellt werden könnten.

Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte im April 2018 eine Unionsgewährleistungsmarke angemeldet und eine Markensatzung vorgelegt. Eine Eintragung ist bisher noch nicht erfolgt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze verwiesen.

II.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1.
Was die Zulässigkeit der Klage (Zustellung der Klageschrift) betrifft, wird diese von dem Beklagten nicht mehr gerügt (zur Heilbarkeit eines Zustellungsmangels durch Nichtrüge Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 253 Rn. 26a). Es kann daher offen bleiben, ob die Ausführungen des Landgerichts zur Wirksamkeit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten zutreffen.

2.
Eine Irreführung des Verkehrs (§ 5 UWG) infolge der Vergabe von Gütesiegeln durch den Beklagten findet nicht statt.

Allerdings geht vor allem die ältere Rechtsprechung davon aus, dass ein Gütezeichen, damit es lauterkeitsrechtlich unbedenklich verwendet werden kann, entweder ein Gütezeichen im Sinne der RAL-Grundsätze ist oder dem gleichgestellt werden kann. So formuliert der Bundesgerichtshof (GRUR 1991, 552 – TÜV-Prüfzeichen; ähnlich OLG Hamm, Urt.v.10.10.2002 – 4 U 64/02; OLG Düsseldorf BB 1985, 2191; BPatG BlPMZ1986, 384; LG Darmstadt MMR 2009, 277):

Demgemäß setzt die Schaffung eines Gütezeichens nach den RAL-Grundsätzen ein besonderes Anerkennungsverfahren voraus, in dem unter Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere der betroffenen Wirtschafts- und Verbraucherkriese und der zuständigen Behörden, der Zweck des Gütezeichens, der technisch erfaßte und beanspruchte Wirkungsbereich, Form und Verwendung, das Satzungswerk der Gütezeichengemeinschaft und die Gütebedingungen festgelegt werden. Ein RAL-Gütezeichen beruht daher auf einer Gemeinschaftsarbeit der interessierten Kreise, wodurch gewährleiste wird, daß in einem neutralen Verfahren Gütebedingungen bestimmt werden, die den praktischen Bedürfnissen des betreffenden Wirtschaftszweigs gerecht werden.“

Diesen Ausführungen kann man entnehmen, dass der BGH damals ein Gütezeichen an den von der RAL aufgestellten Grundsätzen misst und zumindest vergleichbare Anforderungen verlangt hat. Das galt insbesondere für die Unabhängigkeit der das Gütesiegel vergebenden Organisation und das Zustandekommen der Vergabekriterien.

An diesen hohen Anforderungen kann jedenfalls zum – für die Beurteilung des in die Zukunft gerichteten und allein noch streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs maßgeblichen – Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr festgehalten werden. Es reichen vielmehr im Hinblick auf diese Kriterien die in Art. 84 ff. UMV niedergelegten Anforderungen aus (vgl. dazu a)), die das angegriffene Siegel erfüllt (dazu b)). Es sei im Übrigen angemerkt, dass die jetzigen Grundsätze und Bedingungen für RAL-Gütezeichen zur Neutralität unter 2.2 sehr unklar gehalten sind („Jede rechtsfähige Gemeinschaft (eingetragener Verein) mit dem Ziel der Gütesicherung kann Träger eines Gütezeichens sein, wenn sie den Nachweis der gesamtwirtschaftlichen Zweckmäßigkeit erbringt und als Mitglied von RAL die Gewähr einer korrekten Handhabung des Satzungswerks bietet“).

a)
Für dieses jetzige Verkehrsverständnis sind, wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2018 ausgeführt, zwei Entwicklungen maßgebend (unklar zu den genauen Anforderungen: Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., Anh. zu § 3 Rn. 2.3; Weidert, in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl., Anh. zu § 3 Abs. 3 Nr. 2 Rn. 8; derselbe, a.a.O., § 5C Rn. 281; BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 39 für ein „Prüfzeichen“, wo einerseits auf die frühere – oben zitierte – Rechtsprechung, andererseits auf die Regelungen zur Unionsgewährleistungsmarke verwiesen wird):

aa)
Zum einen sind dem Verkehr seit längerem Gütezeichen, -siegel bekannt, die sowohl den Anforderungen an die Unabhängigkeit des Zeicheninhabers als auch das Zustandekommen der für eine Vergabe notwendigen Qualitätskriterien den Anforderungen der RAL nicht genügen. Dabei handelt es sich um Prüfzeichen, die eine weite Verbreitung gefunden haben und seit längerem unbeanstandet existieren, mithin allgemein bekannt sind.

