LG Hannover: Irreführende Wirkungsaussage bei Zahnpasta gegen Vitamin B12-Mangel

veröffentlicht am 12. April 2018

LG Hannover, Urteil vom 09.05.2017, Az. 32 O 76/16
§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB; § 3a UWG; Art. 2 Anhang 3 EUV 655/2013

Die Entscheidung des LG Hannover finden Sie unten im Volltext und hier von uns zusammengefasst (LG Hannover – Zahnpasta mit B12).


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Landgericht Hannover

Urteil

I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstand, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1.
für das Produkt „ … “ und/oder das Produkt „…“ zu werben:

„kann – regelmäßig angewendet – den Vitamin B12-Mangel […] ausgleichen“,

sofern dies geschieht wie in Anlage K 3, K 4 und K 6 wiedergegeben,

2.
für das Produkt „…“ zu werben:

„Verbesserung der Vitamin B12-Versorgung um 60% nach 4-wöchiger Anwendung“,

sofern dies geschieht wie in Anlage K 3 und K 5 wiedergegeben.

II.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 178,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2016 zu zahlen.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

IV.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar, bezogen auf die Unterlassungsverpflichtung jedoch nur gegen Sicherheit in Höhe von € 100.000,00 und bezogen auf die Vollstreckung der Zahlungsverpflichtung und Kosten gegen Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Beklagte entwickelt, produziert und verkauft Naturkosmetikprodukte. Zu den von ihr vertriebenen Produkten gehört  … die in zwei Versionen angeboten wird: mit Zusatz von Fluorid („…“) sowie fluoridfrei („… Das Vitamin B12 ist in der Zahnpasta in der Variante  … enthalten.

Auf der Umverpackung der „…“ (Anlage K 3, Bl. 50-51 d.A.) und der Umverpackung von „…“ (Anlage K 4, Bl. 52-53 d.A.) wirbt die Beklagte damit, dass das Produkt Vitamin B12 enthält. Es heißt dort:

… Das wertvolle Vitamin B12 […] wird vom Organismus über die Mundschleimhäute aufgenommen und kann – regelmäßig angewendet – den Vitamin B12-Mangel reduzieren oder sogar ausgleichen.

Auf der Umverpackung der „…“ ist ferner in einem roten Feld mit weißer Schrift angegeben:

Verbesserung der Vitamin
B12-Versorgung um 60% nach
4-wöchtiger Anwendung*

Dem Hinweiszeichen (Asteriskus) ist unterhalb des roten Feldes folgender Text zugeordnet:

*Testergebnis bei 2x täglicher Anwendung einer B12-Zahncreme über einen Zeitraum von 4 Wochen.

Quelle: ….

In einer als Anlage K 5 vorgelegten Werbebroschüre ist unter der Überschrift „…“ auf Seite 12 angegeben:

[…] Die Kombination aus Natriumfluorid und Vitamin B12 […] sorgt für eine Verbesserung der Vitamin-B12-Versorgung um 60 Prozent nach vierwöchiger Anwendung.“

Unstreitig ist Vitamin B12 für den menschlichen Körper wichtig. Die Zufuhrempfehlung von Vitamin B12 für gesunde erwachsene Männer und Frauen beträgt 3 µg/Tag. Vitamin B12 wird ausschließlich von Mikroorganismen produziert und kommt in einer für den Menschen verfügbaren Form fast nur in tierischen Lebensmitteln vor, was Veganer vor Versorgungsprobleme stellt.

Im Buch „Bioavailability 2001 – abstract book“ der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich gibt es eine zusammenfassende Inhaltsangabe einer Studie (abstract) mit dem Titel „vitamins in toothpaste: bioavailability and effect on plasma homocysteine concentrations“ von Dierkes, Westphal und Luley, „Institute of Clinical Chemistry and Biochemistry, University of Marburg, Germany“ (Anlagenkonvolut B 6; Bl. 156 – 157 d.A.). In jenem abstract heißt es:

Background: […] The effect on blood vitamin levels on healthy volunteers was studied […] after the use of this toothpaste for four weeks. In addition, the effect on the total homocysteine concentrations was tested after the use of the vitamin enriched tooth paste for four weeks.

Design: […]

In a second part of the study, the effect on vitamins and homocysteine concentrations was tested in a randomized, placebo-controlled study including 44 volunteers who used either the vitamin enriched toothpaste or a placebo toothpaste for four weeks. […] In addition to the other vitamins, this toothpaste contained also 50 µg/g vitamin B12.

