LG Bochum: Informationspflichten für Händler bei eBay-Kleinanzeigen

veröffentlicht am 18. April 2018

LG Bochum, Urteil vom 26.07.2016, Az. I-17 O 17/16
§ 8 Abs. 1 UWG, § 3 UWG, § 3a UWG

Die Entscheidung des LG Bochum haben wir hier besprochen (LG Bochum – Informationen bei eBay-Kleinanzeigen), den Volltext finden Sie nachfolgend:


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Landgericht Bochum

Urteil

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 991,52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
 
Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung der Kosten einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung.

Beide Parteien handeln im Internet mit E-Zigaretten und entsprechendem Zubehör, insbesondere Liquids. Der Beklagte unterhält Onlineshops auf den Portalen „B“ und „F“.

Im Hinblick auf den Handel über Onlineshops mahnte der Kläger den Beklagten mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 31.07.2015 wegen des Fehlens einer Umsatzsteueridentifikationsnummer, von Informationen über das Muster-Widerrufsformular, von Informationen über das Mängelhaftungsrecht und von Informationen über die Schritte zum Vertragsschluss, die Speicherung des Vertragstextes nach Vertragsschluss und die Möglichkeiten von Korrekturen nach Eingabefehlern ab. Unter dem 07.08.2015 gab der Beklagte eine entsprechende Unterlassungserklärung ab, die der Kläger mit Schreiben vom 10.08.2015 bestätigte. Wegen der Einzelheiten dieses Abmahnschreibens vom 31.07.2015, der Unterlassungserklärung vom 07.08.2015 und dem Schreiben vom 10.08.2015 wird auf die Anlagen K6, K7 und K 8 (Bl. 38 ff., 41, 42 der Akte) Bezug genommen. Die Kosten der Abmahnung vom 31.07.2015 erstattete der Beklagte dem Kläger in der Folge.

Im November 2015 bot der Beklagte auf der Plattform „F-Kleinanzeigen“ Liquids für E-Zigaretten an. Im Rahmen dieser Angebote fehlten Informationen über das gesetzliche Muster-Widerrufsformular, über das gesetzliche Mängelhaftungsrecht, über die Schritte zum Vertragsschluss, über die Speicherung des Vertragstextes und die technischen Mittel zur Erkennung von Eingabefehlern sowie über das Widerrufsrecht an sich. Wegen der Einzelheiten dieser Angebote wird auf die Anl. K5 (Bl. 25 ff. der Akte) verwiesen.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.11.2015 mahnte der Kläger den Beklagten im Hinblick auf die fehlenden Informationen bei den Angeboten auf „F-Kleinanzeigen“ ab. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anl. K9 (Bl. 43 ff. der Akte) verwiesen. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2015 gab der Beklagte die geforderte Unterlassungserklärung ab, die der Beklagte in der Folge annahm. Die Kosten der Abmahnung vom 19.11.2015, die der Kläger mit einer 1,3 fachen Gebühren nach einem Gegenstandswert von 35.000,00 EUR, zuzüglich einer Postpauschale von 20,00 EUR, mithin insgesamt 1.239,40 EUR berechnete, zahlte der Beklagte nicht. Der Kläger macht daher mit der vorliegenden Klage diesen Betrag geltend.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Angebote des Beklagten bei „F-Kleinanzeigen“ den in der Abmahnung genannten Informationspflichten unterfallen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen an ihn 1.239,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Angebote bei „F-Kleinanzeigen“ den Informationspflichten nicht unterfallen, weil dort keine Routine vorhanden sei, über die der Käufer sein Angebot in rechtlich bindender Weise ohne Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer abgeben könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 14.06.2016 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet. Diese Entscheidung beruht – gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefasst – auf folgenden Erwägungen:

Dem Kläger steht nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten nur i.H.v. 991,52 EUR zu, weil die vom Kläger ausgesprochene Abmahnung vom 19.11.2015 nur teilweise berechtigt war.

1.
Ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3, 3 a UWG stand dem Kläger wegen der gerügten Verletzung von Informationspflichten nur hinsichtlich des Muster Widerrufsformulars (§ 312 d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, § 312 g Abs. 1 BGB), des gesetzlichen Mängelhaftungsrecht (§ 312 d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB) und des Widerrufsrechts an sich (§ 312 d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, § 312 g Abs. 1 BGB) zu. Denn bei den Angeboten des Beklagten bei „F-Kleinanzeigen“ handelt es sich um solche im Fernabsatz, bei denen diese Informationspflichten nach § 312 Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246 a § 4 Abs. 1 EGBGB vor Abgabe der Vertragserklärung durch den Verbraucher zu erfüllen sind.