Dem Senat sind dienstlich zwei dieser Zeichen bekannt geworden, die er auch in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2018 erörtert hat. Dies betrifft zum einen das – als Unionskollektivmarke geschützte – Gütezeichen „Edelstahl Rostfrei“, dessen Inhaber ein in Form eines eingetragenen Vereins auftretender Industrieverband ist, das von seinen Mitgliedern bei Einhaltung bestimmter Qualitätskriterien genutzt werden kann und an dessen Entstehungsprozess die Öffentlichkeit, insbesondere die Marktgegenseite, die Verbraucher oder andere Organisationen nicht beteiligt waren (vgl. Urteil vom 11.09.2017, I-20 U 74/17). Dies betrifft zum anderen das – als Unionsindividualmarke geschützt gewesene – „Baumwollsiegel“, dessen Inhaber ebenfalls ein Industrieverband ist und dessen Qualitätskriterien ebenfalls ohne Beteiligung Dritter aufgestellt wurden (vgl. Senat, GRUR 2016, 386 und abschließend GRUR-RR 2018, 193). Der Kläger hat dies in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt. Er hat lediglich gemeint, bei „Edelstahl Rostfrei“ handele es sich nicht um ein Gütesiegel, sondern um ein Gütezeichen. Dies ist unerheblich, da die RAL-Grundsätze für Gütezeichen jedweder Form gelten und sich auch die zitierte Rechtsprechung auch auf Gütezeichen allgemein bezog. Mit der Beobachtung des Senats stimmt überein, dass bisher viele Gütezeichen von Industrieverbänden als Kollektivmarken angemeldet wurden, ohne dass dies grundsätzlich als problematisch angesehen wurde (vgl. Schennen, in Eisenführ/Schennen, UMV, 5. Aufl., Art. 66 Rn. 5, 9).

bb)
Des Weiteren hat sich der Gesetzgeber in jüngerer Zeit mit Gütezeichen im weitesten Sinne befasst bzw. befasst sich er sich aktuell damit, wobei die (existierenden bzw. ins Auge gefassten) Regelungen an die Unabhängigkeit des Inhabers des Gütezeichens und das Zustandekommen des Kriterienkatalogs nicht die unter a) genannten hohen Anforderungen stellt.

Zum einen existieren seit dem 01. Oktober 2017 Unionsgewährleistungsmarken (Art. 83 ff. UMV). Sie sollen Waren, für die der Inhaber u.a. eine bestimmte Qualität gewährleistet, von solchen unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung besteht. Damit übernimmt die Gewährleistungsmarke die gleichen Funktionen wie ein Gütezeichen im weitesten Sinne (vgl. auch EuGH GRUR 2017, 816 zum Baumwollsiegel; Schennen, a.a.O., Art. 74a Rn. 17). Der Gesetzgeber hat die Anforderungen des Art. 83 Abs. 2 UMV sowie die Verpflichtungen zur Offenlegung der Kriterien sowie zur Kontrolle (Art. 84 Abs. 2, Art. 91 lit. b) UMV) zur Wahrung der Unabhängigkeit ausreichen lassen (vgl. Leister/Romeike GRUR Int. 2016, 122, 124).

Auch das zuständige Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz plant im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2436 durch ein Markenrechtsmodernisierungsgesetz die Einführung einer nationalen Gewährleistungsmarke. Beide dazu vorliegenden Referentenentwürfe (auffindbar u.a. auf der Website der GRUR) sehen dazu die nahezu vollständige Übernahme der Regelungen der Art. 84 ff. UMV für die nationale Gewährleistungsmarke vor (§§ 106a ff. MarkenG). Die Referentenentwürfe weisen darauf hin, dass damit der wachsenden Bedeutung von „Gütezeichen“ und den „Bedürfnissen des Warenverkehrs nach güte- und qualitätsanzeigenden Kennzeichnungen Rechnung“ getragen werden solle (S. 97 zu Nr. 82). Zur ausdrücklich angesprochenen Wahrung der Neutralität des Inhabers soll es ausreichen, dass – wie in Art. 83 Abs. 2 UMV und zukünftig § 106b Abs. 1 MarkenG-E (vgl. Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie) aufgeführt – der Inhaber selbst auf dem fraglichen Gebiet nicht gewerblich tätig ist. Der Entwurf weist nicht darauf hin, dass diese Anforderungen aus Verbraucherschutzsicht zu niedrig oder auch nur bedenklich sind. Auch die dazu vorliegenden Stellungnahmen (beispielsweise GRUR 2018, 385) gehen darauf nicht ein (kritisch nur Schennen, a.a.O., Art. 74a Rn. 19 für den Fall, dass der Inhaber – anders als hier – kein Verband ist). Eine solche Stellungnahme wäre aber zu erwarten, wenn die Benutzung durch einen Industrieverband als Inhaber eines Gütezeichens auch nur bedenklich wäre. Eine Beteiligung Dritter an der Erstellung der Kriterien wird nicht gefordert.