Results: […]

In the second study […] vitamin B12 concentrations increased by 60% in the vitamin group. […].

Conclusions: This study showed that […] vitamin B12 from toothpaste are absorbed. This offers an interesting, alternative route to increase the intake of these vitamins.

Der Kläger behauptet, entgegen der werbenden Aussage sei eine Aufnahme über die Mundschleimhaut nicht möglich. Nach aktuellem Forschungsstand sei es ausgeschlossen, dass das bloße Putzen mit einer Vitamin B12-haltigen Zahnpasta einen nennenswerten Einfluss auf den Vitamin B12-Status hat. Vitamin B12 werde ausschließlich über Rezeptoren im Dünndarm aufgenommen, nicht über die Mundschleimhaut.

Der Kläger macht geltend, der mit der Werbung angesprochene Personenkreis (Veganer und andere Personen, die Vitamin B12 aus unterschiedlichen Gründen lediglich reduziert absorbieren können und sich um ihre ausreichende Vitamin B12-Versorgung sorgen) verstehe die zu Ziffer I.1 angegriffene Aussage dahingehend, dass es zum Ausgleich eines vorhandenen Vitamin B12-Mangels ausreiche, sich regelmäßig, also zweimal am Tag, die Zähne mit dem Zahngel oder der Zahncreme zu putzen.

Die bei zweimaligem Zähneputzen verwendete Gesamt-Zahnpastamenge enthalte insgesamt 3 µg Vitamin B 12, mithin die der Zufuhrempfehlung entsprechende Menge. Da die Zahnpasta jedoch beim Putzvorgang ganz überwiegend wieder ausgespuckt und die Mundhöhle ausgespült werde, sei eine Deckung des Vitamin B 12-Bedarfs durch Zähneputzen mit den streitgegenständlichen Zahnpflegemitteln schon rechnerisch ausgeschlossen.

Hinzu komme, dass für die Freisetzung von Vitamin B12 Säure erforderlich sei. Eine Zahnpasta sei jedoch nicht säurelastig, sondern basisch.

Der Kläger rügt, die Beklagte verstoße mit ihrer Werbeaussage gegen § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und gegen die Verordnung (EU) Nr. 655/2013.

Er meint, die als Anlage B 6 vorgelegte Zusammenfassung erbringe keinen Wirknachweis. Zum einen lasse die Zusammenfassung die Untersuchungsparameter, Methoden und Einzelergebnisse nicht erkennen. Problematisch sei ferner die zusätzliche Anreicherung der bei der Studie verwendeten Zahnpasta mit Folsäure und Vitamin B6. Zudem hätten vier Blutparameter untersucht werden müsse, was nicht geschehen sei. Die Schlussfolgerungen seien mithin nicht wissenschaftlich gesichert.

Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 13. Juli 2016 (Anlage K 12, Bl. 91-95 d.A.) ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dem trat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 20.07.2016 (Anlage K 13, Bl. 96-99 d.A.) entgegen.

Der Kläger beantragt,

I. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstand, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

1. für das Produkt „…“ und/oder das Produkt „…“ zu werben:

„kann – regelmäßig angewendet – den Vitamin B12-Mangel … ausgleichen“,

sofern dies geschieht wie in Anlage K 3, K 4 und K 6 wiedergegeben,

2.  für das Produkt „…“ zu werben:

„Verbesserung der Vitamin B12-Versorgung um 60% nach 4-wöchiger Anwendung“,

sofern dies geschieht wie in Anlage K 3 und K 5 wiedergegeben.

II. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 178,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die von ihr verwendeten streitgegenständlichen Wirkaussagen seien zutreffend. Die Konzentration betrage bei beiden Produkten 0,01% (= 100 µg/g) Cyanocobalamin.

Auf der Grundlage der SCCS-Standards mit einer Zahncreme-Anwendungsmenge von 2,75 g pro Tag, also 275 µg sei bei Benutzung der Zahncreme der Beklagten immerhin von einer Vitamin B12-Exposition von 13 µg pro Tag auszugehen.

Die (sublinguale) Aufnahme von Vitamin B12 durch die Mundschleimhaut, welche jedoch mit den Produkten der Beklagten nicht primär verfolgt werde, sei möglich; dies belegten die als Anlagen B 3 und B 4 vorgelegten Veröffentlichungen von  … et al. bzw. …. Die Richtigkeit der umstrittenen Wirkaussagen werde durch Untersuchungen des Instituts IFANE, Gießen, aus dem Jahr 2012 und dem Jahr 2016 gestützt.