Fernabsatzverträge sind nach der Legaldefinition des § 312 c BGB solche, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Ein Fernabsatzsystem in diesem Sinne liegt vor, wenn die Voraussetzung vorhanden sind, Geschäfte regelmäßig im Fernabsatz zu bewältigen (Münchner Kommentar/Wendehorst, BGB, 7. Auflage 2016, § 312 c Rn. 21). Das Gesamtbild muss sich als typisches Distanzgeschäft darstellen (Münchner Kommentar/Wendehorst, a.a.O., Rn. 23). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Unternehmer explizit mit Fernabsatzmethoden („Versandhandel“, „F-Shop“) wirbt; es reicht aus, wenn der Unternehmer rein faktisch auf den Abschluss von telefonischen Geschäften in größerem Umfang eingerichtet ist (Münchener Kommentar/Wendehorst, a.a.O., Rn. 24). Tatsächliche Verkäufe/Geschäfte müssen noch nicht stattgefunden haben. Der Ausnahmetatbestand nach § 312 c Abs. 1 a.E. BGB, für den der Unternehmer die Beweislast trägt, ist dabei eng auszulegen (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage 2016, § 312 c Rn. 6).

Für die Plattform „F-Kleinanzeigen“ gilt, dass deren Grundkonzeption darauf ausgelegt ist, mit der Anzeige die Basis für eine Kontaktaufnahme zwischen potentiellen Käufer und Verkäufer zu bieten. Hinsichtlich der Frage eines Fernabsatzes ist diese Grundkonzeption neutral. Ob die durch die „F-Kleinanzeigen“ bewirkte Kontaktaufnahme, die typischerweise per Telekommunikationsmittel (Telefon oder E-Mail) erfolgen wird, dann zu einem Vertragsschluss per Telekommunikationsmittel führt oder zu einem persönlichen Treffen zwischen Käufer und Verkäufer führt, bei dem dann die zum Vertrag führenden Erklärungen abgegeben werden, ist bei „F-Kleinanzeigen“ somit nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen. Dabei liegt es bei werthaltigen, teuren Waren, zudem wenn sie gebraucht sind, nahe, dass diese erst nach persönlicher Inaugenscheinnahme vor Ort erworben werden. Sind die Waren hingegen geringpreisig und werden sie als neu angeboten, ist in aller Regel nicht anzunehmen, dass sie erst nach einer solchen persönlichen Vorsprache beim Verkäufer erworben werden. Hierbei liegt vielmehr ein Abschluss des Vertrages mit Telekommunikationsmittel (und ein späterer Versand der Ware) nahe.

Im vorliegenden Fall sprechen die Art der vom Beklagten angebotenen Neuwaren, vor allem aber der geringe Kaufpreis, beim „SC e-Liquid Blaubeere“ gerade einmal 3,00 Euro, eindeutig dafür, dass diese Waren in aller Regel nach telefonischer Kontaktaufnahme und telefonischem Vertragsschluss an den Käufer versandt werden. Denn es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass kaum ein Kunde wegen einer solchen Ware den Aufwand einer persönlichen Vorsprache beim Beklagten auf sich nehmen wird. Der Beklagte hat hier auch nichts Abweichendes aufgezeigt. Er hat insbesondere nicht dargelegt, wie Verkäufe der bei „F-Kleinanzeigen“ von ihm angebotenen Liquids tatsächlich von statten gehen.

Vielmehr unterhält der Beklagte Online-Shops bei „F“ und „B“ und besitzt damit ersichtlich die Möglichkeiten, Geschäfte regelmäßig und in größerem Umfang im Fernabsatz zu bewältigen, so dass bei ihm von einem Fernabsatzsystem auszugehen ist. Das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes im vorliegenden Fall hat der Beklagte unter diesen Umständen nicht darlegen und nachweisen können.

2.
Ein Unterlassungsanspruch im Hinblick auf das vom Kläger in der Abmahnung gerügte Fehlen der Informationen zu den Schritten zum Vertragsschluss, zur Speicherung des Vertragstextes und zur Beseitigung von Eingabefehlern bei den Angeboten bei „F-Kleinanzeigen“ steht dem Kläger gegen den Beklagten dagegen nicht zu. Voraussetzung für eine dahingehende Verpflichtungen ist nach § 312 i Abs. 1 Nr. 2 BGB, Art. 246 c EGBGB, dass es sich um elektronischen Rechtsverkehr handelt, der hier jedoch nicht vorliegt. Denn elektronischer Rechtsverkehr im Sinne des § 312 i BGB erfordert den Einsatz von elektronischen Kommunikationsmitteln; telefonisch abgeschlossene Verträge werden davon gerade nicht erfasst (Palandt/Grüneberg a.a.O. § 312 i Rn. 2). Aber auch wenn ein Vertragsschluss im Hinblick auf die Angebote bei „F-Kleinanzeigen“ durch den Austausch von E-Mails zu Stande kommen würde, wäre er nach § 312 i Abs. 2 BGB von den Pflichten nicht erfasst, weil diese nicht für eine solche individuelle Kommunikation gelten.

3.
Ausgehend davon, dass von dem Gegenstandswert von insgesamt 35.000,00 EUR für die Abmahnung – der angemessen ist – ein Teilbetrag von 6.666,66 EUR (ein Drittel von 20.000,00 EUR) auf den nichtberechtigten Teil der Abmahnung entfällt, kann der Kläger somit nur 4/5 der Kosten von 1.239,40 EUR, d.h. einen Betrag von 991,52 EUR beanspruchen.

4.
Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen folgt aus §§ 291, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.