Soweit der Kläger auf den – durch VOB/A § 7a Abs. 6 EU und § 34 VgV umgesetzten – Art. 43 der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU verweist, demzufolge bestimmte Anforderungen an die von einem öffentlichen Auftraggeber in Bezug genommenen Gütezeichen gestellt werden, so stellt dies nicht eine Definition eines Gütezeichens dar. Vielmehr werden die Gütesiegel beschrieben, auf die der öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrages verweisen darf. Diese Vorschriften sind im Anschluss an eine Entscheidung des EuGH (NZBau 2012, 445) ergangen, wonach Gütesiegel die Gefahr mit sich führen, dass Bieter durch die Art der Aufstellung oder den Zugang zu ihnen diskriminiert würden (vgl. BR-DRs. 87/16 S. 187 zu § 34 VgV). Im Hinblick auf die mit der Benutzung von Gütesiegeln verbundene Gefahr einer Marktverengung müssen diese Gütesiegel zum einen nach einem Konsultationsprozess mit der Öffentlichkeit zustande gekommen sein und zum anderen für alle interessierten Unternehmen offen stehen (vgl. auch BGH NZBau 2012, 652 zum Erfordernis der Zugehörigkeit zu einer Güteschutzvereinigung). Dies besagt nichts dazu, welche Anforderungen der Verkehr allgemein an ein Gütesiegel stellt.

b)
Das von dem Beklagten vergebene Gütesiegel entspricht den so definierten Anforderungen.

aa)
Das angegriffene Zeichen ist geeignet, auf die Qualität der mit dem Zeichen vertriebenen Waren hinzuweisen (vgl. Art. 83 Abs. 1 UMV).

bb)
Der Beklagte übt selbst keine gewerbliche Tätigkeit aus. Dass es sich dabei um einen Industrieverband handelt, ist nach dem unter a) Gesagten unerheblich.

cc)
Gleichfalls ohne Relevanz ist, dass die von dem Beklagten aufgestellten Qualitätskriterien ohne vorherige Konsultation mit der Öffentlichkeit oder der Marktgegenseite zustande gekommen sind.

dd)
Die Kriterien sind auch öffentlich (BGH GRUR 2016, 1076 Rn. 41 ff. zu einem Prüfzeichen; vgl. Art. 84 UMV).

Sie sind auf der Webseite des Beklagten ohne Probleme einsehbar und Bestandteil der Markensatzung.

Sie betreffen ausweislich der vorgelegten Markensatzung (Nr. 5) und den in Bezug genommenen öffentlich bekannt gemachten X.-Güterichtlinien sowie Prüfrichtlinien die Qualität der Erzeugnisse als solche und nicht nur die Etikettierung. Die Kriterien für die Waren werden ausdrücklich ausgeführt. Soweit der Kläger auf Äußerungen des Beklagten verweist („Grundlage dafür ist die wirkliche Vergleichbarkeit von Fugendichtstoffen anhand von übergeordneten Parametern, unabhängig von der Qualität“, „Das X. vergibt das X.-Gütesiegel, das die Transparenz in der Darstellung der Produkteigenschaften, der vorgeschriebenen Normungsbereiche, der Umweltvorgaben etc. von Fugendichtstoffen verbindlich festschreibt, geprüft durch das renommierte Z. So sind erstmals die technischen Daten der Hersteller für den Verarbeiter wirklich vergleichbar (Anlage K 3), kann offen bleiben, ob diese die damaligen Anforderungen an das Gütesiegel vollständig beschrieben haben; jedenfalls nach dem jetzigen Stand sind diese Kriterien Bestandteil der Vergaberichtlinien des Beklagten.