Neben der sublingualen Aufnahme sei auch die (orale) Aufnahme über die Darmschleimhaut zu bedenken. Einer Studie zufolge verschlucke ein Erwachsener pro Zahnputzvorgang 0,08 g der Zahncreme, bei zwei Zahnputzvorgängen am Tag also 0,16 g. Bei Verwendung der Zahncreme der Beklagten würden demnach täglich 16 µg Vitamin B12 über den Darm aufgenommen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger kenne die als Anlage K 5 vorgelegte Broschüre, die mit dem Jahreswechsel 2015 „verbraucht“ gewesen sei, bereits seit dem Jahr 2014, und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Studie „vitamins in toothpaste: bioavailability and effect on plasma homocysteine concentrations“ von Dierkes, Westphal und Luley von der Universität Marburg habe allen wissenschaftlichen Anforderungen an derartige Studien entsprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vortrag der Parteien wird auf ihre vorbereitenden anwaltlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klage ist der Beklagte am 28.10.2016 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

I.
Die zulässige Klage ist zulässig und begründet.

1.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch betreffend die Werbeaussage „kann – regelmäßig angewendet – den Vitamin B12-Mangel […] ausgleichen“ (Klageantrag Ziffer I.1) aus §§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 LFGB zu. Danach kann ein Verband zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen, der die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfüllt, von einem werbenden Unternehmer verlangen, werbende Aussagen zu unterlassen, wenn ein Produkt mit irreführenden Aussagen bewirbt und wenn zu besorgen ist, dass der Unternehmer die Werbung wiederholt.

a)
Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen klagebefugt.

Ihm gehört nach seinem substantiierten und im Einzelnen nicht bestrittenen Vortrag eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel oder Heilmittel auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte. Die geltend gemachte Zuwiderhandlung berührt die Interessen dieser Mitglieder.

Der Kläger ist – wie seine gerichtsbekannte langjährige und umfangreiche Tätigkeit belegt – nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung auch imstande, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen (OLG Celle, 10.03.2016 – 13 U 77/15, juris-Rn. 18).

b)
Die vom Kläger beanstandete Werbeaussage, die Zahnpasta könne bei regelmäßiger Anwendung den Vitamin B12-Mangel reduzierten oder sogar ausgleichen, ist bezogen auf die (insoweit allein beanstandete) Aussage, ein Mangel könne bei Verwendung eines der beiden Produkte der Beklagten ausgeglichen werden, irreführend im Sinne von § 27 Abs. 1 LFGB und damit verboten. Nach jener Norm ist es verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt dabei insbesondere dann vor, wenn einem kosmetischen Mittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB). Im Einzelnen:

(1)
Bei Zahnpasta handelt es sich nicht um ein Lebensmittel, sondern um ein Kosmetikum. Die Belegbarkeit von Werbeaussagen bei kosmetischen Mittel erfordert im Hinblick auf die in Nr. 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 enthaltenen Regelungen im Grundsatz nicht, dass die Aussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen sind (vgl. BGH, 28.01.2016 – I ZR 36/14 [„Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir“], juris-Rn. 19). Nach der Nummer 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel (lediglich) durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, wobei neben Sachverständigengutachten auch andere Arten von Nachweisen herangezogen werden können, sofern diese Nachweise den Stand der Technik berücksichtigen (Nrn. 1 und 2). Eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung im Sinne dieser Vorschrift kann sich schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht (BGH, a.a.O., juris-Rn. 20).

Bei gesundheitsbezogenen Werbeaussagen gelten jedoch höhere Anforderungen. Denn die Beweiskraft der Nachweise bzw. Belege muss mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen. So gibt es nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 höhere Beweisanforderungen im Zusammenhang mit Werbeaussagen, bei denen eine fehlende Wirksamkeit ein Sicherheitsproblem verursachen könnte, als für Werbeaussagen, bei denen dies nicht der Fall ist. (vgl. BGH,a.a.O., juris-Rn. 19).

Im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, 07.05.2015 – I ZR 29/14 [„Äquipotenzangabe in Fachinformation“], juris-Rn. 16).

Es ist irreführend, wenn eine Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen (BGH, 07.05.2015 – I ZR 29/14 [„Äquipotenzangabe in Fachinformation“], juris-Rn. 16). Ein solcher Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit kommt zum einen in Betracht, wenn die als Beleg angeführte Studie den vom Verkehr nach den Umständen des Einzelfalls zugrunde gelegten Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Eine Irreführung liegt zum anderen regelmäßig dann vor, wenn die in Bezug genommene Studie selbst Zweifel erkennen lässt, die Werbung indessen diese Einschränkungen nicht wiedergibt (BGH, I ZR 62/11 [„Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“], juris-Rn. 17).

Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH, I ZR 62/11 [„Basisinsulin mit Gewichtsvorteil“], juris-Rn. 19).

(2)
Zwar ist es zunächst Sache des den Vorwurf der irreführenden Werbung erhebenden und insoweit im Grundsatz beweispflichtigen Klägers darzulegen, dass die gesundheitlichen Aussagen der Beklagten fachlich umstritten sind; erst wenn Anhaltspunkte feststehen, dass die gesundheitsbezogene Angabe fachlich umstritten ist, muss der Werbende die gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis mit Substanz darlegen und beweisen. Die Zweifel ergeben sich vorliegend aber aus dem von der Beklagten als Anlage B 7 vorgelegten Abschlussbericht des IFANE Gießen vom April 2016, wonach der Resorptionsweg des im Zahngel enthaltenen Vitamin B12 unklar sei (Bl. 172 d.A.). Geworben wird jedoch mit der Angabe „über die Mundschleimhäute“.

(3)
Dass die Resorption von Cyanocobalamin über die Mundschleimhäute in einem für den Vitamin B12-Status erheblichen Ausmaß möglich ist, hat die Beklagte nicht belegt.

Geworben wird mit Erkenntnissen des Instituts für klinische Chemie und Biochemie der Universität Marburg aus dem Jahr 2011. Eine solche Studie legt die Beklagte nicht vor. Sie bezieht sich auf eine Studie von IFANE, Gießen, in der u.a. auf eine zusammenfassende Beschreibung einer Studie von Wissenschaftlern des Instituts für klinische Chemie und Biochemie der Universität Marburg und deren Schlussfolgerungen, veröffentlicht im Buch „Bioavialability 2001“ der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Ob die Untersuchung aus dem Jahr 2001 (oder früher) mit insgesamt 44 Probanden (von denen auf Bl. 124 nicht vorgetragen ist, wie viele davon der Placebo-Gruppe angehörten) dem wissenschaftlichen Standard entspricht, ist der Zusammenfassung aber nicht hinreichend zu entnehmen und damit unklar. Der Zusammenfassung ist nicht zu entnehmen, dass die Studie doppelt verblindet durchgeführt wurde, dass also weder den Studienteilnehmen (Probanden) noch den Studienpersonal bekannt war, wer von den Probanden zur Verum-Gruppe und wer zur Placebo-Gruppe gehörte.

Eine weitere Aufklärung der Studienbedingungen durch Beweisaufnahme ist insoweit nach Ansicht der Kammer nicht geboten. Denn von jener Untersuchung ist nach dem Vortrag der Parteien nur die Ergebnis-Zusammenfassung (abstract) veröffentlicht, was für eine wissenschaftliche Diskussion unzureichend erscheint.

Die Veröffentlichung in der Januar 2017-Ausgabe des American Journal of Clinical Nutricion (AJNC) über eine Studien mit 76 Veganern als Probanden (Anlage B 12, Bl. 228 ff. d.A.) ist schon deshalb unerheblich, weil die streitgegenständliche Werbeaussage die Möglichkeit des Ausgleichs eines bestehenden – bezogen auf die Ausprägung nicht näher beschriebenen – Vitamin B 12-Mangels umfasst. Dass jene Studie zu einem solchen Ergebnis (Möglichkeit des Ausgleichs) gekommen ist, trägt die Beklagte nicht vor

c)
§ 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist eine dem Schutz der Verbraucher dienende Marktverhaltsregelung im Sinne von § 3a UWG.

d)
Dass der Kläger bei der Wiedergabe der von ihm beanstandeten werbenden Aussage im Klageantrag einen Teil der Aussage ausgelassen und im Zitat durch Punkte ersetzt hat, ist unproblematisch. Durch das Weglassen des Textteils wird der wesentliche Inhalt der Werbeaussage vorliegend nicht verfälscht. Die Beschränkung dient vielmehr der Klarstellung, worauf sich das Unterlassungsbegehren im Kern bezieht.

Soweit – abweichend vom Klageantrag – in der Urteilsformel die die Auslassung kennzeichnenden Punkte in einer eckigen Klammer angegeben sind, ist damit keine inhaltliche Abweichung vom Klageantrag verbunden, sondern eine bloße redaktionelle Anpassung der Darstellungsweise an anerkannte Regeln bei Zitaten.