Soweit der Kläger darauf verweist, die wegen der näheren Einzelheiten in Bezug genommenen DIN-Normen seien nur gegen Entgelt erhältlich, steht dies einer hinreichenden Öffentlichkeit der Qualitätskriterien im lauterkeitsrechtlichen Sinne nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof (GRUR 2016, 1076 – Rn. 35) hat es ausreichen lassen, wenn auf der Internetseite „für den Verbraucher nähere Informationen in Form von kurzen Zusammenfassungen der bei der Prüfung herangezogenen Kriterien zur Verfügung stehen“. Dem genügt der Beklagte, weil die Anforderungen im Wesentlichen in den veröffentlichten Prüfungsrichtlinien beschrieben werden. Auch im Übrigen muss bei einer Werbung mit Testergebnissen zwar die Fundstelle angegeben werden (Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 5 Rn. 2.289 m.w.N.), dass die jeweiligen Hefte aber entgeltpflichtig erworben werden müssen, ist aber seit jeher als unschädlich angesehen worden.

ee)
Es findet auch eine hinreichende Prüfung statt. Nach der Markensatzung (Nr. 8) wird die Einhaltung der Qualität sowohl bei der Beantragung eines Gütesiegels durch ein Unternehmen als auch laufend (in Form von Stichproben) geprüft, Art. 84 Abs. 2, Art. 91 Abs. 1 lit. b) UMV; vgl. dazu Schennen, a.a.O., Art. 74 Rn. 3). Auch Sanktionen sind vorgesehen. Die Kompetenz und Unabhängigkeit des von dem Beklagten beauftragten Instituts steht nicht in Zweifel. Soweit der Kläger meint, das Institut sei nur mit der Prüfung auf Übereinstimmungen mit Äußerlichkeiten beauftragt, stimmt dies nicht mit den von dem Beklagten vorgelegten schriftlichen Unterlagen (z.B. BPB 37) überein. Dass der Beklagte tatsächlich nicht prüft, wird nicht vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt.

ff)
Der Kläger kann auch nicht einwenden, der Beklagte vergebe sein Gütesiegel nur an Mitglieder.

Der Senat kann bereits aus tatsächlichen Gründen nicht davon ausgehen, dass dies gegenwärtig geschieht. Ausweislich Nr. 7 der Markensatzung (Anlage PBP 43) kann jedes Unternehmen unabhängig von einer Mitgliedschaft zum Beklagten einen Antrag auf Nutzung des Gütesiegels stellen. Frühere abweichende Äußerungen des Beklagten sind damit überholt. Dass der Beklagte davon abweichend das Gütesiegel nur an Mitglieder vergibt, ist nicht vorgetragen.

Im Übrigen ist zweifelhaft, ob eine Beschränkung auf Mitglieder des Inhabers lauterkeitsrechtlich einem Gütesiegel entgegen gehalten werden kann. Auch andere Gütesiegel sind auf Mitglieder beschränkt (vgl. oben unter a)), ohne dass dies beanstandet worden wäre. Art. 84 Abs. 2 UMV lässt dies – ebenso wie bereits Art. 75 Abs. 2 UMV für eine Unionskollektivmarke – zu.

c)
Die Frage, ob für den Fall, dass die von dem Beklagten als Unionsgewährleistungsmarke eingetragen werden sollte, eine Untersagung der Benutzung unter den vom Kläger angesprochenen Aspekten von Rechts wegen überhaupt in Betracht kommt, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung. Dies dürfte davon abhängen, ob die Regelungen in Art. 83 ff. UMV zur Neutralität des Inhabers, zur Veröffentlichung der Kriterien, zur Beteiligung Dritter und zur Überprüfung als abschließend im Sinne des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG anzusehen sind oder nicht (vgl. dazu EuGH. C-632/16 – Urteil vom 25. Juli 2018 – ECLI:EU:C:2018:599; s. auch Art. 137 Abs. 2 UMV; zu Art. 16 UMV EuGH GRUR 2018, 78).

3.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die näheren Anforderungen an Gütesiegel sind von der Rechtsprechung in jüngerer Zeit nicht mehr behandelt worden und bedürfen vor dem Hintergrund der neueren Rechtsentwicklung der Überprüfung.

Streitwert: 25.000 €

Nachinstanz:
BGH, Az. I ZR 161/18