2.
Aus den vorstehend erörterten Gründen hat der Kläger ferner einen Unterlassungsanspruch wegen der weiteren beanstandeten Werbeaussage, die Verwendung der „…“ beim Zähneputzen verbessere die Vitamin B12-Versorgung um 60 % nach vierwöchiger Anwendung (Klageantrag Ziffer I.2). Hinzu kommt, dass auf der Umverpackung der Zahncreme auf eine Studie aus den Jahr 2011 verwiesen wird. Eine Studie im Jahr 2011 trägt die Beklagte jedoch nicht vor. Als Anlage B 6 ist nur eine Zusammenfassung (abstract) einer Studie vorgelegt worden, welche aus dem Jahr 2001 oder früher stammt.

Es ist insoweit auch irreführend, werbend auf eine Studie zu verweisen, die zehn Jahre älter ist als angegeben. Aus Verbrauchersicht sind Einzelheiten wie der Name des die Studie betreibenden Instituts und das Datum der Studie durchaus von Bedeutung. Wird mit einer Studie geworben, die lange zurückliegt, stellt sich für potentielle Kunden – zu denen auch die Kammermitglieder gehören – die Frage, warum nicht auch andere Hersteller Zahnpasta mit Vitamin B12 anbieten. Werbung mit Bezugnahme auf eine alte, als einzige Quelle angegebene Studie ist jedenfalls dann, wenn es nicht eine Vielzahl an Konkurrenzprodukten mit dem beworbenen Zusatz gibt, weit weniger überzeugend als bei einem Hinweis auf eine neue wissenschaftliche Studie.

3.
Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Der sechsmonatige Verjährungslauf (§ 11 Abs. 1 UWG) ist durch die Klageerhebung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Nach dem Vortrag der Parteien ist davon auszugehen, dass die Umverpackung mit dem beanstandeten Text (Anlagen K 3 und K 4) weiterhin Verwendung findet, also nicht bereits ein halbes Jahr oder länger vor dem Einreichen der Klageschrift vom Markt genommen wurde. Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob die Verwendung der Umverpackung bei unveränderter Gestaltung und gleichem Text rechtlich als Dauerhandlung oder aber als fortgesetzte Handlung anzusehen ist. Denn die Verjährung von Unterlassungsansprüchen aufgrund einer Dauerhandlung kann nicht beginnen, solange der Eingriff fortdauert; bei wiederholtem (fortgesetztem) Handeln wiederum reicht es aus, wenn der letzte Teilakt weniger als sechs Monate zurückliegt.

Ob die als Anlage K 5 vorgelegte und in den Klageantrag einbezogene Werbebroschüre seit Anfang 2016 nicht mehr an Verbraucher abgegeben wird, wie es die Beklagte behauptet, kann offen bleiben. Die mögliche Einstellung der Verbreitung der streitgegenständlichen Werbebroschüre Ende 2015/Anfang 2016 und eine bereits damalige Kenntnis des Klägers vom Inhalt der Broschüre ändert nichts daran, dass der Unterlassungsanspruch weiterhin durchsetzbar ist. Denn die in jener Broschüre enthaltene Textpassage „[…] Verbesserung der Vitamin B-12 Versorgung um 60 Prozent nach vierwöchiger Anwendung“ ist wortgleich auf der Umverpackung der Zahncreme (Anlage K 3) zu finden.

4.
Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Anspruch auf eine Abmahnkostenpauschale zu.

Für eine erste Abmahnung ohne anwaltliche Vertretung ist einem Verband zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ein Erstattungsanspruch wegen der entstandenen Eigenkosten zuzubilligen. Dabei geht es um eine Pauschale zum Ausgleich der anteiligen Personal- und Sachkosten (OLG Düsseldorf, 25.02.2016 – 15 U 58/15, juris-Rn. 35). Der vorliegend geltend gemachte Betrag erscheint angemessen. Er ist sogar etwas geringer als die vom OLG Düsseldorf im Verfahren 15 U 58/15 zugesprochene Pauschale in Höhe von € 196,35 und entspricht dem vom OLG Celle in einer anderen Sache (13 U 77/15) zugesprochenen Betrag.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. Für die Höhe der Sicherheitsleistung sind nicht nur die bei der Zwangsvollstreckung anfallenden Kosten bedeutsam, sondern auch ein möglicher Schaden, den die Beklagte als Schuldnerin im Fall der Zwangsvollstreckung erleiden kann.